Gericht | Anwaltsgerichtshof Brandenburg an der Havel 1. Senat für Anwaltssachen | Entscheidungsdatum | 20.08.2024 | |
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Aktenzeichen | 1 AGH 2/24 | ECLI | ECLI:DE:AWGHBRA:2024:0820.1AGH2.24.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des angeschuldigten Rechtsanwaltes wird das Urteil des Anwaltsgerichts im Bezirk der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg vom 15.06.2020, Az.: 2 AnwG 2/19, unter Zurückweisung seiner Berufung im Übrigen, abgeändert und neu gefasst:
Der angeschuldigte Rechtsanwalt hat sich eines Verstoßes gegen die Pflicht, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben, sich der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen, schuldig gemacht, in dem er in Angelegenheiten, mit denen er bereits als Rechtsanwalt befasst war, im widerstreitenden Interesse beraten hat.
Gegen ihn wird eine Geldbuße in Höhe von
20.000 €
verhängt.
Die Kosten des anwaltsgerichtlichen Verfahrens und seine notwendigen Auslagen tragen der angeschuldigte Rechtsanwalt und die Landeskasse je zur Hälfte.
Angewendete Vorschriften: § 43 BRAO, § 43 a Abs. 4, S. 1, Abs. 6 BRAO, § 113 BRAO, § 114 Abs. 1 a.F. BRAO, §§ 195, 197 Abs. 2 BRAO i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO.
I.
Das Anwaltsgericht im Bezirk der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg hat den Angeschuldigten mit Urteil vom 15.06.2020 wegen Verstoßes gegen §§ 43, 43a V BRAO i.V.m. § 266 I StGB aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen.
Gegen das am 15.06.2020 in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat er „Rechtsmittel“ eingelegt, das als Berufung zu bewerten ist. Der Bundesgerichtshof hat das in dieser Sache durch den 2. Senat des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshof am 20.04.2022 ergangene Urteil, mit dem die Berufung als unbegründet verworfen wurde, wobei der Senat dem Angeschuldigten einen Betrug statt einer Untreue zur Last legte, mit Beschluss vom 31.01.2023 - AnwSt (R) 6/22 - aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten, an einen anderen Senat des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofes zurückverwiesen.
II.
Die Hauptverhandlung über die Berufung hat folgende Feststellungen ergeben.
Zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeschuldigten traf der Senat folgende Feststellungen:
Der heute 53 Jahre alte Angeschuldigte absolvierte nach dem Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung den Vorbereitungsdienst im Landgerichtsbezirk P.. Im Juni 2000 bestand er die zweite juristische Staatprüfung mit der Note befriedigend. Nach seiner Erinnerung habe er das erste Staatsexamen und das zweite Staatsexamen mit befriedigend bestanden. Im Anschluss hieran war er zunächst bis zu seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Assessor in der P.´er Rechtsanwaltskanzlei B. für Rechtsanwalt B. tätig und bearbeitete dessen Mandate mit. Am 19.07.2000 erfolgte seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch die Rechtsanwaltskammer Brandenburg. Als freier Mitarbeiter für Rechtsanwalt B. erhielt er ein festes Salär und eine Umsatzbeteiligung. Einzelheiten zur Höhe seiner Bezahlung teilte der Angeschuldigte nicht weiter mit. Im April 2007 beendete er seine Tätigkeit in der Kanzlei B. und gründete im Mai 2007 eine eigene Kanzlei in P., in der er eine Angestellte beschäftigte. Im Juli 2004 verlieh ihm die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg den Titel „Fachanwalt für Steuerrecht“, der ihm infolge seiner Nichtteilnahme an erforderlichen Fortbildungsveranstaltungen im Jahr 2016 entzogen wurde. Heute arbeitet er für Rechtsanwaltskanzleien, wobei er ausführte, für „die dunkle Seite der Macht“ zu wirken. Es ginge um Themen zum Dieselabgasskandal. Aus dieser Tätigkeit erziele er Einkünfte von monatlich 1.800 bis 2.000 € netto.
Im Jahre 2010 gründete er - neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt - eine Gesellschaft, die O. UG & Co KG (nachfolgend als O. bezeichnet), deren Komplementärin die ebenfalls vom Angeschuldigten allein gegründete O. UG ist. Die Geschäftsanteile an der Komplementär-UG übertrug der Angeschuldigte später auf die O. (sog. Einheits-KG); der Angeschuldigte ist alleiniger Kommanditist der O. und alleiniger Geschäftsführer ihrer Komplementär-UG. Das Stammkapital der O. betrug 100 €. Firmensitz ist zugleich der Kanzleisitz des Angeschuldigten. Zu Einkünften aus seiner Tätigkeit und dem Vermögensverhältnissen der O. verweigerte er Auskünfte dem Senat gegenüber.
Der Angeschuldigte ist ledig. Seine Lebensgefährtin verdient etwa gleichviel wie er. Aus der Beziehung sind zwei noch minderjährige Töchter hervorgegangen. Die Familie lebt in P..
Strafrechtlich ist der Angeschuldigte ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 19.07.2024 nicht in Erscheinung getreten.
Am 11.01.2021 erteilte die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg dem Angeschuldigten wegen eines Verstoßes gegen seine Berufspflichten aus § 43 BRAO i.V.m. § 14 BORA eine Rüge. Ihm wurde zur Last gelegt, weder ein Empfangsbekenntnis abgegeben zu haben noch dem Absender mitgeteilt zu haben, dass er wegen einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung das Empfangsbekenntnis nicht abgegeben habe. Die Rüge ist bestandskräftig.
III.
Die Hauptverhandlung über die Berufung des Angeschuldigten hat zu folgenden Feststellungen zur Sache geführt:
Am 02.02.2013 verstarb der Ehemann der in der Hauptverhandlung vor dem Senat vernommenen heute 83 Jahre alten Ch. A.. Die Ehegatten A. waren jeweils in zweiter Ehe miteinander verheiratet und hatten jeweils zwei Kinder aus erster Ehe; Pe. A. seine Söhne Th. und Ti. A., Ch. A. ihren Sohn Ts. und ihre Tochter An., die in Griechenland mit ihren zwei Kindern lebt.
Gemeinsame Kinder hatten Pe. und Ch. A. nicht. Mit notariellem Testament vom 20.05.2003 hatten sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Ferner waren An. sowie Ti. und Th. A. als Nach- und Schlusserben eingesetzt worden, ersatzweise deren Abkömmlinge nach den Regeln für die gesetzliche Erbfolge. Der wesentliche Nachlass bestand aus einem in S. belegenden Grundstück.
Nach dem Tode ihres Ehemannes zeichnete sich ein Streit zwischen Ch. A. und den Söhnen ihres verstorbenen Mannes um das Erbe ab. Die Söhne wollten ihr Pflichtteil und der jüngere war der Ansicht, ganz viel Kapital rauszuschlagen.
Die Tochter von Frau A. empfahl ihrer Mutter deshalb, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die Tochter An. kannte die Lebensgefährtin des Angeschuldigten. Deshalb empfahl sie ihrer Mutter, den Angeschuldigten mit der Regelung des Nachlasses zu beauftragen.
Ch. A. beauftragte den Angeschuldigten dementsprechend mit der Abwicklung der Nachlassangelegenheit und der Regelung von Pflichtteilsansprüchen der Söhne des Erblassers. Sie vertraute ihm, dass er ihre Nachlassangelegenheit in ihrem Interesse bearbeiten werde. Der Angeschuldigte nahm das Mandat an und veranlasste zunächst eine Wertermittlung des Grundstücks, die zu einem Betrag von 76.000 € führte. Um einen höchst möglichen Kaufpreis zu erzielen, entschloss sich der Angeschuldigte, seiner Mandantin eine Veräußerung über ein Bieterverfahren anzutragen. Damit war sie einverstanden. Das Bieterverfahren führte schließlich dazu, dass das Grundstück zu einem Preis von 125.000 € und damit weit über dem ermittelten Wert verkauft werden konnte. Der Kaufvertrag wurde im Juni 2014 notariell beurkundet. Der Kaufpreis ist von den Käufern auf das Fremdgeldkonto des Angeschuldigten in zwei Tranchen gezahlt worden; 20.000 € am 20.10.2014 und 105.000 € am 24.10.2014.
Frau A. besprach mit dem Angeschuldigten nach erfolgtem Eingang des Geldes eine Teilverwendung. Sie bat den Angeschuldigten, 30.000 € an sie und 5.000 € an ihre Tochter An. zu überweisen. Die Söhne des Verstobenen sollten ihren Pflichtteil bekommen. Dann wechselte das Gespräch in eine andere Richtung. Frau A. überlegte, wie das Geld im Falle ihres Todes nur ihrer Tochter zu Gute kommen könne und der Sohn nichts bekomme. Der Angeschuldigte griff die Überlegungen auf und sagte ihr, dass das möglich sei und er einen Vertrag ausarbeiten werde, der ihren Vorstellungen entspreche. An das Geld werde niemand rankommen.
Er schlug ihr vor, das Geld der O. als Darlehen zu überlassen. In der Folgezeit kam es zu drei Besprechungen zwischen ihm und Frau A., wobei zwei Besprechungen in seinem Büro und eine in der Wohnung der Mandantin stattfand. Der Angeschuldigte erklärte ihr, dass er das alles nicht als Rechtsanwalt mache, sondern als Geschäftsführer der O.. Es werde alles legal sein.
Hinsichtlich des Erbes gab es zudem Schwierigkeiten mit den Söhnen des Verstorbenen. Diese wollten ihre Pflichtteile. Hier vertrat der Angeschuldigte Frau A. vor dem Landgericht P.. Der Rechtsstreit über den Pflichtteil eines Stiefsohnes endete am 17.11.2014 mit einem Vergleich. Frau A. verpflichtete sich, an den Stiefsohn 12.000 € zu zahlen und weitere 3.000 € an dessen Sohn.
Am 27.10.2014 sind die grundsätzlichen Regelungen des Darlehens besprochen worden. Der Angeschuldigte schlug ihr eine Vertragslaufzeit von 30 bis 35 Jahren vor, womit sie nicht einverstanden war. Sie einigten sich auf 15 Jahre. Den Zinssatz vereinbarten sie mit 0,5 % p.a. Im Übrigen erklärte der Angeschuldigte ihr seine weiteren Vorstellungen von dem Vertragsinhalt. Weil Frau A. wollte, dass 30.000 € auf ihr Konto überwiesen werden und 5.000 € an ihre Tochter, sollte die Darlehenssumme 95.000 € betragen.
Am 29.10.2014 hatte der Angeschuldigte einen schriftlich fixierten Entwurf des Darlehensvertrages ausgearbeitet und diesen mit Frau A. in deren Wohnung besprochen und ihr an diesem Tag auch eine Vergütungsabrechnung für anwaltliche Tätigkeiten übergeben. Zu dem Vertrag kam eine Verschwiegenheitsklausel gegenüber jedermann hinzu. Die Vereinbarung sollte auch nach ihrem Tode nicht mehr widerrufbar sei. Den Vertrag hat der Angeschuldigte so entworfen, um damit „Störfeuer“ zu verhindern. Die Regelungen sollten die Pflichtteilsansprüche ihres Sohnes abwehren.
Anlässlich dieser Besprechung entschied sich Frau A., dass ihre Tochter statt 5.000 € nur 3.000 € erhalten soll, so dass die Darlehenssumme auf 93.000 € angepasst wurde. Auch kam die Nachrangklausel hinzu, weil der Vertrag anderenfalls der Zustimmung der BaFin bedurft hätte und der Angeschuldigte das nicht wollte. Am 07.11.2014 lag der unterschriftsreife Darlehensvertrag vor. Frau A. las ihn sich durch und fragte hinsichtlich der salvatorischen Klausel nach, weil sie diese nicht verstand. Sie wies den Angeschuldigten auf den fälschlicherweise zu ihren Gunsten mit 5 % angegeben Zinssatz im Vertrag hin. Daraufhin nahm er die Korrektur auf die vereinbarten 0,5 % p.a. vor und erklärte ihr die Bedeutung der salvatorischen Klausel. Es erfolgte die Unterzeichnung, wobei der Angeschuldigte den Vertrag – wie er Frau A. mitteilte – nicht als ihr Rechtsanwalt, sondern als Geschäftsführer der O. zeichnete. Das hat sie nicht verstanden, weil es aus ihrer Sicht nur einen Of. Br. gegeben hätte, der sie über die Nachlasssache und Verwendung des Geldes beraten hat.
Im Darlehensvertrag ist folgendes im Wesentlichen geregelt:
Neben der Verzinsung des Darlehens über 93.000 € zu 0,5 % p.a. sieht der Vertrag in § 3 eine Laufzeit von 15 Jahren vor und schließt die ordentliche Kündigung aus. Der Darlehensbetrag und die Zinsen werden erst am Ende der Vertragslaufzeit fällig.
Ferner sind in § 5 Sonderzahlungen des Darlehensnehmers geregelt:
„(1) Der Darlehensnehmer ist berechtigt, jederzeit und in beliebiger Höhe den Darlehensbetrag ganz oder teilweise durch Sonderzahlungen zu tilgen; ... . Als Sonderzahlung gelten dabei alle Zahlungen an
- den Darlehensgeber;
- die Tochter des Darlehensgebers, Frau An. Ko., geb Ki., derzeit in Griechen- land lebend;
- die Enkelin des Darlehensgebers, Frau Ca. Ko., ebenda;
- die Enkelin des Darlehensgebers, Kind El. Ko., ebenda;
- sonstige Personen, die die Darlehensgeberin dem Darlehensnehmer besonders benennt, sofern kein Fall des S. 3 vorliegt. Gleiches gilt für alle Zahlungen an Herrn Of. Br., Po.- Straße …, … P.
- sonstige Dritte, wenn dies zugleich der Tilgung von Verbindlichkeiten der Darlehensgebe- rin gegenüber diesen dienen soll. Im Falle des S. 3 ist für dessen Bedingung ausreichend, dass dem Darlehensnehmer ein Beleg, Rechnung oder dergleichen in Kopie vorliegt, wo- raus sich die Verbindlichkeit ergibt.
…
(5) Kündigt der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber eine Sonderzahlung vor deren Ausführung an, so ist der Darlehensgeber mit allen Einwendungen gegen diese Sonderzahlung und ihre schuldbefreiende Wirkung ausgeschlossen, wenn er deren Ausführung nicht unverzüglich, spätestens aber zwei Wochen nach Zugang der Anzeige widerspricht. Der Darlehensnehmer ist zu einer solchen Ankündigung nicht verpflichtet.
(6) Soweit der Darlehensnehmer Sonderzahlungen vor dem 30.06.2015 leistet, sind in Bezug auf darin enthaltene Tilgungsbeträge Zinsen nicht geschuldet.
(7) Ist der vom Darlehensgeber überlassene Darlehensbetrag schon vor Ablauf der Vertragslaufzeit gemäß § 2 Abs. 1 vollständig durch Sonderzahlung getilgt, lässt dies die Fälligkeit der Zinsen unberührt. Der Darlehensnehmer darf gleichfalls die Zinsen ganz oder teilweise vor deren Fälligkeit tilgen; …“
Darüber hinaus haben die Parteien vereinbart, dass eine Abtretung von Rechten und Forderungen aus dieser Vereinbarung ausgeschlossen ist, gleich welcher Art und aus welchen tatsächlichen und oder rechtlichen Grund sie herrühren. Für den Fall, dass ein Dritter gegenüber einem Vertragspartner irgendwelche Rechte und oder Forderungen in Bezug auf die vorliegende Vereinbarung oder aus ihr resultierend geltend machen will, muss er seine Legitimation lückenlos durch öffentliche Urkunden (Urteil, Notarvertrag etc.) nachweisen. Hierzu ist deren Ausfertigung dem anderen Vertragspartner im Original vorzulegen. Das Gleiche soll für die Legitimation der Gesamt-/Einzelrechtsnachfolge eines Vertragspartners gelten. In § 7 regelt der Vertrag die Verschwiegenheit. Danach sind die Vertragsparteien betreffend der vorliegenden Vereinbarung zum Stillschweigen gegenüber jedermann (Geheimhaltung) verpflichtet und haben sie zu wahren. Jedermann ist jede natürliche und oder juristische Person und jedes Teil eines rechtsfähigen Rechtsgebildes, das nicht im Rubrum genannt ist. Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt über die definierte Vertragslaufzeit hinaus. Sie umfasst nicht nur die Vertragsparteien selbst, sondern auch deren gesetzlichen Vertreter sowie deren Mitarbeiter und Erfüllungsgehilfen. Alle Informationsrechte (Auskunft, Rechnungslegung etc.), die sich auf die vorliegende Vereinbarung beziehen und/oder aus dieser resultieren. Diese stehen ausschließlich und höchstpersönlich den im Vertragsrubrum genannten Vertragsparteien zu. Mit dem Tod/der Vollbeendigung des einen Vertragspartners sind dessen Informationsrechte gegenüber dem anderen Vertragspartner nicht mehr einklagbar. Der andere Vertragspartner kann sich darauf dauerhaft einredeweise berufen. Informationsrechte werden nur für zulässig erachtet, soweit dies zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten - beispielsweise Steuererklärung, soziale Leistungsanträge, Fördermittel Anträge - unumgänglich ist.
Damit der Vertrag nicht der Genehmigung der BaFin unterliegt, hat der Angeschuldigte mit § 9 eine „Qualifizierte Nachrangklausel“ eingefügt. § 9 regelt, dass der Darlehensgeber mit seiner Forderung hinter die Ansprüche aller übrigen Gläubiger zurücktritt. Die Forderung soll nur aus dem freien Vermögen, Bilanzgewinnen oder einem Liquidationsüberschuss erfüllt werden. An freiem Vermögen fehlt es insbesondere, wenn und soweit die Erfüllung der Forderungen des Darlehensgebers einen Grund zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers herbeiführen würde. Ist nach diesen Maßgaben eine Erfüllung der Forderungen des Darlehensgebers nicht möglich, so steht dem Darlehensnehmer insoweit ein Leistungsverweigerungsrecht zu.
Den Vertrag unterzeichneten Frau A. und der Angeschuldigte am 07.11.2014, wobei das Datum im Vertrag, der 29.10.2014, nicht korrigiert wurde. Frau A. zeichnete den Vertrag über der Zeile: „Datum, Unterschrift Darlehensgeber.“
Der Angeschuldigte hat als Darlehensnehmer, für die Komplementärin und als Geschäftsführer gezeichnet. Es ist erkennbar, wer als Darlehensgeber und wer als Darlehensnehmer gezeichnet hat.
Die Kontobewegungen der O. stellen sich auszugsweise wie folgt dar:
Am 10. und 11.11.2014 überwies der Angeschuldigte von seinem Fremdgeldkonto (Rechtsanwalt) bei der Co.-bank mit Zustimmung von Frau A. 93.000 € in 19 Einzelüberweisungen auf das bei der V.-bank geführte Konto der O. mit der IBAN: DE …7, und zwar in 18 Teilbeträgen von je 5.000 € und einem Restbetrag von 3.000 €. Als Verwendungszweck gab er jeweils „Auskehr Fremdgeld, Akte …1, Vereinbarung vom 29.10.2014“ an. Die von Frau A. gewünschte Zahlung von 30.000 € auf ihr Konto und 2.000 € für die Tochter, kehrte er zugleich aus.
Die O. führte zudem bei der Cs.-bank ein Verrechnungskonto …5, ein Wertpapierdepot …9 und ein Tagesgeldkonto …2.
Auf dem Tagesgeldkonto ging am 16.12.2014 ein Betrag von 69.000 €, als Umbuchung deklariert vom Konto der V.-bank (abgekürzt V.-bank / S.-bank) ein. 30.500 € hat der Angeschuldigte am 16.01.2015 auf das Verrechnungskonto der O. überwiesen. In der Zeit zwischen dem 29.12.2014 und 31.08.2015 kehrte er mit Zustimmung von Ch. A. einen Betrag i.H.v. 12.759,89 € von dem Konto der O. bei der Cs.-bank an sich aus. Dieser Überweisung auf sein Konto lag eine entsprechende Kostennote vom 07.11.2014 (Rechnungsnummer …4) zugrunde. Auf telefonische Anforderung von Frau A. überwies er ihr vom Konto der O. am 23.01.2015 25.000 € und am 13.07.2015 weitere 10.000 € auf ihr Konto. Als Verwendungszweck gab der Angeschuldigte jeweils „Sondertilgung Ch. A.“ an.
Ferner erfolgten regelmäßig mehrfach monatlich Abbuchungen für Kapitalanlagen (deklariert als Effekten) für Sparpläne und ETF über jeweils 50 € bzw. auch einmal monatlich in Höhe von 100 € und Überweisungen zwischen dem Tagesgeldkonto und Verrechnungskonto.
Unter anderem wurde auch Umsatzsteuer über 16.400 € vom Verrechnungskonto am 20.09.2016 gebucht. Aus den Kontoauszügen des Verrechnungskontos ergeben sich An- und Verkäufe von Effekten, Wertpapierabrechnungen in Höhe von jeweils vierstelligen Beträgen. Auch weitere Rechnungen an Frau A. für seine anwaltliche Tätigkeit buchte der Angeschuldigte vom Konto der O. auf sein Konto bei der D.. Ferner erfolgte am 16.12.2014 eine Überweisung von dem bei der V.-bank geführten Konto der O. über 12.000 € mit dem Zusatz: Ch. A. Vergleich 17.11.2014 auf das Verrechnungskonto. Die Überweisung an Ti. A. erfolgte vom Konto der V.-bank/S.-bank am 16.12.2014. Der Kontostand des Verrechnungskontos betrug am 30.12.2016 noch 116,16 €; der des Tagesgeldkontos 29,67 €. Über den aktuellen Vermögensstand der O. verweigert der Angeschuldigte alle Auskünfte. Im September 2015 forderte Frau A. ihn auf dem gewohnten Weg - mittels Anrufs in der Kanzlei des Angeschuldigten - zur Zahlung weiterer 1.000 € an sie auf. Der Angeschuldigte verweigerte nunmehr die Zahlung unter Berufung auf den schriftlichen Darlehensvertrag und die dort geregelte Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs zum 31.12.2029. Telefonische und per E-Mail unternommene Versuche, die Auszahlung des Betrages zu erreichen, blieben erfolglos. In Folge seiner Zahlungsverweigerung war es Frau A. nicht möglich, aus eigenen Mitteln vereinbarte Pflichtteilsansprüche an Th. A. zu zahlen. Die Pflichtteilsansprüche von 16.000 € finanzierte sie mit einem Kredit einer Bank.
Mit Schriftsatz vom 14.09.2015 (Bl. 135 GA eingeführt im Selbstleseverfahren) teilte der Angeschuldigte als Rechtsanwalt Frau A. unter Bezugnahme auf eine Besprechung in seinen Kanzleiräumen am 03.09.2015 mit, dass eine kurzfristige Beendigung der Angelegenheit – gemeint war der Darlehensvertrag - freilich möglich, aber daran Konsequenzen gebunden sind, die ein solch übereiltes Vorgehen wirtschaftlich unvernünftig erscheinen lassen. Anlässlich einer Besprechung vom 01.10.2015 legte er ihr eine Ergänzungsvereinbarung vom 23.09.2015 zu dem Darlehensvertrag vor und forderte sie auf, diese unverzüglich zu unterschreiben, wenn sie die ursprüngliche Vereinbarung beendet haben will. Nach dem Inhalt der Ergänzungsvereinbarung valutierte das Darlehen der O. noch auf einen Betrag i.H.v. 33.240,11 €. Zahlbar sollten bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrages ein Betrag von 25.000 € sein, von denen 6.000 € auf weitere Vergütungsforderung des Angeschuldigten als Rechtsanwalt entfallen würden und nicht an sie zahlbar sein sollten. Mit Zahlung eines Betrages i.H.v. 19.000 € sollten alle ihre Ansprüche abgegolten sein. Damit war sie nicht einverstanden.
Am 13.10.2015 kündigte Frau A. das Mandat. Der Angeschuldigte legte daraufhin unter dem 30.10.2015 eine Endabrechnung hinsichtlich seines Honorars als Rechtsanwalt vor und überwies sich als Geschäftsführer der O. am 30.12.2015 den noch offenen Betrag i.H.v. 773,50 € von dem Verrechnungskonto der O. bei der Cs.-bank auf sein Kanzleikonto bei der D.. Mit Schreiben vom 30.10.2015 teilte er Frau A. mit, der falsche Adressat für alle Fragen zur Vereinbarung vom 29.10.2014 zu sein.
Bis heute hat er den offengebliebenen Restbetrag nicht zurückbezahlt. Er beabsichtigt die Rückzahlung zu prüfen, sobald das Vertragsende eintrete.
Nachdem sich Frau A. an die Rechtsanwaltskammer Brandenburg (RAK) und die Staatsanwaltschaft P. zwecks rechtlicher Überprüfung des Sachverhaltes gewandt hatte, unterrichtete die RAK den Angeschuldigten mit Schreiben vom 04.03.2016 nicht nur von einer Verletzung des Berufsrechts auszugehen, sondern dass die Einleitung eines anwaltlichen Gerichtsverfahren im Raume stünde, über dessen Einleitung die RAK die Generalstaatsanwaltschaft am 11.04.2016 informierte. Die Staatsanwaltschaft P. hat das strafrechtliche Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 29.06.2017 eingestellt, weil kein Tatverdacht hinsichtlich §§ 263, 266 StGB vorliege.
IV.
Die Feststellungen beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme, deren Inhalt und Umfang sich aus der Sitzungsniederschrift der Hauptverhandlung ergibt.
1. Die Feststellungen zur Person des Angeschuldigten beruhen auf seinen eigenen glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung und dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister und den Urkunden aus seiner Personalakte hinsichtlich eines späteren berufsrechtlichen Verfahrens. Zu seinen weiteren Vermögensverhältnissen, insbesondere zur Vermögenssituation der Gesellschaft, machte er keine Angaben und verweigerte die Beantwortung von Fragen zur O..
2. Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf der Einlassung des Angeschuldigten, der die Abläufe zum Mandat und der Darlehensgewährung und Inhalte so schilderte, wie es in den Feststellungen niedergeschrieben steht – mit Ausnahme seiner Motive, der Trennung zwischen Mandat und Tätigkeit als Geschäftsführer der O. und seinen Ausführungen zur Motivlage der Zeugin A.. Insoweit beruhen die Feststellungen auf der glaubhaften Aussage der als Zeugin gehörten Ch. A., die nicht nur den Sachverhalt in Übereinstimmung mit der Einlassung des Angeschuldigten schilderte, sondern vielmehr glaubhaft und überzeugend ihre Motivlage und das Wirken des Angeschuldigten ihr gegenüber bekundete. Ferner beruhen die Feststellungen auf dem Inhalt des Darlehensvertrages und weiteren nach Maßgabe der Sitzungsniederschrift eingeführten Urkunden, den Kontoauszügen hinsichtlich der Buchungen, die der Angeschuldigte einräumte, und der Konto Bestände.
3. Der Angeschuldigte hat sich im Wesentlichen wie folgt eingelassen:
Er bestreitet, die Zeugin getäuscht zu haben und seine Pflichten als Rechtsanwalt ihr gegenüber verletzt zu haben. Er habe Frau A. immer mitgeteilt, wann er als ihr Rechtsanwalt für sie tätig sei und wann dies nicht der Fall sei. Er habe differenziert zwischen seiner anwaltlichen Tätigkeit für die Mandantin und seiner Funktion als Geschäftsführer seiner Gesellschaft. Er habe immer gesagt, als Anwalt könne er nicht für sie und die Gesellschaft gleichzeitig beratend tätig sein.
Im Einzelnen ließ er sich wie folgt ein:
Frau A. habe ihm am Anfang gesagt, welche Auszahlungen sie von den 125.000 € haben wollte. 5.000 € sollten an ihre Tochter und 30.000 € habe sie für sich gewollt. Sie habe ihm gesagt, sie hätte die Sorge, dass das Geld aus der Erbschaft im Falle ihres Todes ihrer Tochter durch die „Finger zerrinne“, wenn sie das Geld auf einmal bekäme. Sie habe ihn gebeten, sich etwas zu überlegen, was das verhindere. Sie habe ihm gesagt, dass ihre Tochter im Falle ihres Todes monatlich 500 € erhalten solle. Er habe ihr eine Bankanlage vorgeschlagen, die sie nicht gewollt hätte. Sie hätte zu Banken kein Vertrauen. Bis Ende Oktober habe es dann noch ein oder zwei Telefonate mit ihr gegeben. Sie hätte ihn gefragt, ob er das nicht übernehmen könne. Damit sei eine Regelung gemeint gewesen, wie das Geld aus dem Erbe - dem Verkauf des Hauses - im Falle ihres Todes ihrer Tochter nicht auf einmal zufließe. Das Geld sollte nicht „voll verpuffen“. Der eigene Sohn soll möglicherweise Suchtprobleme gehabt haben. Er sollte nichts bekommen. Ferner sollten noch die Pflichtteilsansprüche der Stiefsöhne bedacht werden. Bei allen Gesprächen habe er darauf hingewiesen und darauf geachtet, dass er immer gesagt hätte, wenn er als Rechtsanwalt tätig sei und wann als Geschäftsführer der O.. Er habe ihr vorgeschlagen, der O. ein Darlehen zu gewähren. Erst als das Gespräch als Anwalt beendet gewesen sei, habe er ihr die Möglichkeit der Darlehensgewährung an die O. vorgeschlagen. Das habe er alles als Geschäftsführer der Gesellschaft getan und klargestellt, sie hierbei nicht anwaltlich zu beraten. Er habe ihr gesagt, nicht als ihr Anwalt in dieser Sache tätig zu sein.
Am 27.10.2014 habe er mit ihr in seiner Kanzlei die grundsätzlichen Regelungen besprochen, wie ihre Vorstellung umgesetzt werden könnten. Er hätte ihr seine Vorstellungen dargelegt. Es sei über die Laufzeit des Darlehens von 30 bis 35 Jahren gesprochen worden, was sie nicht wollte. Geeinigt hätten sie sich auf 15 Jahre. Das Darlehen sei in jeden Fall zurückzuzahlen gewesen. Auch war eine Sondertilgung für die Gesellschaft vorgesehen. Sie konnte Sondertilgungen leisten, musste das aber nicht. Es war vorgesehen, dass bestehende Verbindlichkeiten der Frau A. durch die Gesellschaft aus dem Darlehen getilgt werden können. Damit seien die Pflichtteilsansprüche der Stiefsöhne gemeint gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht klar gewesen, wie das Geld angelegt werden sollte. Er habe bei Vertragsschluss darüber nicht gesprochen. Frau A. habe dann gewollt, dass 5.000 € vorab an ihre Tochter überwiesen werden sollten. 30.000 € wollte sie für sich haben. Dann sei das Gespräch gewechselt und er sei vom Rechtsanwalt in den Geschäftsführer der Gesellschaft gewechselt. Sie hätten steuerliche Dinge besprochen. Die Vereinbarung sei kompliziert. Er habe ihr alles erklärt. Er habe versucht „es einfach für den juristischen Laien runter zu brechen“ – Frau A. sei Lehrerin gewesen. Sie habe die wesentlichen Regelungen verstanden.
Am 29.10.2014 habe er sie zu Hause aufgesucht und ihr an diesem Tag seine Vergütungsabrechnung übergeben und den ersten Entwurf des Darlehensvertrages über den Restbetrag aus dem Grundstücksverkauf besprochen. Den Vertrag habe er so entworfen, um „Störfeuer“ zu verhindern. Die Regelungen hätten dazu gedient, Pflichtteilsansprüche abzuwehren. Das habe er nicht als ihr Rechtsanwalt getan, sondern als Geschäftsführer der O., was er immer offengelegt habe. Die Verschwiegenheitsklausel sei hinzugekommen. Die Vereinbarung sollte auch nach dem Tode von Frau A. nicht mehr widerrufbar sein. Den ursprünglich im Entwurf von ihm eingetragenen Zinssatz von 5 % p.a. habe er auf Initiative von Frau A. auf 0,5 % gesenkt. Von den ursprünglich an ihre Tochter zu zahlenden 5.000 € sollte er nun nur noch 3.000 € überweisen. Er hätte am 29.10. alles mit ihr besprochen. Es sei dann dabei geblieben und der Darlehensvertrag sei am 07.11.2014 unterschrieben worden. Das Datum im Vertrag, 29.10., hätte er nicht mehr geändert. Am 29.10. seien Schreibfehler berichtigt worden und die Nachrangklausel sei noch besprochen worden. Anderenfalls hätte der Vertrag der Genehmigung der BaFin bedurft, was er nicht gewollt hätte, weil dann alles gescheitert wäre. Er habe den Eindruck gehabt, Frau A. hätte alles verstanden. Er habe sie über das Insolvenzrisiko aufgeklärt und ihr auch gesagt, dass es einen Totalausfall geben könnte. Er habe als rechtskundiger Geschäftsführer der O. gehandelt.
Ende Januar 2015 habe er 2.000 € an die Tochter überwiesen, 30.000 € an Frau A.. Die Überweisung des Darlehens von 93.000 € sei vom Fremdkonto auf das Konto der O. in 19 Tranchen erfolgt, weil sein Verfügungsrahmen bei der C.-bank nicht höher gewesen sei. Die O. habe am 16.12.2015 an Ti. A. 12.000 € und an Frau A. weitere 25.000 € überwiesen. Ende Januar sei das Geld bei der Cs.-bank angelegt worden. Ende 2015 habe er seine Rechtsanwaltsrechnung über 12.760 € eingefordert. Von den verbliebenen 56.000 € habe er – gemeint ist die O. – zwei oder drei Sparpläne gekauft; 6.000 € pro Jahr und Sparplan. Insgesamt hätte es drei Sparpläne gegeben, so dass 18.000 € pro Jahr in Fonds geflossen seien. Der Plan sei es gewesen, solange einzuzahlen, bis das Girokonto leer sei. Er wisse heute nicht, was, wann und wie investiert worden sei. Er könne auch nicht sagen, wann wieviel Geld vorhanden gewesen sei. Auf die Frage des Gerichts, wo sich das Geld befinde, erklärte der Angeschuldigte, er werde sich zu Fragen der Gesellschaft nicht äußern. Am 31.12.2029 ende das Darlehen. Dann habe Frau A. Anspruch auf das Geld, sofern nicht bestimmte Abläufe eine andere Beurteilung erfordern würde. Alles, was er getan habe, sei eine Gefälligkeit für sie gewesen.
4.
Der Senat folgt der Einlassung des Angeschuldigten zu seinen Motiven und seine Behauptung zu den Motiven der Zeugin A. – die Tochter solle im Falle ihres Todes das Erbe nicht auf einmal erhalten - und der behaupteten Trennung des Mandats und seines zeitgleichen Wirkens als Geschäftsführer der Zeugin A. gegenüber, nicht. Diese Behauptungen des Angeschuldigten sind reine Schutzbehauptungen, die durch die glaubhaften Bekundungen der als Zeugin vernommenen Ch. A. und den nach Maßgabe der Sitzungsniederschrift erhobenen weiteren Beweisen, widerlegt sind. Der Senat vermag der Einlassung nicht zu folgen soweit der Angeschuldigte eine Gefälligkeit als Motiv für seine Bereitschaft, der Zeugin A. in der Nachlasssache zu helfen, hervorhebt. Auch ist der von ihm behauptete Grund für die Vereinbarung, die Motivlage der Zeugin A., die Tochter solle nur kleine Beträge im Falle ihres Todes vom Nachlass erhalten, unglaubhaft und nicht nachvollziehbar. Vielmehr hat der Angeschuldigte durch das Mandat umfassende Kenntnisse zur Person der Zeugin, ihre finanziellen Lage und über ihren Wunsch, das Erbe nach ihrem Tod allein ihrer Tochter unter Ausschluss – auch des Pflichtteils des Sohnes - zukommen zu lassen verschafft, um das für die von ihm beherrschte O. vorteilhafte Darlehen zu erlangen. Mit dem, ausschließlich die Zeugin benachteiligenden Vertragswerk, das er sich allein erdacht und schriftlich vorgegeben hat, hat er sich für seine O. für die Dauer von 15 Jahren Kapital ohne die Gewährung von Sicherheiten verschafft. Jegliches Ausfallrisiko, selbst die Zinsen waren erst am Ende der Vertragslaufzeit fällig, hat er der Zeugin A. aufgebürdet.
5.
Die als Zeugin vernommene Ch. A. hat den Sachverhalt so geschildert wie er in den Feststellungen zur Kontaktaufnahme zum Angeschuldigten, der Abläufe der Mandatierung, ihrer Motive, Inhalt, Treffen und Wirken des Angeschuldigten vom Entwurf bis zur Zeichnung des Darlehensvertrages, die erfolgten Auszahlungen und seine später erklärten Weigerung zu weiteren Sonderzahlungen niedergeschrieben steht. Ihre Aussage wird zudem von den eingeführten Urkunden über die Kontobewegungen der O. und der bei der D. untermauert.
Ihre Bekundungen waren glaubhaft. So erinnerte sie sich trotz des beträchtlichen Zeitablaufs noch heute im Detail daran, dass sie dem Angeschuldigten gesagt habe, im Falle ihres Todes soll ihre Tochter das verbleibende Vermögen in Gänze erhalten. Der Sohn sollte nichts bekommen. Der Angeschuldigte habe ihr daraufhin zugesagt, sich etwas einfallen zu lassen. Das sei dann der Darlehensvertrag gewesen.
Die Zeugin A. hat indes die Ausführungen des Angeschuldigten zum Verhältnis zu ihrer Tochter in Abrede gestellt und glaubhaft geschildert, dass sie ihrer Tochter vertraut habe und weiterhin vertraue und die Tochter mit Geld umgehen könne. Sie schilderte hierzu die Lebenssituation der Tochter in Griechenland. Dort komme sie mit wenig Geld aus, sei nicht verschwenderisch. Sie bekundete zum Arbeitsverhältnis der Tochter, zu den familiären Verhältnissen, die sie als vertrauensvoll beschrieb. Es zeigten sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die sachlich und klar bekundende immerhin betagte Zeugin die Unwahrheit gesagt haben könnte.
Untermauert wird ihre Aussage auch dadurch, dass die Tochter bereits anfänglich 5.000 € vom Erbe erhalten sollte. Das widerspricht der Einlassung, die Tochter sollte nach dem Tod der Zeugin nur Beträge von 500 € monatlich erhalten, weil sie mit Geld nicht umgehen könne. Hätte sie mit Geld nicht umgehen können, wären 5.000 € und auch der gezahlte Betrag sicherlich gleichermaßen zu viel.
Auch erläuterte die Zeugin ihr Petitum dem Angeschuldigten gegenüber, dem sie vertraute, in rechtlich zulässiger Art und Weise Pflichtteilsansprüche ihres Sohnes auszuschließen. Das habe der Angeschuldigte ihr ermöglichen wollen und dazu einen Vertrag erarbeitet.
Der Darlehensvertrag sichert zudem nicht ansatzweise das vom Angeschuldigten behauptete vermeintliche Petitum der Zeugin. Es sind in dem Darlehensvertrag überhaupt keine Regelungen getroffen, wonach eine gestückelte Auszahlung eines möglichen Erbes in Höhe von monatlichen Raten von 500 € durch die O. sichergestellt ist, wenn die Zeugin A. versterben sollte. Wäre es der Zeugin tatsächlich darauf angekommen, hätte der Angeschuldigte auch hierfür eine schriftliche Regelung ausarbeiten müssen, zumal die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse sich im Verlauf von 15 Jahren beträchtlich ändern können, von der Veräußerung der Anteile an der Gesellschaft bis zur Insolvenz der O.. Den Rechtsnachfolgern der Zeugin wäre nach dem Darlehensvertrag jegliche Kenntnismöglichkeit versagt, um das vermeintliche Interesse der Zeugin nach ihrem Tode zu sichern. Auch die Verschwiegenheitsverpflichtung widerlegt die vom Angeschuldigten behauptete Motivlage der Zeugin und belegt sein Interesse, ein Darlehen zu Konditionen zu erhalten, die er so nicht hätte erhalten können. Der Angeschuldigte hat zur Überzeugung des Gerichts mit den Kenntnissen aus dem bestehendem Mandat ein ausgeklügeltes Vertragswerk erarbeitet, das dem Darlehensnehmer – der O. – ausschließlich Vorteile zu Lasten der Darlehensgeberin – seiner Mandantin – verschafft und zudem verhindert, dass mit dem Ableben der Darlehensgeberin Dritte, Erben und Pflichtteilsberechtigte, die er mit dem Darlehensvertrag nicht hätte ausschließen können, Auskünfte über das ganze Vermögen der Verstorbenen erhalten können. Insbesondere der pflichtteilsberechtigte Sohn, der zur Zeit des Darlehensabschluss lebte, hätte im Grunde keine Chance gehabt, von dem Darlehensvertrag überhaupt zu erfahren. Selbst die Tochter, wäre sie Erbin geworden, hätte keine Kenntnisse vom Vertrag erlangen können. Der Zeugin A. war es untersagt, sich gegenüber ihrer Tochter zu offenbaren. Dafür diente die Verschwiegenheitsklausel und die darin geregelte Geheimhaltung.
Dass der Angeschuldigte zu Sondertilgungen berechtigt war, ist für die Darlehensgeberin gleichfalls nicht von Vorteil, weil nämlich genau das eingetreten ist, was der Vertrag bezweckt, nämlich der O. und damit mittelbar dem Angeschuldigten als deren wirtschaftlichen Alleineigentümer einen nicht unerheblichen Betrag für 15 Jahre ohne jegliches Risiko und ohne jährlich zu zahlende Zinsen zu sichern. Das Geld hat der Angeschuldigte schließlich, was die Kontoauszüge belegen, für Wertpapierkäufe verwendet; das Verrechnungs- und Tagesgeldkonto ist in kurzer Zeit gegen Null gesteuert. Ob die erworbenen Wertpapiere und Sparanlagen bestehen und werthaltig sind, konnte nicht aufgeklärt werden. Teilweise wurde das Darlehen auch für Steuerzahlungen verwendet, die offenkundig nicht die O. betrafen, da diese nach den Einlassungen des Angeschuldigten keine weiteren Geschäfte tätigte.
Die Behauptung des Angeschuldigten, zwischen seiner Funktion als Rechtsanwalt und seiner Funktion als Geschäftsführer der O. gegenüber der Zeugin strikt getrennt zu haben, ist an der Wirklichkeit in Gänze vorbeigegangen und eine reine Schutzbehauptung, um den schweren Verstoß gegen Berufspflichten – die Vermengung von Mandat und den wirtschaftlichen Interessen der wirtschaftlich allein dem Angeschuldigten gehörenden O. zu Lasten der Mandantin – zu rechtfertigen.
Der Angeschuldigte hat zwar die Zeugin darauf hingewiesen, den Darlehensvertrag nicht als ihr Rechtsanwalt vorbereitet und sie insoweit beraten zu haben, sondern in der Funktion des Geschäftsführers der Gesellschaft. Dies hat die Zeugin auch nicht in Abrede gestellt. Indes ist eine tatsächliche Trennung beider Funktionen weder gelungen noch konnte sie überhaupt in einer Person gelingen. Sie war angesichts des schon nach seiner Einlassung wiederholt zwischen der Rolle als Rechtsanwalt und der Rolle als Geschäftsführer der O. wechselnden Angeschuldigten für einen Nichtjuristen wie die Zeugin A. auch nicht nachvollziehbar. So bekundete sie zwar, dass der Angeschuldigte auf seine unterschiedlichen Rollen hingewiesen habe, gleichwohl wies sie darauf hin, es sei nur Herr Br. gewesen, der für sie durchweg als Anwalt gearbeitet habe und nicht zwei Personen. Alles sei in der Kanzlei erfolgt und wenn sie Geld benötigt habe, habe sie die Sekretärin im Rechtsanwaltsbüro angerufen, die es geregelt habe. Dies bekundete die Zeugin gleichermaßen lebensnah, denn eine tatsächliche, örtliche oder räumliche oder personelle Trennung der O. und der Kanzlei des Angeschuldigten gab es nicht, was dieser auch bestätigte; alles erfolgte unter der Adresse der Kanzlei.
Auch der Vorschlag des Angeschuldigten, sich etwas auszudenken und einen Vertrag vorzubereiten, erfolgte in der Kanzlei im Rahmen andauernder anwaltlicher Tätigkeit für die Zeugin. Auch regelte er ausdrücklich im Darlehensvertrag, dass er als Rechtsanwalt Honorarrechnungen im Rahmen der Sondertilgung begleichen könne, wenn der O. eine entsprechende Rechnung vorliege; dies wäre sogar unabhängig von einer Prüfung der Rechnung durch die Zeugin A. möglich gewesen. Er hat sich damit ein Recht auf den unmittelbaren Zugriff des Darlehens verschafft, was bei einer Zahlungsweigerung der Zeugin nicht eröffnet gewesen wäre. Dann hätte ihm nur der Rechtsweg zugestanden, was insbesondere die letzte Honorarrechnung angeht, als das Mandat gekündigt war.
Die Einlassung des Angeschuldigten, den Darlehensvertrag ausschließlich in seiner Rolle als Geschäftsführer der O. entworfen zu haben, ist – unabhängig von dem Umstand, dass dies für die Zeugin A. nicht wahrnehmbar war – auch deshalb als Schutzbehauptung anzusehen, weil der Darlehensvertrag nach seinen Einlassungen die Interessen der Zeugin wiederspiegeln sollte. Der Angeschuldigte hat sich dahin eingelassen, dass er den Vertrag so entworfen habe, um „Störfeuer“ zu verhindern. Die Regelungen sollten dazu dienen, Pflichtteilsansprüche abzuwehren. Damit wäre die Gestaltung des Darlehensvertrages eine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 I RDG gewesen, zu der die O. aber nicht befugt war. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass der Angeschuldigte bei der Ausarbeitung des Darlehensvertrages zugleich als Rechtsanwalt der Zeugin A. und als Geschäftsführer der O. tätig war.
Letztlich kommt es auf die Frage, ob der Angeschuldigte bei der Gestaltung des Darlehensvertrages als Rechtsanwalt der Zeugin A. oder ausschließlich als Geschäftsführer der O. tätig war, aber nicht an, denn selbst wenn man hier von einer Tätigkeit als Geschäftsführer der O. ausgeht, befand sich der Angeschuldigte in einem erheblichen Interessenskonflikt. Als Rechtsanwalt war der Angeschuldigte mit den Nachlasssachen der Zeugin und ihren Vorstellungen zu den Pflichtteilen und der Regelung ihrer eigenen Erbfolge für den Fall ihres Versterbens be- und vertraut, er wusste die Zeugin in ihrem Verhalten einzuschätzen und hatte die Erbsache insgesamt zu regeln. Gleichermaßen hatte er als Geschäftsführer der O. deren Interessen zu vertreten. Da der wirtschaftliche Zweck der O. als Handelsgesellschaft auf die Erzielung von Gewinnen gerichtet war und ihr Unternehmensgegenstand in der Verwaltung, Vermietung und Verwertung eigenen und fremden Vermögens besteht, ergibt sich schon aus der Natur der Sache, dass die O. im Hinblick auf die Ausgestaltung einer Darlehensaufnahme, mit der sie zu verwaltendes Vermögen generieren wollte, gänzlich andere Interessen hat. Vermögensanlagen sind umso lukrativer je länger die Anlage erfolgt, das widersprach den Interessen der Zeugin A., jederzeit an ihr Geld zu kommen und nach ihrem Ableben auch ihrer Tochter das Geld zukommen zu lassen. Dass bei der Zinshöhe unterschiedliche Interessen zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer bestehen, liegt auf der Hand.
Dass der Angeschuldigte der Zeugin gegenüber erklärte, wann er als ihr Rechtsanwalt arbeite und wann als Geschäftsführer der Gesellschaft ist daher unerheblich, weil er sich in einem Interessenkonflikt befand. Hätte der Angeschuldigte tatsächlich die Interessen der Zeugin an der Regelung ihrer Erbfolge wahrgenommen, hätte er ihr nicht zum Abschluss eines für sie nur nachteiligen Darlehensvertrages raten dürfen, der zudem auch die Interessen der Zeugin A., ihrer Tochter allein unter Ausschuss des Sohnes das Erbe zukommen zu lassen, nicht regelt und rechtlich hinsichtlich des von der Zeugin A. gewünschten Pflichtteilausschlusses des Sohnes auf legalem Weg auch gar nicht regeln konnte.
Der Senat hat an der Glaubwürdigkeit der Zeugin A. keine Zweifel. Zwar hat die Zeugin ein Interesse am Ausgang des berufsrechtlichen Verfahrens, weil sie sich betrogen fühlt. Dies spiegelte sich indes in ihrem Aussageverhalten nicht ansatzweise wieder. Ihr Aussageverhalten war durchweg von dem Bemühen um Sachlichkeit geprägt. Wenn sie etwas nicht mehr erinnerte, hat sie das uneingeschränkt eingeräumt. So vermochte sie beispielhaft nicht mehr anzugeben, welche Klauseln sie insgesamt mit dem Angeschuldigten inhaltlich besprochen hat. Auch konnte sie auf Nachfrage der Verteidigerin bestätigen, dass entgegen erster Erinnerung, ein Treffen mit dem Angeschuldigten einmal auch bei ihr zu Hause stattgefunden hätte.
V.
Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts hat der Angeschuldigte gegen Berufspflichten schuldhaft verstoßen.
1. Der Angeschuldigte hat sich eines Verstoßes gegen § 43a VI S. 1, § 43a IV BRAO schuldig gemacht. Die Vorschrift findet im Rahmen der Meistbegünstigung vorliegend Anwendung auch wenn sie zur Zeit der Pflichtverletzung noch nicht gegolten hat. § 45 II Nr. 2 BRAO a.F. findet deshalb keine Anwendung (vgl. nur BGH, Beschluss in vorliegender Sache vom 31.01.2023, AnwSt R 6/22 m.w.N).
Gemäß § 43a IV S. 1 BRAO darf der Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Nach § 43a VI S. 1 BRAO gilt Abs. IV S. 1 im Rahmen einer außeranwaltlichen Tätigkeit entsprechend, wenn für ein anwaltliches Tätigwerden ein Tätigkeitsverbot nach § 43 IV S. 1 BRAO bestehen würde. Obwohl diese Voraussetzungen vorlagen, wurde der Angeschuldigte in derselben Sache sowohl anwaltlich als auch nichtanwaltlich tätig.
„Dieselbe Rechtssache“ in § 43a IV S. 1 BRAO ist jeder Lebenssachverhalt, der angesichts der ihn begründenden historischen Tatsachen oder der an ihm beteiligten Personen ganz oder in Teilen nur einer einheitlichen juristischen Betrachtung zugeführt werden kann. Maßgeblich für den Begriff „dieselbe Rechtssache“ ist der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Interessen, also das anvertraute materielle Rechtsverhältnis, das bei natürlicher Betrachtungsweise auf ein innerlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis zurückzuführen ist. Demnach ist zu fragen, ob sich aufgrund eines (nicht zwangsläufig abgeschlossenen) Lebenssachverhalts verschiedene Interessen gebildet haben, die bei der rechtlichen Bewertung dieses Sachverhalts in einem sachlichen Zusammenhang miteinander stehen können. Zwei Mandate decken sich grundsätzlich in sachlicher Hinsicht, wenn sie jeweils ein verklammerndes Element (z.B. eine Ehe oder einen Erbfall) beinhalten, das in beiden Mandaten von rechtlicher Bedeutung ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 1. März 2022 – 15 U 1409/21, Rn. 44 m.w.N.). Bei entsprechender Anwendung im Rahmen von § 43a VI S. 1 BRAO ist auf dasselbe innerlich zusammengehörige, einheitliche Lebensverhältnis abzustellen (BGH, Urteil vom 17.09.2020 – III ZR 283/18 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Der Angeschuldigte hat die Zeugin A. in deren erbrechtlicher Angelegenheit umfassend beraten und vertreten. Dies umfasste die Verwertung des zum Nachlass gehörenden Grundstücks, die Regulierung der Pflichtteilsansprüche der Söhne des verstorbenen Ehemannes der Zeugin A. und auch die Beratung hinsichtlich der Anlage des bei der Zeugin A. verbleibenden Geldbetrages aus dem Nachlass. Nach seiner eigenen Einlassung hat der Angeschuldigte der Zeugin A. zunächst eine Anlage bei einer Bank empfohlen und, nachdem die Zeugin dies nicht wünschte, eine Anlage in Form eines Darlehens an die O. empfohlen.
Nach seiner eigenen Einlassung hat der Angeschuldigte sodann als rechtskundiger Geschäftsführer der O. den Darlehensvertrag entworfen, mit der Zeugin A. besprochen und schließlich auch auf Seiten der O. abgeschlossen.
Die Anlage des aus dem Erbfall der Zeugin A. erwachsenen Vermögens ist hier das Element, das den der anwaltlichen Tätigkeit zugrunde liegenden Lebenssachverhalt mit dem der Ausarbeitung und dem Abschluss des Darlehensvertrages zugrunde liegenden Lebenssachverhalt verklammert, was gerade in der als Anwalt ausgesprochenen Empfehlung des Abschlusses eines Darlehensvertrages mit der O. augenfällig in Erscheinung tritt. Eine Verklammerung der Lebenssachverhalte liegt auch darin, dass der Angeschuldigte bei der im Rahmen seiner nichtanwaltlichen Tätigkeit erfolgten Ausarbeitung und dem Abschluss des Darlehensvertrages Informationen hat einfließen lassen, die er durch seine anwaltliche Tätigkeit erlangt hat. Hier liegt daher bei der in § 43a VI S. 1 BRAO angeordneten entsprechenden Anwendung „dieselben Rechtssache“ vor.
Zwischen beiden Tätigkeiten des Angeschuldigten bestand ein widerstreitendes Interesse. Das setzt einen aktuell vorhandenen Interessenwiderstreit voraus (BVerfG NJW 2006, 2469 (2470)). Ein Interessenwiderstreit liegt vor, wenn die Interessen der Parteien, die der Anwalt in derselben Rechtssache berät und/oder vertritt, ganz oder teilweise konträr sind. Unter „Interesse“ ist ein subjektiv empfundenes und zielorientiertes Bedürfnis oder Anliegen der Partei zu verstehen. Als mit der Regelung diverser erbrechtlicher Angelegenheiten betreffend den Nachlass des verstorbenen Ehemannes der Zeugin A. beauftragter Rechtsanwalt, musste der Angeschuldigte die Interessen der Zeugin A. wahrnehmen. Hierzu gehörte es, die Interessen seiner Mandantin an der Erhaltung des Nachlasses zugunsten der Tochter zu gewährleisten und dies zur ihrem Wohl wahrzunehmen. Um ihre Vorstellungen umzusetzen, hat er ihr die Gewährung eines Darlehens an die O. empfohlen. Als Geschäftsführer der O. hatte der Angeschuldigte hingegen ein Interesse daran, eine möglichst langfristige Darlehensaufnahme zu vereinbaren. Die von der Zeugin A. im Falle ihres Todes gewünschte Zahlung an ihre Tochter widersprach diesen Interessen, wurde jedenfalls vom Angeschuldigten nicht so, wie von der Zeugin gewünscht, bei der Vertragsgestaltung umgesetzt. Auch die sonstigen Vertragskonditionen entsprachen den Interessen der O.; dies ist offenkundig bei der Vereinbarung eines Rangrücktritts. Diese Regelung erfolgte allein im Interesse der O., da der Vertrag nach der Einlassung des Angeschuldigten ansonsten einer Genehmigung durch das BaFin bedurft hätte, was der Angeschuldigte bzw. die O. vermeiden wollten. Letztlich enthält der Darlehensvertrag Konditionen, die kein vernünftiger Investor der O. zu den Bedingungen des Darlehensvertrages gewährt hätte.
§ 43a IV S. 1 BRAO spricht zwar davon, dass ein Rechtsanwalt nicht tätig werden darf, wenn er bereits einen Anderen im widerstreitenden Interesse „beraten oder vertreten hat“. Dieser Gesetzeswortlaut ist nicht dahingehend zu verstehen, dass die erste Beratung oder Vertretung bereits abgeschlossen sein muss. Insbesondere die Beratung kann zwar in einem einmaligen kürzeren Akt bestehen – insoweit sei auf die „Erstberatung“ verwiesen. Im Normalfall erfolgt aber eine Beratung oder Vertretung über einen längeren Zeitraum. Hier kann es nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur auf den Beginn der Beratung oder Vertretung des Anderen ankommen. Ein Interessenswiderstreit kann auch zu diesem frühen Zeitpunkt bereits bestehen. Es spielt daher vorliegend für die Tätigkeit des Angeschuldigten im widerstreitenden Interesse keine Rolle, dass die Tätigkeit für die Zeugin A. zum Zeitpunkt seiner nichtanwaltlichen Tätigkeit als Geschäftsführer der O. bei der Erstellung und dem Abschluss des Darlehensvertrages noch nicht abgeschlossen war. Es wäre auch ein widersinniges Ergebnis, wenn zwar zwei zeitlich hintereinander liegende Tätigkeiten in der derselben Rechtssache und im widerstreitenden Interesse unzulässig wären, zwei gleichzeitige Tätigkeiten in der derselben Rechtssache und im widerstreitenden Interesse hingegen zulässig sein sollten.
2. Im Ergebnis der Hauptverhandlung haben sich die strafrechtlich relevanten Vorwürfe der Generalstaatsanwaltschaft nach der Anschuldigungsschrift nicht bestätigt.
Dem Angeschuldigten kann weder ein Betrug gemäß § 263 StGB noch eine Untreue gemäß § 266 StGB mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden. Es bestehen vernünftige Zweifel am jeweiligen Vorliegen des Tatbestandes.
Zwar belastete die Zeugin A. den Angeschuldigten im Hinblick auf das Vorliegen einer Täuschungshandlung, indem sie aussagte, sie habe dem Angeschuldigten vertraut, er hätte ihr gesagt, dass sie jederzeit an ihr Geld komme, was anfänglich auch so gewesen sei. Auch habe er gesagt, dass das Geld sicher sei.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich aber nicht bestätigt, dass – unterstellt, der Angeschuldigte hätte die Aussage so getroffen, wie die Zeugin sie verstanden haben will – sich die Zeugin aufgrund dessen geirrt hat. Vielmehr hat die Zeugin A. sich auf einen für sie äußerst ungünstigen Vertrag bewusst eingelassen, weil sie diesen trotz Lesens und Besprechens der einzelnen Inhalte, welche erinnerte die Zeugin nicht mehr, letztendlich in Kenntnis des Inhalts zeichnete.
Nach ihren eigenen Bekundungen vor dem Senat hat der Angeschuldigte an insgesamt drei Tagen mit ihr den Darlehensvertrag inhaltlich besprochen. Die Zeugin hat bekundet, nicht nur Vertragsinhalte mit dem Angeschuldigten besprochen zu haben, sondern den ganzen Vertrag vor der Unterzeichnung durchgelesen zu haben. Der schriftlich ausgearbeitete Entwurf habe dem Besprochenen entsprochen. Sie erinnerte sie sich zwar nicht mehr daran, welche Regelungen sie im Einzelnen alle besprochen hätten. Erinnern konnte sie sich aber daran, den Angeschuldigten auf seinen Fehler, 5 % Zinsen statt vereinbarter 0,5 % Zinsen in dem Vertrag schriftlich festgehalten zu haben, aufmerksam gemacht zu haben. Ferner erinnerte sie sich, die salvatorische Klausel nicht verstanden zu haben und der Angeschuldigte hätte sie ihr erklärt.
Die Zeugin bekundete zwar in der Hauptverhandlung, dass ihr der Angeschuldigte bei den Gesprächen gesagt habe, dass sie jederzeit an ihr Geld käme. Nachdem ihr der Inhalt von § 5 des Darlehensvertrages vorgehalten wurde, in dem klar geregelt ist, dass die Darlehensnehmerin nur zu Sondertilgungen berechtigt ist, hingegen von einer Verpflichtung nichts steht, äußerte sie, sie müsse wohl die Begriffe Darlehensnehmer und Darlehensgeber verwechselt haben. Die Verwechselung derart eindeutiger Begriffe vermochte die pensionierte Deutschlehrerin jedoch nicht zu erklären.
Selbst wenn die Zeugin die Begriffe im ersten Satz dieser Regelung verwechselt hätte, wäre die im Text geregelte Berechtigung zur Sondertilgung nicht nachvollziehbar. Tilgungen und auch Sondertilgungen machen für eine Darlehensgeberin keinen Sinn, weil ein Darlehen immer nur durch den Darlehensnehmer zu tilgen ist. Im Übrigen ergibt sich schon aus dem nächsten Satz der Regelungen, dass als Sonderzahlungen alle Zahlungen an den Darlehensgeber, die Tochter und die Enkeltöchter des Darlehensgebers und sonstige von der Darlehensgeberin dem Darlehensnehmer benannte Personen gelten. Da die Zeugin, wie sie bekundet hat, den gesamten Vertrag vor der Unterzeichnung durchgelesen hat, ist es schlechterdings nicht nachvollziehbar, dass sie die angegebene Verwechselung nicht spätestens beim Lesen des zweiten Satzes bemerkt hat. Die von ihr angegeben Verwechselung der Begriffe hätte sie zwanglos erkennen müssen. Auch hat sie ihre Unterschrift unter dem Vertrag unter der Bezeichnung „Darlehensgeberin“ gesetzt. Die Begriffe waren damit klar definiert.
Der Senat hat die Zeugin in der mündlichen Verhandlung auch nicht als eine unkritisch handelnde Person erlebt. Die Zeugin war trotz ihres durchaus respektablen Alters geistig rege, vermochte ohne zu zögern Fragen zu beantworten. Sie stellte den Sachverhalt zwar nicht immer strukturiert und chronologisch aufgebaut dar, was schon aufgrund des Zeitverlaufs von fast 10 Jahren seit Vertragsschluss nicht zu erwarten war. Jedoch handelt es sich bei der Zeugin um eine studierte Frau, die von Beruf Deutschlehrerin war, und die deutsche Sprache geradezu verinnerlicht hat. Sie war redegewandt und konnte auch über mehrere Stunden, die ihre Vernehmung andauerte, ohne Schwierigkeiten folgen und blieb den Fragen gewachsen.
Dass die Zeugin den Inhalt von § 5 des Darlehensvertrages nicht verstanden haben will, erschließt sich dem Senat nicht. Ein solches Nicht-Verstehen oder Missverstehen mag hinsichtlich der Verschwiegenheit, Nachrangklausel aber auch den differenzierenden weiteren Regelungen zu den Sondertilgungsrechten in § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 bis 7 noch nachvollziehbar sein. Allerdings erklärt dies nicht, weshalb sie den sprachlich leicht gefassten und auch von seiner inhaltlichen Regelung verständlichen § 5 Abs. 1 Satz 1, wonach der Darlehensnehmer (lediglich) berechtigt ist Sondertilgungen vorzunehmen, nicht verstanden haben will.
Der Senat ist angesichts des bewusst von der Zeugin zur Kenntnis genommenen und reflektierten Vertragsinhaltes – immerhin hat sie den Inhalt korrigiert und sich auch Regelungen erklären lassen – nicht davon überzeugt, dass die Zeugin die Regelung in § 5 des Darlehensvertrages missverstanden hat und davon ausging, dass diese Regelung der von ihr bekundeten Äußerung des Angeschuldigten, dass sie jederzeit Rückzahlungen verlangen könne, entsprach. Es bleiben erhebliche Zweifel daran, ob die Zeugin die Regelung in § 5 des Darlehensvertrages nicht doch entgegen ihren Bekundungen richtig verstanden hat, sie die Regelung aber im Hinblick auf die auch von ihr verfolgten Zwecke, wie zum Beispiel dem Sohn nichts zukommen zu lassen, in Kauf genommen hat. Gegen ihre Überzeugung, jederzeit an das Geld zu kommen, spricht zudem, dass es ihr – wie sie auch dem Senat gegenüber bekundete - egal war, wie die O. ihr Geld anlegen würde. Auch informierte sie sich überhaupt nicht über das Geschäftsfeld der O.. Sie stellte dem Angeschuldigten keine Fragen, was die O. mit ihrem Geld machen werde.
VI.
Der Senat hält für den festgestellten Verstoß gegen seine Berufspflichten die Verhängung einer Geldbuße gegen den Angeschuldigten nach § 113 BRAO, § 114 I Nr. 3 a.F. BRAO für gerade noch ausreichend. Aufgrund besonderer Umstände im vorliegenden Fall sieht der Senat von einem grundsätzlich angezeigten Vertretungsverbot nach § 114 I Nr. 4 BRAO ab. Für die Verhängung eines Vertretungsverbotes spricht, dass der Angeschuldigte eine Pflichtverletzung von ganz erheblichem Gewicht begangen hat, indem er eine anwaltliche Kernpflicht verletzt hat. Dennoch hält der Senat ausnahmsweise eine Geldbuße für noch ausreichend. Denn zum einen liegt die im Jahr 2014 begangene Pflichtverletzung lange zurück. Der Angeschuldigte ist auch zuvor weder strafrechtlich noch berufsrechtlich vorgeahndet. Zum anderen hat auch das berufsrechtliche Verfahren eine erhebliche Zeit in Anspruch genommen, was für den Angeschuldigten eine erhebliche Last darstellt.
In Anbetracht dessen ist seine Pflichtverletzung mit einer Geldbuße in Höhe von
20.000 €
zu ahnden.
Dabei hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Zu Gunsten des Angeschuldigten ist die Dauer des berufsrechtlichen Verfahrens von rund 8 Jahren und der inzwischen mehr als 9 Jahre zurückliegende Verstoß gegen Berufspflichten als Rechtsanwalt zu berücksichtigen.
Es ist nicht ersichtlich, weshalb die berufsrechtlichen Ermittlungen von April 2016 bis zum 27.02.2019 – fast drei Jahre – bis zur Entscheidung, die Anschuldigungsschrift zu erheben, andauerten. Die Ermittlungen beschränkten sich im Wesentlichen auf die Auswertung der Geschäftskonten und der Konten des Angeschuldigten; ferner waren eine Zeugenaussage zu bewerten. Der Umfang der Urkunden rechtfertigt die Dauer nicht.
Gleiches gilt für das gerichtliche Verfahren. Von der Fertigung der Anschuldigungsschrift dauerte es bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 26.05.2020 weitere 15 Monate. Nach dem Urteil des Anwaltsgerichts vom 15.06.2020 dauerte es bis zum 28.03.2022 bis zur Berufungshauptverhandlung und nach Aufhebung des Urteils durch den Bundesgerichtshof am 31.01.2023 weitere 19 Monate bis zum Beginn der erneuten Berufungsverhandlung. Mildernd ist ferner zu berücksichtigen, dass der Angeschuldigte berufsrechtlich und strafrechtlich vor seiner Pflichtverletzung nicht in Erscheinung getreten war und den Sachverhalt im Grunde selbst eingeräumt hat.
Zulasten des Angeschuldigten war das erhebliche Gewicht der Pflichtverletzung - Kernpflichten des Anwalts - zu berücksichtigen. Hemmungslos hat er eine rechtlich unerfahrene und zudem betagte Mandantin zum Abschluss eines sogar 30 – 35 Jahre dauernden Darlehensvertrags bewegen wollen. Er hat mit dem sodann über 15 Jahre laufenden Vertrag ein Vertragswerk ausgearbeitet, dass seine Gesellschaft weit übervorteilt und geeignet ist, seine Mandantin letztendlich um ihr gesamtes Vermögen zu bringen und ihr Petitum zudem völlig unberücksichtigt lässt. Ihm war bekannt, was er in seiner Einlassung zudem einräumte, dass die Zeugin über kein weiteres nennenswertes Vermögen verfügte.
Ob die Zeugin überhaupt ihr von dem Angeschuldigten durch den Verstoß gegen Berufspflichten restliches Vermögen aus dem Nachlass des verstorbenen Ehemannes wiederbekommen wird, ist nicht absehbar. Die Konten der Gesellschaft des Angeschuldigten verfügen über kein nennenswertes Barvermögen; über die Vermögenslage der von ihm beherrschen Gesellschaft schweigt der Angeschuldigte im Übrigen; dergleichen über sein eigenes Vermögen. Auch ist er nach wie vor uneinsichtig und davon überzeugt, sich als Rechtsanwalt pflichtgemäß verhalten zu haben.
Die Pflichtverletzung des Angeschuldigten ist nicht verjährt. Nach § 114 I Nr. 3 BRAO verjährt eine Pflichtverletzung, die zu einer Geldbuße führt, innerhalb einer Frist von 5 Jahren. Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist; § 78 a StGB. Beendigung der Tat ist der tatsächliche Abschluss des gesamten Handlungsgeschehens, mit dem das Tatunrecht seinen Abschluss findet (vgl. nur Fischer, StGB, 71. Aufl., § 22 Rn. 6 m.w.N.). Danach war für den Angeschuldigten mit der letzten Überweisung des Vermögens der Frau A. die Tat beendet, mithin am 11.11.2014.
Die Verjährung endete damit vorliegend aber nicht am 11.11.2019, weil sie infolge der Einleitung eines berufsrechtlichen und strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ab April 2016 ruhte; § 115 II Nr.1 und 2 BRAO und damit vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen war, nämlich am 13.07.2020; § 115 II S. 1 BRAO i.V.m. § 78 b III StGB.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 195, 197 Abs. 2 BRAO, § 116 I S. 2 BRAO i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO.
VIII.
Die Revision des Angeschuldigten war gemäß § 145 III BRAO nicht zuzulassen, weil über keine Rechtsfrage oder Fragen des anwaltlichen Berufsrechts entschieden wurde, die von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde innerhalt eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Anwaltsgerichtshof einzulegen. In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Rechtsfrage ausdrücklich bezeichnet werden (§ 145 III BRAO).