Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 23.10.2024 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 A 3/24 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:1023.OVG9A3.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 47 VwGO, § 131 Abs 1 VwGO, § 6 KAG, § 8 Abs 7 Satz 2 KAG |
Die Schmutzwassergebührensatzung der Antragsgegnerin vom 7. Dezember 2017 wird für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die am 6. Dezember 2017 beschlossene und am Folgetag ausgefertigte Schmutzwassergebührensatzung (SGS) der Antragsgegnerin, einer Gemeinde.
Nach § 1 Abs. 2 SGS erhebt die Antragsgegnerin für die Inanspruchnahme der von ihr betriebenen öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage eine Benutzungsgebühr (Schmutzwassergebühr). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGS wird die Schmutzwassergebühr nach der Schmutzwassermenge bemessen, die von dem angeschlossenen Grundstück in die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage gelangt. Die Gebührenhöhe ist in § 3 SGS wie folgt geregelt:
„(1) Soweit Schmutzwasser auf einem Grundstück, für das ein Beitrag zum teilweisen Ersatz des Aufwandes für die Herstellung und Anschaffung der öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage gezahlt wurde, anfällt und von dort gemäß § 2 in die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage gelangt, beträgt die Schmutzwassergebühr pro Kubikmeter Schmutzwasser 2,21 Euro.“
(2) Soweit Schmutzwasser auf einem Grundstück, für das kein Beitrag, egal aus welchem Rechtsgrund, zum teilweisen Ersatz des Aufwandes für die Herstellung oder Anschaffung der öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage gezahlt wurde, anfällt und von dort gemäß § 2 in die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage gelangt, beträgt die Schmutzwassergebühr pro Kubikmeter Schmutzwasser 3,47 Euro.“
Die Antragstellerin, eine Wohnungsgenossenschaft, ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke, die an die von der Antragsgegnerin betriebenen Abwasserentsorgungsanlage angeschlossen sind.
Mit ihrem am 27. Juni 2018 gestellten Normenkontrollantrag macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend: Sie sei von der Antragsgegnerin in der Vergangenheit zu Schmutzwasserbeiträgen herangezogen worden, wogegen sie sich erfolgreich gewehrt habe. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14 und 1 BvR 3051/14 -, juris, und den Urteilen des erkennenden Senats vom 11. Februar 2016 - OVG 9 B 1/18 und OVG 9 B 43/15 -, juris, habe die Antragsgegnerin die betreffenden Bescheide aufgehoben. Mit der angegriffenen Satzung habe die Antragsgegnerin nunmehr unterschiedlich hohe Schmutzwassergebühren für Beitragszahler und Nichtbeitragszahler festgelegt. Sie sei mehrfach zu den höheren Schmutzwassergebühren herangezogen worden. Gegen die Bescheide habe sie jeweils beim Verwaltungsgericht Potsdam geklagt.
Die Festlegung höherer Verbrauchsgebühren für Nichtbeitragszahler verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG, Art. 12 Verfassung des Landes Brandenburg). Die Ungleichbehandlung von Beitragszahlern und Nichtbeitragszahlern sei sachlich nicht gerechtfertigt. Dass sie keine Beiträge geleistet habe, liege an Versäumnissen der Antragsgegnerin, die diese nicht rechtzeitig festgesetzt habe. Festsetzungsverjährte Beiträge dürften nicht später durch höhere Gebühren umgelegt werden. Schon bei einer durchschnittlichen Jahresentsorgungsmenge führten die höheren Gebühren nach wenigen Jahren zu einer Überkompensation des nicht gezahlten Beitrages. Das sei unverhältnismäßig und verletze das abgabenrechtliche Äquivalenzprinzip. Zudem würden auch Nichtbeitragszahler, die Vermieter seien, und solche, die keine Vermieter seien, ungleich behandelt. Nur die Vermieter könnten die Gebühren auf ihre Mieter abwälzen und würden wirtschaftlich nicht belastet. Weiterhin verlange die Antragsgegnerin die höhere Gebühr auch für von ihr – der Antragstellerin – verwaltete Grundstücke, auf denen Wohneigentum mehrerer Eigentümer bestehe, die teilweise einen Beitrag geleistet hätten. Dies unterstreiche die unzulässige Vermischung von Beitrag und Gebühren. Schließlich stelle die konkrete Gebührenkalkulation keinen Bezug zur Anzahl der Nichtbeitragszahler oder deren voraussichtlichen Verbrauch her.
Die Antragstellerin beantragt,
§ 3 Abs. 2 der Schmutzwassergebührensatzung der Antragsgegnerin vom 7. Dezember 2017 für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 habe sie die hiervon betroffenen, noch nicht bestandskräftigen Anschlussbeitragsbescheide aufgehoben. Sie müsse unterschiedliche Gebühren für Beitragszahler und Nichtbeitragszahler festsetzen. Beiträge und Gebühren seien durch § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG dadurch verknüpft, dass die Beiträge die gebührenfähigen Kosten verringerten. Der Gesetzgeber stelle insoweit bewusst auf den durch Beiträge "aufgebrachten" Eigenkapitalanteil und damit auf die tatsächlich gezahlten Beiträge ab. Angesichts dessen könne § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG nicht dahin ausgelegt werden, dass alle Beiträge, die nach der Beitragssatzung erhoben werden "sollten", insbesondere verjährte oder "hypothetisch verjährte" Beiträge oder sonst nicht erhobene Beiträge, das gebührenmindernde Abzugskapital bildeten. Soweit das Bundesverwaltungsgericht das in seinem Urteil vom 17. Oktober 2023 (- 9 CN 3.22 -, juris) anders sehe, stünden dem der eindeutige Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG entgegen; zudem sei das Bundesverwaltungsgericht nicht zur Auslegung von Landesrecht berufen. Es komme hinzu, dass sie die "Altanschließer" bis zum Erlass der Beitragssatzung vom 26. Oktober 2011 überhaupt nicht zu Anschlussbeiträgen habe heranziehen wollen. Zum "Soll"-Beitragsaufkommen hätten keine "Altanschließerbeiträge" gehört. Den früheren Beitragsatzungen hätten Rechnungsperiodenkalkulationen zu Grunde gelegen, in die die Altanschließerflächen nicht einbezogen gewesen seien. Dementsprechend sei klar gewesen, dass nur die tatsächlich gezahlten "Neuanschließerbeiträge" das gebührenmindernde Abzugskapital bilden würden. Die Altanschließer hätten nicht schutzwürdig darauf vertrauen könne, davon zu profitieren. Die nunmehr vorgesehenen unterschiedlichen Gebührensätze für Beitragszahler und Nichtbeitragszahler verletzten danach weder den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch führten sie zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung der Nichtbeitragszahler. Diese zahlten technisch keinen Gebührenzuschlag, sondern die Gebühr, die alle zu zahlen hätten, wenn es nie Beiträge gegeben hätte. Demgegenüber erhielten die Beitragszahler als Gruppe sozusagen einen Rabatt, der ihre schon erfolgte Beteiligung an den Investitionskosten berücksichtige. Die konkrete Ausgestaltung der unterschiedlich hohen Gebühren entspreche der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg.
Die Antragsgegnerin hat am 4. Dezember 2019, 8. Dezember 2021 und 6. Dezember 2023 Änderungssatzungen zur SGS beschlossen, mit denen jeweils die Gebührensätze in § 3 Abs. 1 und 2 SGS angepasst wurden. Die Änderungssatzungen sind nicht angegriffen worden.
Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 1. Februar 2023 im Hinblick auf das seinerzeit beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gewesene Revisionsverfahren zum Az. 9 CN 3.22 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach Abschluss des vorgenannten Revisionsverfahrens ist das Verfahren wieder aufgenommen und unter dem nunmehrigen Aktenzeichen OVG 9 A 3.24 fortgeführt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vom Antragsgegner vorgelegten Satzungs- und Kalkulationsunterlagen verwiesen.
Der Senat entscheidet durch Beschluss, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz VwGO); die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
Der Antrag ist nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Die als Gebührenschuldnerin von der Satzung betroffene Antragstellerin ist antragsbefugt und hat ein Rechtsschutzinteresse. Die Antragsfrist ist eingehalten.
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet, Die Gebührensatzung ist in Gänze für unwirksam zu erklären, nachdem ein nach § 2 Abs. 1 KAG zwingend erforderlicher Satzungsbestandteil, nämlich die Gebührensatzregelung des § 3 SGS, rechtswidrig und damit nichtig ist (vgl. zur insoweit zulässigen Überschreitung des Antrages: BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2023 - 9 CN 3.22 -, juris Rn. 59). Die Rechtswidrigkeit der Gebührensatzregelung folgt allerdings nicht aus der generellen Unzulässigkeit eines - zwischen Beitragszahlern und Nichtbeitragszahlern unterscheidenden - gespaltenen Gebührensatzes (I.), sondern daraus, dass die Antragsgegnerin diesen fehlerhaft ermittelt hat (II.).
I. In § 3 SGS wird hinsichtlich der Gebührenhöhe danach unterschieden, ob sich der Grundstückseigentümer durch einen Anschlussbeitrag an der Anlagenfinanzierung beteiligt hat oder nicht. Der Senat hält auch in Ansehung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2023 (- 9 CN 3.22 -, juris, im Folgenden: Urteil vom 17. Oktober 2023) daran fest, dass eine solche Regelung im Grundsatz nicht nur nicht zu beanstanden, sondern unter bestimmten Umständen sogar geboten ist (vgl. etwa Urteile vom 19. Februar 2020 - OVG 9 4.17 -, juris Rn. 46; und vom 13. August 2019 - OVG 9 A 5.17 -, juris Rn. 42). So liegt es auch hier.
1. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. entsteht die Anschlussbeitragspflicht, sobald das Grundstück an die leitungsgebundene Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung; diese kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen. Das OVG Frankfurt (Oder) hat diese Vorschrift dahin ausgelegt, dass mit dem "Inkrafttreten der Satzung" das formale Inkrafttreten der ersten Satzung unabhängig von deren Wirksamkeit gemeint ist (grundlegend OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 43 ff.). Der erkennende Senat folgt dem in ständiger Rechtsprechung (a. A. BGH, Urteil vom 27. Juni 2019 III ZR 93/18 , juris; zur Zulässigkeit dieser divergierenden Auffassungen: BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2020 - 1 BvR 908/20 u.a. -, juris; BVerwG, Beschluss vom 8. April 2021 - 9 B 28/20 -, juris Rn. 6 ff.). Konsequenz dieser Auslegung ist, dass die Anschlussbeitragspflicht für bestimmte Grundstücke nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. nur durch eine Satzung zur Entstehung gebracht werden kann, die auf den formalen Inkrafttretenszeitpunkt der ersten Beitragssatzung (oder einen darin bestimmten Zeitpunkt) zurückwirkt. Das kann dazu führen, dass für ein Grundstück eine Beitragserhebung nicht mehr möglich ist, weil es einerseits an der notwendigen rückwirkenden Satzung fehlt und andererseits bei deren Erlass sogleich Festsetzungsverjährung eintreten würde (Lage "hypothetischer Festsetzungsverjährung"). Zwar hat der Landesgesetzgeber der entsprechenden Auslegung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG durch eine Änderung zum 1. Februar 2004 die Grundlage entzogen, in dem er das Wort "rechtswirksamen" eingefügt hat. Ist die Lage hypothetischer Festsetzungsverjährung für ein Grundstück aber bereits vor diesem Zeitpunkt eingetreten, bleibt es aus Vertrauensschutzgründen bei der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG. a. F. (grundlegend: BVerfG, Beschluss vom 12. November 2015 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 , juris); die Lage hypothetischer Festsetzungsverjährung besteht damit fort. Das betrifft insbesondere Fälle von Altanschließergrundstücken. Denn insoweit ist in den 1990er Jahren in großem Umfang bewusst keine Beitragserhebung erfolgt, weil Gemeinden und Zweckverbände eine Veranlagung dieser Grundstücke nicht für zulässig oder jedenfalls nicht für geboten hielten (vgl. hierzu etwa Schmidt-Wottrich, LKV 2008, 355; Kühne, LKV 2008, 490).
2. Kann für ein Grundstück infolge fortbestehender Lage hypothetischer Festsetzungsverjährung kein Anschlussbeitrag erhoben werden, so muss damit nicht jegliche Benutzungsgebührenerhebung unterbleiben. Die Lage einer hypothetischen Festsetzungsverjährung bezieht sich begrifflich nur auf den Beitrag als solchen. Allerdings hat der Landesgesetzgeber Beitrag und Gebühr in § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG kalkulatorisch in der Weise verknüpft, dass das aus Beiträgen aufgebrachte Eigenkapital bei der Ermittlung der Abschreibungen und der Verzinsung außer Betracht bleibt (Abzugskapital). Dieses Abzugskapital vermindert die Abschreibungs- und Verzinsungsbasis und wirkt sich dadurch gebührenmindernd aus. Das führt zu der Frage, wie gebührenseitig vorzugehen ist, wenn in einer Gemeinde oder einem Zweckverband ein erheblicher Teil der Gebührenpflichtigen - insbesondere wegen eingetretener Lage hypothetischer Festsetzungsverjährung - keinen Anschlussbeitrag gezahlt hat und zahlen wird und damit finanziell nichts zu der gebührenmindernden Wirkung der Anschlussbeiträge beisteuert. Mit dieser Frage hat sich schon das OVG Frankfurt (Oder) befasst, und zwar, nachdem es § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. in dem oben beschriebenen Sinne ausgelegt hatte und bevor § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG geändert wurde. Dabei hat es angenommen, dass auf das Auftreten einer erheblichen Anzahl von Fällen hypothetischer Festsetzungsverjährung zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Doppelbelastung der Beitragszahler mit einer gespaltenen Gebühr zu reagieren sei, um zu verhindern, dass die Beitragszahler einerseits mit ihren Beiträgen die Gebühren auch für Nichtbeitragszahler verringerten und andererseits mit ihren Gebühren auch noch anteilig die Deckungslücke schlössen, die aus der Nichtzahlung von Beiträgen folge (vgl. OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 -, juris Rn. 37). Auch der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass dies mit dem Verbot der Doppelbelastung, dem landesrechtlichen Grundsatz der Abgabengerechtigkeit sowie mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar wäre und deshalb ein gespaltener Gebührensatz festzulegen sei (vgl. Urteile vom 6. Juni 2007 - OVG 9 A 77.05 -, juris Rn. 36; und vom 13. August 2019 - OVG 9 A 5.17 -, juris Rn. 43; Beschluss vom 24. September 2020 - OVG 9 A 6.17 -, juris Rn. 55). Danach zahlt die Gruppe der von der hypothetischen Festsetzungsverjährung begünstigten Grundstückseigentümer diejenige Gebühr, die auch zu zahlen wäre, wenn von Anfang an eine reine Gebührenfinanzierung vorgesehen gewesen wäre, während die Gruppe der Beitragszahler eine niedrigere Gebühr zahlt, indem (allein) ihr das aus Anschlussbeiträgen resultierende Abzugskapital kalkulatorisch zu Gute gebracht wird. Diese Lösung lässt auch einen Spielraum dafür, die gezahlten Beiträge zurückzuzahlen und danach von allen Grundstückseigentümern die Gebühren zu erheben, die zu erheben wären, wenn es nie eine Beitragserhebung gegeben hätte (vgl. hierzu Brüning, Die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen der Entscheidung des BVerfG vom 12. November 2015, Rechtsgutachten - Teil 2, S. 18). Von Autoren, die erkennbar eher auf der Bürgerseite unter Einschluss der Altanschließer stehen, wurde diese "Rückzahlungslösung" in der Vergangenheit sogar als einziger Weg zum Rechtsfrieden angesehen (vgl. Mittag/Böttcher/Niclas, NJ 2016, 364, (372)).
3. Das Bundesverwaltungsgericht sieht es in seinem Urteil vom 17. Oktober 2023 indessen als verfassungswidrig an, einer in Bezug auf eine erhebliche Anzahl von Grundstücken eingetretenen Lage hypothetischer Festsetzungsverjährung durch einen "gespaltenen Gebührensatz" Rechnung zu tragen und die Gruppe der von der hypothetischen Festsetzungsverjährung begünstigten Grundstückseigentümer diejenige Gebühr zahlen zu lassen, die auch zu zahlen wäre, wenn von Anfang an eine reine Gebührenfinanzierung vorgesehen gewesen wäre. Jedenfalls nach dem Eintritt der hypothetischen Festsetzungsverjährung des Beitrages bestehe eine Rechtsposition dahin, hinsichtlich bestimmter Aufwandspositionen weder einen Beitrag noch einen Gebührenanteil leisten zu müssen. Diese Rechtsposition ergebe sich aus § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG in Verbindung mit dem Beitragssatzungsrecht des Einrichtungsträgers. In diese Rechtsposition dürfe der Einrichtungsträger aus Vertrauensschutz- und Gleichbehandlungsgründen nicht dadurch eingreifen, dass er die entsprechenden Aufwandspositionen in die Gebührenkalkulation einbeziehe. Vielmehr müsse er insoweit ein fiktives Abzugskapital ansetzen (juris, Rn. 22; 46). Auf diese Weise werde auch eine Doppelbelastung der Beitragszahler verhindert (a. a. O., Rn. 44 ff.; 54).
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat äußerst weitreichende Auswirkungen. Die aus dem Ansatz eines fiktiven Abzugskapitals für den Aufgabenträger wirtschaftlich folgende Deckungslücke muss danach aus dessen allgemeinen Haushaltsmitteln geschlossen werden, bei Zweckverbänden durch eine Verbandsumlage. Das bedeutet nicht nur eine erhebliche finanzielle Belastung, es besteht auch eine erhebliche Rechtsunsicherheit, weil das Bundesverwaltungsgericht nicht näher ausgeführt hat, wie das anzusetzende fiktive Abzugskapital zu ermitteln ist. In seiner Begründung geht das Bundesverwaltungsgericht im Kern davon aus, § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG sei nach seinem Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass als Abzugskapital bei der Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibung und Verzinsung nicht das jeweils tatsächlich durch Beiträge aufgebrachte Eigenkapital anzusetzen sei, sondern der Kostenanteil, der nach dem Willen des Einrichtungsträgers durch Beiträge gedeckt werden "solle" bzw. „sollte“; dieser Anteil ergebe sich aus dem Beitragssatzungsrecht (a. a. O., Rn. 22 f.; 32: 37; 46). Eine Veränderung der entsprechenden Festlegung sei zwar prinzipiell zulässig, aber nur bis zum Eintritt der hypothetischen Festsetzungsverjährung. (a. a. O., Rn. 23; 30). Für diese im Land Brandenburg praktisch bedeutsamen Fälle kommt es danach auf Festlegungen in unwirksamen Satzungen aus den 1990er Jahren an, also aus einer Transformations- und Aufbauzeit, die von so vielen Schwierigkeiten geprägt gewesen ist (Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung, Gründung der Zweckverbände, Lösung des Altanschließerproblems, Erlass wirksamen Satzungsrechts, vgl. LT-Ds. 5/7642, S. 10 f.), dass der Landesgesetzgeber dem bei der Regelung einer Höchstfrist für die Abgabenerhebung durch eine besondere zehnjährige Hemmung Rechnung tragen durfte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2020 - 1 BvR 2838/19 , juris Rn. 28 ff; BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 2021 - 9 C 9.20 -, juris Rn. 17 f.). Vielfach dürfte sich nicht belastbar feststellen lassen, welche Aufwandspositionen der damalige Satzungsgeber durch Beiträge gedeckt wissen wollte. Die seinerzeitigen Beitragssatzungen weisen teilweise kuriose Regelungen zur Beitragshöhe auf, der Beitragssatz war oft nur gegriffen oder nur durch eine fehlerhafte Kalkulation untersetzt, die in vielen Fällen auch nicht mehr auffindbar sein dürfte. Abgesehen davon erstreckt sich die Herstellung einer leitungsgebundenen Ver- oder Entsorgungsanlage typischerweise über einen längeren, u. U. jahrzehntelangen, Zeitraum, der stets ein Vielfaches der Gebührenkalkulationsperioden umfasst. Das, was nach der Beitragssatzung an Beitragsaufkommen eingenommen werden soll, kann bei der Gebührenkalkulation nicht von Anfang an in voller Höhe als Abzugskapital angesetzt werden; vielmehr muss ein sachgerechter Bezug zur jeweiligen Kalkulationsperiode hergestellt werden, der u. a. dem gewollten "Wachstum" der Einrichtung Rechnung trägt. Den diesbezüglichen Schwierigkeiten mögen die Gemeinden und Zweckverbände nach den Vorstellungen des Bundesverwaltungsgerichts durch ein pragmatisches, ggf. bloß überschlägiges Vorgehen Rechnung tragen dürfen (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2021 - 9 C 9.20 -, juris Rn. 46 ff.). Kompliziert und streitträchtig bleibt es dennoch.
Jedenfalls bis Ende 2023 dürfte keine Gemeinde und kein Zweckverband im Land Brandenburg seine Benutzungsgebühren so kalkuliert haben, wie es das Bundesverwaltungsgericht für notwendig hält. Insbesondere dürfte nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch eine Rückzahlung aller tatsächlich gezahlten Beiträge kombiniert mit einheitlichen Gebührensätzen, wie wenn es nie Beiträge gegeben hätte, unzulässig sein, so dass Gemeinden und Verbände, die den oben beschriebenen "Rückzahlungsweg" gewählt haben, vor besonderen Problemen stehen (vgl. hierzu jüngst VG Cottbus, Urteil vom 18. Juli 2024 - VG 6 K 476/22 -, juris). Die Auswirkungen des Urteils vom 17. Oktober 2023 dürften sich auch nicht auf das Land Brandenburg beschränken. Zwar besteht hier die Sondersituation, dass es verbreitet zu Fällen hypothetischer Festsetzungsverjährung gekommen ist. Das ändert aber nichts daran, dass das Bundesverwaltungsgericht für § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG eine Auslegung als geboten ansieht, die ausgehend von seiner Argumentation auch für Parallelvorschriften anderer Länder gelten dürfte, ohne dort bisher praktiziert worden zu sein (vgl. hierzu etwa Mittag, ZUR 2024, 299; vgl. auch VG Cottbus, a. a. O., Rn. 36 f.).
4. Die Auswirkungen des Urteils vom 17. Oktober 2023 besagen nichts zur Richtigkeit der Entscheidung. Indessen überzeugt auch die Begründung nicht. Das Bundesverwaltungsgericht argumentiert maßgeblich mit dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgedanken. Die auch aus seiner Sicht erforderliche einfach-rechtliche Vertrauensgrundlage (vgl. juris Rn. 23; 26) sieht es in § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG in Verbindung mit dem vom Einrichtungsträger geschaffenen Satzungsrecht, und zwar - wie ausgeführt - dahin, dass nach § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG als Abzugskapital das nach dem (ggf. auch unwirksamen Satzungsrecht) geplante Beitragsaufkommen anzusetzen sei (a. a. O., Rn. 22; 46). Diese einfach-rechtliche Vertrauensgrundlage besteht in Wahrheit nicht, und zwar weder hinsichtlich des ins Feld geführten gesetzlichen noch hinsichtlich des satzungsrechtlichen Elements. Schon der insoweit vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung des als Landesrecht grundsätzlich nicht revisiblen § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) ist nicht zu folgen (a.). Ihr stehen Wortlaut (aa.), Gesetzessystematik (bb.), Regelungszweck und die sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Intention des Gesetzgebers (cc.) entgegen, und sie ist auch nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung vorzunehmen (dd.). Vorliegend würde sich an der Zulässigkeit und Gebotenheit eines gespaltenen Gebührensatzes überdies selbst dann nichts ändern, wenn dem Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG zu folgen wäre; das ergibt sich aus dem Inhalt des hier die Lage hypothetischer Festsetzungsverjährung auslösenden Satzungsrechts (b.).
a.aa. Nach § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG bleibt bei der Ermittlung der Verzinsung und der Abschreibungen der aus Beiträgen "aufgebrachte" Eigenkapitalanteil außer Betracht (Abzugskapital). „Aufgebracht“ bedeutet im Zusammenhang mit Geldmitteln oder Kapital, dass etwas aufgetrieben, beschafft oder zusammengebracht worden ist (vgl. etwa Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage; Paul, Deutsches Wörterbuch, 9. Auflage; Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, https://www.dwds.de/wb/aufbringen, abgerufen am 23. September 2024). Ein Begriffsverständnis, das auch das bloß Gewollte oder Angestrebte mit umfasst, ist damit nicht zu vereinbaren. Es macht einen grundlegenden Unterschied, ob (Eigen-)Kapital bereits eingenommen oder nur eingeplant ist. Den Begriff im Wege der Auslegung auf den Kostenanteil zu erstrecken, der durch Beiträge gedeckt werden soll oder sollte und ihn damit von der tatsächlichen Zahlung der Beiträge zu entkoppeln, überschreitet die Wortlautgrenze (ebenso Kluge, in: Becker u.a., KAG Bbg, Stand: Juli 2024, § 6, Rn. 49r; vgl. auch Brüning, in: Driehaus, KAG, Stand: März 2024, § 6, Rn. 162a; VGH Mannheim, Urteil vom 27. Januar 2000 - 2 S 1621/97 -, juris Rn. 29, zu § 9 Abs. 3 Satz 2 KAG BW a. F.).
bb. Nach § 64 Abs. 2 KomVerf Bbg (§ 75 Abs. 2 GO a. F.) hat die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge a) soweit vertretbar und geboten, aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen, b) im Übrigen aus Steuern zu erzielen. Nach § 6 Abs. 1 KAG sind Benutzungsgebühren zu erheben, wenn eine Einrichtung oder Anlage überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder Personengruppen dient, sofern nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird (Satz 1). Das veranschlagte Gebührenaufkommen soll die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung oder Anlage in den Fällen des Satzes 1 in der Regel decken (Satz 3 Halbsatz 2). Kosten im Sinne des Abs. 1 sind nach § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten, wobei zu den ansatzfähigen Kosten gemäß Abs. 2 Satz 2 auch Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals gehören.
Unter „betriebswirtschaftlichen Grundsätzen“ werden betriebswirtschaftliche Lehrmeinungen verstanden, die in der wissenschaftlichen Literatur mit beachtlichem Gewicht vertreten werden, ohne jedoch notwendig eine Mehrheitsmeinung darzustellen, und die zumindest teilweise Eingang in die betriebswirtschaftliche Praxis gefunden haben (vgl. OVG Münster, Urteile vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, juris Rn. 8; und vom 19. Mai 1998 - 9 A 5709/97 -, juris Rn. 10; Kluge, a. a. O., Rn. 445 ff.). Es entspricht der wohl herrschenden, jedenfalls aber einer weit verbreiteten Auffassung zum Benutzungsgebührenrecht, dass nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen schon die Kürzung der Abschreibungsbasis um die tatsächlich gezahlten Beiträge nicht geboten ist, sondern eine diesbezügliche gesetzliche Regelung eine gewisse Abweichung von betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bedeutet. Danach dienen Abschreibungen nicht der Deckung des Anschaffungsaufwandes, sondern dem Ausgleich des Wertverzehrs durch die Nutzung von Sachmitteln. Der Wertverzehr an einem dem Betrieb zur Verfügung stehenden Wirtschaftsgut bestimmt sich aber nicht nach der (zufälligen) Herkunft der hierfür verwendeten Finanzierungsmittel, diese ist betriebswirtschaftlich irrelevant (vgl. OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 12. April 2001 - 2 D 73/00.NE -, S. 14 UA; OVG Lüneburg, Urteil vom 9. Oktober 1990 - 9 L 279/89 -, juris Rn. 7; Vetter/Schönenbroicher/Pommer, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2. Auflage, D. Gebühren, Rn. 274; Gawel, BayVBl. 2013, 517, (518)). Tatsächlich sehen die Kommunalabgabengesetze für die Berechnung der gebührenfähigen Abschreibungen mehrheitlich keine Kürzung der Abschreibungsbasis vor, selbst nicht um das tatsächlich eingenommene Beitragsaufkommen (siehe etwa § 6 Abs. 2 KAG NW; § 5 Abs. 2 KAG NI; § 6 Abs. 2 KAG SH; § 10 Abs. 2 KAG HE; § 13 Abs. 1 und 2 KAG SN; § 6 Abs. 2 KAG SL; grds. auch § 14 Abs. 3 KAG BW; § 8 Abs. 2 KAG RP). In der Literatur wird auch für die kalkulatorische Verzinsung angenommen, dass es nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen kein Erfordernis dafür gibt, in Höhe des Beitragsaufkommens zinsfreie Eigenkapitalanteile anzunehmen. Anderslautende landesrechtliche Regelungen beruhten primär auf verteilungspolitischen Erwägungen (vgl. Böttcher, Kalkulatorische Kosten in der Gebührenberechnung kommunaler Einrichtungen, S. 152 f.; Gawel, BayVBl. 2013, 517, (521 f.)).
Vor diesem Hintergrund ist es systemwidrig, § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG in noch stärkerer Abkehr von betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und dem Kostendeckungsprinzip dahin auszulegen, dass sich nicht nur die tatsächlich eingenommenen, sondern bereits die vorgesehenen Beiträge gebührenmindernd auswirken. Die Berücksichtigung von nur veranschlagten Beiträgen als fiktives Abzugskapital schließt denklogisch eine auskömmliche Gebührenbedarfsrechnung aus (vgl. auch Brüning, NVwZ 2024, 255).
cc. Nach der Ursprungsfassung des KAG blieb der aus Beiträgen aufgebrachte Eigenkapitalanteil nur bei der kalkulatorischen Verzinsung außer Betracht. Erst mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 27. Juni 1995 (GVBl. I, S. 145) wurde diese Regelung auch auf die Ermittlung der Abschreibungen erstreckt. Diese ist erfolgt, um den aus damaliger Sicht zu hohen Gebühren Rechnung zu tragen. Genauer ist es darum gegangen, eine bestimmte Doppelbelastung der Beitragszahler zu vermeiden (vgl. OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 -, juris Rn. 32; Urteil des Senats vom 6. Juni 2007 - OVG 9 A 77.05 -, juris Rn. 35; Beschluss des Senats vom 10. Oktober 2012 - OVG 9 RS 4.12 -, juris Rn. 18). Der Gesetzesänderung im Jahr 1995 ist eine lange und kontroverse Diskussion vorausgegangen. Im ursprünglichen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ist eine Kürzung der Abschreibungsbasis um die Beiträge noch nicht vorgesehen gewesen. Eine entsprechende Gesetzesänderung hat erst ein Änderungsantrag vom März 1995 vorgesehen. Zur Begründung wird in der Anlage zum Ausschussprotokoll 2/144 vom 4. April 1995 ausgeführt (Hervorhebung nur hier):
„Um der Diskussion zu begegnen, daß ein Beitragszahler „doppelt“ zur Bezahlung der Anlage herangezogen wird, wenn der Beitrag in der Gebührenkalkulation durch Verminderung der Abschreibung nicht berücksichtigt wird, sieht der Entwurf nunmehr vor, dass Beitragsleistungen stets unberücksichtigt bleiben.“
In der 2. Lesung vom 22. Juni 1995 hat die Abgeordnete Dettmann (SPD) zur Begründung der Gesetzesänderung ausgeführt (Plenarprotokoll 2/17, S. 1457; Hervorhebung nur hier):
„Das aus Beiträgen erbrachte Eigenkapital wird in die Gebührenberechnung nicht einbezogen. Damit wollen wir eine Doppelbelastung der Beitragszahler vermeiden. Die hohen Anlagekosten müßten nach unserer Meinung von mehreren Generationen bezahlt werden. Es kann nicht so sein, daß eine Generation auf der einen Seite die Beiträge zahlt und auf der anderen Seite die Beiträge über die Gebühren noch einmal finanziert.“
Es ist danach darum gegangen, nach der Kommunalisierung der Wasserver- und Abwasserentsorgung und der Einführung diesbezüglicher Vorteilsentgelte zu verhindern, dass die Generation, die die erstmalige Herstellung der öffentlichen Einrichtung über Beiträge finanzierte, auch noch mit einem Entgelt für den Verschleiß zu belasten. Diese Generation als solche sollte nicht über gebührenfähige Abschreibungen "noch einmal" auf etwas zahlen, das sie selbst schon durch Beiträge finanziert hat. Letzteres hat sie indessen nur getan, soweit die Beiträge tatsächlich geflossen sind. Dabei ist dem Gesetzgeber bei der Gesetzesänderung 1995 bewusst gewesen, dass bereits die Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten Beiträge als Abzugskapital die Einrichtungsträger vor große finanzielle Schwierigkeiten stellen werde. Das Ministerium der Finanzen sprach sich in einer Stellungnahme vom Mai 1995 gegen die geplante Kürzung der Abschreibungsbasis aus. Diese stünde im Widerspruch zur Rechtslage in den anderen Bundesländern. Die Abschreibung vom ungekürzten Anschaffungs- und Herstellungswert sei rechtlich zulässig und nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zwingend geboten. Anderenfalls würde ein stetiger Zuschussbedarf zementiert (S. 2 und 5 der Stellungnahme). Die Abgeordnete Dettmann führte hierzu in der o.g. Parlamentsdebatte aus (a. a. O., Hervorhebung nur hier):
„Wir wollen, wie gesagt, eine Senkung der Gebühren durch das KAG erreichen. Im einzelnen handelt es sich um Änderungen, die den Abwasserverbänden sehr, sehr weh tun. Wir sind dabei an die äußerste Grenze gegangen, um für die Gebührenzahler eine Senkung der Gebühren zu ermöglichen.“
Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe zusätzlich zu den tatsächlich gezahlten Beiträgen auch noch die nicht gezahlten, aber geplanten Beiträge als Abzugskapital berücksichtigen wollen. Die Gesetzesmaterialien lassen vielmehr die Intention des Gesetzgebers erkennen, den Gebührenpflichtigen zwar "entgegenzukommen", dabei aber nicht zu weit zu gehen, sondern eine "Schmerzgrenze" zu beachten.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der vom Gesetzgeber gewollten Vermeidung einer Doppelbelastung auf den Umstand hinweist, dass grundsätzlich alle Gebührenzahler auch Beiträge zahlten (Urteil vom 17. Oktober 2023, juris Rn. 22; 47), ergibt sich hieraus nichts anderes. Zwar entspricht es tatsächlich dem "Normalfall", dass die Gebührenzahler auch Beiträge zahlen, und dies kann unter Umständen auch dazu führen, dass es zu gewissen Doppelzahlungen kommt, nämlich dann, wenn ein Grundstück schon angeschlossen ist und schon Gebühren gezahlt werden, während bei der Beitragserhebung die Festsetzungsfrist ausgenutzt wird; in diesem Fall wird über die Gebühren u. U. (anteilig) schon auf Abschreibungen für Anlagegüter gezahlt, deren Anschaffungs- und Herstellungskosten später (anteilig) noch durch den Beitrag gedeckt werden. Eine auch insoweit sozusagen 100-%-ige Vermeidung von Doppelzahlungen ist indessen erkennbar nicht Teil der Regelungsabsicht des Gesetzgebers gewesen. Hätte er sie gewollt, hätte er in der Tat wohl vorsehen müssen, schon das nur geplante Beitragsaufkommen als Abzugskapital anzusetzen, und zwar in jeweils sachgerechter Beziehung zur jeweiligen Gebührenkalkulationsperiode. Es hätte nahegelegen und wäre ein Leichtes gewesen, dem durch den Gesetzeswortlaut Ausdruck zu verleihen. Das hat der Gesetzgeber indessen nicht getan, sondern sich erkennbar auf eine nicht „perfekte", aber gut handhabbare Regelung beschränkt, die sich innerhalb dessen bewegt, was teilweise auch in anderen Bundesländern vorzufinden ist, und völlig ausreicht, die Doppelbelastung einer bestimmten Generation im Großen und Ganzen zu vermeiden (vgl. auch OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 -, juris Rn. 32: Doppelbelastung wird „grundsätzlich“ vermieden).
Diejenigen, die wegen echter oder hypothetischer Festsetzungsverjährung dauerhaft keinen Beitrag zahlen, werden mangels "erster Zahlung" ohnehin nicht doppelt belastet, wenn sie Gebühren zahlen, wie wenn es keine Beiträge gäbe. Für eine zu vermeidende Doppelbelastung der Nichtbeitragszahler ist nichts erkennbar (ebenso Brüning, NVwZ 2024, 255; vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 27. Januar 2000 - 2 S 1621/97 -, juris Rn. 29).
dd. § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG ist auch nicht aus Verfassungsgründen dahin auszulegen, dass (nicht nur die tatsächlich gezahlten, sondern) alle nach dem Satzungsrecht geplanten Beiträge bei der Ermittlung der Abschreibungs- und Verzinsungsbasis als Abzugskapital anzusehen wären.
Wortlaut, Systematik, Gesetzeszweck und Entstehungsgeschichte ziehen einer verfassungskonformen Auslegung Grenzen. Sie darf sich nicht über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 , juris Rn. 50, m. w. N. ). Aus Sicht des Senats ist dieser aus den vorstehend genannten Gründen eindeutig darauf gerichtet, nur die tatsächlich gezahlten Beitrage als Abzugskapital anzusetzen. Soweit dies verfassungswidrig sein sollte, ließe sich das nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung überwinden. Eine solche Auslegung ist aber auch nicht geboten. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Gründe dafür, als „aus Beiträgen aufgebrachten Eigenkapitalanteil" im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG das Eigenkapital anzusehen, das nach dem Satzungsrecht aus Beiträgen aufgebracht werden "soll":
(1) Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2023 ist dafür nichts zu entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht argumentiert mit dem Vertrauen in eine bestimmte Rechtsposition, die sich gerade aus der in Rede stehenden Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG ergeben soll. Für diese Auslegung selbst gibt das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil keine verfassungsrechtlichen Gründe an; den Begriff "verfassungskonforme Auslegung" verwendet es nicht.
(2) Auch dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (- 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, juris) ist nichts zu einer aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG zu entnehmen. Der Beschluss verhält sich allein zum Vertrauensschutz gegenüber einer Änderung der beitragsrechtlichen Vorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in einer bestimmten Fallgestaltung (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2023, juris Rn. 16).
(3) Die in Rede stehende Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht deshalb geboten, weil nur sie einem Verhältnis von Anschlussbeitrag und Benutzungsgebühr gerecht würde, das verfassungsrechtlich vorgegeben wäre. Die Abgabentypen Beitrag und Gebühr sind begrifflich durch das Grundgesetz nicht vorgegeben und auch sonst bundesrechtlich nicht vorgeprägt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 2005 - 10 B 10.05 -, juris Rn. 4, m. w. N.).
(4) Die in Rede stehende Auslegung ist verfassungsrechtlich auch nicht deshalb geboten, weil nur sie dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Belastungsklarheit und vorhersehbarkeit entspräche. Nach diesem Grundsatz muss der Gesetzgeber von Verfassungs wegen sicherstellen, dass Vorteilsabgaben nicht unbegrenzt lange nach Entstehung des Vorteils erhoben werden können. Dabei kommt ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 2021 - 1 BvL 1.19 -, juris Rn. 61 ff., m. w. N.). Eine Möglichkeit zur Schaffung von Belastungsklarheit und vorhersehbarkeit sind Verjährungsvorschriften. Diese sind durchgängig forderungsbezogen und nicht forderungsübergreifend, geschweige denn abgabenübergreifend, ausgestaltet. Das gilt auch in Bezug auf die brandenburgischen Regelungen zur Festsetzungsverjährung von einerseits Beiträgen und andererseits Benutzungsgebühren. Die forderungs- und abgabenbezogene Ausgestaltung der Verjährungsvorschriften korrespondiert mit der unterschiedlichen Natur von Beitrag und Benutzungsgebühr. Nach der Ausgestaltung im Land Brandenburg knüpft der Anschlussbeitrag tatbestandlich an die bloße Anschlussmöglichkeit an, wird als Gegenleistung für den wirtschaftlichen Vorteil gezahlt, der aus der bloßen Anschlussmöglichkeit folgt, dient dem Ersatz des Aufwandes für die Anschaffung oder Herstellung und wird nach der Grundstücksgröße und dem Maß der möglichen Bebauung bemessen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 6 KAG). Die Benutzungsgebühr knüpft tatbestandlich an die tatsächliche Inanspruchnahme an (bei der Grundgebühr an die Inanspruchnahme der Vorhalteleistung), ist Gegenleistung für die durch die Inanspruchnahme gebotenen vielfältigen Vorteile, dient der Deckung der in der jeweiligen Kalkulationsperiode anfallenden Kosten und wird nach der Inanspruchnahme bemessen (§§ 4 Abs. 2, 6 KAG). Beitrags- und Gebührenschuldner sind nicht notwendigerweise identisch. Die Schnittmenge der jeweiligen Abgabenpflichtigen knüpft nicht an gemeinsame tatbestandliche Merkmale an, sondern an die zwar statistisch häufige, logisch aber lediglich zufällige gleichzeitige Erfüllung unterschiedlicher Abgabentatbestände in einer Person. Der Anschlussbeitrag ist insbesondere auch nicht als eine Art Abschlag auf die später anfallenden Benutzungsgebühren zu verstehen (vgl. zum Vorstehenden OVG Münster, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, juris Rn. 18 ff.; Böttcher, Kalkulatorische Kosten in der Gebührenberechnung kommunaler Einrichtungen, S. 119 ff.; Heßhaus, Kalkulation kommunaler Benutzungsgebühren, S. 100 f.).
Angesichts der unterschiedlichen Natur von Beitrag und Benutzungsgebühr liegt es auf der Hand, dass die Verjährung des Beitrages nicht auch zur Verjährung der Gebühr führen muss. Ebenso wenig muss sie in der Weise auf die Benutzungsgebühr durchschlagen, dass verjährte Beiträge kalkulatorisch zu einer niedrigeren Benutzungsgebühr führen. Eine entsprechende verfassungsrechtliche Pflicht lässt sich insbesondere nicht damit begründen, dass die gesetzlich geregelte Verjährung des Beitrages in Wahrheit die Verjährung eines abstrakten Rechts sei, Ersatz für bestimmte Aufwandspositionen im Wege einer Vorteilsabgabe geltend zu machen. Ein solches Verständnis übergeht den Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Verjährungsvorschriften und ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Die Vorschriften in Bezug auf die Verjährung des Beitrages schaffen Klarheit dahin und begründen Vertrauen darauf, dass der Betroffene keinen Beitrag zahlen muss. Er ist davor geschützt, für die wirtschaftlichen Vorteile, die ihm durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung erwachsen (namentlich Wertsteigerung seines Grundstücke) eine spezielle Gegenleistung in Gestalt eines Beitrags erbringen zu müssen. Ein darüber hinausgehendes Vertrauen darauf, dass der verjährte Beitrag gebührenrechtlich, genauer im Rahmen der Gebührenkalkulation, als „gezahlt" anzusehen ist, wird durch die beitragsrechtlichen Vorschriften (einschließlich der Regelungen über die Verjährung des Beitrages) nicht begründet und unterliegt auch keinem verfassungsrechtlichen Schutz. Wäre es anders, so wären alle Vorschriften der Länder über die Benutzungsgebührenkalkulation verfassungswidrig, in denen (sogar) davon abgesehen wird, die gezahlten Beiträge bei der Ermittlung der gebührenfähigen kalkulatorischen Abschreibung als Abzugskapital zu berücksichtigen (vgl. die Nachweise oben unter 4.a.bb.). Denn diese Vorschriften lassen regelungstechnisch schon im Ansatz keinen Raum dafür, in Bezug auf die gebührenfähigen Abschreibungen einer Beitragsverjährung Rechnung zu tragen. Die Auffassung, die Berücksichtigung von gezahlten Beiträgen als Abzugskapital bei der Berechnung der gebührenfähigen Abschreibungen sei verfassungsrechtlich vorgegeben, ist jedenfalls bisher nicht vertreten worden; solche Details der Verfassung zu entnehmen, schriebe letztlich dem Verfassungsgeber selbst die Rolle eines Gebührengesetzgebers zu.
(5) Schließlich gebietet auch der Gleichheitssatz keine Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG im oben genannten Sinne. Zwar nimmt das BVerwG im Urteil vom 17. Oktober 2023 eine beträchtliche Ungleichbehandlung an, weil den betreffenden Grundstückseigentümern durch die Nichtberücksichtigung des Abzugskapitals ihre geschützte Vertrauensposition entzogen werde (juris, Rn. 52 f.). Allerdings beruht die angenommene Vertrauensposition auch insoweit konstitutiv auf einer einfach-rechtlichen Auslegung des Landesrechts, der aus den genannten Gründen nicht zu folgen ist. Der Umstand, dass sowohl die Zahlung als auch die Verjährung einer Kommunalabgabe zu deren Erlöschen führt, bedeutet nicht, dass nicht nur gezahlte, sondern auch verjährte Beiträge aus Gleichheitsgründen bei der Ermittlung der Basis für die gebührenfähige kalkulatorische Verzinsung und Abschreibung als Abzugskapital anzusetzen wären; vielmehr besteht insoweit hinsichtlich der Deckung des Investitionsaufwandes ein wesentlicher Unterschied, auf den der Landesgesetzgeber auch abheben darf.
b. Ungeachtet des Vorstehenden würde das Urteil vom 17. Oktober 2023 im vorliegenden Fall der Festlegung eines gespaltenen Gebührensatzes auch dann nicht entgegenstehen, wenn dem Bundesverwaltungsgericht zu folgen wäre. Wie bereits ausgeführt, ist nach dessen Ansatz das vom Einrichtungsträger geschaffenen Satzungsrecht maßgeblich für das, was an Herstellungsaufwand durch Beiträge gedeckt werden soll und deshalb bei der Gebührenkalkulation als Abzugskapital anzusetzen ist (Urteil vom 17. Oktober 2023, juris Rn. 22 f.; 46). Wegen der vom Bundesverwaltungsgericht gezogenen Verbindung zur hypothetischen Festsetzungsverjährung (a. a. O., Rn. 23; 30) ist dabei regelmäßig auf eine (unwirksame) Satzung aus den 1990er Jahren abzustellen, weil schon diese Satzung das Erfordernis einer wirksamen rückwirkenden Satzung ausgelöst hat, das dem § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. zu entnehmen und für das Entstehen einer Lage hypothetischer Festsetzungsverjährung wesentlich ist.
Vorliegend ist im Hinblick auf das danach maßgebliche Beitragssatzungsrecht der Antragsgegnerin festzustellen, dass eine Beitragserhebung in Bezug auf Altanschließergrundstücke nicht vorgesehen war (aa.), so dass insoweit auch kein veranschlagtes Beitragsaufkommen angenommen werden kann, das in der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen wäre (bb.).
aa. In der am 26. Mai 1993 beschlossenen ersten Beitragssatzung der Antragsgegnerin (SBS 1993) war in § 2 der Gegenstand der Beitragspflicht wie folgt geregelt:
„(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen werden können und
1. für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können,
2. für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie bebaut sind oder nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen oder gewerblich genutzt werden darf,
3. für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie gewerblich ohne Bebauung genutzt werden.
(2) Wird ein Grundstück an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen nach (1) nicht vorliegen.
(3) Grundstück im Sinne dieser Satzung ist das Grundstück im Sinne des Grundbuchrechts.“
Diese Regelung wurde von der Antragsgegnerin auch in den nachfolgenden Beitragssatzungen ohne wesentliche Änderung beibehalten. Erst in der Beitragssatzung vom 26. Oktober 2011 (SBS 2011) traf sie eine abweichende Regelung. § 2 SBS 2011 lautete nunmehr:
„(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage angeschlossen werden können oder angeschlossen sind, für die ein Anschlussrecht besteht und
a) für die eine bauliche, gewerbliche oder vergleichbare sonstige Nutzung, bei der Schmutzwasseranfällt oder anfallen kann, festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich bzw. vergleichbar in sonstiger Weise genutzt werden dürfen oder
b) für die eine bauliche, gewerbliche oder vergleichbare sonstige Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen oder bebaubar sind oder gewerblich bzw. in vergleichbarer sonstiger Weise so nutzbar sind, dass Schmutzwasser anfällt oder anfallen kann oder wenn sie im Außenbereich tatsächlich so baulich, gewerblich oder in vergleichbarer Weise genutzt werden, dass Schmutzwasser anfällt oder anfallen kann.
(2) Grundstück im Sinne dieser Satzung ist unabhängig von der Eintragung im Liegenschaftskataster und im Grundbuch jeder zusammenhängende Grundbesitz desselben Eigentümers, der eine selbständige wirtschaftliche Einheit bildet.“
Die Regelungen in § 2 Abs. 1 und 2 SBS 1993 erfassten nur solche Grundstücke, für die die Vorteilslage im zeitlichen Geltungsbereich der Satzung entstanden ist, was im Fall des Absatzes 2 – schon nach dem Wortlaut der Bestimmung - voraussetzte, dass der Anschluss nach dem Inkrafttreten der Satzung hergestellt „wird“. Demgegenüber ließen diese Regelungen nicht bzw. jedenfalls nicht hinreichend deutlich erkennen, dass damit auch Grundstücke der Beitragspflicht unterworfen werden sollten, die bei Inkrafttreten der Satzung bereits angeschlossen waren oder angeschlossen werden konnten (vgl. Unkel, in: Driehaus, KAG, Stand: März 2024, § 8, Rn. 555, zum nahezu wortgleichen § 2 der nordrhein-westfälischen Mustersatzung aus dem Jahr 1972). Auch aus den weiteren Regelungen der SBS 1993 ergibt sich kein entsprechender Wille der Antragsgegnerin. Damit konnte namentlich für die altangeschlossenen Grundstücke durch § 2 SBS 1993 keine Beitragspflicht entstehen. Eine auch diese Grundstücke erfassende Regelung beinhaltete erst die SBS 2011.
Dass die Antragsgegnerin die altangeschlossenen Grundstücke erst mit dieser Satzung zu einem Beitrag heranziehen wollte, geht auch aus der Beschlussvorlage vom 28. September 2011 klar hervor. Dort wird u. a. ausgeführt:
„Es wird ein einheitlicher Herstellungsbeitrag für die altangeschlossenen und neuangeschlossenen Grundstücke beschlossen ...
Im Zusammenhang mit anhängigen Klageverfahren wurde vom Verwaltungsgericht Potsdam die Stadt Falkensee darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. August 2008 – 9 B 40/08 – eine Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis der Aufgabenträger (hier Stadt Falkensee) nicht (mehr) gegeben ist, die bisher für die altangeschlossenen Grundstücke (s. g. Altanschließer) angenommen werden konnte. Vom Verwaltungsgericht Potsdam war auch darauf hingewiesen worden, dass in der Stadt Falkensee Altanschließer vorhanden sind.
Sind Altanschließer vorhanden, ist für die Ermittlung des höchstzulässigen Beitragssatzes die Erarbeitung einer Globalkalkulation notwendig. Eine Rechnungsperiodenkalkulation (wie bisher) ist nicht ausreichend.“
bb. Damit konnte das von der Antragsgegnerin geschaffenen Satzungsrecht – gleich, ob hierbei auf die SBS 1993 oder eine nachfolgende Beitragssatzung aus den 1990er Jahren abzustellen ist - auch bei Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG kein Vertrauen darauf begründen, dass mehr als das Beitragsaufkommen, das die Neuanschließer aufgebringen sollten, in der Gebührenkalkulation als Abzugskapital angesetzt wird. Auch danach musste es hier zu einer gespaltenen Gebühr kommen. Denn die nach der Satzung von Beiträgen verschonten Altanschließer konnten nicht davon ausgehen, dass zu ihren Gunsten ein fiktives Abzugskapital in Höhe einer fiktiven Veranlagung ihrer Grundstücke angesetzt wird. Es entspricht vielmehr der Logik des Urteils vom 17. Oktober 2023 (unter der Prämisse, das diesem zu folgen ist), die Beitragssatzung insoweit ernst zu nehmen, und zwar gerade auch, was die Obergrenze des angestrebten Beitragsaufkommens anbelangt. Dementsprechend mussten die Altanschließer davon ausgehen, dass ihre satzungsmäßig vorgesehene Verschonung von Beiträgen hinsichtlich der Refinanzierung des Investitionsaufwandes zu einer Deckungslücke führen würde. Sie konnten schlechterdings nicht darauf vertrauen, dass diese Deckungslücke zu ihren Gunsten aus allgemeinen Steuermitteln ausgeglichen würde. Es musste vielmehr klar sein, dass diese Lücke über Gebühren zu schließen sein würde (vgl. § 75 Abs. 2 GO a. F.). Insoweit konnten die Altanschließer objektiv auch nicht schutzwürdig darauf vertrauen, dass sie von dem Abzugskapital profitieren würden, das ausschließlich die Neuanschließer aufbringen sollten (und aufbrachten); ebenso wenig darauf, dass die Neuanschließer überdies auch noch über Gebühren an der Schließung der Deckungslücke zu beteiligen seien, die durch die beitragsmäßige Verschonung der Altanschließer entstanden war. Letztere mussten mit anderen Worten schon seinerzeit damit rechnen, dass es zu einer gespaltenen Gebühr mit einem höheren Satz für sie kommen würde. Die solchermaßen beschränkte Vertrauensbasis würde nach dem Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 17. Oktober 2023 mit dem Eintritt der hypothetischen Festsetzungsverjährung unveränderlich. Es ist nicht ersichtlich, warum sie dann irgendwann in eine Vertrauensposition umgeschlagen sein sollte, die im Kern darin besteht, dass die Altanschließer gebührenmäßig behandelt werden müssen, als hätten sie einen wie auch immer zu bestimmenden „vollen" Beitrag bezahlt.
II. Allerdings erweist sich die konkrete Ausgestaltung der festgelegten Gebührensätze als rechtswidrig. Die Antragsgegnerin hat den Gebührensatz für die Beitragszahler (§ 3 Abs. 1 SGS) fehlerhaft ermittelt. Der ermäßigte Gebührensatz muss gewährleisten, dass das von den Beitragszahlern aufgebrachte Beitragsaufkommen vollständig zu ihren Gunsten gebührenmindernd als Abzugskapital berücksichtigt wird. Zur Berechnung des Gebührensatzes sind die ansatzfähigen Kosten durch die ansatzfähigen Maßstabseinheiten zu teilen. Daraus folgt, dass bei der Ermittlung des ermäßigten Gebührensatzes für die Beitragszahler nur die ansatzfähigen Kosten und nur die Maßstabseinheiten anzusetzen sind, die gerade auf den Kreis der Beitragszahler entfallen (vgl. bereits Urteil des Senats vom 6. Juni 2007 - OVG 9 A 77.05 -, juris Rn. 40). Zur Ermittlung des Gebührensatzes für die Beitragszahler ist daher zunächst zu prognostizieren, welcher Teil der Maßstabseinheiten auf diese Gruppe entfällt. Ferner sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten nach diesem Verteilungsschlüssel zwischen den Beitragszahlern und den Nichtbeitragszahlern aufzuteilen und im Rahmen der Berechnung der kalkulatorischen Kosten (Abschreibung und Zinsen) das Beitragsaufkommen nur hinsichtlich der Beitragszahler als Abzugskapital zu berücksichtigen. Die weiteren ansatzfähigen Kosten und die Maßstabseinheiten sind den Beitragszahlern und Nichtbeitragszahlern ebenfalls nach dem oben genannten Verhältnis zuzuordnen (zur Methodik vgl. Urteil des Senats vom 13. August 2019 - OVG 9 A 5.17 -, juris Rn. 47; Beschluss vom 24. September 2020 - OVG 9 A 6.17 -, juris Rn. 67).
Diesen Vorgaben hat die Antragsgegnerin hier nicht entsprochen. Ausweislich der vorgelegten Gebührenkalkulation für die Jahre 2018/2019 hat sie zwar das Beitragsaufkommen zu Gunsten der Beitragszahler berücksichtigt. Sie hat aber weder ermittelt, welcher Teil der prognostizierten Maßstabseinheiten der Mengengebühr auf die Gruppe der Beitragszahler entfällt, noch hat sie diesen die ansatzfähigen Kosten und die Maßstabseinheiten nach diesem Verteilungsschlüssel zugeordnet. Die schriftsätzliche Behauptung der Antragsgegnerin, eine Hochrechnung der Zahlen zum 30. Juni 2018 habe ergeben, dass „die Menge der Beitragszahler für das Jahr 2018 ziemlich genau den prognostizierten 1.700.000 m³ entspreche“, ist nicht nachvollziehbar. Ausweislich des Kalkulationsberichts (dort S. 11) handelt es sich hierbei um die prognostizierte Gesamtmenge für alle Gebührenpflichtigen. Damit ist die gebührenmindernde Wirkung der Beiträge nicht vollständig an die Gruppe der Beitragszahler weitergegeben worden und diese in diesem Umfang unzulässigerweise doppelt belastet.
Bei der von der Antragstellerin ebenfalls gerügten Veranlagung von Grundstücken mit Wohneigentum verschiedener Eigentümer handelt es sich um eine Frage der Satzungsanwendung im Einzelfall, der hier nicht weiter nachgegangen werden muss.
Die Nichtigkeit des Gebührensatzes für die Beitragszahler erfasst auch den Gebührensatz der Nichtbeitragszahler (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 13. August 2019 - OVG 9 A 10.17 -, juris Rn. 25) und führt zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt, da dieser damit ein Teil des nach § 2 Abs. 1 KAG erforderlichen Mindestinhalts fehlt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.