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Entscheidung 9 UF 153/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 02.10.2024
Aktenzeichen 9 UF 153/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1002.9UF153.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Cottbus vom 16.07.2024 (Az. 53 F 78/24) abgeändert und in Abänderung des am 08.05.2024 erlassenen Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Cottbus der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen eine auf der Grundlage des Gewaltschutzgesetzes erlassene einstweilige Anordnung.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Cottbus hat mit am 08.05.2024 erlassenen Beschluss im Wege einer einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung antragsgemäß Schutzanordnungen nach § 1 Gewaltschutzgesetz (GewSchG) erlassen und zur Begründung ausgeführt, der Antragsgegner habe nach der Trennung von der Antragstellerin am 03.02.2204 mehrfach Kontakt zur Antragstellerin gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen aufgenommen und sie seit dem 02.04.2024 gestalkt.

Der Antragsgegner hat unter dem 19.06.2024 den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt und dargelegt, aufgrund der psychischen Beeinträchtigungen der Antragstellerin habe er sich um sie gesorgt und bei ihrem Bruder über das Befinden der Antragstellerin erkundigt. Am 05.05.2024 habe er nur einmal geklingelt, um der Antragstellerin einen Brief zu überreichen. Diesen habe er dann der Nachbarin übergeben. Am 06.05.2024 habe er der Antragstellerin über den Blumendienst „XXX“ einen Blumenstrauß und einen Brief geschickt, weswegen er am 07.05.2024 einmal bei ihr geklingelt habe, um sich über deren Erhalt zu erkundigen.

Mit Beschluss vom 16.07.2024 hat das Amtsgericht den Beschluss vom 08.05.2024 unter Darlegung des Vorbringens der Beteiligten aufrechterhalten.

Gegen die ihm am 19.07.2024 zugestellte Entscheidung hat der Antragsgegner mit einem am 23.07.2024 eingegangen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens die Aufhebung der Beschlüsse begehrt.

Die Antragstellerin ist der Beschwerde unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens entgegengetreten.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 4, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 2 Nr. 1, 64 FamFG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Auf der Grundlage des glaubhaft gemachten Vorbringens der Antragstellerin ist die getroffene Gewaltschutzanordnung nicht gerechtfertigt. Die Feststellungen des Amtsgerichts und die (glaubhaft gemachten) Darlegungen der Antragstellerin reichen nicht aus, um eine unzumutbare Belästigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b GewSchG – der hier allein in Betracht kommenden Eingriffsnorm - durch den Antragsgegner anzunehmen.

Danach geschieht wiederholtes Nachstellen durch mehrfaches persönliches Aufhalten in der räumlichen Nähe des Schutzsuchenden, einer Verfolgung unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b Var. 2 GewSchG) durch ständiges oder sehr häufiges Übermitteln von Nachrichten. Anders als im Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 As. 1 StGB) gehört die Beharrlichkeit hier nicht zu den Tatbestandsmerkmalen. Sie erfordert dort ein wiederholtes, dauerhaftes Verhalten, dem ein gesteigertes Maß an Gleichgültigkeit oder hartnäckiger Missachtung der berechtigten Interessen des Opfers zu entnehmen ist (vgl. MüKo-StGB-Gericke, 5. Auflage, § 238 Rn. 44). Das in das Verfahrensrecht des Gewaltschutzes stattdessen aufgenommene Tatbestandsmerkmal der unzumutbaren Belästigung (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b GewSchG) weist eher als die Beharrlichkeit auf die Beziehung des Täters zum schutzsuchenden Gegenüber hin und auf die Wechselwirkung des beiderseitigen Verhaltens. Das wird zusätzlich betont durch den Ausschluss der unzumutbaren Belästigung, wenn die nachstellenden und verfolgenden Handlungen der Wahrnehmung berechtigter Interessen dienen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG). Der Bestand gewisser Rechtsbeziehungen kann dem Verhalten den Makel der unzumutbaren Belästigung nehmen und den Anspruch auf eine Gewaltschutzanordnung ausschließen. Die Beurteilung einer unzumutbaren Belästigung erfordert danach eine umfassende Bewertung nicht nur des objektiv beobachtbaren äußerlichen Verhaltens des Antragsgegners, sondern zudem eine wertende Berücksichtigung der Wirkungen auf die Antragstellerin, die deren Empfinden und Reaktionen und die rechtlichen und persönlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander einbezieht (vgl. BeckOGK/ Schulte-Bunert, GewSchG, 01.07.2024, § 1 Rn. 48 m. w. N.). Die Annahme einer unzumutbaren Belästigung macht es zudem erforderlich, dass die Antragstellerin als belästigte Person gegenüber dem Antragsgegner ausdrücklich erklärt hätte, die Kontaktaufnahme, die Nachstellung oder das Verfolgen nicht zu wollen (vgl.BeckOGK/ Schulte-Bunert, a. a. O., § 1 GewSchG Rn. 47).

Zwar ist nach dem Vortrag der Antragstellerin die mehrfache Kontaktaufnahme gegen ihren Willen erfolgt. Allerdings kann nach dem ebenfalls glaubhaft gemachten Vorbringen des Antragsgegners nur davon ausgegangen werden, dass er nach Zusendung seiner persönlichen Gegenstände durch die Antragstellerin am 23.04.2024, dem ebenfalls ein Zettel mit den Worten „Wir sind getrennt. Ich möchte keinen Kontakt mehr.“ beigefügt war, einmal am 05.05.2024 bei der Antragstellerin geklingelt hat, um ihr einen Brief zu übergeben, den er dann einer Nachbarin überreichte, am 06.05.2024 der Antragstellerin einen Blumenstrauß nebst Brief über XXX übermittelt und am 07.05.2024 einmal bei der Antragstellerin geklingelt hat, um sich nach dem Erhalt des Blumenstraußes zu erkundigen. Die – ebenfalls unstreitige – Erkundigung nach dem Befinden der Antragstellerin erfolgte gegenüber dem Bruder der Antragstellerin und kann daher bereits tatbestandmäßig die Voraussetzungen eines Nachstellens im Hinblick auf die Antragstellerin nicht erfüllen.

Die vorgenannten – unstreitigen – Begebenheiten lassen jedoch an einer zur Tatbestandsverwirklichung genügenden Verfolgungsintensität zweifeln. Jedenfalls lassen sich diese – unstreitigen - Verhaltensweisen des Antragsgegners unter Berücksichtigung des weiteren Gesichtspunktes der seit Februar 2018 zwischen den Beteiligten bestehenden Beziehung in dieser Häufigkeit und Intensität nicht als unzumutbare Belästigung einordnen. Sie stellen durchaus eine nachvollziehbare Reaktion des Antragsgegners auf die ihm mitgeteilte Trennungsabsicht der Antragstellerin dar. Nicht feststellbar ist hingegen, dass diese Verhaltensweisen des Antragsgegners über das Maß von Auseinandersetzungen unter Partnern hinausgeht, wie sie häufiger im Rahmen von Paarbeziehungskonflikten aufgrund ihrer Trennung vorkommen (vgl. auch BeckOGK/ Schulte-Bunert, a. a. O., § 1 Rn. 39-42 m. w. N.).

Soweit die Antragstellerin durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung eine frühere Mitteilung ihrer Trennungsabsicht gegenüber dem Antragsgegner, verbunden mit dem Hinweis auf Unterlassung weiterer Kontaktaufnahmen, sowie weitere Kontaktaufnahmen seitens des Antragstellers glaubhaft gemacht hat, hat der Antragsgegner diese Darstellungen bestritten und sein Vorbringen seinerseits durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht. Danach kann vorliegend eine unzumutbare Belästigung durch wiederholte Kontaktaufnahmen durch den Antragsgegner – auch zu einem vor dem 23.04.2024 liegenden Zeitraum -, die Maßnahmen nach § 1 GewSchG zugunsten der Antragstellerin rechtfertigen könnten, aus diesen Sachverhalten nicht hinreichend sicher festgestellt werden. Belastbare Anknüpfungstatsachen, die es rechtfertigen würden, die Schilderung der Antragstellerin als überwiegend wahrscheinlich oder glaubhafter einzuordnen als diejenigen des Antragsgegners sind weder dargelegt noch ersichtlich. Dies geht - der allgemeinen Beweislastregel folgend, wonach die Antragstellerin die tatsächlichen Voraussetzungen für die begehrte Rechtsfolge im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ihrer eigenen Darstellung „beweisen“ muss (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 14.07.2015 - 10 UF 53/15 -, juris), zu ihren Lasten.

Der Senat kann hier unmittelbar in der Sache ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG). Das Amtsgericht hat die Beteiligten persönlich angehört und hierüber einen aussagekräftigen Vermerk gefertigt. Die Beteiligten haben sich umfassend schriftlich geäußert. Es ist nicht ersichtlich, zu welchem Erkenntnisfortschritt ein erneuter Termin zur Anhörung und mündlichen Verhandlung führen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 40 Abs. 1, 49 Abs. 1, 1. Alt. FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) liegen nicht vor und werden auch von keinem Beteiligten vorgetragen.