Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 17.01.2023 | |
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Aktenzeichen | 6 U 74/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0117.6U74.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das am 13.07.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen.
I.
Die Parteien waren Eheleute, sie sind seit 2014 rechtskräftig geschieden. Mit der Klage beansprucht die Klägerin vom Beklagten Darlehensrückzahlung in Höhe von 60.000 € nebst Zinsen.
Während der Ehe erwarben die Parteien zum Miteigentum von je ½ ein bebautes Grundstück in … (Ort 1), welches in erster Linie dem Landwirtschaftsbetrieb des Beklagten diente. Zuletzt lasteten auf dem Grundstück zur Absicherung verschiedener Bankkredite Grundschulden in Höhe von insgesamt 210.000 € zugunsten der … (Kreditinstitut). Der Beklagte erzielte während der Ehe aus seiner Tätigkeit als Landwirt nur geringfügige Einkünfte und teilweise Verluste. Die Klägerin war in Teilzeit bei der … mit einem monatlichen Einkommen von ca. 2.000 € netto beschäftigt.
Nach ihrer Trennung im September 2009 verkauften die Parteien das Grundstück in … (Ort 1) durch notariellen Kaufvertrag vom 22.06.2010 zu einem Kaufpreis von 120.000 €. Den Kaufpreis verwendeten sie vollständig zur Ablösung der auf dem Grundstück lastenden Grundschulden.
Mit Anwaltsschreiben vom 27.01.2021 forderte die Klägerin den Beklagten auf, bis zum 30.04.2021 an sie 60.000 € zu zahlen, dabei erklärte sie, das diesbezüglich gewährte unbefristete Darlehen zum genannten Datum zu kündigen.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe für seinen Landwirtschaftsbetrieb zahlreiche Betriebskredite aufgenommen, die u.a. durch die Grundschulden auf dem bezeichneten Grundstück abgesichert worden seien. Die … (Kreditinstitut) habe verlangt, dass sie die Kredite mitunterzeichne. Sie habe den Beklagten unterstützen wollen, seinen Betrieb zu halten. Daher sei sie damit einverstanden gewesen, auch ihren Anteil an dem Verkaufserlös zur Ablösung der Kreditverbindlichkeiten des Beklagten zu verwenden, wobei sie zugleich mit dem Beklagten die Abrede getroffen habe, dass der Beklagte ihr den Betrag von 60.000 € als Darlehen schulde und auf ihr Verlangen an sie zurückzahlen werde.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 60.000 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten jährlich seit dem 01.05.2021 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat bestritten, eine Darlehensvereinbarung mit der Klägerin getroffen zu haben. Die durch die Grundschulden abgesicherten Kredite seien nicht allein für seinen Landwirtschaftsbetrieb aufgenommen worden, die Parteien hätten damit auch die gemeinsame Lebensführung finanziert.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch eidliche Vernehmung des Bruders des Beklagten als Zeugen der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Parteien übereingekommen seien, der Beklagte solle den auf die Klägerin entfallenden Kaufpreisanteil von 60.000 € zur Tilgung der Kreditverbindlichkeiten gegenüber der … (Kreditinstitut) verwenden und den Betrag erst später an die Klägerin auskehren, die Klägerin verzichte so lange auf eine Erstattung, bis sie das Geld brauche bzw. der Beklagte das Geld zurückzahlen könne. Die Vereinbarung der Parteien stelle einen unbefristeten Darlehensvertrag dar.
Gegen das Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er seinen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Er rügt insbesondere, nachdem erstmals der Zeuge angegeben habe, das angeblich in seinem Beisein zwischen den Parteien geführte Gespräch habe im Zeitraum März bis Mai 2010 an einem Wochenende in dessen Haus stattgefunden, habe das Landgericht ihm die beantragte Stellungnahmefrist verfahrensfehlerhaft verweigert. Er hätte dann bereits in erster Instanz vorgetragen, dass er nach seiner Erinnerung in dieser Zeitspanne nicht am Wohnort seines Bruders in … (Ort 2) gewesen sei. Er habe seinerzeit sämtliche Tankbelege gesammelt, die er im Rahmen eines Antrages auf Steuerentlastung für seinen Landwirtschaftsbetrieb bei dem Hauptzollamt eingereicht habe. Eine Tankquittung für eine Fahrt nach … (Ort 2) gäbe es nicht, vielmehr nur solche aus dem Umfeld seines Wohnorts. Für eine Vielzahl der Wochenendtage im Zeitraum März bis Mai 2010 benennt der Beklagte berufliche Termine unter anderem unter Beweistritt durch Zeugeneinvernahme seiner damaligen Lebensgefährtin. Den konkreten Inhalt einer Darlehensabrede habe die Klägerin schon nicht substantiiert dargelegt. Auch die Aussagen des Zeugen zu den angeblich abgegebenen Erklärungen betreffend den Abschluss eines Darlehensvertrages seien vage und unbestimmt. Schließlich habe die Klägerin in seinem landwirtschaftlichen Betrieb aktiv mitgearbeitet und sei teilweise als Geschäftsführerin aufgetreten. So habe sie beispielsweise 30 Ohrmarken für die Schafe des Betriebs bestellt und es seien Schreiben der … (Kreditinstitut) an die "Eheleute … und …" gerichtet worden. Die Darlehensverbindlichkeiten seien deshalb auch eigene Verbindlichkeiten der Klägerin gewesen.
II.
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung des Beklagten durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Die Berufung hat nach einstimmiger Beurteilung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung.
Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zur Darlehensrückzahlung in Höhe von 60.000 € nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe hieraus seit dem 01.05.2021 verurteilt.
1. Die landgerichtliche Feststellung, dass die Parteien vereinbart haben, den auf die Klägerin entfallenden hälftigen Anteil an dem im Juni 2010 erzielten Verkaufserlös des Grundstücks in … (Ort 1) zunächst dem Beklagten zur Tilgung von Kreditverbindlichkeiten zu belassen und erst später an die Klägerin zu erstatten, lässt einen Fehler nicht erkennen. Dasselbe gilt für die von der Berufung nicht infrage gestellte Beurteilung des Landgerichts, jene Vereinbarung stelle einen Darlehensvertrag i.S.v. § 488 ff. BGB dar.
a) Die Klägerin hat eine solche Vereinbarung hinreichend dargelegt mit ihrem Vorbringen, vor der Beurkundung des Grundstückskaufvertrages habe sie mit dem Beklagten besprochen, dass ihr hälftiger Anteil zur Ablösung der Verbindlichkeiten des Beklagten verwendet werden könne, um ihn zu unterstützen, seinen Betrieb sowie Haus und Hof, welches sich seit Jahrhunderten im Familienbesitz des Beklagten befinde, zu erhalten; gleichzeitig sei die Abrede getroffen worden, dass der Beklagte ihr den Betrag als Darlehen schulde, welches auf ihr Verlangen zurückzuzahlen sei; der Beklagte habe ihr in gemeinsamen Gesprächen versichert, die 60.000 € zurückzuzahlen, wenn er wieder liquide sei; einige Wochen vor dem Notartermin am 22.06.2010 habe der Beklagte im Beisein seines Bruders ihr gegenüber erklärt, er werde das Darlehen zurückzahlen, wenn sie - die Klägerin - dies verlange. Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vor dem Landgericht am 22.06.2022 hat die Klägerin ihr Vorbringen zu dem im Beisein des Bruders des Beklagten geführten Gespräch dahin präzisiert, dass das Gespräch im Haus des Bruders des Beklagten in … (Ort 2) stattgefunden habe.
Abgesehen davon ist die Berufungsrüge des Beklagten, die Klägerin habe erstmals im Beweistermin den Ort des Gesprächs mitgeteilt, nicht geeignet, die Durchführung der Beweisaufnahme und deren Würdigung in Frage zustellen.
b) Auf das Bestreiten des Beklagten hat das Landgericht Zustandekommen und Inhalt der von der Klägerin behaupteten Absprache der Parteien durch eine umfangreiche, detailliert und deutlich protokollierte, eidliche Vernehmung des Bruders des Beklagten als Zeugen aufgeklärt. Der Zeuge hat im Kern ausgesagt, nachdem die Bank Druck gemacht habe, weil der Landwirtschaftsbetrieb nicht gelaufen sei, habe man gehofft, dass der Verkauf eine gute Lösung darstelle und die Klägerin dem Beklagten das Geld aus dem Verkauf leihe, bis er es ihr zurückzahlen könne. Weiter hat der Zeuge erklärt, bei dem Gespräch in seinem Haus sei es sinngemäß darum gegangen, dass der Betrieb nicht "absaufe", die Klägerin habe ihren ½-Anteil geben und solange darauf verzichten sollen, bis sie das Geld brauche; es sei davon die Rede gewesen, dass das Geld im Betrieb bleiben solle, bis es zurückgezahlt werden könne.
Hierauf hat das Landgericht seine entscheidungserheblichen Feststellungen und seine Beurteilung vom Abschluss eines Darlehensvertrages gegründet, ohne dass die Berufung einen Bedarf aufgezeigt, die Feststellungen zu wiederholen oder weitere Feststellungen zu treffen. Weder ist die Beweisaufnahme unvollständig geblieben, noch weist die im angefochtenen Urteil ausführlich und verständlich dargelegte Beweiswürdigung Bedenken in Bezug auf denkgesetzliche Schlussfolgerungen oder einen Widerspruch zu sonst feststehenden Tatsachen auf.
aa) Der neue Sachvortrag des Beklagten, mit der er die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu erschüttern versucht, ergibt - ungeachtet der Frage, ob das neue Verteidigungsmittel im zweiten Rechtszug überhaupt zuzulassen wäre, da es bereits in erster Instanz jedenfalls nach Zugang des Beweisbeschlusses vom 30.03.2022 hätte vorgebracht werden können - nichts Durchgreifendes gegen die landgerichtliche Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Der Zeuge soll in einem von dessen Vater gegen ihn geführten Zivilverfahren als beklagte Partei zu Äußerungen, die als „groben Undank“ anzusehen seien, unwahr vorgetragen haben. Mit den familiären Spannungen, auch zwischen dem Beklagten und dem Zeugen hat sich indes das Landgericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Glaubwürdigkeit ausführlich und überzeugend auseinandergesetzt. Zweifel, die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erneute Feststellungen veranlassen könnten, sind nicht erkennbar.
bb) Ein Widerspruch der Aussage des Zeugen zum Sachvorbringen der Klägerin besteht entgegen der Ansicht der Berufung nicht. Die Klägerin hat den Zeitpunkt des Gesprächs mit "einigen Wochen vor dem Notartermin" vom 22.06.2010 angegeben. Nach Erklärung des Zeugen soll das Gespräch im Frühjahr 2010, und zwar im März, April oder spätestens Mai stattgefunden haben, er gehe davon aus, an einem Wochenende. Der vom Zeugen geschilderte Zeitraum, innerhalb dessen das Gespräch stattgefunden habe, weicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht beachtlich von der von der Klägerin vorgetragenen Zeitspanne ab. Eine genauere zeitliche Einordnung des Gesprächszeitpunkts vor dem Notartermin am 22.06.2010 war weder von der Klägerin noch von dem Zeugen zu erwarten, da das Gespräch bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung mehr als zehn Jahre zurücklag. Für eine schriftliche Dokumentation des Gesprächszeitpunkts ist nichts ersichtlich.
cc) Ohne Erfolg beanstandet der Beklagte eine Gehörsverletzung dahin, dass ihm ein Schriftsatznachlass zu dem erst im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 22.06.2022 gehaltenen Vortrag der Klägerin betreffend den Ort des Gesprächs mit dem Bruder des Beklagten nicht gewährt worden ist. Einen dahingehenden Schriftsatznachlass hat der Beklagte ausweislich des landgerichtlichen Sitzungsprotokolls nicht beantragt, er hat vielmehr einen Schriftsatznachlass beantragt, um zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Schließlich ergibt sich aus dem Beweisbeschluss und dem protokollierten Sitzungsablauf, dass das Gericht den Zeugen schon auf Grundlage des bisherigen Vortrages der Klägerin vernehmen wollte. Das war auch geboten, denn entgegen der Ansicht des Beklagten muss eine Partei keine näheren Details zu Zeit und Ort einer behaupteten Absprache vortragen. Hinzukommt, dass der Beklagte in erster Instanz das Stattfinden eines Gesprächs zwischen ihm und der Klägerin in Beisein seines Bruders nicht in Abrede gestellt hat.
dd) Auch das Berufungsvorbringen des Beklagten, nach seiner Erinnerung sei er im Zeittraum März bis Mai 2021 nicht in … (Ort 2) gewesen, insbesondere auch nicht an einem Wochenende, ist nicht geeignet, die landgerichtliche Beweiswürdigung in Frage zu stellen. Soweit der Beklagte meint, er habe mangels Schriftsatzgewährung nach der Beweisaufnahme keine Stellungnahme dazu abgegeben können, überzeugt das nicht, denn eine solche Stellungnahme zur Beweisaufnahme selbst hätte im Termin erfolgen können und müssen.
Der Umstand, dass eine Tankquittung, welche eine Fahrt nach … (Ort 2) belegen könnte, nicht vorhanden ist und vom Beklagten auch nicht bei dem Hauptzollamt vorgelegt worden ist, schließt einen Aufenthalt des Beklagten im Haus seines Bruders in … (Ort 2) zudem nicht aus. Dies gilt zumal deshalb, weil ein Anspruch des Beklagten auf Steuerentlastung für den auf einer Fahrt zu seinem Bruder verbrauchten Kraftstoff nach § 57 EnergieStG zumindest zweifelhaft ist.
Die vom Beklagten für eine Vielzahl der Wochenendtage im Zeitraum März bis Mai 2010 mitgeteilten und unter Zeugenbeweis gestellten Arbeitseinsätze belegen ebenfalls nicht, dass das betreffende Gespräch nicht an "irgendeinem Wochenende" in dem im Rede stehenden Zeitraum im Beisein des Beklagten hätte stattfinden können, zumal die Zeitangaben der Klägerin und des Zeugen erkennbar eine ungefähre Eingrenzung darstellen. Nichts anderes ergibt sich aus dem Vortrag des Beklagten, seine damalige Lebensgefährtin könne sich an eine Abwesenheit des Beklagten - für einen Aufenthalt im … (Ort) - "nicht erinnern". Selbst einen solchen Sachverhalt als wahr unterstellt, würde dies die landgerichtliche Beweiswürdigung nicht entscheidend erschüttern.
ee) Das neue Sachvorbringen des Beklagten, die Klägerin habe in seinem Betrieb aktiv mitgearbeitet und sei auch als Geschäftsführerin aufgetreten, ist unerheblich. Das Landgericht hat diejenigen Umstände, die für einen Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den Kreditverbindlichkeiten der … (Kreditinstitut) im Innenverhältnis gegen den Beklagten sprechen, zutreffend dargestellt und bewertet. Wie das Landgericht weiter richtig erkannt hat, ergibt jedenfalls die Vereinbarung der Parteien über die Verwendung des hälftigen Anteils der Klägerin am Grundstücksverkaufserlös zunächst zur Kredittilgung und damit Sicherung des Betriebes unter aufgeschobener Pflicht des Beklagten zur Auskehr an die Klägerin, die Darlehensverbindlichkeit des Beklagten, diesen Betrag nach Darlehenskündigung an die Klägerin zu zahlen.
ff) Soweit der Beklagte erstmals im zweiten Rechtszug vorträgt, er habe grundsätzlich alle Vereinbarungen im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit schriftlich oder durch notarielle Beurkundung geschlossen, erst recht aber Vereinbarungen über einen Vermögenswert mit der hier in Rede stehenden Höhe, zwingt dies nicht zu dem Schluss, eine mündliche Vereinbarung mit seiner damaligen Ehefrau könne nicht geschlossen worden sein.
2. Die nicht gesondert angegriffene Zinsentscheidung gibt keinen Grund zu einer Beanstandung.