Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Afghanistan, Visum zum Ehegattennachzug, Visum zur Eheschließung in Deutschland,...

Afghanistan, Visum zum Ehegattennachzug, Visum zur Eheschließung in Deutschland, WhatsApp-Ehe, Online-Eheschließung, Stellvertreterehe, Beweiskraft ausländischer Urkunden, Wirksamkeit einer Eheschließung, Inlandsehe, Auslandsehe, (keine) notwendige Beiladung der Referenzperson im Visumverfahren, (keine) Zeugenvernehmung oder persönliche Anhörung durch Zuschaltung von in Afghanistan lebenden Personen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Der 6. Senat Entscheidungsdatum 29.08.2024
Aktenzeichen 6 B 1/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0829.6B1.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen 6 Abs. 3; 7 Abs. 1 Satz 3; 30 Abs. 1 AufenthG AufenthG, 418 Abs. 1, Abs. 3 ZPO, 65 Abs. 2; 102a; 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 6 Satz 1; 11; 13 Abs. 4 Satz 1; 13 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 EGBGB, 1310 Abs. 1 Satz 1; 1311 Satz 1 BGB

Leitsatz

  1. Hält sich ein Verlobter zum Zeitpunkt der Durchführung der Videokonferenz zur Eheschließung körperlich in Deutschland auf und sitzt dort vor dem PC oder dem Mobiltelefon, so liegt der Ort der Eheschließung (zumindest auch) im Inland. Die nach Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB für Inlandseheschließungen maßgebliche Form des § 1311 Satz 1 BGB ist nicht erfüllt und die Ehe aus Sicht der deutschen Rechtsordnung als formunwirksam anzusehen.
  2. Die Konstellation einer sogenannten Handschuhehe liegt im Fall einer Online-Trauung nicht vor.
  3. Voraussetzung dafür, dass eine beabsichtigte Eheschließung in Deutschland im Hinblick auf Art. 6 GG einen berücksichtigungsfähigen Aufenthaltszweck für einen Anspruch auf ein Visum gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG darstellen kann, ist stets, dass eine Eheschließung tatsächlich unmittelbar bevorsteht.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erteilung eines Visums.

Die Klägerin gibt an, am 26. September 1995 geboren und afghanische Staatsangehörige zu sein. Sie hält sich nach eigenen Angaben in M____ auf, nachdem sie zwischenzeitlich im Iran gelebt habe. Sie begehrt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu dem am 29. September 1986 geborenen Zeugen U_____. Dieser lebt seit 21 Jahren in Deutschland, ist seit 2015 deutscher Staatsangehöriger und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in M_____. Am 2. September 2017 wurde er durch das Amtsgericht M_____ geschieden. Er hat drei Kinder, die bei ihrer Mutter leben.

Am 28. November 2021 stellte die Klägerin einen Visumsantrag bei der Botschaft der Beklagten in Teheran. Sie trug vor, zu dem Zeugen U_____, der ihr Ehemann sei, nachziehen zu wollen. In dem von der Klägerin unterschriebenen Formular zum Visumsantrag gab sie an, seit dem 2. Oktober 2019 verheiratet zu sein. Zum Nachweis der Eheschließung reichte sie Ablichtungen einer am 30. Mai 2021 ausgestellten afghanischen Heiratsbescheinigung („Marriage Certificate“) samt englischer Übersetzung ein. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 29 ff. des Verwaltungsvorgangs und Blatt 11 ff. der Gerichtsakte verwiesen. Der Zeuge U_____ befand sich am 2. Oktober 2019 nicht in Afghanistan.

Die Klägerin legte ein in Taschkent/Usbekistan ausgestelltes „Goethe-Zertifikat“ vom 25. Mai 2021 vor, ausweislich dessen sie am 22. Mai 2021 in Taschkent/Usbekistan die Sprachprüfung Deutsch A 1 mit „ausreichend“ bestanden habe.

Wie sich aus einer Zwischennachricht der Botschaft Teheran an die Beklagte vom 8. März 2022 ergibt, kontaktierte diese die Klägerin während des Verwaltungsverfahrens in Bezug auf die Eheschließung. Dabei teilte die Klägerin der Botschaft der Beklagten mit, die religiöse Eheschließung sei am 2. Oktober 2019 erfolgt. Die Registrierung der Eheschließung sei erst am 30. Mai 2021 vollzogen worden, da diese, obwohl laut zivilrechtlichen Vorschriften zwar erforderlich, im Alltag keine Rolle spiele.

Die Botschaft der Beklagten in Teheran lehnte den Visumsantrag mit Bescheid vom 24. März 2022 mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass die Ehe mit dem Zeugen U_____ rechtswirksam geschlossen worden sei.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der am 8. April 2022 erhobenen Klage. Sie führte zur Begründung aus, der Zeuge U_____ habe sich bei der Eheschließung durch seinen Bruder vertreten lassen, der neben den Zeugen anwesend gewesen sei. Sie wollten nun versuchen, die Ehe im Iran erneut zu schließen. Sie hätten im Juli 2022 im Iran erneut geheiratet. Sie reichte Ablichtungen einer „Heiratsurkunde (Nekah Khat)“ der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Teheran vom 3. Juli 2022 auch in deutscher Übersetzung ein. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 61 ff. der Gerichtsakte verwiesen. Am 31. Mai 2019 sei die religiöse Eheschließung erfolgt. Der Zeuge U_____ habe sich dabei in Deutschland befunden, sei jedoch telefonisch „zugeschaltet“ gewesen. Sein Bruder sei als Zeuge und zugleich als Bevollmächtigter persönlich anwesend gewesen. Dieser sei zwar als Zeuge in der Eheurkunde aufgeführt, nicht aber als sein Bevollmächtigter. Weiter legte die Klägerin einen mit Stempeln des afghanischen Justizministeriums versehenen „Trauschein“ vom 16. Dezember 2022 in Ablichtung vor, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 155 der Gerichtsakte verwiesen wird.

Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Botschaft der Beklagten in Teheran vom 24. März 2022 zu verpflichten, der Klägerin ein Visum zum Ehegattennachzug zum Kläger (d.h. dem Zeugen U_____) zu erteilen,

hilfsweise ihr ein Visum zur Eheschließung zu erteilen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie habe erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Ehe zwischen der Klägerin und dem Zeugen U_____. Die vorgelegten Dokumente widersprächen sich in wesentlichen Punkten. Die Klägerin und der Zeuge U_____ müssten entweder eine wirksame Eheschließung nachholen oder vor einem deutschen Standesamt die Eheschließung anmelden sowie einen Nachweis der erfolgten Anmeldung erbringen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Juni 2023 hat das Verwaltungsgericht den Zeugen U_____, der dort noch als Kläger aufgetreten ist, informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift der öffentlichen Sitzung (Blatt 221 f. der Gerichtsakte) verwiesen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. August 2023 ein Schriftstück „Embassy of the Islamic Republic of Afghanistan in Berlin“ vom 18. Juli 2023 vor (vgl. Blatt 240 f. der Gerichtsakte).

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 11. Oktober 2023 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Botschaft der Beklagten in Teheran vom 24. März 2022 verpflichtet, der Klägerin ein Visum zum Ehegattennachzug zum Kläger (d.h. dem Zeugen U_____) zu erteilen. Zugleich hat es die Klage des Zeugen U_____ abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Ehe sei wirksam geschlossen. Die Heirat sei am 31. Mai 2019 erfolgt. Die Ehe sei im August 2019 vollzogen worden, als der Zeuge U_____ in Afghanistan gewesen sei. Die Heiratsurkunde vom 3. Juli 2022 über die Registrierung der Hochzeit bei der afghanischen Botschaft in Teheran stimme damit überein. Das Dokument unterstütze jedenfalls den Vortrag des Zeugen U_____, zumal nach afghanischem Recht die Registrierung als Nachweis der Eheschließung gelte. Die Angabe der Klägerin im Visumsverfahren, die Eheschließung sei am 2. Oktober 2019 erfolgt, beruhe auf einer weiteren Heiratsurkunde vom 30. Mai 2021. Sie erscheine als offensichtlich unrichtige Eintragung, da es einen Schreibfehler bei einer Ziffer gebe. Bezüglich der Orte der Eheschließung bestehe kein Widerspruch, da die Klägerin in M_____ zuhause sei, der Hauptstadt der Provinz B_____. Die Ehe sei nach afghanischem Recht formgültig. Der Eheschließungsort liege in Afghanistan. Es handele sich nicht um eine Inlands-, sondern um eine Auslandstrauung. Das Erfordernis der Anwesenheit zweier Zeugen vor Ort nach Schariarecht sei erfüllt. Die Ehe sei durch das Angebot des Zeugen U_____ und die Annahme der Klägerin unter Anwesenheit zweier männlicher Zeugen in einer Zusammenkunft am 31. Mai 2019 wirksam geschlossen worden. Für die Annahme einer Zusammenkunft sei ausreichend, dass der Kläger per Video zugeschaltet gewesen und zudem ein Bruder des Klägers als Vertreter angesehen worden sei, auch wenn der Bruder nicht förmlich diese Rolle durch die Abgabe des Angebots angenommen habe. Mangelnde Sprachkenntnisse der Klägerin seien kein Hinderungsgrund, da es ihr in Afghanistan, wo sie mittlerweile wieder lebe, nicht möglich und nicht zumutbar sei, weitere Spracherwerbsbemühungen zu unternehmen.

Mit Beschluss vom 9. Februar 2024 – OVG 6 N 88/23 – hat der Senat auf den Antrag der Beklagten die Berufung wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Botschaft der Beklagten in Teheran vom 24. März 2022 verpflichtet hat, der Klägerin ein Visum zum Ehegattennachzug zu dem Zeugen U_____ zu erteilen. Für den Zeugen U_____, dessen Klage das Verwaltungsgericht abgewiesen hat, ist kein Berufungszulassungsantrag gestellt worden.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus:

Der Zeuge U_____ habe die relevante Erklärung selbst abgegeben, indem er über die Video-Funktion von WhatsApp aus Deutschland zugeschaltet gewesen sei. Diese Abgabe der Willenserklärung in Deutschland führe zur zwingenden Anwendung des deutschen Formrechts und begründe die Unwirksamkeit des Ehevertrags. Für diese Fälle gelte gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB ausschließlich das deutsche Eheschließungsrecht. Eine wirksame Online-Trauung gebe es danach nur, wenn sich beide Ehegatten im Zeitpunkt der Online-Trauung nicht in Deutschland aufhielten.

Die Wirksamkeit der Eheschließung nach afghanischem Recht sei ebenfalls fraglich. Eine wirksame Stellvertretung sei danach nur zulässig, wenn der Stellvertreter auch eine eigene Willenserklärung im Namen des Vertretenen im Rahmen seiner Vertretungsmacht abgebe. Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung habe der Zeuge U_____ erklärt, dass er selbst mittels WhatsApp das Ja-Wort abgegeben habe. Eine Erklärung seines Bruders als Stellvertreter sei explizit nicht erfolgt.

Der Nachweis einer wirksamen Ehevertragsschließung nach afghanischem Recht könne nicht durch das Vorlegen entsprechender afghanischer Dokumente erbracht werden, weil diesen keine verlässliche Aussagekraft zukomme. Die Angaben der Beteiligten würden von afghanischen Behörden bei der Registrierung der Ehe regelmäßig nicht überprüft. Diese Urkunden gäben daher keine Auskunft darüber, ob die Ehe tatsächlich wirksam geschlossen sei. Die Heiratsurkunde sei – ihre Echtheit unterstellt – darauf beschränkt zu beurkunden, dass die Eheleute zur Eheführung bereit gewesen seien. Keine der Urkunden erwähne eine Eheschließung durch Stellvertretung und keine der Urkunden bezeuge eine Eheschließung im Iran im Jahr 2022. Ausländische Urkunden gemäß § 418 ZPO hätten einen anderen als den in §§ 415, 417 ZPO bezeichneten Inhalt, weil sie weder eine Erklärung vor noch eine Anordnung durch die ausstellende Behörde wiedergäben. Die Beurkundungen beruhten nicht auf der Wahrnehmung der beurkundenden Person, sondern auf den Aussagen der vortragenden Zeugen.

Der unwirksame Eheschluss sei nicht geheilt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG 1 BvR 818/18 – sei nicht einschlägig.

Im Berufungsverfahren beantragt die Beklagte und Berufungsklägerin,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Oktober 2023 teilweise abzuändern und auch die Klage der Klägerin abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Die Eheschließung sei wirksam. Etwaige Formmängel seien jedenfalls durch die zweite Eheschließung im Iran geheilt. Die Eheschließung in Afghanistan sei „im Rahmen auch der Stellvertretung“ erfolgt. Der Zeuge U_____ sei bei der Eheschließung durch seinen Bruder X_____, der in M_____ wohne, wirksam vertreten worden. Der Zeuge U_____ habe die Willenserklärung abgegeben. Diese sei durch seinen Bruder in Afghanistan als sein Stellvertreter wiederholt worden. Deshalb komme es nicht darauf an, wo sich der Zeuge U_____ bei der Abgabe der Willenserklärung befunden habe. Im erstinstanzlichen Termin zur mündlichen Verhandlung habe der Zeuge U_____ die entsprechende Frage nicht richtig verstanden. Es sei kein Dolmetscher anwesend gewesen. Die Ehe werde gelebt, denn der Zeuge U_____ leiste regelmäßig Unterhalt für die Klägerin. Selbst wenn deutsches Recht anwendbar wäre, handelte es sich um eine hinkende Ehe, die unter den staatlichen Schutz von Art. 6 GG, Art. 8 EMRK falle. Eine erneute Nachholung der Eheschließung sei in Afghanistan schwierig, da die Ehe dort insgesamt drei Mal registriert worden sei. Bezüglich einer Heilung verstoße es gegen Treu und Glauben, dass sich die Beklagte darauf berufe, eine häusliche Gemeinschaft der Eheleute liege nicht vor, da sie selbst verhindert habe, dass der Klägerin ein Visum erteilt werde und die eheliche Gemeinschaft hergestellt werden könne. Wenn die Eheschließung unwirksam gewesen sei, könne dies nicht dazu führen, dass die Beklagte nicht dazu verpflichtet sei, ein Visum zu erteilen, und so dauerhaft den Zeugen U_____, der deutscher Staatsangehöriger sei, an der Führung bzw. der Herstellung der Einheit der Ehe zu hindern. Die Beklagte habe zudem erklärt, nicht zu verlangen, dass die Ehe in Deutschland erneut geschlossen werden müsse, da die Beklagte positive Kenntnis habe, dass die erforderlichen Unterlagen für eine Eheschließung in Deutschland effektiv nicht beigebracht werden könnten. Die Beklagte habe erstinstanzlich anlässlich eines Telefonats gegenüber der dortigen Vorsitzenden erklärt, nicht auf einer Eheschließung in Deutschland zu bestehen.

Die Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Beklagten an und hat keinen eigenen Antrag gestellt.

In der mündlichen Verhandlung am 29. August 2024 hat der Senat den Zeugen U_____ vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten (zwei Bände) sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Botschaft der Beklagten in Teheran verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I.

1. Der Senat konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladene nicht in der mündlichen Verhandlung erschienen ist, da diese ordnungsgemäß geladen war.

2. Der Zeuge U_____ war nicht gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladen. Familienmitglieder eines einen Aufenthaltstitel erstrebenden Ausländers sind an einem Rechtsverhältnis, das die Visumserteilung betrifft, nicht derart beteiligt, dass die gerichtliche Entscheidung ihnen gegenüber nur einheitlich i.S.v. § 65 Abs. 2 VwGO ergehen kann (BVerwG, Urteil vom 27. August 1996 – BVerwG 1 C 8.94 – juris Rn. 24; BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2013 – BVerwG 10 C 5.13 – juris Rn. 4 f.; VG Berlin, Urteil vom 15. Januar 2019 – VG 31 K 144.18 V – juris Rn. 35).

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 24. März 2022 ist rechtmäßig und verletzt daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die im Hauptantrag begehrte Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug gemäß § 30 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 6 Abs. 3 AufenthG sowie §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Die zum Nachzug berechtigende Aufenthaltserlaubnis kann danach nur dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen erteilt werden. Die Klägerin ist nicht Ehegattin eines Deutschen.

a) Die behauptete Eheschließung kann nicht auf einen öffentlichen Glauben der drei in Ablichtungen und Übersetzungen aktenkundigen ausländischen Dokumente gestützt werden.

Bei den in Afghanistan und im Iran ausgestellten Dokumenten handelt es sich, selbst wenn man ihre Echtheit unterstellt, grundsätzlich nicht um Urkunden gemäß §§ 415, 417 ZPO, die den vollen Beweis ihres Inhalts bzw. des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorgangs begründen. Es handelt sich vielmehr um Urkunden gemäß § 418 Abs. 1 ZPO, deren Beweiskraft nach § 418 Abs. 3 ZPO eingeschränkt ist, sofern das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson beruht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. August 2020 – OVG 11 S 5/20 – juris Rn. 13; OVG Münster, Beschluss vom 21. Dezember 2020 – 18 B 1183/20 – juris Rn. 49; VGH München, Beschluss vom 3. August 2016 – 11 CS 16.1185 – juris Rn. 28).

Die von der Klägerin vorgelegten Urkunden beruhen sämtlich nicht auf der Wahrnehmung der beurkundenden Person, sondern auf den Aussagen der vortragenden Zeugen über einen Vorgang, den die jeweils ausstellende Stelle nicht selbst wahrgenommen hat. Insbesondere geht aus der von der Islamischen Botschaft Afghanistans in Teheran ausgestellten Urkunde eindeutig hervor, dass im Iran entgegen den Behauptungen der Klägerin und des Zeugen U_____ keine Eheschließung vorgenommen, sondern eine bereits in Afghanistan erfolgte Eheschließung aufgrund der Angaben der in Teheran erschienenen Personen bestätigt wurde. Entsprechendes gilt für die „Heiratsbescheinigung“ und den „Trauschein“.

b) Die Wirksamkeit der Eheschließung richtet sich nach deutschem Recht, da sie zumindest auch im Inland geschlossen wurde. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es handele sich um eine als wirksam anzuerkennende Auslandsehe, ist unzutreffend.

Nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird. Gemäß Art. 11 Abs. 2 EGBGB ist ein Vertrag, der zwischen Personen geschlossen wird, die sich in verschiedenen Staaten befinden, formgültig, wenn er die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts eines dieser Staaten erfüllt. Absatz 2 gilt bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Eheschließung allerdings nicht uneingeschränkt. Insoweit unterscheidet das deutsche Kollisionsrecht danach, ob der Ort der Eheschließung (auch) in Deutschland liegt. Nach Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB kann eine Ehe im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Mit der vorgeschriebenen Form i.S.v. Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB wird in erster Linie auf § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB verwiesen, wonach eine Eheschließung im Inland nur unter Mitwirkung eines Standesbeamten erfolgen kann. Hält sich ein Verlobter bei Herstellung des Ehekonsenses in Deutschland auf, befindet sich der Ort der Eheschließung zumindest auch im Inland und liegt somit eine Inlandseheschließung i.S.v. Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB vor. Die formlos geschlossene Konsensehe verstößt dann gegen das Mitwirkungserfordernis des Standesbeamten nach § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB; eine aus Deutschland heraus geschlossene Konsensehe ist daher formunwirksam. In derartigen Fällen verdrängt die einseitige Kollisionsnorm des Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB als Spezialregelung das allgemeine Formstatut des Art. 11 EGBGB, und zwar nicht nur die Anknüpfung des Art. 11 Abs. 1 EGBGB, sondern auch die für Distanzverträge geltende Anknüpfung des Art. 11 Abs. 2 EGBGB (OLG Köln, Beschluss vom 8. März 2022 – I-26 Wx 3/22 u.a. – juris Os. 2 und Rn. 9 ff.; Wall, Wirksamkeit von Online-Eheschließungen in den USA aus Sicht des deutschen IPR – ein Beitrag zum Ort der Eheschließung i.S.v. Art. 13 Abs. 4, Art. 11 Abs. 1 EGBGB, in: StAZ Nr. 2/2022, 33-40, 36 m.w.N.).

Bei Eheschließungserklärungen per Videokonferenz kommt es darauf an, wo sich der die Erklärung abgebende Verlobte aufhält. Hält er sich in Deutschland auf, so liegt der Ort der Eheschließung (zumindest auch) im Inland. Denn es handelt sich dabei um eine in Deutschland abgegebene Erklärung, die lediglich zeitgleich per Bild und Ton in einen anderen Staat übertragen wird. Das beabsichtigte Rechtsgeschäft „Eheschließung“ ist damit (auch) im Bundesgebiet vorgenommen und aus diesem Grund hinsichtlich seiner Wirksamkeit an den hiesigen Vorschriften zu messen. Die nach Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB für Inlandseheschließungen maßgebliche Form des § 1311 Satz 1 BGB, der die physische Präsenz der Eheschließenden vor dem Standesbeamten verlangt, ist nicht erfüllt und die Ehe aus Sicht der deutschen Rechtsordnung als formunwirksam anzusehen (VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2022 – 7 L 122/22 – juris Rn. 29; OLG Köln, Beschluss vom 8. März 2022 – I-26 Wx 3/22 u.a. – juris Os. 2 und Rn. 9 ff.; VG Berlin, Urteil vom 1. Juni 2022 – 38 K 480/21 V – juris Rn. 28; VGH München, Beschluss vom 20. Juni 2022 – 10 CS 22.716 – juris Rn. 8; VG Karlsruhe, Beschluss vom 28. September 2023 – 1 K 3074/23 – juris Rn. 10; Wall, a.a.O., 38).

Der Zeuge U_____ hat in den mündlichen Verhandlungen sowohl der ersten als auch der zweiten Instanz jeweils angegeben, er sei per Videotelefonie von Deutschland aus zu der Zeremonie in Afghanistan zugeschaltet gewesen. Er hat damit seine Willenserklärung in Deutschland abgegeben. Demnach handelt es sich bei der Eheschließung mit der Klägerin um eine aus Sicht der deutschen Rechtsordnung im Inland formunwirksam geschlossene Ehe.

c) Nicht zu folgen ist daher der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach ein Verlobter, der von Deutschland aus per Videokonferenz das Jawort gebe, damit mündlich eine am Amtssitz eines Trauorgans oder am Sitz des anderen Verlobten physisch präsente Person als Stellvertreter bevollmächtige, die dann in seinem Namen formal das Jawort spreche. Das Verwaltungsgericht berücksichtigt nicht, dass ein Verlobter bei einer Online-Videokonferenz seine Willenserklärung zum Ehekonsens selbst abgibt. Der Inlandsbezug beschränkt sich nicht auf eine bloße Beauftragung von Stellvertretern, die in dem Drittstaat die Erklärungen zur Eingehung der Ehe abgeben. Vielmehr ist die Erklärung der Ehe persönlich im Inland abgegeben worden (vgl. hierzu OLG Köln, Beschluss vom 8. März 2022 – I-26 Wx 3/22 u.a. – juris Os. 2 und Rn. 10-11; Wall, a.a.O., 38). Die vom Verwaltungsgericht der Sache nach angenommene sogenannte Handschuhehe liegt im Fall einer Online-Trauung gerade nicht vor (vgl. VGH München, Beschluss vom 20. Juni 2022 – 10 CS 22.716 – juris Rn. 7).

Diese Einschätzung folgt zudem aus Sinn und Zweck des § 1311 Satz 1 BGB. Das darin vorgesehene Erfordernis, Eheschließungserklärungen persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit abzugeben, will Ehen verhindern, die nicht auf einer freien und ernstlichen Willenseinigung der Verlobten beruhen. Ihr Konsens soll über jeden Zweifel erhaben, Bestand und Fortbestand der Ehe sollen gewiss sein (Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2022, § 1311 Rn. 1). Die Vorschrift bezweckt überdies, den Eheschließenden bewusst zu machen, dass sie unwiderrufliche, äußerst wichtige Erklärungen abgeben (Hahn, in: BeckOK BGB, 70. Edition, Stand: 1. Mai 2024, § 1311 Rn. 1). Dies alles wäre bei einer Online-Eheschließung, bei der zudem die Gefahr von Manipulationen und Betrug während der Bild- und Tonübertragung besteht, nicht gewährleistet. Auch Sinn und Zweck der einseitigen Kollisionsvorschrift des Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB erfordern eine solche Auslegung, damit die in Deutschland vorgeschriebene Form der Eheschließung nicht mittels Videotelefonie unterlaufen werden kann (OLG Köln, Beschluss vom 8. März 2022 – I-26 Wx 3/22 u.a. – juris Rn. 9).

Über diese Formmängel hilft weder hinweg, dass nach islamischem Recht zur Eheschließung neben dem Konsens der Eheleute zwei geschäftsfähige, männliche, muslimische Zeugen erforderlich sind, noch ist insoweit von Bedeutung, ob die Ehe nach dem Recht des anderen betroffenen Staates wirksam ist.

Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 13 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 EGBGB, wonach eine Ehe zwischen Verlobten, von denen keiner Deutscher ist, jedoch vor einer von der Regierung des Staates, dem einer der Verlobten angehört, ordnungsgemäß ermächtigten Person in der nach dem Recht dieses Staates vorgeschriebenen Form geschlossen werden kann. Denn der Zeuge U_____ ist Deutscher.

d) Selbst wenn man die vorstehenden Erwägungen außer Acht lässt, bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass es zu einer wirksamen Eheschließung der Klägerin mit dem Zeugen U_____ durch Abgabe entsprechender Erklärungen gekommen ist. Ist die formelle Wirksamkeit bzw. sind der Zeitpunkt und die sonstigen Umstände der Eheschließung nicht durch ausländische öffentliche Urkunden belegt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ob die Eheschließung erfolgt ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Februar 2021 – OVG 3 M 11/21 – BA Seite 3 f.). Zweifel an einer wirksamen Eheschließung aufgrund widersprüchlicher Angaben und der Vorlage von Urkunden mit zweifelhaftem Inhalt führen dazu, dass ein Anspruch auf Ehegattennachzug ausscheidet (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Oktober 2022 – OVG 3 B 73/20 – juris Orientierungssatz und Rn. 16).

Hier weisen der klägerische Vortrag und die vorgelegten Dokumente zahlreiche Widersprüche und Unstimmigkeiten auf, die durchgreifende Zweifel an einer Eheschließung der Klägerin mit dem Zeugen U_____ begründen.

Nach afghanischem Recht wäre die Ehe wirksam geschlossen, wenn im Hinblick auf die Identität und Staatsangehörigkeit der Ehepartner, die Zeit und den Ort der Eheschließung, die Übereinstimmung der Willenserklärungen und über die Erfüllung der sonstigen nach dem muslimischen Eherecht erforderlichen Voraussetzungen (Anwesenheit von zwei männlichen muslimischen Zeugen, Brautgabe) kein Zweifel besteht. Dabei kann das Jawort auch durch einen Stellvertreter abgegeben werden, wobei die Art der Vollmacht als Stellvertretung lediglich in der Erklärung (aber nicht im Willen), die Person des Bevollmächtigten sowie die – ausschließliche – Abgabe der Erklärung durch den körperlich anwesenden Bevollmächtigten für den Vertretenen feststehen müssen. Eine in Afghanistan durch Stellvertretung in der Erklärung geschlossene Ehe ist wirksam (VG Berlin, Urteil vom 11. Juli 2023 – 8 K 106/22 V – juris Rn. 19; OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. April 2024 – 6 UF 204/23 – juris Rn. 23 ff.). Es handelt sich dann um eine Auslandstrauung gemäß Art. 11 Abs. 1 und Abs. 3 EGBGB, die allein afghanischem Recht unterliegt, wenn die Eheschließung in Afghanistan vorgenommen und beide Willenserklärungen dort abgegeben wurden. Auf den Aufenthaltsort des Vertretenen und den Ort der Vollmachterteilung kommt es dabei nicht an (vgl. Wall, a.a.O., 35).

Den drei von der Klägerin vorgelegten Dokumenten lässt sich das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht entnehmen. Die darin enthaltenen Angaben widersprechen sich sowohl bezüglich des Datums der Eheschließung als auch der Staatsangehörigkeit der Klägerin, der vereinbarten Brautgabe, der Namen der Trauzeugen sowie zum Teil auch bezüglich deren Staatsangehörigkeit:

In der mit dem Visumsantrag im November 2021 vorgelegten Heiratsbescheinigung („Marriage Certificate“) vom 30. Mai 2021 heißt es, das Datum des Ehevertrags sei der 2. Oktober 2019, der Ort der Hochzeit sei zu Hause („At Home“), es seien die beiden Trauzeugen S_____ und Y_____ anwesend gewesen. Die Staatsangehörigkeit der Klägerin sowie des Trauzeugen Y_____ sei „Uzbek“. Als Brautgabe werden 200.000 AFN genannt.

Nach Ablehnung des Visumsantrags durch die Beklagte und Klageerhebung legte die Klägerin im Klageverfahren die Ablichtung einer weiteren Urkunde vor, von der die Klägerin und der Zeuge behaupten, sie sei in der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Teheran auf eine persönliche Vorsprache des Zeugen hin am 3. Juli 2022 ausgestellt worden und bei der es sich um den Nachweis einer erneuten Eheschließung im Jahr 2022 handele. Die behauptete konstitutive Bestätigung einer zweifelhaften früheren Heirat, d.h. einer der Sache nach neu vorgenommenen Heirat, ist mit dem Inhalt der Urkunde allerdings nicht vereinbar. Das gilt auch für die Erklärung des Zeugen U_____ in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, wonach er mit der Klägerin im Jahr 2022 in Teheran zum zweiten Mal die Ehe geschlossen habe, wobei er selbst, die Klägerin, ihr Bruder und zwei fremde Zeugen anwesend gewesen seien und der afghanische Botschafter im Iran sie getraut habe. Denn in der Bescheinigung vom 3. Juli 2022 heißt es, die Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Teheran/Iran bestätige die Eheschließung der Klägerin und des Zeugen, wobei im Unterschied zu dem zuvor vorgelegten Dokument als Eheschließungsdatum und -ort 31. Mai 2019 in Balkh (Afghanistan) genannt werden. Die Staatsangehörigkeit der Klägerin wird mit „afghanisch“ und als Zeugen werden G_____ und R_____ angegeben. Die Brautgabe („mahr“) beläuft sich im Unterschied zu den bereits dargelegten Angaben in der „Heiratsbescheinigung“ nunmehr auf den vielfachen Betrag von 1.000.000,00 AFN.

Zu weiteren Unklarheiten führt der von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegte Trauschein vom 16. Dezember 2022. Darin wird als Datum der Eheschließung zwar – wie in der Bescheinigung vom 3. Juli 2022 – der 31. Mai 2019 angegeben. Als Trauzeugen werden allerdings – wie in der Bescheinigung vom 30. Mai 2021 – Y_____ und S_____ genannt, wobei die Staatsangehörigkeit des Trauzeugen Y_____ mit afghanisch angegeben wird.

Weder die Klägerin noch der Zeuge haben die aufgezeigten Widersprüche plausibel erläutert. Sie werden auch nicht durch die Erwägungen des Verwaltungsgerichts ausgeräumt. Insbesondere geht der Senat nicht davon aus, dass es sich bei dem in der ersten vorgelegten Urkunde angegebenen Eheschließungsdatum, dem 2. Oktober 2019, um einen offensichtlichen Schreibfehler handeln könnte. Denn das Datum des 2. Oktober 2019 findet sich nicht nur in der ersten Bescheinigung. Es wird auch in dem von der Klägerin unterschriebenen Visumsantrag ausdrücklich genannt. Außerdem geht aus der Zwischennachricht der Deutschen Botschaft Teheran an die Beklagte vom 8. März 2022 die Mitteilung der Klägerin hervor, die religiöse Eheschließung sei am 2. Oktober 2019 erfolgt; die Registrierung der Eheschließung sei erst am 30. Mai 2021 vollzogen worden, da diese, obwohl laut zivilrechtlichen Vorschriften zwar erforderlich, im Alltag keine Rolle spiele. Sollte das in der Bescheinigung angegebene Eheschließungsdatum nicht mit den von der Klägerin tatsächlich gemachten Angaben übereinstimmen, fragt sich, weshalb sie diesen Fehler nicht berichtigen ließ, sondern stattdessen im Visumverfahren das nach ihrer Behauptung unrichtig beurkundete Eheschließungsdatum mehrfach selbst genannt hat. Überdies erklärte der Zeuge U_____ in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29. August 2024 zunächst ebenfalls, die – online erfolgte – Eheschließung habe im Oktober 2019 stattgefunden; erst im weiteren Fortgang der mündlichen Verhandlung bekundete er, im Mai 2019 habe die muslimische Hochzeit stattgefunden und im Oktober 2019 lediglich eine Familienfeier, ohne jedoch schlüssig zu erklären, wie es zu diesen gegensätzlichen Datumsangaben gekommen ist.

Weiter ist in der ersten Heiratsbescheinigung die Staatsangehörigkeit der Klägerin und des Trauzeugen Y_____ jeweils mit „Uzbek“ angegeben, während nach der zweiten Urkunde die Staatsangehörigkeit der Klägerin „Afghanisch“ lautet. In der zweiten Urkunde werden andere Zeugen genannt (G_____ und R_____ statt S_____ und Y_____). Der Zeuge U_____ erklärte hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, seines Wissens besitze die Klägerin nur die afghanische Staatsangehörigkeit, gehöre jedoch wie er selbst ethnisch zum Volk der Usbeken. In der ersten Heiratsbescheinigung findet sich der Eintrag „Uzbek“ bei der Klägerin und ihrem Bruder Y_____ jedoch ausdrücklich in der Rubrik „Nationality“ (Staatsangehörigkeit). Dass in derselben Urkunde die Staatsangehörigkeit des Zeugen U_____ mit „Afghan“ angegeben ist, spricht gegen die Annahme, mit „Nationality“ sei lediglich die ethnische Volkszugehörigkeit gemeint, denn dann hätte auch der Zeuge U_____ als Bräutigam in dieser Urkunde als „Uzbek“ bezeichnet werden müssen. Zur unterschiedlichen Höhe der Brautgabe in den beiden Dokumenten vermochte der Zeuge U_____ in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nichts Ergiebiges zu bekunden; er behauptete lediglich, darum habe sich seine Familie gekümmert und die Brautgabe sei nicht bei der ersten Eheschließung, sondern erst bei der zweiten Eheschließung eingetragen worden. Dies steht zum einen im Widerspruch zu der in der ersten Heiratsbescheinigung vermerkten Brautgabe in Höhe von 200.000 AFN und erklärt zudem auch nicht, wie es zu den beiden unterschiedlichen Beträgen in den Dokumenten gekommen ist.

Schließlich findet sich in keiner der drei Urkunden ein Hinweis darauf, dass der Zeuge U_____ bei der Eheschließung das Jawort nicht selbst abgegeben hätte, sondern dabei von einem Dritten vertreten worden wäre. Wie die Beklagte zu Recht eingewandt hat, hätte der Zeuge spätestens bei der Ausstellung des Dokuments vom 3. Juli 2022 in der afghanischen Botschaft Teheran, wo er persönlich vorgesprochen haben will, veranlassen können, dass diese Angabe in der Bestätigung ergänzt wird. Im Übrigen haben auch weder der Zeuge noch die Klägerin eine schriftliche Vollmacht, die sich auf eine Eheschließung im Jahr 2019 bezogen hätte, vorgelegt. Stattdessen hat der Zeuge U_____ erst am 18. Juli 2023, also nach der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung, eine solche Vollmacht bei der afghanischen Botschaft Berlin neu ausstellen lassen. Auch dies legt den Schluss nahe, dass bis dahin keine schriftliche Vollmacht existierte.

Hinzu kommen die widersprüchlichen und offenbar verfahrensangepassten Angaben zu Namen und Identität des angeblichen Stellvertreters. Im Schriftsatz vom 18. Oktober 2022 behauptete die Klägerin, bei dem Stellvertreter handele es sich um den Bruder des Zeugen U_____, der in der Eheurkunde – versehentlich nur als Zeuge, aber nicht (auch) als Bevollmächtigter – eingetragen sei. Weder in der ersten Heiratsbescheinigung noch in der Urkunde, die das Eheschließungsdatum 31. Mai 2019 aufweist, ist jedoch ein Bruder des Zeugen U_____ als Trauzeuge aufgeführt.

Im Schriftsatz vom 25. Juli 2024 behauptete die Klägerin im Widerspruch zu ihrer früheren Behauptung, es handele sich bei dem Bevollmächtigten um den in M_____ wohnenden X_____. Dasselbe hat der Zeuge U_____ in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet. Eine Person dieses Namens findet sich aber lediglich auf dem Trauschein vom 16. Dezember 2022, und zwar unter der Rubrik „Identifizierung der Bekenner“ als zweite von drei Personen, während die angeblichen Trauzeugen Y_____ und S_____ unter der Rubrik „Identifizierung von Zeugen“ zu finden sind. Nach dem Trauschein war X_____ demnach gerade kein Trauzeuge. Zudem sind die Namen G_____ und R_____ nicht auf diesem Trauschein enthalten.

Angesichts dieser zahlreichen Widersprüche und Ungereimtheiten ergeben die Angaben der Klägerin und des Zeugen U_____ kein nachvollziehbares Bild. Dies gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass an den Nachweis einer religiösen Eheschließung nach islamischem Familienrecht in Afghanistan nicht dieselben Ansprüche zu stellen sind wie an den Nachweis einer zivilen Trauung in Deutschland.

Einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bedurfte es nicht. Das gilt zum einen schon im Hinblick darauf, dass es sich bei der Frage, ob eine (wirksame) Eheschließung nach afghanischem Recht stattgefunden hat, lediglich um Hilfserwägungen handelt. Aber auch dessen ungeachtet käme sie nur ernsthaft in Betracht, wenn der bisherige Vortrag geeignet gewesen wäre, eine (wirksame) Eheschließung anzunehmen. Das ist aus den bereits dargelegten Gründen nicht der Fall. Unabhängig davon ist nicht erkennbar, welche weiteren Ermittlungen in Betracht gezogen werden sollten. Vernehmungen der als Zeugen angebotenen, sämtlich in Afghanistan lebenden Personen und eine persönliche Anhörung der ebenfalls in Afghanistan lebenden Klägerin scheiden aus. Zuschaltungen nach § 102a Abs. 1 und Abs. 2 VwGO könnten nur dann erwogen werden, wenn der Zuschaltort im Inland liegt oder die Zuschaltung von einem ausländischen Ort durch Vorschriften der internationalen Rechtshilfe gedeckt ist (vgl. R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 102a Rn. 5). Dies ist hier nicht der Fall. Bei Afghanistan handelt es sich um einen Drittstaat, auf dessen Staatsgebiet der Senat keine Hoheitsgewalt auszuüben vermag. Die Bundesregierung erkennt die De-facto-Regierung der Taliban in Afghanistan politisch nicht an. Die deutsche Botschaft Kabul ist seit dem 15. August 2021 bis auf Weiteres geschlossen. Internationale Rechtshilfe existiert nicht.

e) Dieses Ergebnis erscheint auch mit Blick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unverhältnismäßig. Denn es hätte für sie die Möglichkeit der Eheschließung mit dem Zeugen U_____ in Afghanistan per Stellvertretung in der Erklärung bestanden, wie auch die nachträglich am 18. Juli 2023 von der afghanischen Botschaft Berlin erstellte Vollmacht zeigt. Dass diese Form der Eheschließung in Afghanistan – eventuell an einem anderen Ort außerhalb von M_____ bzw. außerhalb der Provinz B_____ – nicht möglich (gewesen) sei, erscheint schon für sich genommen nicht nachvollziehbar und wurde im Übrigen auch nicht belegt. Einen entsprechenden Versuch unternommen zu haben, haben der Zeuge U_____ und die Klägerin nicht vorgetragen; lediglich der im Iran angeblich unternommene Versuch einer erneuten Eheschließung in persönlicher Anwesenheit beider Ehepartner sei fehlgeschlagen.

f) Der Vortrag der Klägerin, die Beklagtenvertreterin habe erstinstanzlich gegenüber der dortigen Kammervorsitzenden erklärt, nicht auf einer Eheschließung in Deutschland zu bestehen, da die dafür nötigen Voraussetzungen nach ihrer Kenntnis nicht vorlägen, führt nicht auf ein anderes Ergebnis. Dass die Beklagte eine den Erfordernissen des § 38 VwVfG genügende Zusicherung abgegeben hätte, der Klägerin trotz der oben ausgeführten Umstände ein Visum zum Ehegattennachzug erteilen zu wollen, trägt die Klägerin nicht vor; das Vorliegen einer solchen Zusicherung ergibt sich auch aus den Akten nicht.

g) Der von der Klägerin zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu einer „hinkenden Ehe“ (BVerfG, Beschluss vom 30. November 1982 – 1 BvR 818/81 – juris) rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Der dort zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem hier gegebenen nicht vergleichbar. Die Beschwerdeführerin im Verfahren des Bundesverfassungsgerichts hatte eine Ehe in Großbritannien nach dortigem Recht wirksam geschlossen (vgl. BVerfG, a.a.O., juris Rn. 30). Dagegen bestehen hier an der wirksamen Eheschließung in Afghanistan bzw. im Iran aus den dargelegten Gründen durchgreifende Zweifel.

h) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen die Voraussetzungen der Heilung einer Nichtehe nach § 1310 Abs. 3 Nr. 1-3 BGB oder der Eheschließung durch einen Scheinstandesbeamten nach § 1310 Abs. 2 BGB ersichtlich nicht vor. Es fehlt schon an einer Eintragung im Ehe- bzw. Geburtenregister oder einer Bescheinigung i.S.v. § 1310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Ob die Klägerin und der Zeuge U_____ die Ehe vollzogen oder im Sinne des § 1310 Abs. 3 letzter Halbsatz BGB als Ehegatten miteinander gelebt haben, ist demnach unerheblich.

i) Die von der Klägerin zitierte Vorschrift des § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist nicht einschlägig, da es vorliegend nicht um die Aufhebung einer Ehe durch richterliche Entscheidung und auf Antrag (vgl. § 1313 BGB) geht, sondern um die Frage, ob diese wirksam geschlossen wurde.

j) Angesichts dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für ein Ehegattenvisum zum Nachzug zu einem Deutschen wie die Fähigkeit, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, und eine geklärte Identität und Staatsangehörigkeit bei der Klägerin erfüllt sind; aus Sicht des Senats bestehen im Hinblick auf ihre Staatsangehörigkeit jedenfalls Zweifel, da – wie oben ausgeführt – Hinweise auf eine usbekische Staatsangehörigkeit der Klägerin gegeben sind.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die mit dem Hilfsantrag begehrte Erteilung eines Visums zum Zweck der Eheschließung. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG kann in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Voraussetzung dafür, dass eine beabsichtigte Eheschließung in Deutschland im Hinblick auf Art. 6 GG einen berücksichtigungsfähigen Aufenthaltszweck darstellen kann, ist jedoch stets, dass eine Eheschließung tatsächlich unmittelbar bevorsteht (VG Berlin, Urteil vom 14. September 2010 – 29 K 258.10 V – juris Rn. 15). Dass diese Voraussetzung hier erfüllt und eine beabsichtigte Eheschließung der Klägerin bei einem deutschen Standesamt angemeldet wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Sie hat keinen Antrag gestellt und kein Rechtsmittel eingelegt und sich damit keinem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt. Sie hat das Verfahren auch nicht wesentlich gefördert. Hinsichtlich des Klägers des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt die dortige Kostenentscheidung unberührt; der erneute Ausspruch im Berufungsverfahren erfolgt lediglich deklaratorisch zur Klarstellung.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.