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Fahrerlaubnis; polnischer Führerschein; Entziehung; Fahrberechtigung; Aberkennung; medizinisch-psychologisches Gutachten; nicht beigebracht; erhebliche Verkehrsverstöße nach Erwerb der polnischen Fahrerlaubnis; Berücksichtigung von Verkehrsstraftaten vor Erwerb der polnischen Fahrerlaubnis; Anerkennungsgrundsatz


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 31.01.2013
Aktenzeichen OVG 1 N 103.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 4 S 4 VwGO, § 3 Abs 1 StVG, § 3 Abs 2 StVG

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 20. September 2012 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 12.500 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Er wurde 1982, 1988 und erneut 1999 jeweils durch Urteil des Amtsgerichts wegen vorsätzlicher bzw. fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs bestraft; zugleich wurde ihm jeweils die Fahrerlaubnis entzogen und eine mehrmonatige Sperre für ihre Wiedererteilung verhängt. Durch Urteil des Amtsgerichts vom 13. Februar 2002 wurde der Kläger wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt; zugleich wurde wiederum eine Fahrerlaubnissperre von zwölf Monaten verhängt. Seit Juli 2005 ist der Kläger im Besitz einer polnischen Fahrerlaubnis, in der ein polnischer Wohnsitz eingetragen ist. Zwischen Juli 2006 und Februar 2007 überschritt er auf dem Bundesgebiet dreimal die zulässige Höchstgeschwindigkeit (zweimal Überschreitungen innerorts um 32 km/h bzw. 26 km/h sowie einmal außerhalb geschlossener Ortschaften um 28 km/h); diese Verkehrsverstöße führten zur Eintragung von neun Punkten im Verkehrszentralregister. Daraufhin ordnete der Beklagte im August 2007 die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Nachdem der Kläger das angeforderte Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt hatte, entzog ihm der Beklagte mit Bescheid vom 12. November 2007 unter Anordnung sofortiger Vollziehung die polnische Fahrerlaubnis, ordnete die Abgabe des Führerscheins an und drohte für den Fall der Nichtabgabe ein Zwangsgeld an. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb in beiden Instanzen erfolglos (vgl. VG Potsdam, Beschluss vom 11. Februar 2008 - 10 L 791/07; Beschluss des Senats vom 30. Januar 2009 - OVG 1 S 44.08). Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2009 zurück. Mit Urteil vom 20. September 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

2. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Unabhängig davon, dass der Kläger Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO nicht ausdrücklich benennt und damit den Darlegungsanforderungen des §124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügt, hat der Zulassungsantrag auch dann keinen Erfolg, wenn er dahingehend ausgelegt wird, dass sich der Kläger sinngemäß auf den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO stützt. Die Darlegungen des Klägers, auf die sich die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigen eine Zulassung der Berufung nicht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung liegen nur vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 - juris Rn. 15). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Der Kläger rügt im Kern, das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze den unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz, weil die Anordnung des Gutachtens nicht nur auf drei Verkehrsverstößen beruhe, die der Kläger nach Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis begangen habe, sondern auch die vor diesem Zeitpunkt liegenden Vorfälle, die zu Eintragungen im Verkehrszentralregister geführt haben, berücksichtigt habe. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Frage zu stellen. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht seine Rechtsauffassung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Beschluss vom 2. Dezember 2010, Rs. C-334/09, „Scheffler“, zitiert nach juris) sowie des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28. Juni 2012 - 3 C 30.11 - juris) gestützt hat.

Danach steht die Verweigerung der Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nur dann nicht im Einklang mit Unionsrecht, wenn die Ablehnung der Fahrberechtigung auf einem Fahreignungsgutachten beruht, das zwar nach dem Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins und auf der Grundlage einer nach diesem Zeitpunkt durchgeführten Untersuchung des Betroffenen erstellt wurde, aber keinen, sei es auch nur partiellen Bezug zu einem nach der Ausstellung dieses Führerscheins festgestellten Verhalten des Betroffenen hat und sich ausschließlich auf vor diesem Zeitpunkt liegende Umstände bezieht (EuGH, a.a.O., Rn. 72 und 77; BVerwG, a.a.O., Rn. 28). Demgegenüber ist auch nach Unionsrecht eine Maßnahme zulässig, die nicht allein auf ein Verhalten oder Umstände gestützt ist, die bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Fahrererlaubnis vorliegen, sondern auch auf ein Verhalten oder Umstände nach der Fahrerlaubniserteilung. Denn solche Umstände konnten vom Ausstellermitgliedstaat nicht berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 28). So liegt der Fall aber hier. Denn die Anordnung des Gutachtens knüpft an drei erhebliche Verkehrsverstöße an, die der Kläger erst nach Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis begangen hat und die von der polnischen Fahrerlaubnisbehörde noch nicht berücksichtigt werden konnten.

Deshalb geht auch der Einwand des Klägers fehl, wonach dem Beklagten keine „Anordnungskompetenz“ für die Vorlage des Gutachtens zukomme. Ebenso wenig ist es für die rechtliche Würdigung von Bedeutung, dass der vorgenannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ein anderer Sachverhalt als der des vorliegenden Verfahrens zugrunde lag; der Umstand, dass der Kläger keinen Antrag auf Anerkennung der polnischen Fahrerlaubnis gestellt hat, ändert an dem dargestellten Aussagegehalt der Entscheidung nichts.

Schließlich kann der Kläger nicht mit dem Vortrag durchdringen, es sei nicht einmal sicher, ob er bei den ihm zur Last gelegten Ordnungswidrigkeiten überhaupt der Fahrer gewesen sei, denn er habe es wegen seines Aufenthalts in Polen versäumt, fristgemäß Einspruch gegen die Bußgeldbescheide einzulegen. Diesem Einwand, der im Übrigen völlig unsubstantiiert bleibt, steht die Bestandskraft der Bußgeldbescheide und die Eintragung der Verkehrsverstöße im Verkehrszentralregister entgegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).