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Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung, Ausbildung zum EX-IN-Genesungsbegleiter, Sozialrechtliches Dreiecksverhältnis, Leistungserbringer, Erforderlichkeit zur Umsetzung eines flächendeckenden und wohnortnahen Angebots


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Der 6. Senat Entscheidungsdatum 26.09.2024
Aktenzeichen 6 B 6/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0926.6B6.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen 1 Abs. 3; 8; 9 Abs. 2 Nr. 1 EUTBV, 45; 176 ff.; 184 SGB III, 32; 38; §§ 123 ff. SGB IX, AZAV

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Mai 2023 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von staatlichen Zuschüssen für die Durchführung von Beratungsleistungen nach der auf Grundlage des § 32 SGB IX erlassenen „Verordnung zur Weiterführung der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung“ (Teilhabeberatungsverordnung - EUTBV -). Die Bewilligung der Zuschüsse erfolgt durch die Beklagte als vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragtes und insoweit beliehenes Unternehmen. Nach der Verordnung werden Bundesmittel für die fraglichen Beratungsleistungen zur Verfügung gestellt, die mit Stellenanteilen auf die Bundesländer nach Bevölkerungsdichte und einem Flächenschlüssel aufgeteilt werden. In den Bundesländern selbst werden die den Ländern zugewiesenen Mittel nach denselben Maßstäben weiter auf die Regionen aufgeteilt. Vorliegend geht es um Beratungsleistungen für die Bewilligungsperiode ab 1. Januar 2023 im Landkreis G_____, für den ein Stellenanteil im Umfang von 1,49 Vollzeitäquivalenten - VZÄ - vorgesehen ist. Ein VZÄ entspricht einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden.

Der Kläger, dessen Vereinszweck die Förderung und Verbreitung der Grundsätze des selbstbestimmten Lebens behinderter Menschen ist, betrieb bereits seit 2018 durch zwei Menschen mit Behinderung eine ergänzende unabhängige Teilhabeberatung in T_____. Er beantragte am 18. März 2022, ihm für die Bewilligungsperiode 2023 bis 2029 wie bisher einen Zuschuss für 1,5 Vollzeitäquivalente zu gewähren. Er habe eine „verbindliche Sprechzeit“ in der Zeit von 9 bis 16 Uhr, jeden Donnerstag gebe es zudem eine freie Sprechstunde von 17 bis 19 Uhr ohne Anmeldung. In der neuen Förderperiode solle eine Außenstelle in X_____ hinzukommen, die acht Stunden wöchentlich geöffnet sein solle.

Auch der Beigeladene, ein Verein zur Förderung psychischer Gesundheit, beantragte den Zuschuss für ein Beratungsangebot. In seinem Antrag verneinte er die Frage, ob er ein Leistungserbringer sei. In einer gesonderten „Selbsterklärung“ bestätigten zwei Vorstände des Beigeladenen, dass sie „als Leistungserbringer nach § 36 SGB IX und/oder § 124 SGB IX für einen Leistungsträger tätig“ seien. Der Beigeladene gab im Antrag weiter an, sog. EX-IN-Genesungsbegleiter auszubilden. „EX-IN“ stehe für „Experienced Involvement“. Die angebotene Ausbildung sei eine europäische Qualifizierung, die Menschen mit eigener Psychiatrie-Erfahrung im Hinblick auf einen kompetenteren Umgang mit der eigenen Krisenerfahrung schule. Sie solle die psychische Gesundheit fördern durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie, durch Austausch und Reflexion in der Gruppe sowie durch Auseinandersetzung mit ressourcenorientierten Ansätzen wie „Empowerment“ (Erhöhung des Grades an Autonomie und Selbstbestimmung im Leben von Menschen oder Gemeinschaften), „Recovery“ (Hervorhebung und Unterstützung des Genesungspotentials der von psychischen Störungen und Suchtkrankheiten Betroffenen) oder dem „Salutogenesekonzept“ (Rahmenkonzept, das sich auf Faktoren und dynamische Wechselwirkungen beziehe, die zur Entstehung und Erhaltung von Gesundheit führten). Die Qualifizierung dauere etwa ein Jahr und sei in zwölf Module eingeteilt. Ziel der Qualifizierung sei es, die Absolventen zu befähigen, ihr im Rahmen der Schulung erworbenes Wissen für sich selbst oder an geeigneter Stelle einzusetzen, z.B. in Psychoedukationskursen, in Selbsthilfegruppen oder, wenn möglich, in Form einer Anstellung in einer Einrichtung oder psychiatrischen Versorgung. Der Beigeladene biete derzeit den fünften Kurs an, an dem ca. 21 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teilnähmen. Die Qualifizierung koste aktuell 3.890 Euro. Die Teilnehmer seien für die Finanzierung selbst verantwortlich. Der Beigeladene werde in den Gemeindepsychiatrischen Zentren in K_____ und X_____, die sich der Gesamtbevölkerung öffneten und gelungene Beispiele von Inklusion seien, eine barrierefreie Büronutzung in Anspruch nehmen. Es solle in K_____ von 9 bis 12 Uhr offene Sprechstunden und von 13 bis 20 Uhr Sprechstunden nach Terminvergabe bzw. durch aufsuchende Beratung geben sowie einmal im Monat samstags eine offene Sprechstunde. In X_____ werde einmal wöchentlich mindestens acht Stunden geöffnet.

Die Beklagte bewilligte dem Beigeladenen mit Bewilligungsbescheid vom 25. August 2022 einen nicht rückzahlbaren Zuschuss auf Ausgabenbasis für die Jahre 2023 bis 2029. Den Zulassungsantrag des Klägers lehnte sie mit Bescheid vom 29. August 2022 ab, weil ein regionales Überangebot bestehe und ein anderes Vorhaben mit dem Hauptstandort in K_____ mehr Ratsuchende erreichen könne als das Vorhaben des Klägers. K_____ habe mehr Einwohner und eine gute ÖPNV-Anbindung. Hiergegen erhob der Kläger am 7. September 2022 Widerspruch. Gegen den Bewilligungsbescheid zugunsten des Beigeladenen legte der Kläger am 25. Oktober 2022 Drittwiderspruch ein, weil der Beigeladene als Leistungserbringer nicht hätte berücksichtigt werden dürfen und auch die Anspruchsvoraussetzungen nach § 8 EUTBV nicht erfülle, während der Kläger die Kriterien des § 9 Abs. 2 Nr. 1 EUTBV besser erfülle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2023 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bewilligungsbescheid zugunsten des Beigeladenen zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Beigeladene sei kein Leistungserbringer im Sinne des § 1 Abs. 3 EUTBV. Dem Beigeladenen sei im Verteilungsverfahren nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 EUTBV der Vorrang einzuräumen gewesen, weil sein Beratungsstandort wohnortnäher sei.

Den Widerspruch des Klägers gegen den ihn betreffenden Ablehnungsbescheid vom 29. August 2022 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2023 ebenfalls zurück.

Auf die am 21. Februar 2023 mit dem Ziel, den den Beigeladenen betreffenden Bewilligungsbescheid aufzuheben und dem Kläger den begehrten Zuschuss gemäß seinem Antrag zu gewähren, erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. Mai 2023 den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 25. August 2022 zugunsten des Beigeladenen in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2023 und den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 29. August 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2023 auf und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger einen Zuschuss zur Weiterführung der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung im Landkreis G_____ mit 1,49 Vollzeitäquivalenten gemäß seinem Antrag vom 18. März 2022 zu bewilligen. Zur Begründung heißt es, die Klage sei zulässig. Dem Kläger fehle trotz der im April 2023 erfolgten Verlegung seines Sitzes nach K_____ nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da er weiterhin den Zuschuss für eine Beratung in T_____beantrage. Die Klage sei auch begründet. Der Beigeladene sei als Leistungserbringer gemäß § 1 Abs. 3 EUTBV bei der Zuschussgewährung nur nachrangig zu berücksichtigen. Da der Beigeladene EX-IN-Genesungsbegleiter ausbilde, sei er angesichts des weiten Wortlauts und des von § 1 Abs. 3 EUTBV verfolgten Zwecks, die Unabhängigkeit der Beratung im Interesse der Ratsuchenden sicherzustellen, ein Leistungserbringer i.S.v. §§ 4, 5 SGB IX. Dieser Einordnung entspreche es, dass der Kläger Bescheide von Leistungsträgern vorgelegt habe, in denen Leistungsberechtigten ein persönliches Budget für die EX-IN-Ausbildung bei einem anderen Anbieter gewährt worden sei. Der Einstufung der EX-IN-Ausbildung als Leistung zur Teilhabe stehe nicht entgegen, dass sie beim Beigeladenen bisher weder auf Grundlage des SGB noch auf Grundlage eines anderen Gesetzes, sondern von den Teilnehmern selbständig finanziert werde. Denn dies liege nach der eidesstattlichen Versicherung des Beigeladenen daran, dass ihm eine für die Finanzierung durch einen bestimmten Leistungsträger (nämlich die Bundesagentur für Arbeit) nötige Zertifizierung fehle. Es sei nicht erkennbar, weshalb die fehlende Zertifizierung einer Leistung zur Teilhabe durch einen Dritten die Einstufung einer Leistung als Teilhabeleistung entfallen lassen sollte. Dass die Erstattungsfähigkeit der EX-IN-Ausbildung grundsätzlich ausgeschlossen wäre, sei nicht ersichtlich. Demnach sei der Beigeladene lediglich nachrangig zu berücksichtigen, komme hier aber nicht zum Zuge. Der Kläger sei antragsberechtigt und erfülle auch die Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses nach § 8 EUTBV. Der Kläger weise die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 8 Abs. 1 EUTBV auf.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Sie macht zur Begründung geltend: Die Klage sei unzulässig, da dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Klage sei auch unbegründet. Der Beigeladene sei kein nachrangig zu berücksichtigender Leistungserbringer i.S.v. § 1 Abs. 3 EUTBV. Auf die von ihm angebotene EX-IN-Ausbildung bestehe kein Anspruch im sozialversicherungsrechtlichen Sinn. Es bestehe auch keine Leistungs- bzw. Vergütungsvereinbarung zwischen dem Beigeladenen und einem Träger. Dass einzelne Landesbehörden bei anderen Anbietern von der Erstattungsfähigkeit der EX-IN-Ausbildung ausgingen, binde das Gericht nicht und hätte auch nicht indiziell in die gerichtliche Entscheidungsfindung einfließen dürfen. Entscheidend sei die Erstattungsfähigkeit im Einzelfall, die durch die Inhalte und Modalitäten des jeweils angebotenen EX-IN-Ausbildungsprogramms und die Erfüllung von Qualitätskriterien determiniert werde, die für die Erstattung von Ausbildungskosten durch einen Leistungsträger auf Grundlage des jeweiligen Leistungsgesetzes entscheidend seien. Die vom Beigeladenen angebotene Ausbildung erfülle diese Kriterien nicht. Der Beigeladene verfüge weder über eine Zertifizierung nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) noch über ein vergleichbares anerkanntes Gütesiegel für die EX-IN-Kurse. Er sei nicht in der Liste der anerkannten Bildungsträger nach dem Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg aufgeführt. Auch inhaltlich seien die EX-IN-Kurse nicht ohne Weiteres von den Leistungskategorien des § 4 Abs. 1 SGB IX erfasst.

Außerdem sei der Kläger, wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 25. September 2024 ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen ausführt, unzuverlässig i.S.v. § 8 Abs. 1 EUTBV. Zum einen liege bei ihm eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EUTBV vor, da es gewichtige Indizien für eine finanzielle Krisen- bzw. drohende Insolvenzsituation des Klägers gäbe. Zum anderen sei der Kläger wegen ordnungswidriger Führung der Geschäfte und nicht bzw. verspätet bei der Beklagten eingereichter Verwendungsnachweise für den Bewilligungszeitraum 2021-2022 als unzuverlässig gemäß § 8 Abs. 1 EUTBV anzusehen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24.05.2023, Az.: VG 26 K 57/23, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Klage sei nicht unzulässig. Er habe lediglich seinen eigenen Sitz als Verein aus T_____ nach K_____ verlegt. Von ihm könne nicht erwartet werden, dass er die Infrastruktur für die Beratung für die Dauer des Verfahrens aufrechterhalte, ohne dass eine Refinanzierung garantiert wäre. Er sei aber in der Lage, sowohl in T_____ als auch in K_____ jederzeit kurzfristig geeignete Räume neu anzumieten. Die Klage sei auch begründet. Der Beigeladene sei Leistungserbringer i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 EUTBV. Es spiele keine Rolle, ob ein Leistungserbringer im Leistungsverschaffungsverhältnis zum Rehabilitationsträger eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung geschlossen habe. Auch auf die Zertifizierung nach der AZAV komme es nicht an. Die EX-IN-Ausbildung sei das Hauptgeschäft des Beigeladenen, wie sich aus dem Protokoll der Mitgliederversammlung vom 24. November 2020 ergebe. Der Beigeladene sei unstreitig Kooperationsmitglied im Gemeindepsychiatrischen Verbund G_____. Eine der Voraussetzungen dafür sei eine Vereinbarung mit einem Leistungsträger, also die Leistungserbringer-Eigenschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 EUTBV.

Die Angaben im Schriftsatz der Beklagten vom 25. September 2024 zur mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und zur Unzuverlässigkeit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26. September 2024 bestritten und einen Antrag auf Schriftsatznachlass bis zum 11. November 2024 gestellt; auf Seite 2 f. der Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er trägt vor, die Teilnehmer der von ihm angebotenen EX-IN-Ausbildung definierten sich nicht als Menschen mit Behinderung. Auch wenn sie es abstrakt sein könnten, seien sie konkret erst dann leistungsberechtigte Personen im Sinne des SGB IX, wenn ihre Leistungsberechtigung in Folge ihres Antrags geprüft worden sei. Dies gälte auch für die Leistungen der weiteren Rehabilitationsträger, die der Kläger benannt habe. Die EX-IN-Ausbildung entspringe der Tradition der Selbsthilfebewegung von Menschen mit Psychiatrieerfahrung, die sich in ihrem Selbstverständnis von dem Fach Psychiatrie und dessen Krankheitsverständnis abwende und das Fachexpertenwissen durch Erfahrungswissen ersetze. Eine Beurteilung durch Fachexperten, die bei der Teilhabeplanung unabdingbar sei, werde von einem Teil der Interessenten der EX-IN-Ausbildung abgelehnt. Die Argumentation des Klägers, dass der Beigeladene keine AZAV-Zertifizierung oder ein vergleichbares anerkanntes Gütesiegel beantragen müsse, damit Interessenten für die EX-IN-Ausbildung diese finanziert bekämen, verfange somit nicht. Es bestehe auch kein Zwang, Leistungserbringer i.S.d. SGB IX zu werden. Die Aufnahme in die EX-IN-Ausbildung des Beigeladenen erfolge nach den Kriterien der EX-IN-Bewegung, die sich von den Kriterien des deutschen Sozialrechts unterschieden. Dabei müsse beachtet werden, dass die Teilnehmer nicht nur aus Deutschland kämen, sondern vor allem auch aus Österreich und der Schweiz, die ein anderes Sozialleistungssystem hätten. Der Anspruch des Beigeladenen sei stets, die Ausbildung für Personen aus allen drei Staaten anzubieten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Klägers zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung der begehrten Zuschüsse im Sinne der EUTBV für die Bewilligungsperiode ab 1. Januar 2023 gegenüber der Beklagten. Die Beklagte hat den Zuschuss vielmehr zu Recht dem Beigeladenen zugesprochen. Der gegenüber dem Beigeladenen ergangene Bewilligungsbescheid und der gegenüber dem Kläger ergangene Ablehnungsbescheid sind jeweils rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).

1. Geht man - wie die Beklagte bei Erlass der streitbefangenen Bescheide - davon aus, dass sowohl der Kläger als auch der Beigeladene die Bewilligungsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllen, hängt der Anspruch von dem in § 9 EUTBV vorgesehenen Zuteilungsverfahren ab. Nach dessen Absatz 1 haben die Antragsteller einen Anspruch auf Teilnahme an einem Zuteilungsverfahren, wenn durch die Bewilligung ein regionales Überangebot entstehen würde. Ein Überangebot ist anzunehmen, wenn die für die fragliche Region zur Verfügung stehenden Vollzeitäquivalente überschritten werden (vgl. Senatsurteil vom 31. Januar 2024 - OVG 6 B 5/23 -, juris Rn. 19). Ist dies - wie hier - der Fall, ist gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 EUTBV abzustellen auf die „Erforderlichkeit des Beratungsangebots zur Umsetzung eines flächendeckenden, wohnortnahen Angebots“. Danach erweist sich das Angebot des Beigeladenen als vorzugswürdig gegenüber dem des Klägers. Zwar schöpfen sowohl das Angebot des Beigeladenen als auch das des Klägers das zur Verfügung stehende Kontingent von 1,49 VZÄ voll aus, würden also den Beratungsbedarf jeweils vollständig decken. Das Angebot des Beigeladenen ist allerdings wohnortnäher.

Das Merkmal „Wohnortnähe“ im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 EUTBV zielt darauf ab, für einen möglichst großen Anteil der Bevölkerung des Landkreises ein nahe am Wohnort gelegenes und damit niedrigschwelliges Beratungsangebot zu gewährleisten (Senatsurteil, a.a.O., juris Rn. 31).

Danach ist das Vorhaben des Beigeladenen mit dem Hauptstandort in K_____ wohnortnäher, weil es deutlich mehr Ratsuchende erreicht als dies in T_____, dem Hauptstandort des Klägers, der Fall wäre. K_____ hatte nach dem auf der Internetseite der Stadt veröffentlichten Zensus 2022 61.780 Einwohner, während die Gemeinde T_____ auf ihrer Internetseite 5.118 Einwohner (Stand: 30.09.2023) angibt. Im Einzugsbereich der Beratungsstelle des Beigeladenen leben daher mehr als zwölfmal so viele Einwohner wie in demjenigen der Beratungsstelle des Klägers. Hinzu kommt, dass K_____ über gute Verkehrsanbindungen ins Umland verfügt und damit für Ratsuchende aus dem Umland mit dem ÖPNV deutlich besser erreichbar ist als T_____. Dass der Kläger seine Beratungsstelle in T_____ zwischenzeitlich aufgegeben und seinen Vereinssitz nach K_____ verlegt hat, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, seine Beratungsstelle in T_____ beibehalten zu wollen, da diese etabliert sei und es Nachfragen gebe, ob und wann sie fortgesetzt werden könne. Es sei ihm jederzeit möglich, (neue) Beratungsräume anzumieten. Dem Umstand, dass sowohl der Kläger als auch der Beigeladene außerdem planen, in Außenstellen in X_____ jeweils Beratung im Umfang von acht Stunden wöchentlich anzubieten, kommt vor diesem Hintergrund keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

2. Diesem Ergebnis kann nicht mit Erfolg entgegenhalten werden, der Beigeladene erfülle die Bewilligungsvoraussetzungen nicht, weil er Leistungserbringer i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 EUTBV und sein Angebot deshalb nachrangig gegenüber dem Angebot des Klägers sei. Denn der Beigeladene ist kein Leistungserbringer.

a) Mit dem Begriff des Leistungserbringers knüpft der Verordnungsgeber an das sog. sozialversicherungsrechtliche Dreiecksverhältnis an, dessen Teil er ist. Das Sozialleistungsrecht wird in den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuchs (SGB) überwiegend durch Sachleistungen in der Gestalt sog. Sachleistungsverschaffung geprägt, wenn Dienstleistungen zugunsten leistungsberechtigter Personen zu erbringen sind. Das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis bilden daher erstens die leistungsberechtigte Person mit ihrem öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch, zweitens der öffentlich-rechtliche Leistungsträger, der den Leistungsanspruch finanziert, und drittens der Leistungserbringer, der die den Gegenstand des Anspruchs bildende Maßnahme/Dienstleistung durchführt. Das Sachleistungsverschaffungsprinzip kann in Form einer direkten Beauftragung des Leistungserbringers, in der Erteilung von Gutscheinen an die leistungsberechtigte Person, in der Zertifizierung von Leistungserbringern (etwa in §§ 176 ff. SGB III) oder in der mittelbaren Einflussnahme auf privatrechtliche Beziehungen zwischen der leistungsberechtigten Person und dem die Leistung erbringenden Dritten mittels öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen des Leistungsträgers mit dem Leistungserbringer bestehen. Neben den klassischen Sachleistungen gibt es im SGB auch zweckbestimmte Geldleistungen, mit denen sich die Betroffenen die Leistungen selbst einkaufen können, um ihnen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (persönliches Budget). Die von einem oder mehreren Leistungsträgern erbrachten Geldleistungen können dabei aus der Sozialversicherung oder aus Steuermitteln stammen (vgl. Eicher, Das Persönliche Budget für Personen mit Behinderungen – oder das „Ariadnesyndrom“, in: jM 2024, 16-20, 16 f.). Hieran knüpft § 1 Abs. 3 Satz 1 EUTBV an. Nach der Begründung des Verordnungsgebers ist für den Begriff des Leistungserbringers i.S.v. § 1 Abs. 3 EUTBV maßgeblich, ob und gegebenenfalls in welcher Weise das Beratungsangebot von Leistungsträger- und Leistungserbringerinteressen abhängig ist (vgl. Begründung zu § 1 Abs. 1 und Abs. 3 EUTBV, Seite 13-14, abrufbar über www.gsub.de).

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Beigeladene kein Leistungserbringer. Anhaltspunkte für eine potentielle Interessenkollision, die zu einer Abhängigkeit seines Beratungsangebots von eigenen Interessen als Leistungserbringer oder -träger führen könnte, bestehen nicht. Insbesondere erbringt er die Ausbildung zum „EX-IN-Genesungsbegleiter“ nicht für einen öffentlich-rechtlichen Leistungsträger gegenüber einem Leistungsberechtigten mit öffentlich-rechtlichem Leistungsanspruch, sodass das Beratungsangebot nicht dazu genutzt werden kann, Teilnehmer für ein eigenes leistungsträgerfinanziertes Ausbildungsangebot zu akquirieren. Die vom Beigeladenen angebotene Ausbildung kann grundsätzlich auch nicht durch öffentlich-rechtliche Leistungsträger finanziert werden. Aufgrund des Ausbildungscharakters käme hierfür in erster Linie eine Finanzierung durch die Bundesagentur für Arbeit nach dem SGB III in Betracht. Diese Finanzierungsmöglichkeit scheitert vorliegend daran, dass der Beigeladene nicht über eine Zertifizierung oder sonstige Anerkennung durch einen deutschen Leistungsträger verfügt. Denn ihm fehlt die gemäß §§ 176 ff. SGB III i.V.m. § 45 SGB III erforderliche Zulassung nach der Verordnung über die Voraussetzungen und das Verfahren zur Akkreditierung von fachkundigen Stellen und zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung, kurz: AZAV) i.V.m. § 184 SGB III, die eine Voraussetzung für die Zulassung von Bildungsträgern für Maßnahmen zur Weiterbildung, Aktivierung und Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt nach dem SGB III ist. Der Beigeladene hat auch keinen Vertrag und keine Vereinbarung zur Leistungserbringung i.S.v. §§ 38, 123 ff. SGB IX mit einem Rehabilitationsträger oder einem Träger der Eingliederungshilfe abgeschlossen, die Voraussetzungen für entsprechende Maßnahmen nach dem SGB IX sind. Vor diesem Hintergrund besteht entgegen der Annahme des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch keine gesetzeskonforme Möglichkeit, die Teilnahme an der von dem Beigeladenen angebotenen Ausbildung im Wege eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets nach dem SGB IX zu finanzieren.

Der von dem Kläger mit Schriftsatz vom 14. März 2023 vorgelegte Bescheid über die Bewilligung eines persönlichen Budgets nach § 29 SGB IX zum Zweck der Ausbildung zur Genesungsbegleiterin „EX-IN“ rechtfertigt keine andere Einschätzung. Denn der Bescheid nennt als Leistungserbringer das „U_____“, das nach seinem Internetauftritt mit zahlreichen Leistungsträgern Verträge und Kooperationen abgeschlossen hat.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Beigeladene eine AZAV-Zertifizierung oder ein vergleichbares Gütesiegel erlangen oder einen entsprechenden Vertrag i.S.v. § 38 SGB IX bzw. eine Leistungsvereinbarung gemäß §§ 123 ff. SGB IX mit einem deutschen Leistungsträger schließen könnte. Zum einen war eine solche Zertifizierung bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung nicht erfolgt und könnte die Beklagte auf einen Wegfall der Bewilligungsvoraussetzungen während des weiteren Förderzeitraums gegebenenfalls durch entsprechende Maßnahmen reagieren. Davon unabhängig hat der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar bekundet, eine solche Zertifizierung bzw. Vereinbarung nicht anzustreben, weil sie sich nicht in sein Betriebskonzept einfügen würde, das nicht auf Finanzierung durch deutsche Sozialleistungsträger ausgerichtet sei. Dementsprechend beschränke es sich nicht auf Teilnehmer aus Deutschland. Sein Ausbildungsangebot richte sich vor dem Hintergrund der regionalen Lage am G_____ vielmehr gleichermaßen auch an Menschen aus Österreich, der Schweiz und Liechtenstein. Sein Anspruch sei stets, die Ausbildung für Personen aus allen vier deutschsprachigen Staaten anzubieten.

c) Auch die Tatsache, dass der Beigeladene Mitglied im Gemeindepsychiatrischen Verbund G_____ - GpV - und dessen Hilfeplankonferenz ist, rechtfertigt weder für sich genommen noch in der Gesamtschau die Annahme, er sei Leistungserbringer i.S.v. § 1 Abs. 3 EUTBV. Der Beigeladene trägt hierzu vor, seine Mitgliedschaft bestehe nicht, weil er Leistungserbringer sei, sondern weil die von ihm angebotene Ausbildung zum EX-IN-Genesungsbegleiter ein Angebot der Selbsthilfe darstelle. Dieser Vortrag wird gestützt durch § 7 Satz 1 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten Baden-Württemberg (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz – PsychKHG). Danach schließen sich in den auf Ebene der Stadt- und Landkreise gebildeten Gemeindepsychiatrischen Verbünden insbesondere Träger ambulanter, teilstationärer und stationärer Versorgungseinrichtungen und Dienste sowie Angebote der Selbst- und Bürgerhilfe zum Zwecke der Kooperation zusammen. Dem Einwand des Klägers, gemäß Ziffer 3.1.1 der Kooperationsvereinbarung zum GpV folge bereits aus der bloßen Mitgliedschaft im Verbund die Eigenschaft als Leistungserbringer, weil diese an das Vorliegen einer Vereinbarung mit einem Leistungsträger geknüpft sei, ist mit der Beklagten entgegenzuhalten, dass dies nur für „weitere“, also die Aufnahme neuer Mitglieder gelte, der Beigeladene jedoch gemäß Ziffer 3.2 Abs. 4 der Kooperationsvereinbarung Gründungsmitglied des Verbunds ist.

Ebenso wenig ist es für die Mitgliedschaft in der entsprechenden Hilfeplankonferenz bzw. Beteiligungskonferenz im GpV Voraussetzung, Leistungserbringer zu sein. Vielmehr sieht die Geschäftsordnung der Hilfeplankonferenz im G_____ in Ziffer 5.1 vor, dass Vertreter der Dienste und Einrichtungen, die im Landkreis tätig sind, ständige Mitglieder sind. Bei dem Beigeladenen handelt es sich um einen solchen im Landkreis tätigen Dienst bzw. eine dort tätige Einrichtung.

Dass dem Vorstand des Beigeladenen Personen angehören mögen, die bei Leistungserbringern bzw. als Leistungserbringer tätig sind, führt angesichts der Tatsache, dass der Beigeladene selbst keine Leistungen gegen Entgelt für Leistungsträger erbringt, ebenfalls weder für sich genommen noch in der Gesamtschau zu einer drohenden Abhängigkeit seines Beratungsangebots von Leistungsträger- oder Leistungserbringerinteressen. Anhaltspunkte, die eine andere Einschätzung insoweit rechtfertigen oder nahelegen könnten, sind weder dargelegt noch ersichtlich.

3. Bereits aus dem Vorstehenden folgt, dass die Beklagte den Zuschussantrag des Klägers zu Recht abgelehnt hat. Ob sie dem Begehren des Klägers zudem den mit Schriftsatz vom 25. September 2024 erstmals aufgeworfenen Aspekt seiner mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 EUTBV entgegenhalten kann, muss daher nicht entschieden werden. Auf etwaigen Vortrag des Klägers zu diesen Umständen kommt es deshalb nicht an. Vor diesem Hintergrund musste dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Schriftsatznachlass (§ 283 ZPO i.V.m. § 173 VwGO) nicht entsprochen werden.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 in Verbindung mit § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Er hat keinen Antrag gestellt und kein Rechtsmittel eingelegt und sich damit keinem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.