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Entscheidung 1 OAus 33/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 07.10.2024
Aktenzeichen 1 OAus 33/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1007.1OAUS33.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten B. an die Republik Polen zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten wegen der im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts G. (Polen) vom 3. Oktober 2023 (…3) näher bezeichneten rechtskräftigen Verurteilung durch das Kreisgericht S. vom 5. April 2022 (…8) wegen Urkundenfälschung, falscher Verdächtigung, Diebstahls, gemeinschaftlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung (Art. 270 § 1 i.V.m. 235 und 11 § 2, 278 § 1 i.V.m. Art. 64 § 1, Art. 158 § 1 i.V.m. 57a § 1 sowie Art. 224 § 2 i.V.m. 226 § 1, 11 § 2 und 57a § 1 des polnischen Strafgesetzbuches), ist zulässig.

Die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, die Auslieferung des Verfolgten B. an die Republik Polen zum Zwecke der Vollstreckung der Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten aus der in dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts G. (Polen) vom 3. Oktober 2023 (…3) genannten rechtskräftigen Verurteilung durch das Kreisgericht S. vom 5. April 2022 (…8) zu bewilligen, wird nach vollinhaltlicher Überprüfung gerichtlich bestätigt.

Der Grundsatz der Spezialität ist zu beachten.

Die Fortdauer der Auslieferungshaft gegen den Verfolgten B. wird angeordnet.

Gründe

I.

1. Mit dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts G. (Polen) vom 3. Oktober 2023 (…3) ersuchen die polnischen Justizbehörden unter Bezugnahme auf das Urteil des Kreisgerichts S. vom 5. April 2022 (…8) um Festnahme und Auslieferung des Verfolgten B. zum Zwecke der Vollstreckung einer wegen Urkundenfälschung, falscher Verdächtigung, Diebstahls, gemeinschaftlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung (Art. 270 § 1 i.V.m. 235 und 11 § 2, 278 § 1 i.V.m. Art. 64 § 1, Art. 158 § 1 i.V.m. 57a § 1 sowie Art. 224 § 2 i.V.m. 226 § 1, 11 § 2 und 57a § 1 des polnischen Strafgesetzbuches) verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, die noch vollständig zu verbüßen ist.

Wegen der konkreten Straftaten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 7. August 2024 verwiesen.

Wegen des Tatvorwurfs der Beleidigung ist der Sachverhalt seitens der polnischen Behörden auf Nachfrage durch die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 30. Juli 2024 mit Schreiben vom 13. August 2024 dahingehend konkretisiert worden, dass der Verfolgte die Polizeibeamten als „Schwuchteln, Mistkerle“ und „Huren“ bezeichnet und ihnen damit gedroht hatte, dass er sie „zunichte macht“, dass „keine Spur von denen bleibt, dass er sie umbringen wird“. Ferner hat er gegen seine Festnahme in S. am 20. Oktober 2012 aktiven Widerstand geleistet, indem er „ruckte“ und sich herauszuwinden versuchte.

2. Der Verfolge wurde am 25. Juli 2024 in H. infolge der Fahndungsausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) vorläufig festgenommen. Bei seiner richterlichen Anhörung vor dem Amtsgericht O. am 26. Juli 2024 hat er zu seinen persönlichen Verhältnissen mitgeteilt, sich seit zwei Jahren in Deutschland aufzuhalten und seit Februar 2024 in der R.-straße … in Be. zu wohnen, ohne jedoch dort amtlich gemeldet zu sein. Er wohne in Be. mit seiner aus der Türkei stammenden Freundin, die im zweiten Monat schwanger sei. Zur Verurteilung durch das Kreisgericht S. hat der Verfolgte angegeben, keine Ladung zu dem Hauptverhandlungstermin am 5. April 2022 erhalten zu haben, auch bezweifelte er, in dem Termin durch einen Verteidiger vertreten worden zu sein.

Mit einer Auslieferung an Polen im vereinfachten Auslieferungsverfahren hat sich der Verfolgte nicht einverstanden erklärt; hinsichtlich der Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes ist er durch die Ermittlungsrichterin nicht befragt worden.

Das Amtsgericht O. erließ am 26. Juli 2024 eine Festhalteanordnung und der Senat am 07. August 2024 einen Auslieferungshaftbefehl, infolge derer der Verfolgte in der Justizvollzugsanstalt Br. inhaftiert ist.

3. Zu dem Europäischen Haftbefehl und dem damit verbundenen Auslieferungsersuchen sowie zur beabsichtigten Bewilligung der Auslieferung durch die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist der Verfolgte nochmals am 19. September 2024 gemäß §§ 28, 79 Abs. 2 S. 3 IRG vor dem Amtsgericht Br. richterlich vernommen worden. Hierbei hat er sich - wie bereits im Rahmen seiner am 26. Juli 2024 vor dem Amtsgericht O. stattgefundenen richterlichen Vernehmung - nicht mit der Auslieferung im vereinfachten Verfahren einverstanden erklärt, so dass der Senat über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden hat. Zudem hat der Verfolgte auch auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes nicht verzichtet.

Im Falle der Zulässigkeit der Auslieferung beabsichtigt der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg als Bewilligungsbehörde, die Übergabe des Verfolgten an die polnischen Justizbehörden zu bewilligen und keine Bewilligungshindernisse nach § 83b IRG geltend zu machen.

Hierzu ist der Verfolgte bei der vorgenannten richterlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Br. am 19. September 2024 gemäß § 79 Abs. 2 S. 3 Halbs. 2 IRG angehört worden. Insbesondere wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu dem Wortlaut der nachfolgenden Absichtserklärung der Bewilligungsbehörde Stellung zu nehmen:

„Hinsichtlich der begehrten Auslieferung des Verfolgten nach Polen zum Zwecke der Vollstreckung der durch Urteil des Amtsgerichts S. vom 5. April 2022 (…8) gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten auf Grundlage des Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts G. (Polen) vom 9. Oktober 2023 (…3) beabsichtigt der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg, Bewilligungshindernisse nach § 83b IRG nicht geltend zu machen.

1. Die in § 83b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 IRG im Einzelnen aufgeführten Bewilligungshindernisse, die einer Auslieferung entgegenstehen würden, liegen bei dem Verfolgten nicht vor. Insbesondere sind die dem Verfolgten von den polnischen Behörden zur Last gelegten Taten in Polen begangen worden und haben mithin ausschließlich Auslandsbezug.

2. Auch kann sich der Verfolgte in Ansehung der Vorschrift aus § 83b Abs. 2 Nr. 2 IRG nicht auf ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an einer Strafvollstreckung im Inland berufen.

a. Es wird bereits nicht angenommen werden können, dass der Verfolgte im Bundesgebiet seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat. So hält er sich nach eigenen Angaben erst seit zwei Jahren hier - in Be. - auf, ohne amtlich gemeldet zu sein, da er, wie er in seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht O. am 26. Juli 2024 bekundet hat, nicht über ein Ausweispapier verfüge. Auch wenn seine weitere Erklärung, seine an der gemeinsamen Adresse amtlich gemeldete, türkischstämmige ‚Freundin‘ sei im zweiten Monat schwanger, zutrifft und man hier ein gemeinsames Kind erwartet, mögen diese Umstände in der Gesamtschau die Annahme, dass er in Deutschland dauerhaft Bindungen begründet hat, wie sie sich aus einem Wohnsitz im Sinne von Art. 4 Nr. 6 RbEuHb ergeben, (noch) nicht zu rechtfertigen.

b. Jedenfalls aber kann sich der Verfolgte auf ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an einer Strafvollstreckung im Inland nicht berufen.

aa. Maßgeblich für diese Entscheidung ist es, ob durch die Verbüßung der Strafe im Inland die Resozialisierungschancen des Verfolgten erhöht werden (vgl. EuGH NJW 2011, 285, 286; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2009, 107, 108 und Beschluss vom 07.12.2010, 1 AK 50/10 - zit. nach Juris; OLG Köln, Beschluss vom 31.08.2009, 6 AuslA 41/09 - zit. nach Juris). Der Strafvollzug müsste also der Aufgabe, den Verfolgten zu einem künftigen Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu befähigen (vgl. dazu § 2 Satz 1 StVollzG), besser gerecht werden als die Strafvollstreckung im ersuchenden Staat. Insoweit ist über den gewöhnlichen Aufenthalt des Verfolgten in Deutschland hinaus - auch unter Beachtung des Gesichtspunktes des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2007, 2567, 2569) und der Gewährleistungen des Art. 8 Abs. 1 MRK - von Bedeutung, in welchem Maße die beruflichen, wirtschaftlichen, familiären und sozialen Beziehungen des Verfolgten in Deutschland verfestigt sind. Hierbei ist zu bedenken, dass bei drohender Strafvollstreckung im Herkunftsland - wie hier - die Bindungen an Deutschland besonderer Ausprägung bedürfen, um ein Bewilligungshindernis zu begründen (vgl. KG, Beschluss vom 23.03.2012, (4) AuslA 1252/09 (38/10) - zit. nach Juris). Dabei ist anzunehmen, dass im Falle einer Vollstreckung im Herkunftsstaat von vornherein keine der Resozialisierung entgegenstehenden sprachlichen und kulturellen Probleme bestehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 31.08.2009, 6 AuslA 41/09 - zit. nach Juris; OLG Karlsruhe a.a.O.). Vor allem ist wie bei jeder Auslieferungsentscheidung der Grundsatz des § 79 Abs. 1 IRG zu beachten, wonach eine zulässige Auslieferung nach dem aus der Vorschrift zweifelsfrei ersichtlichen gesetzgeberischen Willen im Regelfall auch zu bewilligen ist.

bb. Unter Beachtung der vorstehend dargestellten Maßstäbe ist anzunehmen, dass die bestehenden Bindungen des Verfolgten im Bundesgebiet nicht geeignet sind, die Resozialisierungschancen im Falle einer Inlandsvollstreckung zu erhöhen. Der Verfolgte würde im Falle der Auslieferung die Strafe in seinem Herkunftsland verbüßen. Die kulturellen und rechtlichen Gegebenheiten in Polen sind ihm geläufig, da er mit den dortigen Lebensverhältnissen vertraut ist. Seine derzeitigen, vorstehend skizzierten persönlichen und familiären Bindungen führen demgegenüber zu keiner anderen Beurteilung. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der Verfolgte in der Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus in einem sozialen Umfeld - beruflich und/oder privat - nachhaltig Fuß gefasst hat. Auch ist nicht anzunehmen, dass der Strafvollzug in seinem Herkunftsland die Resozialisierung durch negative Auswirkungen auf die persönliche und familiäre Situation erschweren würde, da Bindungen, die er hierzulande offenbar lediglich zu seiner ‚Freundin‘ unterhält, durch Haftbesuche sowie briefliche und telefonische Kontakte aufrechterhalten werden können. Ferner setzte eine merkliche Erhöhung der Resozialisierungschancen durch die Strafvollstreckung in Deutschland insbesondere voraus, dass der hiesige Strafvollzug seiner Aufgabe gerecht werden könnte, den Verfolgten zu einem künftigen Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu befähigen, wofür unabdingbare Grundlage ist, dass sich der Verfolgte in deutscher Sprache in einem Maße verständigen kann, das eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seinen Straftaten etwa im Gespräch mit den im Strafvollzug behandelnden Personen ermöglicht (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2009, 107; OLG Celle, Beschluss vom 10.09.2012, 1 Ausl 26/12 - zit. nach Juris). Dies ist in keiner Weise gewährleistet. So musste zur Anhörung beim Amtsgericht O. am 26. Juli 2024 ein Dolmetscher hinzugezogen werden, der dem Verfolgten den Europäischen Haftbefehl und die darin enthaltene Sachverhaltsdarstellung zu übersetzen hatte. Für einen erfolgreichen ‚Behandlungsvollzug‘ in Deutschland aber sind hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache unerlässlich. Demgegenüber bestünden für einen resozialisierungsorientierten Strafvollzug in Polen keinerlei Sprachhindernisse. Anhaltspunkte dafür, dass die Vollstreckung der Strafe in Polen für den mit den dortigen Lebensverhältnissen noch gut vertrauten Verfolgten aus sonstigen Gründen eine besondere Härte darstellen könnte, liegen nicht vor.

Nach alledem liegen aus Sicht der Bewilligungsbehörde nach Abwägung aller für und gegen den Verfolgten sprechenden Umstände keine Gründe vor, die einer Übergabe des Verfolgten an die polnischen Behörden zum Zwecke der Strafvollstreckung entgegenstehen.

Es steht dem Verfolgten frei, zu dieser Entschließung zu Protokoll Stellung zu nehmen. Für eine mögliche schriftliche Stellungnahme gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg wird eine Frist von einer Woche gesetzt.“

4. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat unter dem Datum des 24. September 2024 beantragt, die Auslieferung des Verfolgten an Polen zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten wegen der im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts G. (Polen) vom 3. Oktober 2023 (…3) näher bezeichneten rechtskräftigen Verurteilung durch das Kreisgericht S. vom 5. April 2022 (…8) wegen Urkundenfälschung, falscher Verdächtigung, Diebstahls, gemeinschaftlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung (Art. 270 § 1 i.V.m. 235 und 11 § 2, 278 § 1 i.V.m. Art. 64 § 1, Art. 158 § 1 i.V.m. 57a § 1 sowie Art. 224 § 2 i.V.m. 226 § 1, 11 § 2 und 57a § 1 des polnischen Strafgesetzbuches) für zulässig zu erklären, der seitens des Generalstaatsanwalts beabsichtigten Bewilligung der Auslieferung des Verfolgten an Polen zur Strafvollstreckung - unter Spezialitätsvorbehalt – zuzustimmen sowie die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen.

Dem Verfolgten ist über seinen Beistand Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gegeben worden.

II.

Der Senat entscheidet entsprechend den Anträgen der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg; die gesetzlichen Voraussetzungen für die erstrebten Anordnungen liegen vor.

1.

Die Auslieferung des Verfolgten an die polnischen Justizbehörden zum Zwecke der Strafvollstreckung ist nach dem durch das EuHbG vom 20. Juli 2006 umgesetzten Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten sowie nach den maßgeblichen Bestimmungen des Achten Teils des IRG nicht unzulässig; Gründe, die einer Auslieferung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

a) Die Auslieferungsfähigkeit ist nach den §§ 3, 81 Nr. 2 IRG gegeben. Die dem Verfolgten vorgeworfenen Taten sind auch nach deutschem Recht strafbar, namentlich als Urkundenfälschung und falsche Verdächtigung (Tat 1: §§ 267, 164 StGB), als Diebstahl (Tat 2: § 242 StGB), als gefährliche Körperverletzung (Tat 3: §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) und als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung (Tat 4: §§ 113, 185 StGB). Zudem übersteigt das Maß der zu vollstreckenden Freiheitsstrafen das in § 81 Nr. 2 IRG genannte Mindestmaß von vier Monaten; die Strafvollstreckung verjährt in Polen nicht vor dem 12. Juli 2037.

Der übermittelte Europäische Haftbefehl des Bezirksgerichts G. (Polen) vom 3. Oktober 2023 (…3) enthält die nach § 83a Abs. 1 Nrn. 1-6 IRG erforderlichen Angaben. Er gibt die Identität des Verfolgten an, enthält die Bezeichnung und Anschrift der ausstellenden Justizbehörde, nennt die Art und die rechtliche Würdigung der begangenen Straftaten einschließlich der gesetzlichen Bestimmungen sowie die verhängte Strafe und beschreibt die Umstände, unter denen die Taten begangen worden sind, mit Angaben zu Tatzeit, Tatort und Tatmodalitäten ausreichend.

b) Der Zulässigkeit der Auslieferung steht – wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 24. September 2024 zutreffend ausführt – insbesondere nicht entgegen, dass die Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht S. in Abwesenheit des Verfolgten durchgeführt worden ist. Dies führt nicht zur Unzulässigkeit der Auslieferung gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG, da den Erklärungen der polnischen Behörden zu entnehmen ist, dass sie entsprechend § 83 Abs. 2 Nr. 3 IRG verfahren sind, der Verfolgte in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einen Verteidiger bevollmächtigt hat und er bei eigener Abwesenheit durch diesen tatsächlich in der Hauptverhandlung vertreten worden war, wobei der Verteidiger gegen das Urteil des Kreisgerichts S. keine Berufung eingelegt hatte. An dieser Erklärung zu zweifeln besteht keine Veranlassung.

2.

a) Hinsichtlich der avisierten Bewilligung der Auslieferung durch die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshof vom 24. November 2020 (Az. C-510/19) zum Begriff der „vollstreckenden Justizbehörde" nach Art. 6 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI) und der dadurch bedingten europarechtskonformen Auslegung von § 79 Abs. 2 IRG eine vollinhaltliche Überprüfung und Bestätigung durch den Senat veranlasst.

b) Die beabsichtigte Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft, keine Bewilligungshindernisse geltend zu machen, ist nach vollinhaltlicher Prüfung durch den Senat zu bestätigen.

aa) Die in § 83b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 IRG im Einzelnen aufgeführten Bewilligungshindernisse, die einer Auslieferung entgegenstehen könnten, liegen beim Verfolgten nicht vor. Die dem Verfolgten von den polnischen Behörden zur Last gelegte Taten sind in Polen begangen worden und haben ausschließlich Auslandsbezug.

bb) Die im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht Br. am 19. September 2024 angekündigte Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, insbesondere kein Bewilligungshindernis nach § 83b Abs. 2 Nr. 2 geltend zu machen, ist auf der Grundlage eines rechtsfehlerfrei ermittelten vollständigen Sachverhalts zutreffend getroffen worden. Bei dieser Überprüfung ist zu beachten, dass nach § 79 Abs. 1 IRG grundsätzlich eine Pflicht zur Bewilligung zulässiger Auslieferungsersuchen besteht und der Bewilligungsbehörde bei Vorliegen von Bewilligungshindernissen ein weites Ermessen eingeräumt ist (ausf. bereits Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2010, (1) 53 AuslA 52/10 (26/10); siehe auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2008, 376; KG, Beschluss vom 23. März 2010, (4) AuslA 1252/09 (38/10); KG, Beschluss vom 30. November 2009, (4) AuslA 247/08 (78/08), jew. zit. nach juris). Unter Berücksichtigung dessen hat die Generalstaatsanwaltschaft ohne Rechtsfehler das Vorliegen eines überwiegenden schutzwürdigen Interesses des Verfolgten an einer Vollstreckung der Strafe im Inland verneint.

Gründe für die Ablehnung der Bewilligung nach § 83b Abs. 2 Nr. 2 IRG sind nicht ersichtlich.

Eine hinreichende soziale Verwurzelung des Verfolgten in Deutschland ist nicht gegeben. Zwar mag angenommen werden, dass der Verfolgte, der nach seinen Angaben gemeinsam mit einer Lebensgefährtin D. in Be. wohnt, nunmehr im Bundesgebiet einen Wohnsitz begründet hat. Eine offizielle Meldeadresse in der Bundesrepublik Deutschland, die - ungeachtet seines Rechts als Unionsbürger auf Freizügigkeit im europäischen Raum - für seine nachhaltige Verwurzelung spräche, hat der Verfolgte nicht. Ausweislich einer vorgelegten Bescheinigung der GE. AG vom 1. September 2024 ist diese Vermietungsgesellschaft erst jüngst - nach seiner Inhaftnahme im vorliegenden Verfahren - darüber informiert worden, dass er die Wohnung seiner „Freundin“ D. als Lebenspartner mit nutze.

Überdies geht der Europäische Gerichtshof von einem gesicherten gewöhnlichen Aufenthalt erst ab einer Dauer von fünf Jahren aus (vgl. EuGH, Urteil vom 05.September 2012, C-42/11 - Lopes da Silva Jorge - NJW 2013, 141; EuGH, Urteil vom 06. Oktober 2009, C-123/08 - Wolzenburg - NJW 2010, 283; siehe auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Mai 2016 , 2 Ausl A 202/15, in NStZ-RR 2016, 352 ff.). Dieser Zeitraum ist noch nicht erreicht, der Verfolgte hat bei seiner richterlichen Anhörung angegeben, sich erst seit zwei Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten.

Auch über verfestigte berufliche, wirtschaftliche und sozialen Beziehungen in Deutschland, die über seine - nach Aufenthalt in Do. bis Dezember 2023 (BI. 149 d. A.) - erst seit 2024 bestehende Beziehung zu D. hinausgehen, verfügt der Verfolgte offenbar nicht.

Die Unterstützung seiner Lebensgefährtin bei ihrer Risikoschwangerschaft mit einem - nach Angaben des Verfolgten - gemeinsamen Kind wäre auch bei einer Strafvollstreckung in Deutschland nur in höchst eingeschränktem Maße im Wesentlichen im Wege telefonischen und/oder brieflichen Kontakts möglich. Derartige Einschnitte in die Lebensführung sind zwangsläufige Folge jeder Inhaftierung.

Aber selbst wenn man annehmen mag, dass der Verfolgte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, kann er sich – wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Bewilligungsentscheidung und in ihrer Stellungnahme vom 24. September 2024 zutreffend ausgeführt hat – nicht auf ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an einer Strafvollstreckung im Inland berufen.

Denn der gewöhnliche Aufenthalt des Verfolgten in Deutschland würde allein als Voraussetzung für die Geltendmachung des fakultativen Ablehnungsgrundes nicht genügen. Für die Ermessensausübung ist – auch unter Beachtung des Gesichtspunkts des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2007, 2567, 2569) und der Gewährleistungen des Art. 8 MRK - von Bedeutung, in welchem Maße die beruflichen, wirtschaftlichen, familiären und sozialen Beziehungen des Verfolgten in Deutschland verfestigt sind (vgl. BT-Drucks 16/2015, S. 15). Hierbei ist zu bedenken, dass die Bindungen an Deutschland bei drohender Strafvollstreckung im Heimatstaat des Verfolgten besonderer Ausprägung bedürfen (siehe bereits Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2010, (1) 53 AuslA 52/10 (26/10); vgl. auch Schmidt StraFo 2007, 7, 10; zur Dauer des Aufenthalts vgl. insbesondere OLG Karlsruhe NJW 2007, 2567, 2569 m.w.N.). Die Bewilligungsbehörde darf beispielsweise die Situation eines nach langjährigem Aufenthalt beruflich und gesellschaftlich fest integrierten Verfolgten ohne Ermessensfehler anders beurteilen als diejenige eines Ausländers, der - und sei es auch als Freizügigkeit genießender EU-Bürger (vgl. dazu OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Stuttgart NJW 2007, 613) - mit nur geringerer sozialer und wirtschaftlicher Integration hier lebt. Entscheidungserheblich ist zudem, ob die Resozialisierungschancen des Verfolgten durch die im Falle einer Verurteilung drohende Verbüßung der Strafe im Inland erhöht werden können (vgl. EuGH NJW 2008, 3201, 3203 – Kozlowski-Urteil –, insbes. Rdnr. 45; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2009, 107, 108; KG, Beschluss vom 23. März 2010, (4) AuslA 1252/09 (38/10); KG, Beschluss vom 30. November 2009, (4) AuslA 247/08 (78/08), jew. zit. nach juris).

Dies hat der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg vorliegend zutreffend verneint. Der Verfolgte hat sich offenbar zu einer Zeit nach Deutschland begeben, als er mit der Strafvollstreckung in Polen rechnen musste. Dieser Umstand relativiert die Bedeutung der Bindungen des Verfolgten an Deutschland (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 20. März 2008 – Ausl 3/08 – zit. n. juris).

Anhaltspunkte dafür, dass die Vollstreckung der Strafe in Polen für den mit den dortigen Lebensverhältnissen noch gut vertrauten Verfolgten aus sonstigen Gründen eine besondere Härte darstellen könnte, liegen nicht vor (vgl. KG, Beschluss vom 23. März 2010, Az. (4) AuslA 1252/09 (38/10), zit. n. juris) und sind von ihm auch nicht geltend gemacht worden.

3.

Der Vorbehalt der Spezialitätsbindung wird zu beachten sein.

4.

Die Fortdauer der Auslieferungshaft ist anzuordnen. Der Haftgrund der Fluchtgefahr besteht aus den im Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 07. August 2024 genannten Gründen fort. Weniger einschneidende Maßnahmen bieten nicht die nach § 25 Abs. 1 IRG erforderliche Gewähr, dass der Zweck der Auslieferungshaft auch durch sie erreicht werden könnte. Angesichts der Höhe der zu vollstreckenden Strafen ist die Fortdauer der Auslieferungshaft erforderlich und angemessen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht dem bei der gegebenen Sachlage nicht entgegen.