Gericht | OLG Brandenburg 2. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 05.09.2024 | |
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Aktenzeichen | 2 Ws 106/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0905.2WS106.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) vom 5. Juni 2024 zu Ziffern 6. a) und 6. c) der Beschlussformel aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten in diesem entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
I.
Mit Beschluss vom 5. Juni 2024 hat die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) die weitere Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Cottbus vom 13. Oktober 2009 angeordneten Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt. Darüber hinaus hat sie festgestellt, dass Führungsaufsicht eintritt, und deren Höchstdauer nicht abgekürzt. Für die Dauer der Führungsaufsicht hat sie den Verurteilten der Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe unterstellt. Zudem hat sie ihm Weisungen erteilt, unter anderem,
„den Wohnsitz und die ambulante Betreuung bei dem intensivbetreuten Einzelwohnen der … gGmbH, …, beizubehalten. Wohnortwechsel sind mit der Bewährungsstelle und dem Gericht abzustimmen und nur mit deren Genehmigung möglich“ (Ziffer 6. a) der Beschlussformel) sowie
„den Wohn- oder Aufenthaltsort nicht länger als drei Tage ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen“ (Ziffer 6. c) der Beschlussformel).
Gegen den Beschluss hat der Verurteilte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 21. Juni 2024 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit weiterem Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. Juli 2024 hat er sein Rechtsmittel ausdrücklich auf die Weisungen zu Ziffern 6. a) und 6. c) der Beschlussformel beschränkt.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
II.
Das Rechtsmittel des Verurteilten ist als (einfache) Beschwerde zulässig (§§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Sätze 1 und 2 StPO), auf die oben bezeichneten Weisungen beschränkt und insoweit begründet.
Die Beschwerde kann gemäß § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO nur darauf gestützt werden, dass die getroffenen Anordnungen gesetzwidrig sind. Gesetzwidrig ist eine Anordnung oder die Entscheidung über das Absehen von einer Anordnung, wenn die getroffene Anordnung im Gesetz nicht vorgesehen, wenn sie unverhältnismäßig oder unzumutbar ist oder sonst die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschreitet (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Mai 2009, Az.: 2 Ws 60/09; OLG Dresden, Beschluss vom 12. Februar 2008, 2 Ws 12/08, zitiert nach Juris; Appl in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 453, Rn. 12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 453, Rn. 12).
Dabei ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass eine zur Führungsaufsicht getroffene Anordnung der Begründung bedarf. Die Strafvollstreckungskammer hat im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht die für ihre Entscheidungsfindung maßgeblichen Tatsachen festzustellen und in eine ordnungsgemäße Ermessenabwägung einzubeziehen. Die Anordnungsbegründung muss diese Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens auf der Grundlage festgestellter Tatsachen wiedergeben. Fehlt sie, kann das Rechtsbeschwerdegericht die Rechtsfehlerfreiheit der Weisungen nicht prüfen, weshalb bereits aus diesem Grund die Beschwerde begründet ist, auch wenn die angeordnete Weisung nach dem bisherigen Akteninhalt sachgerecht sein könnte (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Januar 2011, Az.: 2 Ws 206/10 m.w.N.).
So liegt es hier. Der angefochtene Beschluss enthält zu der zu Ziffern 6. a) und 6. c) der Beschlussformel angeordneten Weisung keine überprüfbare Begründung und ist auf das Zitat gesetzlicher Vorschriften beschränkt.
Auch aus den umfangreichen Beschlussgründen erschließt sich die Notwendigkeit dieser Weisungen nicht. Hinsichtlich der Weisung zu Ziff. 6 a) stehen sie sogar im Widerspruch zu dieser, denn sie weisen aus, dass ein Umzug geplant ist (BA S. 10). Soweit der Verurteilte darüber hinaus einen Wohnortwechsel nur mit Genehmigung der Bewährungsstelle und des Gerichts vornehmen darf, kann dies bereits aus Rechtsgründen keinen Bestand haben. Eine solche Anordnung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Ein derartiger Eingriff in das verfassungsrechtlich verankerte Grundrecht auf Freizügigkeit gemäß Art. 11 Abs. 1 und 2 GG verstößt bereits seinem Wortlaut nach gegen § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nummer 8 StGB. Diese Vorschrift ermöglicht nur eine Meldeverpflichtung nach erfolgtem Umzug oder Wechsel des Arbeitsplatzes. Ein darüber hinausgehendes Mitsprache – oder Bestimmungsrecht der Bewährungsstelle oder des Gerichts bei der Wahl des Wohnsitzes ist gesetzwidrig (vgl. OLG Dresden BeckRS 2009, 20980; OLG Bamberg BeckRS 2012, 17450).
Die Weisung zu Ziffer 6. c) kann zwar an sich von § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB gedeckt sein. Für sie fehlt in den Beschlussgründen aber jede Begründung. Ihre Notwendigkeit erschließt sich unter den derzeitigen Umständen nicht.
Einer Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer bedarf es vorliegend nicht.
Zwar ist dem Senat eine eigene Sachentscheidung gemäß § 309 Abs. 2 StPO an sich verwehrt. Das Beschwerdegericht kann die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in den Fällen des § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO nur eingeschränkt überprüfen, nämlich nur daraufhin, ob die Entscheidung gesetzwidrig ist. Daraus folgt, dass es sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle dessen der Strafvollstreckungskammer setzen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2011 m.w.N.). Gleichwohl hat der Senat vorliegend von einer Zurückverweisung abgesehen, weil die Ausgestaltung der Führungsaufsicht gemäß § 68 d StGB jederzeit angepasst werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. April 2010, Az.: 2 Ws 50/10 sowie vom 28. Oktober 2010, Az.: 2 Ws 186/10; OLG Dresden, Beschluss vom 27. Oktober 2009, Az.: 2 Ws 509/09, zitiert nach juris) und nach Aktenlage derzeit keine Notwendigkeit für weitergehende Weisungen zu erkennen ist.
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.