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Entscheidung 9 WF 208/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 11.10.2024
Aktenzeichen 9 WF 208/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1011.9WF208.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 20.08.2024 (insoweit mehrere Verfahren betreffend, vgl. die Aktenzeichen des Amtsgerichts im hiesigen Rubrum) richtende sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 04.09.2024 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.

3. Der Beschwerdewert beträgt 10.000 €.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die gemäß §§ 6 Abs. 1 FamFG, 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg, sie ist unbegründet.

I.

Für die mit dem ursprünglichen Ablehnungsgesuch vorgebrachten Gründe aus dem Schriftsatz vom 20.06.2024 folgt dies schon daraus, dass diese Gründe nicht rechtzeitig vorgebracht worden sind.

1.

Gemäß § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO ist ein Ablehnungsgesuch unverzüglich anzubringen. In Ansehung der damit bezweckten Vermeidung von Verfahrensverschleppungen ist an die Auslegung dieses Begriffes ein strenger Maßstab anzulegen. Unter Einbeziehung eines subjektiven Momentes bei den Verfahrensbeteiligten ist das Ablehnungsgesuch nicht mehr unverzüglich, nämlich nicht mehr „ohne schuldhafte Verzögerung“ (§ 121 BGB), wenn der Beteiligte nach Ablauf einer ihm zuzubilligenden Überlegungsfrist mit dem Gesuch zuwartet, obwohl bei verspäteter Antragstellung eine unnötige Verfahrensverzögerung für ihn erkennbar und vermeidbar war. Die Dauer der zuzubilligenden Überlegungsfrist hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Sie kann sich bei komplexeren Sachlagen durchaus auf mehrere Tage erstrecken, wobei zwecks Vermeidung einer Verfahrensverschleppung insoweit eine Zeit von wenigen Tagen (OLG Hamburg FamRZ 2020, 1283 LG Stuttgart MDR 2021, 55) und daher üblicherweise 1 bis 2 Tage (Götsche, jurisPR-FamR 19/2020 Anm. 3), höchstens aber 3 bis 4 Tage (OLG Karlsruhe NJW-RR 2023, 1550; Senat FamRZ 2021, 1136; Brandenburgisches OLG FamRZ 2020, 1283; BeckOK ZPO/Wendtland, ZPO § 234 Rn. 9) zuzubilligen ist.

2.

Ausweislich des Abvermerks Bl. 50 eA ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin die als (Teil)Akteneinsicht dienende CD unter dem 30.05.2024 übersandt worden. Damit ist erst mehr als zwei Wochen später das Befangenheitsgesuch und somit deutlich zu spät angebracht worden.

Die daraus folgende Verfristung erfasst auch die weiteren Ablehnungsgründe, die die Beschwerdeführerin in weiteren (dem Schriftsatz vom 20.06.2024 nachfolgenden) Schriftsätzen vorgebrachten hat. Anderes gilt nur für diejenigen Gründe, die auf den weiteren, dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zur (vollständigen) Akteneinsicht übersandten Unterlagen beruhen (vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen).

II.

Soweit dagegen insbesondere mit dem Schriftsatz vom 02.08.2024 sowie der hiesigen Beschwerdeschrift weitere Gründe vorgebracht werden, die sich auf die nachträgliche Akteneinsicht beziehen, können diese einen Erfolg der Ablehnung der erstinstanzlichen Richterin nicht begründen. Es sind keine objektivierbaren, die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigende Gründe erkennbar.

1.

Nach §§ 6 Abs. 1 S. 1 FamFG, 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.

Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der böse Schein, das heißt der Eindruck mangelnder Objektivität (BVerfG, NJW 2012, 3228). Entscheidend ist, ob ein Verfahrensbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände objektiv Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn ein Beteiligter bei verständiger Würdigung des Sachverhalts objektiv berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter eine Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BGH NJW-RR 2022, 209). Dazu zählen Verstöße gegen das verfahrensrechtliche Gleichbehandlungsgebot, eine negative Einstellung gegenüber einem Beteiligten unter Bevorzugung eines anderen Beteiligten, unsachliche Äußerungen oder die willkürliche Benachteiligung oder Behinderung eines Beteiligten in der Ausübung seiner Rechte (Brandenburgisches OLG NJW-Spezial 2021, 8). Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht eines verständigen Beteiligten berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des abgelehnten Richters aufkommen lassen (st. Rspr. d. BGH, z.B. BGH NJW-RR 2023, 431 m.w.N.), während rein subjektive Vorstellungen oder Gedankengänge des Ablehnenden als Ablehnungsgründe ausscheiden (BGH NJW 2021, 385).

Keine tauglichen Ablehnungsgründe sind in aller Regel die Art und Weise der materiellen Verfahrensleitung, bloße Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen, soweit die Grenze zur Willkür nicht überschritten ist (Brandenburgisches OLG NJW-RR 2024, 741). Die Befangenheitsablehnung stellt insbesondere kein Instrument zur Fehler- und Verfahrenskontrolle dar. Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein dem Rechtsmittelgericht vorbehalten ist.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist ausnahmsweise dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht des Beteiligten nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (Anwaltsgerichtshof Hamm v. 02.09.2022 – 1 AGH 6/22 –, juris). Dies ist insbesondere bei Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör möglich. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Anhörungspflicht nicht nachgekommen ist. Bereits aus der Formulierung klar ergibt folgt, dass nicht jeder Verstoß gegen das rechtliche Gehör zu der objektivierbaren Annahme einer Besorgnis der Befangenheit führt. Erforderlich ist vielmehr eine Verkürzung des rechtlichen Gehörs mit erheblichem Gewicht (OLG Hamburg NJW-RR 2018, 831; OLG Hamm FamRZ 2014, 324; G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 42 ZPO Rn. 23); es muss sich um einen solch groben Verfahrensfehler handeln, dass die Handhabung des Verfahrens einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und dadurch die (Anhörungs)Rechte des Betroffenen gravierend beeinträchtigt sind (BVerfG v. 12.12.2023 – 1 BvR 75/22, RuS 2024, 340).

2.

Nach den vorangestellten – strengen – Gründen kann nicht festgestellt werden, dass die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin gerechtfertigt ist.

In mehrfacher Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin das Fehlen bestimmter Aktenvermerke (z.B. im Schriftsatz vom 02.08.2024 – dort S. 1), aber auch generell die mangelnde Information bzw. Verfahrensleitung, beispielsweise gegenüber dem Sachverständigen bzw. die nicht ordnungsgemäße Information desselben. Die Führung der Akten kann aber schon für sich betrachtet nicht den Anschein einer Befangenheit rechtfertigen, ebenso wenig wie die sonstige Verfahrensführung, selbst wenn darin im Einzelfall Verstöße gegen die Art und Weise der Durchführung des Verfahrens – welche zudem seitens der Beschwerdeführerin nicht einmal mit gesetzlichen Grundlagen des Verfahrensrechts belegt worden sind – resultieren würden. Erst recht gilt dies für vermeintliche Verstöße gegen den Datenschutz, zumal nicht erkennbar wäre, dass die Richterin diese in bewusster und sich gegen die Beschwerdeführerin richtender Absicht vorgenommen hätte.

Ebenso wenig ist erkennbar, dass hierdurch ein (von der Beschwerdeführerin vorgebrachter) Verstoß im Sinne eines unzulässigen Eingriffs in ihre Grundrechte feststellbar ist; es wird lediglich in pauschalierter Weise ein Eingriff in das grundrechtliche Elternrecht behauptet, ohne dass konkret dargetan wird, in welcher Art und Weise diese Beeinträchtigung tatsächlich eingetreten sein sollte; eine konkrete Subsumtion unter das Grundrecht des Art. 6 GG findet nicht statt. Weshalb aus solchen nicht dargetanen und allein vermeintlichen Verfahrensverstößen dann noch eine vorgefasste Auffassung der abgelehnten Richterin hergeleitet werden könnte, erschließt sich erst recht nicht mehr.

Mit dieser Maßgabe kann auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts Bezug genommen werden. Soweit aus der Akte der Eindruck entstehen könnte, dass die Beschwerdeführerin regelrecht nach Gründen für eine Ablehnung der erstinstanzlichen Richterin sucht, um auf diesem Wege eine missliebige Richterin aus dem Verfahren zu drängen – was dann zur Rechtsmissbräuchlichkeit des Ablehnungsgesuchs insgesamt führen würde (vgl. BAG NJW 2012, 1531) –, braucht daher nicht entschieden zu werden.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens ist mit dem Wert der Hauptsache anzusetzen; angesichts der Verfahrensmehrheit, auf welche sich das Ablehnungsgesuch bezieht, hat der Senat den Wert auf 10.000 € festgesetzt.