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Entscheidung 22 Qs 106/21


Metadaten

Gericht LG Cottbus 2. Strafkammer Entscheidungsdatum 02.11.2021
Aktenzeichen 22 Qs 106/21 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2021:1102.22QS106.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde vom 16. Juni 2021 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 11. Juni 2021 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Durch Bußgeldbescheid des Zentraldienstes der Polizei vom ……………………. wurde gegen den Beschwerdeführer wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 61 km/h eine Geldbuße von 440 Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt. Zusätzlich sollten zwei Punkte in das Verkehrszentralregister eingetragen werden.

Das Amtsgericht hat in der ersten Hauptverhandlung, welche sich über den Zeitraum von 13 Minuten erstreckte, auf Antrag des Beschwerdeführers die Einholung eines Sachverständigengutachtens bezüglich der Frage, ob das Messgerät bei Durchführung der Geschwindigkeitsmessung vorschriftsmäßig bedient worden ist, angeordnet. Nach Eingang des Gutachtens und u.a. der Aufhebung zweier anberaumter Hauptverhandlungstermine wegen der Verhinderung des Verteidigers des Beschwerdeführers stellte das Amtsgericht das Verfahren gegen den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 24. November 2020 gemäß § 46 OwiG i.V.m. § 206a StPO wegen des Eintritts der Verfolgungsverjährung ein.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers wurden der Staatskasse auferlegt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 1. Dezember 2020 beantragte der Verteidiger für den Beschwerdeführer die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von 1.075,15 €.

Daraufhin setzte das Amtsgericht Senftenberg mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. Juni 2021 nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors die Gebühren und Auslagen auf insgesamt 767,28 € fest.

Im Einzelnen wurde die Erstattung folgender Kosten beantragt und festgesetzt.                                                                                                                                                                                                                                            

 

 

KFA

KFB

Datum

 

01. Dezember 2020

11. Juni 2021

Bl.

 

180

194

 

Nr. VV-RVG

Grundgebühr

5100

100,00

100,00

Verf.-Gebühr

5103

160,00

160,00

Verf.-Gebühr

5109

160,00

160,00

Terminsgebühr

5110

255,00

150,00

Verfahren zur Vermeidung der Hauptverhandlung

5115, 5109

160,00

0,00

Post- und Telekommunikationspauschale

7002

40,00

40,00

Dokumentenpauschale/Kopien

7000

39,85

31,45

Akteneinsicht

 

12,00

12,00

Nettobetrag

 

926,85

661,45

USt 16%

7008

148,30

105,83

gesamt

 

1.075,15

767,28

Gegen den am 16. Juni 2021 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom selben Tag, eingegangen bei dem Amtsgericht Senftenberg ebenfalls am 16. Juni 2021, sofortige Beschwerde eingelegt. Die Gebührenbemessung wurde in den zur Begründung der Beschwerde eingereichten Schriftsätzen, auf die verwiesen wird, verteidigt und weiter begründet. Dabei hat der Beschwerdeführer insbesondere hervorgehoben, dass Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten stets als durchschnittliche Bußgeldverfahren anerkannt würden, so dass die Ansetzung der Mittelgebühr für die Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins angemessen sei. Überdies sei es erforderlich gewesen, die Ordnungsgemäßheit der Messung durch ein Sachverständigengutachten überprüfen zu lassen und es hätten dem Beschwerdeführer sowohl die Verhängung eines Bußgeldes von 440 € und zwei Monate Fahrverbot als auch die Eintragung von Punkten im Verkehrszentralregister gedroht. Auch die Ansetzung der Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG sei nach Auffassung des Beschwerdeführers zulässig gewesen. Ausreichend sei nach seiner Ansicht hierfür jedes aktive Mitwirken des Verteidigers an dem Verfahren, so dass die Gebühr bereits mit dessen Antrag auf Verfahrenseinstellung vom 6. Februar 2019 entstanden sei.

Der Bezirksrevisor wurde angehört; er hält die festgesetzten Gebühren für angemessen.

II.

Die gemäß § 464 b StPO, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden (§§ 311 Abs. 2 i.V.m § 464 b S. 4 StPO).

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 14 Absatz 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt in Verfahren, für welche das Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV RVG) eine (Betrags-)Rahmengebühr vorsieht, die Höhe der Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist - wie im vorliegenden Fall - die Gebühr von einem Dritten, hier der Staatskasse, zu erstatten, ist gemäß § 14 Absatz 1 S. 4 RVG die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Gebührenhöhe nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Zwar teilt die Kammer insoweit, wie bereits in vorangegangenen Entscheidungen dargelegt, die Auffassung der überwiegenden neueren Rechtsprechung, wonach Verfahren nicht bereits wegen der in ihnen verhängten relativ geringen Geldbußen, der mäßigen Bedeutung für den Betroffenen, dem allgemein geringen Umfang und ihrer Schwierigkeit generell in die untere Skala der Gebühren einzustufen sind und daher in diesen Fällen eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr als angemessen festzusetzen ist. Daher ist grundsätzlich Ausgangspunkt für die Vergütung der Tätigkeit des Rechtsanwaltes auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren die Mittelgebühr und nicht von vornherein ein geringerer Betrag (vgl. die Rechtsprechung der Kammer im Beschluss vom 26. Juli 2016, Az: 22 Qs 129/16, m.w.N.). Demgemäß hält die Kammer auch die Festsetzung der Grundgebühren und der Verfahrensgebühren durch das Amtsgericht jeweils in Höhe der Mittelgebühr für angemessen.

Dies gilt jedoch nicht, wie auch vom Amtsgericht zutreffend angenommen, für die infolge der Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins vom 22. Januar 2020 angefallene Terminsgebühr. Die Höhe der verhängten Geldbuße allein ist dabei kein zulässiger Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Gebührenhöhe. Schließlich hat der Gesetzgeber die Höhe der Gebühren gerade nicht an die Höhe der Geldbuße gekoppelt. Von Belang ist allein der Umfang der rechtsanwaltlichen Tätigkeit, welcher auch unter Berücksichtigung der durch das drohende Fahrverbot von zwei Monaten und der Eintragung von zwei Punkten ins FAER gesteigerten Bedeutung der Sache insgesamt noch als unterdurchschnittlich zu bewerten ist. Denn der Termin zur Hauptverhandlung erstreckte sich lediglich über dreizehn Minuten und bestand zum überwiegenden Teil aus der Vernehmung des Beschwerdeführers zur Sache und dessen Inaugenscheinnahme durch das Gericht, bevor er mit der Ankündigung der Einholung eines Sachverständigengutachtens endete. Aus den vorgenannten Gründen erachtet die Kammer die vom Amtsgericht festgesetzte Terminsgebühr als einzelfallbezogene festgesetzte Gebühr als angemessen.

Der Verteidiger des Beschwerdeführers hat auch nicht, wie beantragt, die Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG verdient, da er weder sein durch sein Verhalten zur Vermeidung der Hauptverhandlung beigetragen noch sich dadurch das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erledigt hat. Zwar kann die Gebühr auch noch anfallen, wenn bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden, der Verteidiger durch seine Tätigkeit aber zur Vermeidung einer weiteren Hauptverhandlung beigetragen hat. Eine derartige zur Vermeidung eines weiteren Hauptverhandlungstermins führende Tätigkeit hat der Verteidiger des Beschwerdeführers jedoch nicht erbracht. Denn die Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG ist eine Erfolgsgebühr. Der Erfolg muss - anders als der Beschwerdeführer offenbar meint - gerade durch die Mitwirkung des Verteidigers eingetreten sein. Der Verteidiger soll für eine Mitwirkung an einer Vereinfachung und Verkürzung des Verfahrens gesondert honoriert werden (Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage 2015, VV RVG 5115, Rdnr. 1 und 2) nicht aber für eine dem Betroffenen besonders günstige Verteidigungsstrategie. Sinn und Zweck der in Nummer 5115 VV RVG enthaltenen sogenannten Befriedungsgebühr als zusätzliche Verfahrensgebühr für das Bußgeldverfahren ist es, im Bußgeldverfahren intensive und zeitaufwendige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr geführt haben, gebührenrechtlich zu honorieren. Es soll demnach ein Anreiz geschaffen werden, sich trotz der Gebühreneinbuße dennoch um eine möglichst frühzeitige Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung zu bemühen. Daher ist es nicht ausreichend, wenn das Verfahren ausschließlich von Amts wegen eingestellt wird (vgl. u.a. LG Bayreuth, Beschluss vom 30. Oktober 2020, 3 Qs 84/20). Der Verteidiger des Betroffenen hat keine im Hinblick auf die Förderung des Verfahrens geeignete Tätigkeit entfaltet. Hierfür reicht es nicht aus, dass der Verteidiger im Termin zur Hauptverhandlung die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur sachgemäßen Bedienung des Messgerätes während des Messvorgangs beantragt hat. Denn diese Handlung führte nicht zur Verfahrenseinstellung, vielmehr wurde das Verfahren von Amts wegen, unabhängig vom Einlassungsverhalten des Beschwerdeführers und der Tätigkeiten des Verteidigers eingestellt. Allein durch Zeitablauf ist Verjährung eingetreten, sodass das Verfahren deshalb wegen eines Verfahrenshindernisses von Amts wegen zwingend eingestellt werden musste.

Die sofortige Beschwerde ist auch unbegründet, soweit sich der Beschwerdeführer mit ihr gegen die Kürzung der von ihm beantragten Dokumentenpauschale um 8,40 € wendet. Auch diesbezüglich schließt sich die Kammer der Auffassung der Vorinstanz und des weiteren Beteiligten an, auf die insoweit Bezug genommen wird.

Die vom Beschwerdeführer beantragte Aktenversendungspauschale, deren Festsetzung das Amtsgericht abgelehnt hat, kann ebenfalls im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht festgesetzt werden, da der Beschwerdeführer nach wie vor keinen Nachweis dafür vorgelegt hat, dass er die Aktenversendungspauschale auch tatsächlich eingezahlt hat.

Nach alledem sind folgende Gebühren und Auslagen zu erstatten:                                                                                                             

 

Nr. VV-RVG

Grundgebühr

5100

100,00

Verf.-Gebühr

5103

160,00

Verf.-Gebühr

5109

160,00

Terminsgebühr

5110

150,00

Post- und Telekommunikationspauschale

7002

40,00

Dokumentenpauschale/Kopien

7000

31,45

Nettobetrag

 

641,85

USt 16%

7008

102,69

Gesamt

 

744,54

Soweit das Amtsgericht 767,28 € als zu erstattende Gebühren und Auslagen und damit über den Erstattungsanspruch des Beschwerdeführers hinaus weitere 22,74 € festgesetzt hat, beruht dies offensichtlich auf einem rechnerischen Versehen des Amtsgerichts. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist jedoch insoweit nicht aufzuheben, denn dies verstieße gegen das auch im Kostenfestsetzungsverfahren geltende Verbot der reformatio in peius (vgl. OLG Oldenburg JurBüro 1978, 1811) für die durch den Beschwerdeführer eingelegte sofortige Beschwerde.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.