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Entscheidung 9 UF 144/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 29.08.2024
Aktenzeichen 9 UF 144/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0829.9UF144.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 18. Juli 2024 - Az. 31 F 47/24 - wird als unzulässig verworfen.

  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Mutter zu tragen.

  3. Der Beschwerdewert beträgt 2.000 EUR.

  4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

1.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Oranienburg nach mündlicher Anhörung (allein) der erwachsenen Beteiligten am 3. Juli 2024 im Wege einstweiliger Anordnung den Umgang der drei gemeinsamen Kinder vorläufig in Form eines Nestmodells dahin geregelt, dass die Kinder innerhalb von vier Wochen zunächst zwei Wochen vom Vater und sodann zwei Wochen von der Mutter betreut werden und der Umgang jeweils abwechselnd in der vormaligen Familienwohnung, einem im Miteigentum der Eltern stehenden Hausgrundstück in … stattfindet, wobei den Eltern aufgegeben worden ist, sich während der Umgangszeit des jeweils anderen von dem Haus fernzuhalten.

Gegen diese ihr am 26. Juli 2024 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 7. August 2024 eingegangene Beschwerde der Mutter, mit der sie vorläufig die Einrichtung eines Residenzmodells mit Regelung des Umgangs der Kinder mit dem Vater zu erreichen sucht und die sie mit einem Aussetzungsantrag verbunden hat. Die Mutter hält das Rechtsmittel mit näheren Ausführungen für zulässig und beanstandet die ergangene Entscheidung als verfahrensfehlerhaft und zudem inhaltlich unrichtig.

Der Vater meint, die Beschwerde der Mutter sei bereits unzulässig und jedenfalls unbegründet und führt dazu näher aus.

Die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt verteidigen die Entscheidung des Familiengerichts.

2.

Die Beschwerde der Mutter ist bereits unstatthaft und deshalb gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen.

Nach § 57 Satz 1 FamFG sind Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen grundsätzlich nicht anfechtbar. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist die Anrufung des Beschwerdegerichts nur ausnahmsweise dann statthaft, wenn das Familiengericht aufgrund mündlicher Erörterung über eine der dort näher und insoweit abschließend bezeichneten und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglichen Katalogsachen entschieden hat. Eine einstweilige Umgangsregelung ist danach nicht anfechtbar.

Die von der Mutter angeführten besonderen Umstände des Streitfalles bieten keinen Anlass, hiervon den Beschwerderechtszug für eröffnet anzusehen.

Dass das Familiengericht eine Umgangsregelung treffen wollte und getroffen hat, ergibt sich zwanglos aus dem Tenor der angefochtenen Entscheidung, in der es einleitend heißt „Der Umgang mit den Kindern ... wird wie folgt geregelt“. Die Anordnung einer gleichmäßigen Betreuung der gemeinsamen Kinder durch die getrennt lebenden Eltern im Wege eines paritätischen - hier mit einem 14-Tages-Intervall ausgestalteten - Wechselmodells ist eine Umgangsregelung und keine Regelung zur elterlichen Sorge. Dies entspricht der Einordnung durch den Bundesgerichtshof, die bereits in der Ausgangsentscheidung zur Zulässigkeit einer (streitigen) Umgangsregelung in Form eines Wechselmodells vom 1. Februar 2017, Az. XII ZB 601/15, mindestens anklingt und in dem weiteren Beschluss vom 19. Januar 2019, Az. XII ZA 12/21, seine Bestätigung findet. Sorgerechtliche und umgangsrechtliche Regelungen sind danach getrennte Verfahrensgegenstände. Es ist im Streitfall nicht ansatzweise erkennbar, worin die von der Beschwerdeführerin (auf Seite 3 oben der Beschwerdeschrift) reklamierte sorgerechtliche Regelung in der zugrunde liegenden Entscheidung liegen soll.

Der Senat hat durchaus zur Kenntnis genommen, dass der 2. Familiensenat des OLG Frankfurt (Beschluss vom 29. Januar 2020, 2 UF 301/19) - soweit ersichtlich bisher eine vereinzelt gebliebene Entscheidung nach der zitierten BGH-Rechtsprechung, die allerdings die dort näher zitierte breitere Kritik in der Literatur gefunden hat - auf eine paritätische Betreuung gerichtete Umgangsregelungen als nach § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG für anfechtbar erachtet. Zwischenzeitlich liegt allerdings etwa auch eine Entscheidung des 8. Familiensenats des OLG Frankfurt vor (Beschluss vom 23. Februar 2021, Az. 8 UF 188/20), in der unter zutreffendem Hinweis auf die abschließende und nicht analogiefähige Regelung in § 57 Satz 2 FamFG eine einstweilige Anordnung der Umgangsgestaltung im Wege eines paritätischen Wechselmodells - wie hier - für unzulässig erachtet wird.

Im Übrigen wäre es Sache des Gesetzgebers, auf die gewandelte Lebenswirklichkeit und die damit einhergehende Vielfalt der Betreuungsregelungen gemeinsamer Kinder nach Elterntrennung zu reagieren und eine sowohl verfahrens- wie materiellrechtliche Konkordanz möglicher sorge- und umgangsrechtlicher Regelungen herzustellen und die mit der Kinderbetreuung im Wechselmodell einhergehenden rechtlichen Fragen insoweit einer Klärung zuzuführen. Die Diskussionen um die Möglichkeit der streitigen Anordnung einer paritätischen Betreuung von Kindern ohne Rücksicht auf die Zuweisung des Sorgerechts, namentlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts wird seit Jahren geführt, die Einordnung der Betreuung im Wechselmodell als Umgangsregelung durch den BGH liegt Jahre zurück und wird seither kritisch begleitet. Das Familienverfahrensrecht hat seither wiederholt Änderungen erfahren; zu einer Ausweitung der Befugnis zur Anfechtung einstweiliger Anordnungen sah sich der Gesetzgeber gleichwohl nicht veranlasst.

Die zutage getretenen unterschiedlichen Rechtsauffassungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung müssen hingenommen werden, weil eine klärende Entscheidung des Bundesgerichtshofs insoweit nicht erreicht werden kann. Die Anrufung des Bundesgerichtshofs in einstweiligen Anordnungsverfahren ist kraft Gesetzes insgesamt, also unabhängig vom Verfahrensgegenstand ausgeschlossen (§ 70 Abs. 4 FamFG).

Im Streitfall ist auch nicht etwa deshalb eine Anfechtbarkeit gegeben, weil das Amtsgericht - auch nach Kenntnis des Senats wohl erstmals streitig - ein Nestmodell mit abwechselnder Betreuung der Kinder durch die Eltern in der früheren Familienwohnung in Abwesenheit des jeweils anderen Elternteils angeordnet hat. Es mag sein, dass das Amtsgericht mit dieser sehr spezifischen Regelung von - grundsätzlich allerdings aus Bestimmtheitsgründen erforderlicher Eckdaten zu - Ort, Zeit und Dauer der Umgangsausübung die Grenzten des Regelungsrahmens nach § 1684 Abs. 3 BGB verlassen hat (die allerdings auch die Mutter selbst mit Schriftsatz vom 1. Juli 2024 und im Anhörungstermin am 3. Juli 2024 beantragt hatte, wenn auch mit abweichenden Betreuungsanteilen) und die Entscheidung deshalb oder auch aus anderen Gründen unrichtig ist.

Allein die (mögliche) Fehlerhaftigkeit der einstweiligen Anordnung vermag aber die Durchbrechung des Grundsatzes der Unanfechtbarkeit nicht zu rechtfertigen. Nichts anderes gilt für etwaige Verfahrensfehler des Familiengerichts.

Die Erwägungen der Beschwerdeführerin zu einem - ihrer Auffassung nach unzulässigen - hybriden Verfahren gehen deshalb und im Übrigen auch aus anderen Gründen ins Leere. Das Amtsgericht hat in den getrennt, aber parallel geführten Verfahren wegen Umgangs und wegen Wohnungszuweisung jeweils gesonderte Entscheidungen getroffen, sich dabei allerdings um eine Konkordanz der jeweiligen Regelungen bemüht. Das ist für sich betrachtet nicht zu beanstanden, tatsächlich nicht nur zweckmäßig, sondern fast erforderlich, um Widersprüche zu vermeiden. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf gleichwohl eingetretene Widersprüche zur erfolgten alleinigen Wohnungszuweisung an den Vater (der allerdings - wie umgekehrt auch die Mutter für ihren Umgangsantrag - ein obligatorisches Weichen für die Betreuungszeit des anderen Elternteils zugesagt hat) bedarf hier keiner weitergehenden Erörterung. Es ist im Übrigen keine Ausnahme, dass Wohnungszuweisungs- und Kindschaftsverfahren in derartiger Weise parallel geführt werden und auch inhaltlich miteinander verknüpft sind. Immerhin wird in § 1361b Abs. 1 BGB materiellrechtlich in besonderer Weise an das Wohl der gemeinsamen Kinder der getrennt lebenden Eltern angeknüpft.

Die Bedenken der Beschwerdeführerin gegen die hier erfolgte gemeinsame mündliche Erörterung in den einstweiligen Anordnungsverfahren wegen Umgangs und wegen Wohnungszuweisung teilt der Senat im Übrigen ausdrücklich nicht. Die Verfahrensregelungen sind - anders etwa als bei Familienstreitsachen und Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit - so unterschiedlich nicht und die Ergebnisse stehen inhaltlich in einer gewissen Abhängigkeit voneinander. Die Bedenken lassen sich im Übrigen auch nicht mit der zitierten Entscheidung des Kammergerichts vom 22. Dezember 2022, Az. 3 UF 87/21, begründen, mit der - übrigens ausdrücklich der oben zitierten BGH-Rechtsprechung folgend - einzig judiziert ist, dass in einem zum Aufenthaltsbestimmungsrecht geführten Beschwerdeverfahren eine Abänderung der Umgangsregelung nicht erreicht werden kann (schlicht deshalb, weil das Beschwerdegericht kein Eingangsgericht ist). Das betrifft also eine sehr spezifische, hier nicht vorliegende Fallkonstellation.

Soweit die Umgangsregelung im Ergebnis des parallel geführten und insoweit statthaften Beschwerdeverfahrens wegen der Wohnungszuweisung an rechtliche und/oder tatsächliche Grenzen stößt, mag dies Anlass für eine Abänderung der hier zugrunde liegenden einstweiligen Anordnung nach § 54 FamFG und eine vorläufige Neuregelung des Umgangs sein, vermag aber über die fehlende Anfechtbarkeit der Umgangsregelung nicht hinwegzuhelfen.

Bleibt danach festzustellen, dass gegen die hier ergangene Umgangsregelung des Familiengerichts vom 18. Juli 2024 ein Rechtsmittel nicht statthaft war, war die Beschwerde der Mutter gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen.

Einer Entscheidung über den Aussetzungsantrag der Mutter bedurfte es nicht mehr. 3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Nr. 2, 41 FamGKG.

Diese Entscheidung ist kraft Gesetzes (§ 70 Abs. 4 FamFG) nicht anfechtbar.