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(kein) Verwertungsverbot, (keine) Eilbedürftigkeit, Bewachungspersonal, Katalogtaten, Straftaten, Wachperson, Zuverlässigkeit


Metadaten

Gericht VG Potsdam 3. Kammer Entscheidungsdatum 27.09.2024
Aktenzeichen VG 3 L 512/24 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2024:0927.3L512.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 16 Abs 3 Satz 2 BewachV, § 46 Abs 3 Nr 1 BZRG, § 47 Abs 3 BZRG, § 51 BZRG, § 11 b Abs 1 GewO, § 11 b Abs 2 Nr 8 GewO, § 34 a Abs 1 a Satz 1 Nr 1 GewO

Leitsatz

Auch lange zurückliegende Straftaten können, solange die darauf bezogenen Eintragungen im BZRG verwertbar sind, Zuverlässigkeitszweifel begründen, die allein durch Zeitablauf nicht in einer Weise ausgeräumt sind, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine (wiedererlangte) Zuverlässigkeit angenommen werden kann.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der wörtliche Antrag des Antragstellers,

im Wege einstweiliger Anordnung festzustellen, dass er als zuverlässig im Hinblick auf die Durchführung von Bewachungsaufgaben einzustufen ist,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag auf Feststellung der Zuverlässigkeit im Wege einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO ist nicht statthaft, weil es am Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO fehlt. Die Frage nach der Zuverlässigkeit des Antragstellers betrifft eine Eigenschaft seiner Person. Eigenschaften einer Person sind jedoch regelmäßig nur Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, begründen also selbständig unmittelbar keine Rechte und Pflichten; auch dann nicht, wenn sie mit einer rechtlichen Bewertung verknüpft sind. Zu solchen nicht feststellungsfähigen Eigenschaften wird ausdrücklich die Zuverlässigkeit hinsichtlich der Ausübung eines Gewerbes gezählt (vgl. Beschluss der Kammer vom 7. Dezember 2022 – VG 3 L 648/21 –, S. 2 des amtlichen Entscheidungsabdrucks; vgl. ferner Sodan in ders./Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 43 Rn. 31; Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 43 Rn. 15; Wysk, in: ders. VwGO, 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 28).

Sein Rechtsschutzziel, als Wachperson arbeiten zu dürfen, kann der Antragsteller nur mit einer Mitteilung des Antragsgegners über die positive Beurteilung seiner Zuverlässigkeit an seine Arbeitgeberin und einer entsprechenden Freischaltung/Eintragung im Bewacherregister erreichen (§ 34 a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 GewO i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 BewachV sowie § 11b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 8 GewO). Für die Statthaftigkeit des Antrages kann es auf sich beruhen, ob die behördliche Mitteilung über das Ergebnis der Zuverlässigkeit eine bloße Mitteilung eines behördeninternen Überprüfungsergebnisses in Gestalt eines Realakts oder ein feststellender Verwaltungsakt mit Regelungswirkung ist (vgl. zum Streitstand VG Regensburg, Beschluss vom 10. Januar 2019 – RN 5 S 18.1733 –, juris Rn. 41 m.w.N.; vgl. zum Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage für die Feststellung der Unzuverlässigkeit: OVG Münster, Beschluss vom 17. Januar 2019 – 4 E 779/18 –, juris Rn. 6). Wenngleich die verbindliche Festschreibung eines behördlichen Subsumtionsvorgangs ein feststellender Verwaltungsakt sein kann (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 9. Februar 2021 – VG 4 L 546.20 –, juris Rn. 17 mit Verweis auf von Alemann/Scheffzyk, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2. Aufl. 2016, § 35 Rn. 66), spricht die gesetzliche Formulierung einer bloßen „Mitteilung“ des Überprüfungsergebnisses in § 34a Abs. 3 GewO eher gegen einen für den Verwaltungsakt konstitutiven Regelungscharakter (vgl. ohne Problematisierung dieser Unterscheidung Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Loseblattkommentar, Stand Dezember 2023, § 16 BeschV Rn. 7; Stober, GewArch 2014, 97 ff.). Entschieden werden muss dies hier indes nicht, weil in beiden Fällen das Rechtsschutzziel nur mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Erweiterung des Rechtskreises des Antragstellers erreicht werden kann. Ungeachtet der Tatsache, dass vorliegend nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohnehin ein Rechtsbehelf gegen die Mitteilung vom 16. Februar 2024 – unterstellt, es handelte sich um einen Verwaltungsakt – aufschiebende Wirkung hätte, könnte der Antragsteller alleine mit der – vorläufigen – Beseitigung dieser Mitteilung sein Rechtsschutzziel, die Berechtigung, als Wachperson tätig sein zu dürfen, nicht erreichen, weil ihm selbst bei einem erfolgreichen Antrag die für die Aufnahme der Tätigkeit gemäß § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 GewO, § 16 Abs. 1 BewachV erforderliche behördliche Mitteilung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 BewachV über u.a. seine Zuverlässigkeit fehlen würde.

Ist der Antrag des Antragstellers danach bei sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) trotz anwaltlicher Vertretung dahin zu verstehen,

dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, seiner Arbeitgeberin – der M_____, Inhaber R_____ – mitzuteilen, dass er zuverlässig für die Durchführung von Bewachungsaufgaben ist,

bleibt er gleichwohl ohne Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Begehrt ein Antragsteller – wie hier – die Vorwegnahme der Hauptsache, kommt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur in Betracht, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Rechtsschutzsuchenden andernfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 17. Oktober 2017 – 3 S 84.17 / 3 M 105.17 –, juris Rn. 2, und vom 28. April 2017 – 3 S 23.17 u.a. –, juris Rn. 1). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Der Antragsteller hat bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht. Es ist weder vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass die begehrte Mitteilung über die Feststellung der Zuverlässigkeit des Antragstellers zur Abwendung schwerwiegender, irreversibler Nachteile nötig erscheint. Soweit der Antragsteller lediglich vorträgt, ihm sei einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, damit er seinen Lebensunterhalt verdienen könne, ist ihm zuzumuten, entsprechend der gesetzlichen Konzeption von der begehrten Tätigkeit abzusehen und seinen Lebensunterhalt auf andere Weise zu bestreiten, solange er die erforderliche behördliche Bestätigung nicht – in einem Hauptsacheverfahren – erstritten hat (vgl. Beschluss der Kammer vom 21. Dezember 2023 – VG 3 L 857/23 –, juris Rn. 8).

Ungeachtet dessen hat der Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Mitteilung einer positiven Beurteilung seiner Zuverlässigkeit gemäß § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 GewO zusteht. Nach dieser Vorschrift dürfen mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben nur Personen beschäftigt werden, die die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen. Durch Verweisung in § 34a Abs. 1a Satz 6 GewO auf Abs. 1 Satz 4 dieser Vorschrift werden die dort geregelten Gründe für die Unzuverlässigkeit im Bewachungsgewerbe für das Bewachungspersonal entsprechend für anwendbar erklärt. Zwar liegt hier wegen Zeitablaufs keiner der in § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 GewO genannten Tatbestände vor, bei deren Vorliegen in der Regel die Unzuverlässigkeit anzunehmen ist. Die Vorschrift lässt jedoch die Möglichkeit offen, die Unzuverlässigkeit auf andere, hier nicht ausdrücklich benannte Tatbestände zu stützen (vgl. Marcks/Eisenmenger, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand: Dezember 2023, § 34a GewO Rn. 24 f.). Nach allgemeinen gewerberechtlichen Grundsätzen ist unzuverlässig, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Ausübung seines Berufs und die Einhaltung der Rechtsordnung bietet. Das Merkmal der Zuverlässigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Vorliegend begründen die im Bundeszentralregister erfassten Verurteilungen Zweifel an der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers mit Rücksicht auf die ihnen zugrundeliegenden Straftaten. Diese können dem Antragsteller vorgehalten werden, da ihnen nicht das Verwertungsverbot des § 51 BZRG entgegensteht (vgl. Marcks/Heß, in: Landmann Rohmer, a.a.O. § 35 GewO Rn. 41). Zwar beziehen sich die Eintragungen im Bundeszentralregister auf Verurteilungen aus den Jahren 1996 bis 2008, doch sind diese nach wie vor verwertbar, weil nach § 47 Abs. 3 BZRG bei Eintragung mehrerer Verurteilungen im Register die Tilgung einer Eintragung erst zulässig ist, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. So liegt es hier nicht, da die letzte Verurteilung vom 19. Juni 2008 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten geführt hat. Danach endet die Tilgungsfrist für diese Eintragung mangels Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BZRG nach fünfzehn Jahren, gerechnet ab dem Tag des ersten Urteils (§ 36 S. 1 BZRG). Zwar wäre diese Frist gegenwärtig schon abgelaufen. Doch verlängert sie sich gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 BZRG um die Dauer der Freiheitsstrafe.

Zuverlässigkeitszweifel knüpfen im vorliegend Fall an dem Umstand an, dass der Antragsteller zwischen 1996 und 2008 zehnmal verurteilt wurde. Es handelt sich unter anderem um eine Verurteilung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für Diebstahlsdelikte, einer Jugendstrafe von drei Jahren für u.a. Körperverletzungsdelikte, Diebstahlsdelikte, Nötigung und Bedrohung, zwei Jahre Freiheitsstrafe für Brandstiftung, ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe u.a. für Diebstahlsdelikte sowie zuletzt 5 Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe für ein Betäubungsmitteldelikt. Zuverlässigkeitsschädlich ist dabei insbesondere, dass es sich um Katalogdelikte des § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 lit. a), b) und c) GewO handelt, dass die Verurteilungen nicht vereinzelt erfolgten und das Strafmaß jeweils in erheblicher Höhe verhängt wurde.

Der Antragsteller, der sich lediglich auf Zeitablauf beruft, hat nicht in dem für das vorliegende Eilverfahren erforderlichen Umfang dargetan, dass diese Zweifel ausgeräumt sind und hat den daraus resultierenden Nachteil zu tragen. Denn es liegt auch angesichts seines Vortrags gerade nicht ohne nähere Prüfung der Gegebenheiten im Einzelnen auf der Hand, dass der Antragsteller die für die Durchführung von Bewachungsaufgaben gemäß § 34a Abs. 1 a GewO erforderliche Zuverlässigkeit nunmehr besitzt. Diese Prüfung muss einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Der Kammer erscheint für das Hauptsacheverfahren der Regelstreitwert von 5.000 Euro angemessen, der in Anbetracht der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu ermäßigen ist.