Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 26. Berufungskammer | Entscheidungsdatum | 25.07.2024 | |
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Aktenzeichen | 26 Sa 1241/22 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2024:0725.26SA1241.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 AÜG, § 9 AÜG, § 10 AÜG, 2008/104/EG RL |
1. Einem Mitgliedstaat ist es verwehrt, keine Maßnahmen zu ergreifen, um den vorübergehenden Charakter der Leiharbeit zu wahren (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 67; 14. Oktober 2020 - C-681/18 - [KG] Rn. 63). Durch die in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG enthaltene Festlegung auf eine arbeitnehmerbezogene Berechnung der Überlassungshöchstdauer ist nicht gegen diese Verpflichtung verstoßen worden. Zur Gewährleistung des vorübergehenden Charakters der Leiharbeit ist es nicht erforderlich, die Bestimmung der Überlassungsdauer arbeitsplatzbezogen auszugestalten.
2. § 19 Ab. 2 AÜG (Übergangsvorschrift) steht nicht im Einklang mit Unionsrecht, weil er dem beabsichtigten Schutz der Richtlinie 2008/104/EG vor einer nicht mehr nur „vorübergehenden“ Überlassung von Leiharbeitnehmern die praktische Wirkung nimmt (vgl. EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 73).
3. Die nationale Rechtsordnung genügt damit bis heute nicht der Pflicht, die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten (vgl. näher EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 22 ff.). Die Mitgliedstaaten waren nach Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG verpflichtet, diese bis zum 5. Dezember 2011 in nationales Recht umzusetzen.
3. Ein Leiharbeitnehmer kann aber wegen dieses Verstoßes kein subjektives Recht auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher aus dem Unionsrecht ableiten (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 93 ff.; BAG 5. Juli 2022 - 9 AZR 476/21, Rn. 37; 8. November 2022 – 9 AZR 486/21, Rn. 35).
4. Die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche haben von der ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten Regelungsermächtigung Gebrauch gemacht, die sich von den in § 1 Abs. 1 TVG genannten Arten von Tarifnormen und deren unmittelbarer und zwingender Geltung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) unterscheidet (ausf. BAG 14. September 2022 - 4 AZR 83/21, Rn. 28 ff.). Der Gesetzgeber hat den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG eine von den im Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Arten von Tarifnormen (§ 1 Abs. 1 TVG) und deren Bindungswirkung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) abweichende Regelungsbefugnis eingeräumt (ausf. BAG 14. September 2022 - 4 AZR 83/21, Rn. 33 ff.; 5. April 2023 – 7 AZR 224/22, Rn. 22).
5. Der TV LeiZ BB gestattet in Nr. 3.1 die Festlegung einer von Nr. 2.3 TV LeiZ BB abweichenden Überlassungshöchstdauer durch freiwillige Betriebsvereinbarungen und ist wirksam zustande gekommen. Die IG Metall und der VME sind tarifzuständig. Es handelt sich um Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche iSd. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG.
6. Die in Nr. 2.1 und 2.2 TV LeiZ BB genannten arbeitsplatzbezogenen Merkmale stehen dem nicht entgegen. Dadurch wird der Anwendungsbereich der Tarifnorm nicht eingeschränkt. Diesen haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich unter Nr. 1 TV LeiZ BB geregelt. Sie wollten mit der Regelung keine zusätzlichen Kriterien für die sich aus Nr. 2.3 TV LeiZ BB oder Nr. 3.1 TV LeiZ BB iVm. einer Betriebsvereinbarung ergebende Verlängerung der Überlassungshöchstdauer einführen. Eine derartige Bedeutung kommt der Norm nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu (vgl. dazu BAG 8. November 2022 – 9 AZR 486/21, Rn. 38).
7. Nach § 1 Abs. 1b Satz 5 AÜG kann in einer Betriebsvereinbarung, die aufgrund eines Tarifvertrags nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG getroffen wird, eine abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Eine auf dieser Grundlage geschlossene Betriebsvereinbarung muss eine konkrete zeitliche Grenze festlegen, durch die der „vorübergehende“ Charakter der Arbeitnehmerüberlassung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG gewahrt wird.
8. Der Gesamtbetriebsrat war für den Abschluss der GBV Dmove zuständig. Das nach § 50 Abs. 1 BetrVG die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründende zwingende Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht, wenn der Arbeitgeber - wie vorliegend - im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung zu einer Maßnahme, Regelung oder Leistung nur betriebsübergreifend bereit ist.
9. Sowohl die nach dem TV LeiZ BB als auch die in der Gesamtbetriebsvereinbarung Dmove im Umfang von 48 bzw. 36 Monaten vorgesehen Überlassungsdauern sind unter Berücksichtigung der Branchenbesonderheiten "vorübergehend" iSd. Unionsrechts und des deutschen Arbeitnehmerüberlassungsrechts.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Oktober 2019 – 8 Ca 7829/19 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen vor dem Hintergrund einer Überlassung des Klägers als Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.
Der Kläger schloss mit der A… GmbH (im Folgenden: A GmbH), einem Leiharbeitsunternehmen, mit Wirkung vom 1. September 2014 einen Arbeitsvertrag. In diesem Arbeitsvertrag ist – wie auch in späteren Arbeitsverträgen - auf für die Leiharbeitsbranche geltende Tarifverträge Bezug genommen worden. In einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der A GmbH war vereinbart, dass der Kläger die Arbeitsleistung bei der Beklagten als Metallarbeiter zu erbringen habe. Die Beklagte ist ein Großunternehmen der Automobilindustrie. Die dort auszuführenden Arbeitsschritte in der Motorenfertigung waren in der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der A GmbH genau beschrieben.
Die A GmbH überließ den Kläger in der Zeit vom 1. September 2014 bis zum 31. Mai 2019 ausschließlich der Beklagten. Der Kläger arbeitete ständig in der Motorenfertigung. Zu einer Unterbrechung des Einsatzes bei der Beklagten kam es in der Zeit vom 21. April 2016 bis zum 20. Juni 2016 angesichts einer Elternzeit des Klägers.
Die Beklagte war und ist Mitglied des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (VME). Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) und VME schlossen am 1. Juni 2017 mit Wirkung vom 1. April 2017 einen Tarifvertrag zur Leih-/Zeitarbeit in der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (TV LeiZ BB) mit ua. folgendem Inhalt:
„1. Geltungsbereich
Es gilt der Geltungsbereich der Manteltarifverträge für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg.
2. Einsatz von Leih-/Zeitarbeitnehmern
2.1 Durch den Einsatz von Leih-/Zeitarbeit darf für die Beschäftigten im Entleihbetrieb keine feststellbare Beeinträchtigung der Entgelt- und Arbeitsbedingungen und keine feststellbare Gefährdung der Arbeitsplätze bewirkt werden.
Protokollnotiz: Leih-/Zeitarbeitnehmer sollen nach Auffassung der Tarifver- tragsparteien grundsätzlich nicht regelmäßig auf Arbeitslätzen eingesetzt werden, die im Betrieb auf Dauer angelegt werden.
2.2 Der vorübergehende Einsatz von Leih-/Zeitarbeitnehmern ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG zulässig. Die nachfolgenden tariflichen Regelungen erfolgen in Umsetzung der Öffnungsklauseln nach § 1 Abs. 1b AÜG und sind in ihrer Anwendung auf den Geltungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes beschränkt.
Ein vorübergehender Einsatz ist danach gegeben, wenn
2.2.1 ein Einsatz zeitlich befristet ist
oder
2.2.2 ein Sachgrund vorliegt, z.B. der Einsatz erforderlich ist, weil Fachkräfte mit speziellen Qualifikationen im Betrieb nicht vorgehalten werden (z.B. Projekte, die spezielle Qualifikationen verlangen) oder in Vertretungsfällen (z.B. Krankheit, Schwangerschaft)
2.2.3 oder
der Einsatz dazu dient, Auftragsspitzen oder anderen zeitlich begrenzten Mehrbedarf abzuarbeiten.
2.2.4 Der Sachgrund nach Ziffern 2.2.2 und 2.2.3 ist nicht auf die Vorgaben
und Definitionen des § 14 Abs. 1 TzBfG oder eines anderen gesetzlichen Sachgrundes beschränkt.
2.3 Die Tarifparteien stimmen darin überein, dass die Höchstdauer eines Einsatzes nach diesem Tarifvertrag (Ziffer 3 und Ziffer 4.1) 48 Monate nicht überschreiten darf.
Erfolgt der Einsatz wegen eines Sachgrundes, der voraussichtlich länger als 48 Monate andauert, ist dem Betriebsrat im Rahmen des Verfahrens nach § 99 BetrVG neben dem Sachgrund die voraussichtliche Dauer des Einsatzes mitzuteilen und dies zu dokumentieren. Damit ist die tariflich zulässige Überlassungshöchstdauer für diesen Fall festgelegt.
2.4. Der Einsatz eines Leih-/Zeitarbeitnehmers bedarf der Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG.
Eine vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 Abs. 1 BetrVG kann frühestens zehn Kalendertage nach Antragstellung oder frühestens drei Kalendertage nach erfolgter Zustimmungsverweigerung gemäß § 99 BetrVG durchgeführt werden.
Diese Fristverlängerung gilt nicht für Not- und außergewöhnliche Fälle, kurzfristig erforderliche Vertretungsfälle sowie Ersetzungsfälle von Leih-/Zeitarbeitnehmern.
3. Betriebe mit Betriebsvereinbarung
3.1 Die Betriebsparteien können im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung den Einsatz von Leih-/Zeitarbeit und die Ausgestaltung der betrieblichen Flexibilität regeln. Auf Verlangen einer Seite sind hierzu Verhandlungen aufzunehmen.
3.1.1 In dieser Vereinbarung können zum betrieblichen Einsatz von Leih-/Zeitarbeit u.a. geregelt werden:
…
- Höchstdauer des Einsatzes und Übernahmeregeln
…
3.3 Bestehende betriebliche Regelungen gelten als Betriebsvereinbarung in diesem Sinne.
4. Betriebe ohne Betriebsvereinbarung
4.1 Besteht keine Betriebsvereinbarung gemäß Ziffer 3, gilt Folgendes:
- Nach 18 Monaten Überlassung hat der Entleiher zu prüfen, ob er dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten kann.
- Nach 24 Monaten Überlassung hat der Entleiher dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Dieses kann nach Beratung mit dem Betriebsrat bei akuten Beschäftigungsproblemen entfallen.
Bei Unterbrechungen von weniger als drei Monaten werden Einsatzzeiten im selben Betrieb addiert.
Protokollnotiz: Zu den Einsatz-/Beschäftigungszeiten nach den obigen Spiegelstrichen zählen auch die zurückgelegten Zeiten vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrages.
…
8 Übergangsregelung
Für Betriebsvereinbarungen nach Ziffer 3.3 ohne die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer gilt Folgendes:
1. Die Betriebsparteien sollen eine Überlassungshöchstdauer vereinbaren.
2. …
3. …
4. Für Beschäftigte, die zum 1. Juni 2017 bereits im Einsatzbetrieb beschäftigt waren, gilt die Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten ab dem 1. Juni 2017 entsprechend.“
Die Beklagte hatte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat am 16. September 2015 eine „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Erhöhung der Personalflexibilität“ (GBV Dmove) für die Werke und die Zentrale der Daimler AG geschlossen.
Am 20. September 2017 vereinbarten die Betriebsparteien eine „freiwillige Gesamtbetriebsvereinbarung zur Erhöhung der Personalflexibilität, zur Ergebnisbeteiligung und Zukunftssicherung“, mit der ua. die GBV Dmove wie folgt ergänzt worden ist:
„5.1. Höchstdauer der Einsätze von Zeitarbeitnehmern
Der Einsatz von Zeitarbeitnehmern im direkten Bereich (Produktion) darf eine Höchstdauer von 36 Monaten nicht überschreiten.
Für Zeitarbeitnehmer, die am 01. April 2017 bereits beschäftigt waren, zählen für die Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten Einsatzzeiten ab dem 01. April 2017. Für Zeitarbeitnehmer, die nach dem 01. April 2017 beschäftigt werden, gelten die 36 Monate vom Zeitpunkt des Einsatzbeginns.“
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, angesichts seines über vierjährigen Einsatzes auf Dauerarbeitsplätzen in der Motorenfertigung der Beklagten habe die A GmbH ein Arbeitgeberrisiko nicht übernommen, sondern reine Arbeitsvermittlung betrieben, so dass bereits deshalb ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten entstanden sei. Ein solches resultiere im Übrigen daraus, dass sein Einsatz bei der Beklagten wegen einer früher maßgeblichen Überlassungshöchstdauer von sechs Monaten nicht mehr als „vorübergehend“ anzusehen sei. Die Gesetzesfassung von 2011 sei im Lichte der Unionsrichtlinie 2008/104/EG zu verstehen. Die Überlassung an die Beklagte könne wegen ihrer mehr als einjährigen Dauer nicht mehr als „vorübergehend“ eingestuft werden. Dies und insbesondere die Stichtagsregelung des § 19 Absatz 2 AÜG verstießen gegen das Unionsrecht. Daher sei spätestens ein Jahr nach dem ersten Einsatz ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten begründet worden. Als weiterer möglicher Zeitpunkt der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien komme der 1. Oktober 2018 in Betracht, 18 Monate nach Inkrafttreten der Neufassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes am 1. April 2017. Jedenfalls nach 24 Monaten sei zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet worden. Seine Elternzeit habe nicht zu einer Unterbrechung geführt. Ein vorübergehender Bedarf könne keinesfalls länger sein als der höchstzulässige Zeitraum für eine Befristung ohne Sachgrund. Dies seien (entsprechend der deutschen Regelung) maximal 24 Monate. Auch sei zu berücksichtigen, dass er Daueraufgaben erledigt habe.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 1. September 2015,
2. hilfsweise seit dem 1. März 2016,
3. hilfsweise seit dem 1. November 2016,
4. hilfsweise seit dem 1. Oktober 2018 ein Arbeitsverhältnis besteht
5. hilfsweise festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der bloße Vortrag des Klägers zu Einsatzzeiten bei ihr belege nicht, dass der Vertragsarbeitgeber des Klägers sich üblichen Arbeitgeberpflichten entzogen habe. Im Falle einer bloßen Arbeitsvermittlung durch den Vertragsarbeitgeber des Klägers könne ein Arbeitsverhältnis zu ihr zudem nicht begründet worden sein. Die Einsatzzeiten des Klägers bei ihr hätten sich im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen, tarifvertraglichen und betrieblichen Vorschriften gehalten; insbesondere seien die in diesen Regelungen vorgesehenen Höchstüberlassungszeiträume nicht überschritten worden. Das ergebe sich aus den gesetzlichen Vorschriften und aus den dafür maßgeblichen Tarifverträgen für Leih-/Zeitarbeit in der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg vom 23. Mai 2012 (Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 28.08.2019, Blatt 41 ff. der Akte) sowie dem entsprechenden Tarifvertrag vom 1. Juni 2017 (Anlage B 2 zur Klageerwiderung, Blatt 47 ff. der Akte) sowie der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Erhöhung der Personalflexibilität vom 16. September 2015 (Anlage B 3 zur Klageerwiderung, Blatt 54 ff. der Akte) und der freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung zur Erhöhung der Personalflexibilität, zur Ergebnisbeteiligung und Zukunftssicherung vom 20. September 2017 (Anlage B 4 zur Klageerwiderung, Blatt 64 ff. der Akte). Der Gesetzgeber habe die Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ geklärt. Durch einen Tarifvertrag der Einsatzbranche könne von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten abgewichen werden, wie es hier geschehen sei. Auch die Regelung durch die Gesamtbetriebsvereinbarung sei nicht zu beanstanden. Denn das Gesetz ermögliche es gerade den Tarifvertragsparteien, weitere Regelungen durch Betriebsvereinbarung zuzulassen. Die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 20. September 2017 enthalte entsprechende Regelungen. Die dort vorgesehene Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten sei hier nicht überschritten worden. Es seien nur Zeiten ab dem 1. April 2017 zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das damit begründet, dass eine Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen der Verleiherin und dem Kläger iSd. § 9 AÜG zu keinem Zeitpunkt vorgelegen habe. Für die Zeit bis Ende 2016 habe es an einer gesetzlichen Festlegung für einen höchstzulässigen Zeitraum eines „vorübergehenden“ Einsatzes gefehlt. Vor diesem Hintergrund habe auch der zwischen dem VME und der IG Metall abgeschlossene Tarifvertrag zur Leih-/Zeitarbeit in der Metall- und Elektroindustrie vom 23. Mai 2012 keine Überlassungshöchstdauer vorgesehen. Nichts anderes ergebe sich aus der maßgeblichen Gesamtbetriebsvereinbarung. Selbst der dort erwähnte Drei-Jahres-Zeitraum sei weder Ende 2016 noch bis zum 1. April 2017 erreicht gewesen. Auch zeige § 14 Abs. 1 und 2 TzBfG, dass der Gesetzgeber schon bei einer sachgrundlosen Befristung eine Dauer von bis zu zwei Jahren zulasse. Zu einem späteren Zeitpunkt sei ebenfalls kein Arbeitsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter begründet worden. Auch wenn § 1 Abs. 1b) AÜG nun eine Begrenzung der Überlassungshöchstdauer auf 18 Monate vorsehe, lasse die Vorschrift eine hiervon abweichende Überlassungshöchstdauer in einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche ausdrücklich zu. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Tarifvertragsparteien dies den Betriebspartnern überlassen hätten und im Falle einer Untätigkeit eine solche von 36 Monaten ab dem 1. Juni 2017 gelte. Diese zeitliche Begrenzung sei zulässig, weil auch nach der gesetzlichen Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 2 AÜG Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nach Abs. 1 1b) AÜG nicht zu berücksichtigen seien. Die Einsatzzeit bei der Beklagten vom 1. April 2017 bis zum 31. Mai 2019 habe aber nur 26 Monate betragen. Die seitens des Klägers vertretene Ansicht, auch ein Einsatz von Leiharbeitnehmern sei nur bei Vorliegen eines Sachgrundes zulässig, finde in den maßgeblichen Vorschriften keine Stütze. Die Höchstüberlassungsdauer sei eindeutig arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen ausgestaltet. Soweit in dem Tarifvertrag vom 1. Juni 2017 unter Nr. 2.2 von einem Sachgrund die Rede sei, gehe es um Einsätze von voraussichtlich mehr als 48 Monaten. Um einen solchen habe es sich bei dem Kläger aber nicht gehandelt.
Der Kläger hat gegen das ihm am 30. Oktober 2019 zugestellte Urteil am 22. November 2019 Berufung eingelegt und diese mit einem bei dem Landesarbeitsgericht - nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - am 30. Januar 2020 eingegangenen Schriftsatz begründet. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung seine erstinstanzlichen Rechtsansichten. Die Tarifvertragsparteien hätten sich gerade darauf verständigt, dass Leiharbeitnehmer nicht regelmäßig auf Arbeitsplätzen eingesetzt werden, die im Betrieb auf Dauer angelegt seien. Er sei aber bei der Beklagten auf Dauerarbeitsplätzen im Bereich der „Camtronic-Linie“ ohne zeitliche Beschränkung eingesetzt worden. Ein vorübergehender Einsatz setze nach der Definition der Tarifvertragsparteien unter Nr. 2.1 TV Leitz BB eine zeitliche Befristung oder einen Sachgrund voraus, zB weil Fachkräfte mit speziellen Qualifikationen im Betrieb nicht vorgehalten würden, ein Vertretungsfall vorliege oder der Einsatz dazu diene, Auftragsspitzen oder anderen zeitlich begrenzten Mehrbedarf abzuarbeiten. Die Regelung sei damit an die Befristungsgründe des TzBfG angelehnt und inhaltlich deckungsgleich. Die erstinstanzliche Entscheidung berücksichtige die Tarifgeschichte nicht. Die Formulierung „beispielsweise“ in dem Tarifvertrag aus dem Jahr 2012 sei im Tarifvertrag aus dem Jahr 2017 nicht mehr enthalten. Die von den Tarifvertragsparteien normierten Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Bei Beginn des klägerischen Einsatzes sei dieser weder zeitlich befristet gewesen, noch habe ein Sachgrund vorgelegen. Der Kläger bestreitet eine quartalsweise jeweils befristete Verlängerung über die gesamte Vertragslaufzeit. Derartige Vorgänge seien ihm nicht mitgeteilt worden, wobei Letzteres unter den Parteien nicht streitig ist. Es bestehe insoweit auch kein Bezug zu Auftragsspitzen oder anderen Sachgründen. Eine zeitliche Befristung hätte erkennbar hervortreten müssen. Verlängerungen über 56 Monate seien zudem rechtsmissbräuchlich. „Zeitlich befristet“ bedeute nicht „Verlängern nach Belieben“. Auch die Tarifvertragsparteien hätten sich kürzere Einsatzzeiten vorgestellt. Denn der Tarifvertrag aus dem Jahr 2017 enthalte eine feste Begrenzung der Höchstdauer auf 48 Monate, die überschritten seien, da der Kläger 56 Monate bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei. Nr. 2.3 TV LeiZ BB beziehe sich auch auf Betriebe mit einer Betriebsvereinbarung nach Nr. 3 TVLeiZ BB. Sonst wäre die Klammer entbehrlich gewesen. Auch gebe es für die Zulässigkeit einer Vereinbarung auf Ebene des Gesamtbetriebsrats keine Anhaltspunkte. Der Wille des Arbeitgebers könne hierfür allein nicht ausschlaggebend sein. Zudem verstoße die Stichtagsregelung in § 19 Abs. 2 AÜG in der seit 2017 geltenden Gesetzesfassung gegen die Richtlinie 2008/104/EG vom 19. November 2008. Artikel 1 der Richtlinie normiere lediglich eine vorübergehende Überlassung des Leiharbeitnehmers. Artikel 5 Abs. 5 der Richtlinie verpflichte die Mitgliedsstaaten zu erforderlichen Maßnahmen, um eine missbräuchliche Anwendung zu verhindern, die zu Ungleichbehandlung beim Entgelt führe. Das werde durch die Stichtagsregelung in § 19 Abs. 2 AÜG konterkariert. Diese ermögliche eine Überlassungsdauer von 83 Monaten. Die ihm während der gesamten Beschäftigungsdauer in Höhe vom 25 vH unter dem sonstigen Tarifniveau gezahlte Vergütung stelle eine gravierende Schlechterstellung darstelle. Auch die Delegation auf die Betriebsparteien sei nicht unionsrechtskonform. Zudem sei die Auslegung des § 1 Abs. 1b AÜG durch das Arbeitsgericht fehlerhaft. Zwar sei im Gesetzestext von denselben Leiharbeitnehmern die Rede. Aus Nr. 2 des Tarifvertrages ergäben sich hier aber Einschränkungen. Der Einsatz eines Leiharbeitnehmers sei arbeitsplatzbezogen zu betrachten. Er könne ja tatsächlich auch erst eingesetzt werden, wenn ein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden sei. Aufgrund der nachfolgenden Definition des „vorübergehenden“ Einsatzes werde deutlich, dass dieser Einsatz immer nur arbeitsplatzbezogen erfolgen könne. Die Bewertung der Elternzeit als Unterbrechungszeit widerspreche § 5 der Richtlinie 2010/18/EU.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Oktober 2019 – 8 Ca 7829/19 – abzuändern und festzustellen, dass zwischen den Parteien ab dem 1. September 2015, hilfsweise ab dem 1. März 2016, hilfsweise ab dem 1. November 2016, hilfsweise ab dem 1. Oktober 2018, äußerst hilfsweise ab dem 1. Mai 2019 ein Arbeitsverhältnis bestand.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Ansicht des Klägers könne ein Sachgrund iSd. Nummern 2.1 und 2.2 TV LeiZ BB nicht auf die Vorgaben und Definitionen des § 14 Abs. 1 TzBfG oder eines anderen gesetzlichen Sachgrundes beschränkt sein. Aus der tariflichen Regelung ergebe sich auch gerade nicht, dass die Tarifvertragsparteien eine arbeitsplatzbezogene Sichtweise eingenommen hätten. Dass der Gesetzgeber nicht von einem arbeitsplatzbezogenen Ansatz ausgegangen sei, ergebe sich bereits aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/9232, Seite 20). Auch der TV LeiZ BB beinhalte keine arbeitsplatzbezogene Sichtweise. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG lasse lediglich eine abweichende Überlassungshöchstdauer zu. Sowohl Nr. 2.1 als auch Nr. 2.2 TV LeiZ BB gäben zudem nur das Konstrukt der Zeitarbeit wieder und enthielten Beispielsfälle für einen vorübergehenden Einsatz. Ein Sachgrund sei entgegen der Ansicht des Klägers nur für eine Überlassungsdauer von mehr als 48 Monaten erforderlich. Dieser müsse dann allerdings bereits bei dem ersten Einsatz des Zeitarbeitnehmers vorliegen und dem Betriebsrat im Rahmen des Zustimmungsersuchens entsprechend mitgeteilt werden. Es sei daher nicht für jeden Einsatz ein Sachgrund notwendig. Auch verstoße die Stichtagsregelung des § 19 Abs. 2 AÜG in der seit 2017 geltenden Fassung nicht gegen Unionsrecht. Ohne die Stichtagsregelung hätten die Zeiten vor dem 1. April 2017 berücksichtigt werden müssen. Das hätte zu einer Rückwirkung geführt. Auch die Delegation der Verlängerungsoption auf die Tarifvertragsparteien sei nicht zu beanstanden. Die Regelung sei konkret, verhindere eine missbräuchliche Nutzung von Leiharbeit und gewährleiste den Schutz der Leiharbeitnehmer. Unionsrichtlinien dürften durch Tarifverträge umgesetzt werden, wenn gewährleistet sei, dass die in der Richtlinie enthaltenen Ziele erreicht würden. Aus der Leiharbeitsrichtlinie ergebe sich gerade keine Verpflichtung zur Regelung einer Höchstüberlassungsdauer, eine solche sei aber zulässig. Mit der gesetzlichen Regelung habe der Gesetzgeber der unionsrechtlichen Konkretisierungspflicht genügt. Er habe gerade die Begrifflichkeit der Richtlinie übernommen. Die Verwendung des Begriffs „vorübergehend“ verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Zudem müsse nach dem Regierungsentwurf des AÜG 2017 die im Tarifvertrag geregelte Überlassungshöchstdauer zeitlich bestimmt sein (BT-Drucks. 18/9232, Seite 21). Die gesetzliche Regelung gewährleiste auch das notwendig Schutzniveau der Gleichbehandlung. Hiervon sei aufgrund des Verhandlungsgleichgewichts der Tarifvertragsparteien auszugehen. Eine Missbrauchskontrolle sei Aufgabe der nationalen Gerichte. Auch liege kein Verstoß gegen § 5 der Richtlinie 2019/18/EU aufgrund der Unterbrechungszeiträume im Einsatz des Klägers vor. Der Kläger sei ordnungsgemäß abgemeldet gewesen und bei der Beklagten in dieser Zeit auch nicht eingesetzt worden. Betroffen gewesen sei das Arbeitsverhältnis zum Verleiher, nicht zur ihr. Darauf komme es aber auch gar nicht an, da der Kläger seit dem Stichtag am 1. April 2017 nur 26 Monate bei ihr eingesetzt gewesen sei. Im Übrigen seien alle Zeitarbeitnehmer durch sie immer befristet angefragt worden. Zuvor habe jeweils eine Anhörung des Betriebsrats stattgefunden. Die Anhörungen gegenüber dem Betriebsrat seien immer für maximal ein Quartal erfolgt bzw. zum jeweiligen Quartalsende. Demnach seien auch alle Verlängerungen der einzelnen Arbeitnehmerüberlassungen immer nur befristet für das nächst Quartal erfolgt. Dieses Vorgehen sei so mit dem Betriebsrat auch abgestimmt gewesen. Daher habe der Endtermin beim Kläger immer festgestanden. Der Kläger sei nicht ohne Enddatum auf einem dauerhaft zu besetzenden Arbeitsplatz eingesetzt worden. Der Gesamtbetriebsrat sei auch für die Regelung in der Gesamtbetriebsvereinbarung zuständig gewesen. Es habe sich um eine freiwillige Betriebsvereinbarung gehandelt, was zur subjektiven Unmöglichkeit des Abschlusses auf der Ebene der Einzelbetriebsräte geführt habe. Es handele sich gerade nicht um einen Gegenstand der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 BetrVG. Sie sei nur zum Abschluss einer unternehmenseinheitlichen Regelung bereit gewesen. Das werde bereits aus dem Umstand deutlich, dass seit inzwischen über 15 Jahren eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Erhöhung der Personalflexibilität existiere. Sie sei zu einer Anerkennung der Fortgeltung nur mit dieser Maßgabe bereit gewesen.
Die ursprünglich für das Verfahren zuständige Kammer 15 des Landesarbeitsgerichts (15 Sa 1991/19) hat dem Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom 13. Mai 2020 folgende Fragen vorgelegt:
„1. Ist die Überlassung eines Leiharbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen schon dann nicht mehr als „vorübergehend“ im Sinne des Artikel 1 der Leiharbeitsrichtlinie anzusehen, wenn die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz erfolgt, der dauerhaft vorhanden ist und der nicht vertretungsweise besetzt wird?
2. Ist die Überlassung eines Leiharbeitnehmers unterhalb einer Zeitspanne von 55 Monaten als nicht mehr „vorübergehend“ im Sinne des Artikel 1 der Leiharbeitsrichtlinie anzusehen?
3. Falls die Fragen zu 1. und/oder 2. bejaht werden, ergeben sich folgende Zusatzfragen:
3.1. Besteht für den Leiharbeitnehmer ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen, auch wenn das nationale Recht eine solche Sanktion vor dem 01.04.2017 nicht vorsieht?
3.2. Verstößt eine nationale Regelung wie § 19 Absatz 2 AÜG dann gegen Artikel 1 der Leiharbeitsrichtlinie, wenn sie erstmals ab dem 01.04.2017 eine individuelle Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten vorschreibt, vorangegangene Zeiten der Überlassung aber ausdrücklich unberücksichtigt lässt, wenn bei Berücksichtigung der vorangegangenen Zeiten die Überlassung als nicht mehr vorübergehend zu qualifizieren wäre?
3.3 Kann die Ausdehnung der individuellen Überlassungshöchstdauer den Tarifvertragsparteien überlassen werden? Falls dies bejaht wird: Gilt dies auch für Tarifvertragsparteien, die nicht für das Arbeitsverhältnis des betroffenen Leiharbeitnehmers, sondern für die Branche des entleihenden Unternehmens zuständig sind?“
Der EuGH hat die Fragen mit Urteil vom 17. März 2022 (C-232/20) wie folgt beantwortet:
„1. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung verwendete Begriff "vorübergehend" der Überlassung eines Arbeitnehmers, der einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis mit einem Leiharbeitsunternehmen hat, an ein entleihendes Unternehmen, die zur Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz erfolgt, der dauerhaft vorhanden ist und der nicht vertretungsweise besetzt wird, nicht entgegensteht.
2. Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 sind dahin auszulegen, dass es einen missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender Überlassungen eines Leiharbeitnehmers darstellt, wenn diese Überlassungen auf demselben Arbeitsplatz bei einem entleihenden Unternehmen für eine Dauer von 55 Monaten verlängert werden, falls die aufeinanderfolgenden Überlassungen desselben Leiharbeitnehmers bei demselben entleihenden Unternehmen zu einer Beschäftigungsdauer bei diesem Unternehmen führen, die länger ist als das, was unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände, zu denen insbesondere die Branchenbesonderheiten zählen, und im Kontext des nationalen Regelungsrahmens vernünftigerweise als "vorübergehend" betrachtet werden kann, ohne dass eine objektive Erklärung dafür gegeben wird, dass das betreffende entleihende Unternehmen auf eine Reihe aufeinanderfolgender Leiharbeitsverträge zurückgreift. Diese Feststellungen zu treffen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.
3. Die Richtlinie 2008/104 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine Höchstdauer der Überlassung desselben Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen festlegt, wenn sie durch eine Übergangsvorschrift die Berücksichtigung von vor dem Inkrafttreten dieser Regelung liegenden Zeiträumen bei der Berechnung dieser Dauer ausschließt und dem nationalen Gericht die Möglichkeit nimmt, die tatsächliche Dauer der Überlassung eines Leiharbeitnehmers zu berücksichtigen, um festzustellen, ob diese Überlassung im Sinne der Richtlinie "vorübergehend" war; dies festzustellen, ist Sache dieses Gerichts. Ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit ausschließlich zwischen Privatpersonen anhängig ist, ist nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet, eine solche unionsrechtswidrige Übergangsvorschrift unangewendet zu lassen.
4. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 ist dahin auszulegen, dass in Ermangelung einer nationalen Rechtsvorschrift, die eine Sanktion für die Nichteinhaltung dieser Richtlinie durch Leiharbeitsunternehmen oder entleihende Unternehmen vorsieht, der Leiharbeitnehmer aus dem Unionsrecht kein subjektives Recht auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen ableiten kann.
5. Die Richtlinie 2008/104 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die die Tarifvertragsparteien ermächtigt, auf der Ebene der Branche der entleihenden Unternehmen von der durch eine solche Regelung festgelegten Höchstdauer der Überlassung eines Leiharbeitnehmers abzuweichen.“
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie die Protokolle in der Berufungsinstanz.
A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
B. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da die Klage unbegründet ist.
I. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Ein Arbeitnehmer kann mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf Grundlage der Vorschriften des AÜG geltend machen. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse besteht auch, soweit der Feststellungsantrag auf die Vergangenheit gerichtet ist, da sich aus dem durch den Kläger behaupteten Arbeitsverhältnis Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft, insbesondere mögliche Ansprüche auf Vergütung, ergeben können (vgl. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 26/21, Rn. 11, 26. April 2022 - 9 AZR 228/21, Rn. 14; 20. März 2018 - 9 AZR 508/17 - Rn. 17 f.).
II. Der Antrag ist nicht begründet.
1) Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG kraft Gesetzes begründet worden. Die Überlassungshöchstdauer wurde durch die Überlassung des Klägers an die Beklagte in der Zeit vom 1. September 2014 bis zum 31. Mai 2019 nicht überschritten. Die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten (§ 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG) ist vorliegend nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG iVm. Nr. 2.3, 3.1 TV LeiZ BB iVm. Nr. 5.1 GBV Dmove wirksam auf 36 Monate unter Berücksichtigung allein der Überlassungszeiten ab dem 1. April 2017 verlängert worden (vgl. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 26/21, Rn. 13 ff., für eine Überlassungsdauer vom 31. März 2014 bis zum 31. Mai 2019).
a) Die Überlassungsdauer ist arbeitnehmer-, nicht arbeitsplatzbezogen zu bestimmen. Der Kläger war der Beklagten im Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 31. Mai 2019 nach Abzug der Elternzeit 55 Monate überlassen.
aa) Bezugspunkt der Überlassungsdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG ist die Dauer der Eingliederung des überlassenen Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation eines Entleihers. Das hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze (vom 21. Februar 2017, BGBl. I S. 258) klargestellt (BT-Drs. 18/9232 S. 20; BT-Drs. 18/9723 S. 6). Dem Wortlaut des § 1 Abs. 1b Satz 1 Halbs. 1 und Halbs. 2 AÜG nach dürfen Verleiher und Entleiher „denselben Leiharbeitnehmer“ nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate überlassen und tätig werden lassen. Der Arbeitsplatz, an dem der Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, findet demgegenüber keine Erwähnung.
bb) Die arbeitnehmerbezogene Berechnung der Überlassungsdauer ist mit dem Unionsrecht vereinbar.
Art. 5 Abs. 5 Satz 1 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Richtlinie 2008/104/EG) verpflichtet die Mitgliedstaaten zwar, aufeinanderfolgende Überlassungen zu verhindern, mit denen die Bestimmungen dieser Richtlinie insgesamt umgangen werden sollen (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 56, anlässlich des vorliegenden Verfahrens; 14. Oktober 2020 - C-681/18 - [KG] Rn. 55 ff.). Einem Mitgliedstaat ist es danach verwehrt, keine Maßnahmen zu ergreifen, um den vorübergehenden Charakter der Leiharbeit zu wahren (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 67; 14. Oktober 2020 - C-681/18 - [KG] Rn. 63). Durch die in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG enthaltene Festlegung auf eine arbeitnehmerbezogene Berechnung der Überlassungshöchstdauer ist aber nicht gegen diese Verpflichtung verstoßen worden. Zur Gewährleistung des vorübergehenden Charakters der Leiharbeit ist es nicht erforderlich, die Bestimmung der Überlassungsdauer arbeitsplatzbezogen auszugestalten. Der Begriff „vorübergehend“ kennzeichnet nicht den Arbeitsplatz, der im entleihenden Unternehmen zu besetzen ist, sondern die Modalitäten der Überlassung eines Arbeitnehmers an dieses Unternehmen (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 31). Die Überlassung eines Arbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen zur Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz, der dauerhaft vorhanden ist und der nicht vertretungsweise besetzt wird, steht einem Verständnis der Überlassung als „vorübergehend“ nicht entgegen (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 38; BAG 14. September 2022 – 4 AZR 26/21, Rn. 17).
b) Damit ist zwar die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG überschritten worden. Für die Parteien und die Verleiherin ist aber die nach Nr. 5.1 GBV Dmove iVm. Nr. 2.3, 3.1 TV LeiZ BB iVm. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG festgelegte Höchstdauer von 36 Monaten ab dem 1. April 2017 maßgebend.
aa) Nach § 1 Abs. 1b Satz 5 AÜG kann in einer Betriebsvereinbarung, die aufgrund eines Tarifvertrags nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG getroffen wird, eine abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Eine auf dieser Grundlage geschlossene Betriebsvereinbarung muss eine konkrete zeitliche Grenze festlegen, durch die der „vorübergehende“ Charakter der Arbeitnehmerüberlassung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG gewahrt wird. Dies ergibt die Auslegung der gesetzlichen Regelung (zu den Auslegungsgrundsätzen etwa BAG 9. September 2020 - 4 AZR 385/19, Rn. 24, mwN).
(1) § 1 Abs. 1b Satz 5 AÜG nennt zwar keine Obergrenze für die abweichende Überlassungshöchstdauer. Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss eine solche aber in der maßgebenden Betriebsvereinbarung festgelegt werden. Dies erfordert die konkrete Benennung einer Überlassungshöchstdauer (vgl. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 26/21, Rn. 23).
(2) Die festgelegte Überlassungshöchstdauer muss so bemessen sein, dass sie nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG iVm. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG als „vorübergehend“ anzusehen ist. Die Überlassung von Arbeitnehmern ist nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG nur vorübergehend zulässig. Dies dient der Umsetzung von Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG, wonach Leiharbeitnehmer vorübergehend anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden (vgl. zur Vorgängerregelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG in der bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung BT-Drs. 17/4804 S. 8). Mit der Regelung in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG hat der Gesetzgeber „vorübergehend“ für den Regelfall konkretisiert (vgl. BT-Drs. 18/9232 S. 20) und die weitere Ausgestaltung - im Rahmen der unionsrechtlichen Vorgaben - in § 1 Abs. 1b Satz 3 und Satz 5 AÜG den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche und - auf Grundlage eines solchen Tarifvertrags -den Betriebsparteien überlassen (vgl. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 26/21, Rn. 24).
bb) Durch eine Betriebsvereinbarung iSd. § 1 Abs. 1b Satz 5 AÜG wird die zulässige Überlassungshöchstdauer nicht nur für die Entleiherin als Betriebspartei, sondern zugleich für die überlassenen Leiharbeitnehmer und die Verleiherin geändert. Die Zuordnung der Regelungsmacht an die Betriebsparteien des Einsatzbetriebs folgt aus der Zuweisung der tariflichen Regelungsmacht an die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG. Eine auf dieser Grundlage geschlossene Betriebsvereinbarung soll die gleichen Auswirkungen wie der ihr zugrunde liegende Tarifvertrag nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG haben.
Nach dem gesetzgeberischen Konzept soll ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung nach § 1 Abs. 1b Satz 3 oder Satz 5 AÜG einheitlich die Überlassungshöchstdauer für alle an der Überlassung Beteiligten, mithin Entleiherin, Verleiherin und Leiharbeitnehmer ändern. Weder in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG noch in § 1 Abs. 1b Satz 5 AÜG wird zwischen Entleih- und Verleihdauer unterschieden. Die in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG vorgenommene Differenzierung zwischen der zulässigen Verleih- und Entleihdauer, die der Verdeutlichung der jeweiligen Pflichtenstellungen dient, findet sich in Satz 3 und Satz 5 nicht wieder. Diese verweisen - wie § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG - nicht lediglich auf einen der Halbsätze des § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG, sondern auf Satz 1 insgesamt. Auch der Gesetzgeber geht von „einer Überlassungshöchstdauer“ aus (BT-Drs. 18/9232 S. 20).
Die Geltung eines Tarifvertrags nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG, durch den die nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG gesetzlich festgelegte Überlassungshöchstdauer abweichend geregelt wird, erfordert allein die Tarifgebundenheit des Entleihers. Für den Verleiher und den überlassenen Arbeitnehmer gilt die tarifliche Regelung unabhängig von deren Tarifgebundenheit. Es handelt sich bei einer solchen tarifvertraglichen Regelung weder um eine Inhalts- noch um eine Betriebsnorm iSv. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 TVG. Vielmehr machen die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche von der ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten Regelungsermächtigung Gebrauch, die sich von den in § 1 Abs. 1 TVG genannten Arten von Tarifnormen und deren unmittelbarer und zwingender Geltung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) unterscheidet (ausf. BAG 14. September 2022 - 4 AZR 83/21, Rn. 28 ff.). Der Gesetzgeber hat den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG eine von den im Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Arten von Tarifnormen (§ 1 Abs. 1 TVG) und deren Bindungswirkung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) abweichende Regelungsbefugnis eingeräumt (ausf. BAG 14. September 2022 - 4 AZR 83/21, Rn. 33 ff.; 5. April 2023 – 7 AZR 224/22, Rn. 22).
cc) Die Ausgestaltung der § 1 Abs. 1b Satz 5 AÜG zugrunde liegenden Regelung in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG, die die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche zum Abschluss von Tarifverträgen, die eine vom Gesetz abweichende Überlassungshöchstdauer vorsehen, ermächtigt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Kammer schließt sich insoweit den sehr sorgfältig begründeten Ergebnissen des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 14. September 2022 (4 AZR 26/21, Rn. 27 ff.) an (so auch BAG 5. April 2023 – 7 AZR 224/22, Rn. 23). Auch Unionsrecht steht nicht entgegen, wie das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung vom 14. September 2022 (4 AZR 26/21, Rn. 55 ff.) unter Hinweis auf die Ergebnisse im vorliegenden Verfahren belegt (so auch BAG 8. November 2022 – 9 AZR 486/21, Rn. 24).
dd) Die für die Parteien und die Verleiherin maßgebende Überlassungshöchstdauer konnte durch Nr. 5.1 GBV Dmove iVm. Nr. 2.3, 3.1 TV LeiZ BB auf 36 Monate ab dem 1. April 2017 ohne Berücksichtigung vorheriger Überlassungszeiten verlängert werden.
(1) Der Gesamtbetriebsrat war für den Abschluss der GBV Dmove zuständig. Das nach § 50 Abs. 1 BetrVG die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründende zwingende Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht, wenn der Arbeitgeber - wie vorliegend - im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung zu einer Maßnahme, Regelung oder Leistung nur betriebsübergreifend bereit ist. Wenn die Arbeitgeberin mitbestimmungsfrei darüber entscheiden kann, ob sie eine Regelung überhaupt abschließt, kann sie sie auch von einer überbetrieblichen Regelung abhängig machen und so die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung herbeiführen (BAG 19. März 2019 - 3 AZR 201/17, Rn. 75; 23. März 2010 - 1 ABR 82/08, Rn. 15).
(2) Der TV LeiZ BB gestattet in Nr. 3.1 die Festlegung einer von Nr. 2.3 TV LeiZ BB abweichenden Überlassungshöchstdauer durch freiwillige Betriebsvereinbarungen und ist wirksam zustande gekommen. Die IG Metall und der VME sind tarifzuständig. Es handelt sich um Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche iSd. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG. Den Tarifvertragsparteien fehlte auch nicht die Tarifzuständigkeit. Es kommt insoweit nur darauf an, dass eine Zuständigkeit für die Branche der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg besteht. Eine darüberhinausgehende Tarifzuständigkeit ist nicht erforderlich. Der Tarifvertrag trifft eine Regelung über die zulässige Überlassungshöchstdauer in der Branche, für die die Tarifvertragsparteien zuständig sind. Er enthält keine Inhaltsnormen, die für das Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und der Verleiherin gelten würden. Es bedarf daher insoweit keiner Tarifzuständigkeit. Die in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG angeordnete Geltung für Leiharbeitnehmer und Verleiher besteht unabhängig von einer Tarifzuständigkeit für diesen Bereich. Anders als in § 3 Abs. 2 TVG (vgl. hierzu BAG 14. Januar 2014 - 1 ABR 66/12, Rn. 51; 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08, Rn. 25) wird durch diese Norm nicht nur die Notwendigkeit der Tarifgebundenheit, sondern auch diejenige der Tarifzuständigkeit darauf reduziert, dass sie allein hinsichtlich der Einsatzbranche vorliegen muss.
(3) Die in Nr. 2 TV LeiZ BB genannten arbeitsplatzbezogenen Merkmale stehen dem nicht entgegen. Dadurch wird der Anwendungsbereich der Tarifnorm nicht eingeschränkt. Diesen haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich unter Nr. 1 TV LeiZ BB geregelt. Sie wollten mit der Regelung keine zusätzlichen Kriterien für die sich aus Nr. 2.3 TV LeiZ BB oder Nr. 3.1 TV LeiZ BB iVm. einer Betriebsvereinbarung ergebende Verlängerung der Überlassungshöchstdauer einführen. Eine derartige Bedeutung kommt der Norm auch nach der bisherigen Rechtsprechung durch das Bundesarbeitsgericht (vgl. dazu BAG 8. November 2022 – 9 AZR 486/21, Rn. 38) nicht zu. So hat das Bundesarbeitsgericht zu der insoweit inhaltsgleichen Tarifnorm des § 2 Nr. 2 TV LeiZ BB ausgeführt, dass die Nichteinhaltung qualitativer oder quantitativer Anforderungen an die durch Leiharbeitnehmer zu besetzenden Arbeitsplätze den Betriebsrat dazu berechtigen möge, seine Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung eines Leiharbeitnehmers nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu verweigern (vgl. BAG 30. September 2014 - 1 ABR 79/12 - Rn. 14 ff.). Eine weitergehende Bedeutung der Tarifregelung hat es - jedenfalls bisher - abgelehnt.
Die Nichterfüllung der Voraussetzungen der Nrn. 2.1 TV LeiZ BB, auf die sich der Kläger beruft und in diesem Zusammenhang eine befristete Überlassung bestreitet, hätte nur zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses führen können, wenn wegen Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des TV LeiZ BB die gesetzliche Überlassungshöchstdauer maßgeblich gewesen wäre. Soweit die Tarifvertragsparteien in Nr. 2 TV LeiZ BB nämlich einen vorübergehenden Einsatz nicht nur an die Einhaltung der tarifvertraglichen Überlassungshöchstdauer, sondern auch an arbeitsplatzbezogene Merkmale knüpfen, führt eine Verletzung dieser Vorgaben nicht zur Anwendung des Rechtsfolgensystems der § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG ordnet die zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG führende Unwirksamkeit des Leiharbeitsverhältnisses nur für den Fall der Überschreitung der „zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b“ AÜG an. Das Rechtsfolgensystem ist insoweit abschließend. Für die Verletzung anderweitiger, den Begriff des vorübergehenden Einsatzes weitergehend einschränkender Regelungen sieht das Gesetz diese Rechtsfolge nicht vor. Der (Fort-)Bestand des Leiharbeitsverhältnisses zum Verleiher bleibt bei einer gegen die einschränkenden Regelungen verstoßenden Beschäftigung mangels gesetzlicher Anordnung unberührt (vgl. BAG 8. November 2022 – 9 AZR 486/21, Rn. 38). Auf eine Unwirksamkeit wegen § 1 Abs. 1 Satz 5 und/oder 6 AÜG (vgl. dazu BAG 5. März 2024 – 9 AZR 204/23, Rn. 16) hat sich der Kläger insoweit nicht berufen. Die durch den Kläger vorgelegten Arbeitsverträge sind insoweit auch eindeutig. Dass der Kläger im Rahmen der Überlassungsverträge im hier maßgeblichen Zeitraum überlassen worden ist, war unter den Parteien nicht streitig. Der Kläger bestreitet vor dem Hintergrund der Regelung in Nr. 2.1 TV LeiZ BB nicht, dass seine Überlassung überhaupt erfolgt ist, sondern dass diese Überlassung befristet gewesen ist.
(4) Die Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten nach Nr. 5.1 GBV Dmove unterschreitet die in Nr. 2.3 TV LeiZ BB vorgegebene maximale Überlassungszeit und hält sich im Rahmen dessen, was als „vorübergehend“ iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG iVm. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG anzusehen ist.
(a) „Vorübergehend“ bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch „zeitlich begrenzt“ (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 57). Eine konkrete zeitliche Grenze, nach der eine Überlassung nicht mehr als „vorübergehend“ angesehen werden könnte, findet sich allerdings weder im AÜG noch in der Richtlinie 2008/104/EG (zu letzterer EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 53). Im Hinblick darauf verbietet sich ein Rückgriff auf zeitliche Grenzen in anderen Regelungswerken, die zudem anderen Zielen dienen. Nicht „vorübergehend“ ist eine Überlassung dann, wenn sie unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände, zu denen insbesondere die Branchenbesonderheiten zählen, vernünftigerweise nicht mehr als „vorübergehend“ betrachtet werden kann (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 60). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Überlassung ohne jegliche zeitliche Begrenzung erfolgt und der Leiharbeitnehmer dauerhaft anstelle eines Stammarbeitnehmers eingesetzt werden soll (BAG 21. Februar 2017 - 1 ABR 62/12, Rn. 57; 30. September 2014 - 1 ABR 79/12, Rn. 43). Aus § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG und § 1 Abs. 1b Satz 6 AÜG, die die Überlassungshöchstdauer außerhalb der Geltung eines Tarifvertrags auf 18 und 24 Monate festlegen, ergibt sich zudem, dass eine „vorübergehende“ Überlassung diesen Zeitraum übersteigen kann (vgl. BAG 5. April 2023 – 7 AZR 224/22, Rn. 36).
(b) Nach diesen Grundsätzen ist die vereinbarte Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten noch als „vorübergehend“ anzusehen. Sie stellt eine hinreichend konkrete Obergrenze dar, die zudem deutlich unterhalb derjenigen liegt, die die Tarifvertragsparteien im TV LeiZ BB als Überlassungshöchstdauer festgelegt haben. Da hinsichtlich des TV LeiZ BB aufgrund des den Tarifvertragsparteien zustehenden Gestaltungsspielraums und deren Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen davon auszugehen ist, dass die Branchenbesonderheiten hinreichend Berücksichtigung gefunden haben (ausf. zur Angemessenheitsvermutung BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13, Rn. 29 mwN; BT-Drs. 17/4804 S. 9), ist dies auch hinsichtlich der sich in diesem Rahmen haltenden GBV Dmove anzunehmen. Ein Zeitraum von drei Jahren kann darüber hinaus nicht als dauerhaft angesehen werden, zumal damit die in § 1 Abs. 1b Satz 1 und Satz 6 AÜG vorgesehenen Grenzen nicht um ein Vielfaches überschritten werden (vgl. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 26/21, Rn. 70).
(5) Der in Nr. 5.1 GBV Dmove enthaltene Ausschluss der Berücksichtigung von Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer entspricht der ohnehin für alle Überlassungszeiten nach § 1 Abs. 1b AÜG angeordneten gesetzlichen Regelung in § 19 Abs. 2 AÜG. Die Übergangsvorschrift muss nicht wegen Unvereinbarkeit mit Unionsrecht unangewendet bleiben.
(a) Die Mitgliedstaaten waren nach Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG verpflichtet, diese bis zum 5. Dezember 2011 in nationales Recht umzusetzen. Sie mussten daher ab diesem Zeitpunkt sicherstellen, dass die Überlassung von Leiharbeitnehmern eine Dauer nicht überschreitet, die als „vorübergehend“ eingestuft werden kann (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 72). Eine Übergangsvorschrift, die Zeiten nach dem 5. Dezember 2011 von der Berücksichtigung bei der Beurteilung, ob eine Überlassung „vorübergehend“ war, ausschließt, kann der Richtlinie 2008/104/EG ihre praktische Wirksamkeit nehmen (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 73 f.; Schlussanträge des Generalanwalts Tanchev v. 9. September 2021 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 62).
(b) Zwar steht § 19 Ab. 2 AÜG nicht im Einklang mit Unionsrecht, weil er dem beabsichtigten Schutz der Richtlinie 2008/104/EG vor einer nicht mehr nur „vorübergehenden“ Überlassung von Leiharbeitnehmern die praktische Wirkung nimmt (vgl. EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 73). Die nationale Rechtsordnung genügt damit bis heute nicht der Pflicht, die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten (vgl. näher EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 22 ff.). Ein Leiharbeitnehmer kann aber wegen eines solchen Verstoßes kein subjektives Recht auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher aus dem Unionsrecht ableiten (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 93 ff.; BAG 5. Juli 2022 - 9 AZR 476/21, Rn. 37; 8. November 2022 – 9 AZR 486/21, Rn. 35). Ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit zwischen Privaten anhängig ist, ist nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet, eine unionsrechtswidrige Übergangsvorschrift unangewendet zu lassen, die für die Anwendung einer Regelung, die eine Höchstdauer der Überlassung eines Leiharbeitnehmers festlegt, die Berücksichtigung der dem Inkrafttreten dieser Regelung vorausgegangenen Überlassungszeiträume ausschließt (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 82; BAG 14. September 2022 – 4 AZR 26/21, Rn. 73).
ee) Die Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten ist durch den Einsatz des Klägers in der Zeit vom 1. April 2017 bis zum 31. Mai 2019, mithin für 26 Monate, nicht überschritten worden.
2) Aus einem Verstoß gegen das Verbot der vorübergehenden Überlassung nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG kann die vom Kläger begehrte Rechtsfolge weder direkt noch unter Berücksichtigung des Unionsrechts oder unter Heranziehung von § 242 BGB hergeleitet werden.
a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG handelt es sich bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung zwar um eine rechtlich unzulässige Gestaltung. Ein mehr als nur vorübergehender Einsatz eines Leiharbeitnehmers bei einem Entleiher ist verboten. Für die Prüfung, ob es sich noch um eine „vorübergehende“ Überlassung handelt, wären zudem alle Überlassungszeiten des Klägers zu berücksichtigen, da § 19 Abs. 2 AÜG nur die Berechnung der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG betrifft. Selbst wenn aber die gesamte Überlassungsdauer hier nicht mehr als „vorübergehend“ angesehen werden könnte, hätte dies nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Beklagten und dem Kläger zur Folge. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses nur für die Fälle, in denen der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam ist. Dies ist bei einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG mangels Erwähnung in § 9 AÜG nicht der Fall. Eine analoge Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG, nach dem Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern mit dem Überschreiten der Überlassungshöchstdauer unwirksam werden, scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG idF v. 28. April 2011 nicht auf Fälle angewendet werden kann, für die es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung gibt (vgl. grundlegend BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13, Rn. 22 ff.; 27. Juni 2017 - 9 AZR 133/16, Rn. 32, mwN), nur die Überschreitung der Überlassungshöchstdauer mit der Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG sanktioniert (vgl. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 26/21, Rn. 77).
b) Das Unionsrecht gebietet keine andere Auslegung von § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG, weshalb im Übrigen auch das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses vor dem 1. April 2017 nicht in Betracht kam.
aa) Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel. Auch nach Art. 10 Richtlinie 2008/104/EG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, für die Nichteinhaltung der Richtlinie geeignete Maßnahmen vorzusehen und für den Fall eines Verstoßes gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie Sanktionen festzulegen. Vorgaben zum Inhalt der Maßnahmen und Sanktionen macht die Richtlinie demgegenüber nicht, insbesondere ist nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zur Entleiherin vorgeschrieben. Ein Leiharbeitnehmer kann daher wegen eines solchen Verstoßes kein subjektives Recht auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher aus dem Unionsrecht ableiten (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 93 ff.; BAG 5. Juli 2022 - 9 AZR 476/21, Rn. 37).
bb) Das gilt auch dann, wenn die Richtlinie mangels einer wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktion unzureichend umgesetzt worden sein sollte (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13, Rn. 34; vgl. auch 12. Juli 2016 - 9 AZR 51/15, Rn. 33). Der durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigten Partei könnten allenfalls Schadensersatzansprüche zustehen (EuGH 17. März 2022 - C-232/20 - [Daimler] Rn. 99).
c) Gleiches gilt für den Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs. Hat sich der Gesetzgeber - wie vorliegend hinsichtlich § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG - entschieden, einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nicht mit der Sanktion der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu versehen, darf diese Rechtsfolge nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden. Dies würde bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen und unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers einzugreifen (vgl. zum AÜG idF v. 28. April 2011 BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13, Rn. 38; 14. September 2022 – 4 AZR 26/21, Rn. 82).
d) Soweit der Kläger sich zudem darauf beruft, die zahlreichen befristeten Überlassungen an die Beklagte seien bei Zugrundelegung der zum Befristungsrecht entwickelten Grundsätze rechtsmissbräuchlich, gilt nichts anderes. Im Übrigen haben die insoweit entwickelten Grundsätze eine vollkommen andere Zielrichtung, die auf das Arbeitnehmerüberlassungsrecht nicht in dem durch den Kläger vertretenen Sinn übertragbar sind. Der Vortrag ist insoweit auch nicht konsistent, wenn er zugleich bestreitet, nur befristet überlassen worden zu sein.
III. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Kammer hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen zugelassen.