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Entscheidung 3 O 97/23


Metadaten

Gericht LG Cottbus 3. Zivilkammer Entscheidungsdatum 06.05.2024
Aktenzeichen 3 O 97/23 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2024:0506.3O97.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des beklagten Landes durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.207,13 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus Staatshaftung wegen eines Unfalls des Klägers auf der ………………… zwischen den Ortsteilen ………………… und ………………….

Ungefähr 97 m vor der Unfallstelle befindet sich ein Schild (Anl. K1), das die Strecke als touristisch vorgesehene Radtour ausweist. Die Straße ………… ist im Straßenabschnitt ….. in beiden Fahrtrichtungen bei den Kilometrierungen …. und ….. mit dem Verkehrszeichen Bild 101 („Achtung Gefahrenstelle“) samt Zusatzzeichen ……. (…………………) ausgeschildert.

Im Straßenabschnitt … auf Höhe von Kilometer …. der Straße waren seit dem Jahr 2019 (Bl. 25) zwei hintereinander liegende Bodenerhebungen („doppelte Bodenwelle“) vorhanden. Eine der Bodenwellen hatte eine Höhe von 4 cm (Anl. K5).

Am 05. November 2020 führte die Straßenbauverwaltung an der mit durchkreuzter Einkreisung gekennzeichneten Stelle - dem späteren Unfallort - eine Fahrbahnoberflächenbeprobung durch eine 4 cm tiefe Bohrung in die Straßendecke durch. Das durch die Beprobung entstandene Loch in der Fahrbahndecke wurde im Anschluss an die Bohrung durch Verfüllung mit schnell erhärtendem Vergussmörtel wieder straßenbaufachmännisch verschlossen. Die mit Lack aufgetragene Einkreisung diente der Markierung der Bohrstelle.

Der Kläger befuhr auf seinem Rennrad mit ca. 25 km/h die Landesstraße ….. aus Richtung ……. kommend.

Am Unfalltag stellte sich die Kläger in der Notaufnahme des Krankenhauses ……… vor. Dort wurden eine HWS-Distorsion, eine Thoraxprellung links sowie multiple oberflächliche Verletzungen diagnostiziert (Anl. K8).

Am 07.06.2021 stellte sich der Kläger ambulant im ……………-Krankenhaus vor. Dort wurden multiple Schürfwunden an den Extremitäten, Hämatome an der linken Flanke und eine Entzündung an der Fingerkuppe des fünften Fingers links festgestellt (Anl. K9).

Die Weiterbehandlung erfolgte durch den Hausarzt Dr. ……… (Kurzattest, Anl. K10). Der Kläger musste fortlaufend Schmerzmittel einnehmen und anfangs täglich, später dann alle 2-3 Tage, die Verbände wechseln. Er litt unter starken Schmerzen und war in seinem allgemeinen Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt. Er konnte für 3 Wochen keine körperlichen Tätigkeiten ausführen. Das Schlafen war ihm aufgrund der Rippenprellung nur eingeschränkt möglich. Für die Dauer von 8 Wochen hatte der Kläger Probleme beim Atmen. Der Kläger leidet nach wie vor an unfallbedingten Schmerzen und derzeit ist nicht absehbar wie sich die zukünftige gesundheitliche Entwicklung darstellt.

Die Kläger hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 06.10.2021 und 02.11.2021 zur Schadensregulierung aufgefordert. Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 29.10.2021 zurückgewiesen.

Der Kläger behauptet, es habe die Bodenwellen nicht wahrgenommen und aufgrund der ungünstigen Sonneneinstrahlung auch nicht erkennen können. Durch die erste Bodenwelle sei das Vorderrad leicht abgehoben und genau auf der zweiten Bodenwelle aufgekommen. Dabei habe sich das Vorderrad verzogen und es sei zum Sturz gekommen.

Der Kläger meint, dass das Sturzereignis für ihn unabwendbar gewesen sei.

Bei diesem Sturz seien sowohl die Ausrüstung als auch das Fahrrad und seine Brille des Klägers erheblich beschädigt worden (Anl. 6). Hinsichtlich der Höhe des behaupteten Schadens wird Bezug genommen auf Bl. 28 d.A.).

Durch den Sturz habe der Kläger Prellungen am Oberkörper und stark blutende Abschürfungen erlitten (Anl. K7) und vor Ort wahnsinnige Schmerzen verspürt. Der Kläger behauptet, dass bleibende Schäden nicht auszuschließen sein.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beschilderung der Gefahrenlage nicht angemessen sei.

Der Kläger behauptet weiter, dem beklagten Land seien die Bodenerhebungen auch bekannt gewesen; dies schlussfolgert der Kläger aus den Markierungen auf der Fahrbahn (Anl. K2).

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, welches einen Betrag i.H.v. 2.000,00 € nicht unterschreiten sollte sowie weiteren Schadensersatz für materielle Schäden i.H.v. 1.316,13 € jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2021 zu bezahlen,

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren immateriellen Schäden, die ihm in Zukunft aus dem Schadensfall vom 30.05.2021 gegen 12:00 Uhr auf der …. zwischen ………………… in Richtung ………………… in Fahrtrichtung …………………, am Kilometer ….. entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 453,87 € zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass die Ausweisung der Strecke durch den touristischen Radtouren Wegweiser lediglich eine Wegweisung beinhalte, jedoch nicht eine Erwartungshaltung an einen erhöhten Sicherheitszustand der Straße begründe.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz und Feststellung weiterer Schäden aus § 839 BGB iVm Art. 34 GG.

Es fehlt für diesen Anspruch an einer Amtspflichtverletzung des beklagten Landes. Insbesondere hat das beklagte Land nicht gegen seine Pflicht zur Sicherung der späteren Unfallstelle gem. § 10 Abs. 1 S. 1 BbgStrG verstoßen. Der Verkehrssicherungspflichtige ist gehalten, diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. In Anbetracht des ausgedehnten Straßen- und Wegenetzes der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften und deren beschränkter Mittel sind nur solche Maßnahmen zu treffen, für die ein wirkliches Sicherungsbedürfnis besteht. Dieses richtet sich im Wesentlichen nach der objektiven Verkehrsbedeutung der betreffenden Wegfläche und den vernünftigen Sicherheitserwartungen des Verkehrs, die maßgeblich durch das äußere Erscheinungsbild des Gefahrenbereiches bestimmt werden. Keine Sicherungspflicht besteht hinsichtlich offen erkennbarer und typischer Fahrerschwerungen geringfügiger Art. Hinweise auf sichtbare Gefahrenquellen sind nicht erforderlich (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 3. Juni 2008, Az. 2 U 18/05, mit weiteren Nachweisen).

Die Erhebung der Fahrbahn als Gefahrenquelle am Unfallort ist dabei als eine solche geringfügiger Art zu bewerten. Die Kammer schließt sich insoweit nach eigener rechtlicher Würdigung dem OLG Hamm (Urteil vom 23.04.2021, Az. 11 U 119/20, Rn. 7 ff.) an. Die Erhebung befand sich auf gerader Strecke und war für Kraft- und Fahrradfahrende leicht zu umfahren. Zwar hat das Land als Sicherungsverpflichtete grundsätzlich auch zu beachten, dass für Kraft- und Fahrradfahrende andere Gefahrenquellen maßgeblich sind als für Kfz-Fahrende, es besteht jedoch gerade keine Pflicht jede Gefahr auszuschließen. Weiterhin muss jeder Verkehrsteilnehmer mit Erhebungen von 4 cm Höhe rechnen. An dieser Bewertung ändert auch das doppelte Auftreten nichts, da die Kammer den Lichtbildern und dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen kann, dass das daraus eine hinreichende Erhöhung der Gefahr resultierte. Die Lichtverhältnisse können die Pflicht des beklagten Landes hier nicht begründen, da die damit einhergehenden Risiken gem. § 3 Abs. 1 S. 2 StVO in die Sphäre des Klägers fallen.

Aus dem Vortrag des Klägers und der Akte ergeben sich keine anderen Pflichten, gegen die das Land verstoßen haben könnte.

Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Die Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 ZPO.