I.
Der Auftraggeber schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 13. November 2008 die Beseitigung und Behandlung von Siedlungsabfällen im Offenen Verfahren europaweit aus. Los 1 betraf die Sammlung und Beförderung von Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen und sollte für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. März 2017 vergeben werden. Los 5 betraf Sammlung, Beförderung, Transport und Verwertung von kommunalem Altpapier und sollte vom 1. Januar 2010 bis zum 31. März 2014 vergeben werden.
Am 18. November 2008 übersandte das Ingenieurbüro I… GmbH für den Auftraggeber an die Antragstellerin die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes und die Verdingungsunterlagen.
In der Bekanntmachung der Ausschreibung, Abschnitt III. „Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Informationen“ sind unter III.2. „Teilnahmebedingungen“ Angaben zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bieters (Ziffer III.2.2.) gefordert. Nach dem Text der Bekanntmachung und nach Ziffer 3.6. der Bewerbungs- und Vergabebedingungen sind hierzu Umsatzangaben, die Anzahl der Mitarbeiter des Bieters in den letzten drei Geschäftsjahren und eine Übersicht über aktuelle Referenzen bezogen auf Sammlung und Beförderung von Abfällen gegliedert nach Losen sowie eine Übersicht über aktuelle Referenzen bezogen auf den Betrieb von Abfallbehälter – und Identifikationssystemen für Los 1 vorzulegen. Im Einzelnen wird auf den Text der Bekanntmachung, S. 5, sowie S. 9 bis 12 der Bewerbungs- und Vergabebedingungen verwiesen. Teil II der Vergabeunterlagen enthält das Angebotsschreiben, in dem unter Ziffer 7. die geforderten Nachweise jeweils aufzuführen sind; auf den Text des Angebotsschreibens wird verwiesen. Die Ausschreibung wurde präzisiert und ergänzt durch insgesamt sieben Bieterinformationen.
Die Beigeladene bewarb sich unter anderem auf die Lose 1 und 5. Zu Los 1 konnte sie eigene Angaben zu „Umsätzen/Mitarbeitern“ in dem hierfür vorgesehenen Formblatt 1 des Angebotsschreibens und „Referenzen“ bezogen auf die Sammlung und Beförderung von Abfällen sowie Referenzen bezogen auf den Betrieb von Abfallbehälter- und Identifikationssystemen für Los 1 nicht vorlegen. Für Los 5 konnte sie keine eigenen Angaben in der Rubrik „Umsätze/Mitarbeiter“ für das Jahr 2005 und für das Jahr 2006 nur in geringem Umfang machen. Aktuelle Referenzen konnte sie für Los 1 nicht vorlegen, für Los 5 gab sie lediglich eine eigene Referenz an. Sie bezog sich im Übrigen auf Umsätze und Mitarbeiter sowie Referenzen des Unternehmens F… GmbH. Die Beigeladene ist ein Tochterunternehmen der F… GmbH, die als alleinige Gesellschafterin ihre Gesellschaftsanteile hält. Die Beigeladene legte eine Erklärung der F… GmbH des folgenden Wortlautes vor:
„Zur Beurteilung der Eignung ihrer Leistungsfähigkeit kann die M… GmbH (M…) als Tochtergesellschaft der F… GmbH auch auf deren Nachweise zurückgreifen. Die eventuell erforderliche Bereitstellung von wirtschaftlichen, technischen, fachlichen und finanziellen Kriterien wird für den Fall des Zuschlages mit einer entsprechenden Vereinbarung durch die F… GmbH geregelt.
Zur Erfüllung der in den Verdingungsunterlagen geforderten Angaben und Nachweise kann die M… auch auf die Angaben und Nachweise der F… GmbH verweisen. Im Folgenden auf die Nachweise der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit.“
Im Ergebnis der Bewertung der Angebote durch die Auftraggeberin erreichte die Beigeladene jeweils den ersten Platz in Bezug auf die Lose 1 und 5, die Angebote der Antragstellerin erreichten zu Los 1 den dritten und zu Los 5 den zweiten Platz.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2009 setzte der Auftraggeber die Antragstellerin darüber in Kenntnis, dass die Angebote der Beigeladenen zu den Losen 1 und 5 den Zuschlag erhalten sollen. Zur Begründung führte sie aus, es handele sich jeweils um niedrigere Angebote als das der Antragstellerin.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2009, an die Auftraggeberin per Telefax am selben Tag übersandt, rügte die Antragstellerin die vorgesehene Zuschlagerteilung. Die Beigeladene könne die zu Los 5 geforderte verbindliche Abnahmeerklärung einer zugelassenen Verwertungsanlage für den gesamten Vertragszeitraum nicht vorlegen; sie könne allenfalls eine Abnahmeerklärung einer Sortieranlage vorlegen, die aber die auftragsbezogenen Mengen nicht abnehmen könnte. Sie habe daher die erforderlichen Nachweise und Erklärungen mit dem Angebot nicht vorgelegt. Sie sei außerdem nicht geeignet, den Auftrag auszuführen, weil weder die Beigeladene noch ihr Mutterunternehmen Erfahrungen mit einem Abfallbehälteridentifikationssystem hätten, das mit einem Wägesystem ausgestattet sei. Ihre mangelnde Eignung resultiere schließlich auch daraus, dass sie den gesetzlichen Mindestlohn, der zukünftig zu zahlen sei, erheblich unterschreite. Mit Schreiben vom 13. Mai 2009 ergänzte sie die Rüge dahin, dass die Beigeladene auch den flächendeckenden Vertrieb von Abfallsäcken, Laubsäcken und Banderolen für Ast- und Strauchwerk sowie Abfallkalender über dezentrale Verkaufsstellen im Landkreis nicht sicherstellen könne.
Der Auftraggeber half der Rüge nicht ab.
Am 20. Mai 2009 hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg einen Nachprüfungsantrag gestellt, in dem sie erneut die fehlende Eignung der Beigeladenen im Hinblick auf Erfahrungen mit der Anwendung des Wägesystems und die Zahlung zu geringer Löhne gerügt und ergänzt hat, dass sich die unzureichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beigeladenen auch aus einer zögerlichen Bezahlung der Leistungen der Antragstellerin ergebe, die sie gegenüber der Beigeladenen als Nachunternehmerin abrechne. Ferner rügte sie den Text der Vergabebedingungen, die die gebotene Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht berücksichtige, und hielt eine fehlende Preisanpassungsklausel für den Behälteränderungsdienst für erforderlich. Schließlich sei unzulässig ein verspätet eingegangenes Angebot zugelassen und bewertet worden. Im Nachprüfungsverfahren hat sie mit Schriftsatz vom 24. Juni 2009 ergänzend gerügt, dass entgegen § 6 Nr. 1 VOL/A die Angebotswertung durch ein Sachverständigenbüro durchgeführt worden sei und dass sich aus den Vergabeunterlagen nicht ergebe, wie die geforderten Entleerungskonzepte Eingang in die Angebotswertung gefunden hätten. Das Angebot der Beigeladenen könne auch nicht auskömmlich kalkuliert sein, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Beigeladene die mit dem Einsatz des Wägesystems verbundenen Kosten zutreffend eingeschätzt habe.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. dem Auftraggeber zu untersagen, eine Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen in den Losen 1 und 5 zu erteilen;
2. den Auftraggeber zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand ab Bekanntmachung zurückzuversetzen und nach der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen;
3. für den Fall der bereits erfolgen Zuschlagserteilung festzustellen, dass der zustande gekommene Vertrag nichtig und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;
4. dem Auftraggeber die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten aufzuerlegen;
5. ihr gegenüber die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Der Auftraggeber hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Auftraggeber hat die Auffassung vertreten, dass die Rüge zur Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien am 13. Januar 2009 verspätet erhoben worden sei. Die Antragstellerin sei auch nicht in ihren Rechten verletzt, weil der Grund für die unterbliebene Berücksichtigung ihres Angebotes nicht die unzureichende Eignung gewesen sei, sondern sie erst in einer späteren Wertungsstufe ausgeschieden sei. Die fehlende Preianpassungsklausel für die Behälterbeschaffung stelle kein außergewöhnliches Wagnis dar, weil die zu beschaffenden Behälter grundsätzlich vergütet würden und der voraussichtliche Bedarf an Behältern für die Bieter auch einzuschätzen sei. Die Beigeladene habe die Referenzen zu einem Abfallbehälteridentifikationssystem vorgelegt und hierbei in zulässiger Weise auf ein zulieferndes Unternehmen Bezug genommen. Es habe ein Aufklärungsgespräch insbesondere in Bezug auf die Entlohnung der Mitarbeiter stattgefunden, in dessen Rahmen die in das Angebot aufgenommenen kalkulierten Preise geprüft worden seien. Er habe im Ergebnis der Prüfung die Einschätzung getroffen, dass die Beigeladene den Mindestlohn an ihre Mitarbeiter zahlen werde. Konkrete Anhaltspunkte für eine unzureichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit lägen nicht vor.
Die Beigeladene hat die Rechtsauffassung des Auftraggebers geteilt und hierzu ergänzende Ausführungen in ihren Schriftsätzen vom 17. und 24. Juni 2009 gemacht, auf die verwiesen wird.
Die Vergabekammer des Landes Brandenburg hat die Entscheidungsfrist mit Verfügung vom 18. Juni 2009 bis zum 8. Juli 2009 verlängert. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. Juli 2009 hat sie den Anträgen stattgegeben, gleichzeitig aber die Zurückweisung des weiter gehenden Antrages ausgesprochen und der Antragstellerin ein Drittel der Verfahrenskosten und notwendigen Aufwendungen des Auftraggebers und der Beigeladenen auferlegt. Der Beigeladenen hat sie ein Drittel der notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin und der Verfahrenskosten auferlegt. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, dass die Beigeladene in Teil II der Angebotsunterlagen zu Ziffer 7 lit (e) für Los 1 das Formblatt „Umsätze/Mitarbeiter“ ohne eigene Angaben eingereicht und Referenzen nicht vorgelegt habe. Für Los 5 enthielte das Formblatt „Umsätze/Mitarbeiter“ keine Angaben zu 2005 und nur in geringem Umfang zu 2006. Aktuelle Referenzen seien ebenfalls nur unzureichend vorgelegt worden. Soweit sie sich auf die Leistungsfähigkeit ihres Mutterunternehmens beziehe, habe sie nicht ausreichend dargelegt, welche Einrichtungen und Mittel der Muttergesellschaft der Beigeladenen zur Verfügung stehen sollten, ferner sei die vorgelegte Erklärung nicht hinreichend verbindlich und es fehlte die Bezugnahme auf die streitgegenständlichen Lose 1 und 5. Die Beigeladene sei daher in der zweite Wertungsstufe auszuschließen. Ohne Erfolg blieben indes die Rügen, die sich auf die Ausschreibung bezogen, so dass das Verfahren nicht in das Stadium vor Bekanntmachung und Versendung der Ausschreibungsunterlagen zurückzuversetzen sei. Im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 2. Juli 2009 verwiesen.
Gegen den ihr am 3. Juli 2009 zugestellten Beschluss hat die Beigeladene am 17. Juli 2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass die Rügen gegen die Vergabeunterlagen verspätet erhoben worden seien. Im Hinblick auf Los 1 fehle der Antragstellerin die Antragsbefugnis, weil sie insofern aussichtslose Bieterin sei. Sie habe die Angebotsunterlagen vollständig ausgefüllt, soweit anstelle von Angaben waagerechte Striche eingefügt worden seien, sei Ursache hierfür gewesen, dass die Beigeladene in diesen Bereichen keine Umsätze erzielt habe bzw. über keine Mitarbeiter verfüge. Weil die Angaben zu den Umsätzen und Mitarbeitern in dem betreffenden Teilbereich der Leistung unter der Rubrik „wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“ gefordert gewesen seien, für dieses Kriterium aber praktisch wertlos seien, dürfte aus dem Fehlen eigener Zahlen nicht der Schluss auf die fehlende wirtschaftliche oder finanzielle Leistungsfähigkeit gezogen werden. Zudem müssten die Umsätze und die Mitarbeiterzahl des Mutterunternehmens Berücksichtigung finden. Die Vergabekammer habe den Inhalt der Erklärung der F… GmbH verkannt. Darin sei die Bereitstellung von betrieblichen Mitteln durch die F… GmbH nur deshalb als „eventuell erforderlich“ bezeichnet und eine konkrete Verpflichtung zur Bereitstellung nicht aufgenommen worden, weil die Beigeladene nach ihrem Konzept davon ausgehe, dass sie den Auftrag mit eigenen Mitteln ausführen könne. Zudem sei die Erklärung des Mutterunternehmens auch dahin auszulegen, dass ihr Verbindlichkeit zukommen solle, was sich auch aus dem darin aufgenommenen Zweck ergebe, dass „die Anforderungen aus dem Leistungsverzeichnis erfüllt“ werden sollten und aus dem Umstand, dass die F… GmbH ihr auch eine Mitarbeiterin zur Unterstützung im Vergabeverfahren zur Verfügung gestellt habe. Nur hinsichtlich des Umfangs der zu überlassenden Einrichtungen und Geräte sollte zu einem späteren Zeitpunkt eine Vereinbarung abgeschlossen werden. Zwischen ihr und dem Mutterunternehmen bestehe im Bereich der Führungs- und Leitungsebene teilweise Personenidentität. Der Geschäftsführer N… M… und der Betriebsstättenleiter B… W… seien für beide Unternehmen tätig. Damit sei auch die Verfügbarkeit ihrer Fähigkeiten belegt. Die vorgelegten eigenen Referenzen beträfen zwar die Einsammlung und den Transport von Leichtverpackungen; die Anforderungen an Personal und an den Einsatz von Technik seien aber mit den Anforderungen bei den ausgeschriebenen Leistungen vergleichbar.
Im Übrigen sei die Vergabekammer nicht befugt, unabhängig vom Vortrag der Antragstellerin das Vergabeverfahren auf Fehler zu überprüfen. Den Vortrag zu fehlenden Erfahrungen mit dem Abfallbehälter- und Identifikationssystem hält sie ebenso wie die Behauptung, dass sie den Mindestlohn nicht zahlen würde, für Mutmaßungen, die unbeachtlich seien.
Die Beigeladene beantragt,
1. den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 2. Juli 2009 (Az.: VK 25/09) aufzuheben und den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. den Auftraggeber zu verpflichten, ihr den Zuschlag zu erteilen;
3. hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechts-auffassung des Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden.
Die Beigeladene hat einen mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009 gestellten Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde am 5. August 2009 zurückgenommen.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hält die Beschwerde für unbegründet. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist der Auffassung, dass eine von ihrem Nachprüfungsantrag unabhängige Fehlerprüfung der Vergabekammer nicht vorliege, weil sie sich auf die mangelnde Eignung der Beigeladenen berufen habe.
Wegen der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf die Vergabeakten Bezug genommen.
II.
1. Die nach den §§ 116, 117 GWB zulässige sofortige Beschwerde der Beigeladenen hat in der Sache Erfolg, soweit Los 1 in Rede steht.
Denn soweit der Nachprüfungsantrag sich auf Los 1 bezieht, ist er unzulässig. Die Antragstellerin legt nicht dar, dass ihr durch die gerügten Vergaberechtsverletzungen ein Schaden zu entstehen droht (§ 107 Abs. 2 S. 2 GWB). Die Antragstellerin hat nach der Wertung der Angebote bei Los 1 lediglich den dritten Platz erreicht. Dass sie eine bessere Wertung erreicht hätte, wenn die Wertung ohne die von ihr gerügte Beteiligung eines Sachverständigenbüros vorgenommen worden wäre, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Jedenfalls erscheint die Rüge aber unbegründet, weil aus der Beschlussvorlage, die der Wertungsentscheidung voranging, ersichtlich ist, dass das zur Entscheidung berufene Gremium selbst über die Wertung entschieden hat. Selbst wenn ihre übrigen Rügen gegen die Entscheidung zugunsten der Beigeladenen Erfolg hätten, hätte sie keine Aussicht auf den Zuschlag. Die Antragsbefugnis fehlt deshalb insoweit (vgl. jurisPK-VergabeR/ Summa, § 110 GWB Rz. 28; Weyand, Vergaberecht, 2. Aufl., Rz. 1675).
2. Soweit der Nachprüfungsantrag Los 5 betrifft, ist die sofortige Beschwerde unbegründet, weil die Vergabekammer insoweit zu Recht dem Nachprüfungsantrag stattgegeben hat.
Der Nachprüfungsantrag ist insoweit zulässig. Insbesondere ist die Rüge der fehlenden Eignung der Beigeladenen gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntnisnahme von dem Vergabeverstoß erhoben worden. Die Antragstellerin hat von dem beabsichtigten Zuschlag an die Beigeladene am Donnerstag, den 7. Mai 2009 Kenntnis erlangt. Die Rüge hat sie am Montag, den 11. Mai 2009 per Telefax gegenüber der Auftraggeberin, mithin unverzüglich erhoben.
Der Nachprüfungsantrag ist, soweit Los 5 in Rede steht, auch begründet.
Das Angebot der Beigeladenen ist gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zwingend auszuschließen, weil ihm die in Ziffer 3.6. der Vergabebedingungen geforderten Eignungsnachweise nicht vollständig beigefügt waren (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. März 2006, Verg 98/05). Die Beigeladene kann zu Los 5 nicht in dem geforderten Umfang eigene Umsatz- oder Mitarbeiterzahlen mitteilen. Sowohl die Angabe der Umsatz- und Mitarbeiterzahlen, als auch die Vorlage von Referenzen sind nach der Formulierung in Ziffer 3.6 der Vergabebedingungen („sind vorzulegen“) für die Abgabe des Angebotes verbindliche Voraussetzungen, die zu einer Selbstbindung der ausschreibenden Stelle und damit zum Ausschluss der Angebote führt, die diese Voraussetzung nicht erfüllen (vgl. Müller-Wrede- Noch , VOL/A Kommentar, 2. Aufl., § 25 Rz. 132). Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist die Mitteilung von Umsatzzahlen bezogen auf die besondere Leistungsart ein zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geeigneter Nachweis (§ 7a Nr. 3 Abs. 1 lit d) VOL/A). Der Auftraggeber kann auch weitgehend frei über die im konkreten Fall zweckmäßigen Nachweise entscheiden (Müller-Wrede /Greb , VOL/A Kommentar, 2. Aufl., § 7a Rz. 38), er war nicht gehindert, Angaben über die Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter in den letzten drei Jahren zu fordern.
Wegen des Fehlens eigener Nachweise beruft sich die Beigeladene in ihrem Angebot überwiegend auf Zahlen und Referenzen ihres Mutterunternehmens F… GmbH, nicht wie sie jetzt einwendet, auf gleichwertige Referenzen aus anderen Leistungsbereichen. Die Berufung auf die Leistungen eines anderen Unternehmens im Rahmen des Nachweises der Leistung und Fachkunde ist zulässig; sie ist nach § 7 a Nr. 3 Abs. 6 S. 2 VOL/A aber davon abhängig, dass der Bieter den Nachweis darüber führt, dass ihm die erforderlichen Mittel des anderen Unternehmens bei der Erfüllung des Auftrages zur Verfügung stehen (vgl. auch OLG Düsseldorf, VII-Verg 18/06, IBR 2007, 89; VK Südbayern, VergabeR 2004, 731; Müller-Wrede, VOL/A Kommentar, 2. Aufl., § 7a Rz. 80; aaO., Kulartz/Marx/Portz/Prieß- Hausmann , Kommentar zur VOL/A, § 7a Rz. 129). Aus der Erklärung muss hervorgehen, dass ein Zugriffsrecht auf fremde Ressourcen tatsächlich besteht; die Erklärung muss sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auch gerade auf die für die Erfüllung des Auftrages erforderlichen Mittel beziehen. Diesen Anforderungen genügt die Erklärung der F… GmbH vom 30. Januar 2009 nicht, weil dort zwar uneingeschränkt die Vorlage der Nachweise der Muttergesellschaft zugunsten der Tochtergesellschaft gebilligt wird, eine verbindliche Vereinbarung über die Überlassung bestimmter, zur Erfüllung des Auftrages erforderlicher Mittel jedoch nicht getroffen, sondern einer späteren Vereinbarung vorbehalten wird. Unerheblich ist, ob die Beigeladene bei Abgabe ihres Angebotes davon ausging, sie werde den Auftrag aus eigenen Mitteln erfüllen können; beruft sie sich nämlich auf die Leistungsfähigkeit und Fachkunde eines Dritten, um im Vergabeverfahren eigene Nachweise zu ersetzen, so muss auch die Verfügbarkeit der Mittel dieses Unternehmens gegeben sein, weil sonst der Vorlage der Nachweise kein Aussagewert in Bezug auf die Eignung des Bieters zukäme (vgl. Willenbruch/Bischoff -Stolze , Vergaberecht, § 25 VOL/A Rz. 32). Auch aus den mit der Beschwerde hervorgehobenen Formulierungen „zur Beurteilung der Eignung ihrer Leistungsfähigkeit“ und „zur Erfüllung der in den Verdingungsunterlagen geforderten Angaben und Nachweise“ in der Erklärung vom 30. Januar 2009 ergibt sich nichts anderes, weil diese Formulierungen nur auf die Befugnis zur Vorlage der Nachweise, nicht aber zur Nutzung der Ressourcen der F… GmbH bezogen sind. Die Personenidentität des Betriebsstättenleiters und des Geschäftsführers beider Unternehmen ist zur Erfüllung der in § 7a Nr. 3 Abs. 6 S. 2 normierten Anforderungen nicht geeignet, weil sie nicht zwingend den Schluss auf die Verpflichtung eines der Unternehmen zur Überlassung technischer oder personeller Mittel an das andere Unternehmen zulässt.
Die Vergabekammer war auch nicht gehindert, den Vergaberechtsverstoß, der in der unzureichenden Vorlage der geforderten Nachweise liegt, zu berücksichtigen. Nach § 110 GWB ist die Vergabekammer gehalten, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Sie muss den für die Prüfung des Antrages notwendigen Sachverhalt ermitteln (Willenbruch/Bischoff- Tahal , Vergaberecht, § 110 GWB Rz. 1; vgl. jurisPK-VergabeR/ Summa, 2. Auflage , § 110 GWB Rz. 19). Die Prüfung der Vergabekammer hat sich hier innerhalb dieses Rahmens gehalten.
Die Antragstellerin hat mit ihrem Nachprüfungsantrag (S. 17 und 18) die fehlende Eignung der Beigeladenen gemäß § 25 Abs. 2 Nr. VOL/A im Hinblick auf die Lose 1 und 5 gerügt und diese mit deren unzureichender Erfahrung bei der Verwendung des zu Los 1 ausgeschriebenen Abfallbehälteridentifikations- und Wägesystems (IWS-Systems) begründet. Die Vergabebedingungen sehen für Los 1 bezogen auf den Betrieb von IWS-Systemen die Vorlage von aktuellen Referenzen vor. Die Beigeladene hat in Anlage 8 zu ihrem Angebot insoweit ausschließlich auf Referenzen der F… GmbH und eines Tochterunternehmens der F… GmbH verwiesen.
Deshalb war die Prüfung geboten, inwiefern die vergaberechtlichen Anforderungen, die bei einem Verweis auf Referenzen Dritter gelten, eingehalten worden sind. Die hierzu von der Beigeladenen vorgelegte Erklärung der F… GmbH bezog sich nicht nur auf Los 1, sondern auf Nachweise und Referenzen zu allen Losen. Stellte die Vergabekammer aber im Hinblick auf Los 1 eine unzulässige Bezugnahme auf Nachweise Dritter wegen einer fehlenden Verpflichtungserklärung fest, durfte dieser auf der Hand liegende Fehler auch im Rahmen der Prüfung berücksichtigt werden, ob die Antragstellerin bei der Entscheidung zu Los 5 in ihren Rechten verletzt worden ist.
Abweichendes ergibt sich insoweit auch nicht aus der von der Beigeladenen in Bezug genommenen Entscheidung des OLG München vom 10. Dezember 2009 (Verg 16/09); danach bilden der Antrag und das Vorbringen des Antragstellers den Rahmen der Sachverhaltserforschung und der Rechtmäßigkeitskontrolle, zu der die Vergabekammer befugt ist. Anders als in der zitierten Entscheidung hat die Prüfung der Vergabekammer sich innerhalb des Rechtsschutzziels der Antragstellerin – Prüfung von Rechtsverletzungen wegen mangelnder Erfahrung der Beigeladenen im Hinblick auf Los 1 und Los 5 – gehalten. Auch war die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen nicht nach § 107 Abs. 3 GWB präkludiert, weil sie bereits in ihrem Schreiben vom 11. Mai 2009 die unzureichende Eignung der Beigeladenen und das Fehlen der erforderlichen Nachweise in Bezug auf Los 5 gerügt hat.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergeht gemäß § 78 GWB. Der Auftraggeber hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt. Die Quotelung der Kosten entspricht der Billigkeit, wie sie auch in den § 92 ZPO zugrundeliegenden Rechtsgedanken zum Ausdruck kommt.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer folgt aus § 128 Abs. 3 S. 1 und 2, Abs. 4 S. 1 und 2 GWB. Die Beigeladene ist auch im Verfahren vor der Vergabekammer i. S. d. § 128 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 2 GWB teilweise unterlegen, weil sie sich mit demselben Rechtsschutzziel und weitgehend gleicher Begründung wie der Auftraggeber am Verfahren beteiligt und das Verfahren insoweit gefördert hat (vgl. BGH, VergabeR 2007, 59; BayObLG, VergabeR 2002, 510). Sie ist daher auch an der Erstattung der notwendigen Auslagen der Antragstellerin zu beteiligen; insoweit haften die Beigeladene und der Auftraggeber als Teilschuldner. Soweit die Beigeladene im Verfahren vor der Vergabekammer obsiegt hat, entspricht die Kostenentscheidung zu Lasten der Antragstellerin hinsichtlich der notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen der Billigkeit (§ 128 Abs. 4 S. 2 GWB).
Der Wert für das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 50 Abs. 2 GKG nach der Bruttoangebotssumme der Antragstellerin für die gesamte Laufzeit des Vertrages (Senat, Beschluss vom 30. 8 2004, VergabeR 2004, 777) zu bestimmen. Für Los 1 ist danach ein Betrag von 514.235,- €, für Los 5 von 26.779,- € anzusetzen, der Wert des Verfahrens beträgt insgesamt 541.014,- €.