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Personalratswahl, Wahlbewerber, passives Wahlrecht, Wahlwerbung, Zugang zu E-Mail-Verteiler


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 60. Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) Entscheidungsdatum 01.11.2024
Aktenzeichen OVG 60 PV 2/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:1101.OVG60PV2.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 20 PersVG BE, § 935 ZPO

Leitsatz

Eine Pflicht der Dienststellenleitung, vor Personalratswahlen ohne Berücksichtigung aller vorhandenen und von ihr eingeräumten Werbemöglichkeiten jedenfalls das interne E-Mail-System zu Werbezwecken freizuschalten, besteht nicht.

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Oktober 2024 wird zurückgewiesen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der sich zur Wahl für eine Personalvertretung der Polizei B. stellt, gegen den im personalvertretungsrechtlichen Verfahren ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Oktober 2024, mit dem dieses den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Anhörung zurückgewiesen hat, ist statthaft (wie OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Juli 2020 – OVG 60 PV 8/20 – juris Rn. 2 und OVG Münster, Beschluss vom 9. November 2020 – 20 B 1111/20.PVB – juris Rn. 5) und nach Form und Frist zulässig. Der Antragsteller hat sie beim Oberverwaltungsgericht einlegen dürfen (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auch in einem solchen Fall hat zunächst das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ob es der sofortigen Beschwerde abhilft (§ 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO; siehe Jänich, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2021, § 572 Rn. 2). Das Verwaltungsgericht Berlin hat am 31. Oktober 2024 beschlossen, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen. Das Oberverwaltungsgericht entscheidet über die sofortige Beschwerde abweichend von § 92 Abs. 3 PersVG, der dem § 568 ZPO vorgeht, wegen der besondere Eilbedürftigkeit in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, ohne zusätzlich vier ehrenamtliche Richter. Denn die Wahl hat bereits heute, am XX November 2024 begonnen.

Der Antragsteller beantragt mit seiner Beschwerde wörtlich,

die Beteiligte zu 1 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Listenführer der Liste „“ die Möglichkeit einzuräumen, Wahlwerbung zur Personalratswahl 2024 in zwei E-Mails, eigenverantwortlich - hilfsweise vermittelt über die Dienststelle - an die dienstliche E-Mail-Adresse aller Wahlberechtigten zu versenden.

Der Antragsteller hat auch mit der seiner Beschwerde beigefügten Begründung einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 91 Abs. 2 PersVG i.V.m. § 85 Abs. 2 Satz 1, 2 ArbGG und danach § 920 Abs. 2 i.V.m. §§ 935, 936 ZPO).

Gemäß § 20 Satz 1 PersVG darf niemand die Wahl des Personalrats behindern oder in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Wiese beeinflussen, darf insbesondere kein Wahlberechtigter in der Ausübung des passiven Wahlrechts beschränkt werden. Das gilt für die Wahl des Gesamtpersonalrats nach § 51 Abs. 3 Satz 2 PersVG und für die Wahl des Hauptpersonalrats nach § 56 Abs. 2 Satz 2 PersVG entsprechend. Aus dieser Vorschrift folgt die Zulässigkeit von Wahlwerbung durch Wahlbewerber auch innerhalb der Dienststelle bzw. Dienststellen, in der bzw. in denen er zur Wahl steht (Germelmann/Binkert/Germelmann, PersVG Berlin, 4. Aufl. 2022, § 20 Rn. 17; Kunze, in: Daniels/Kunze/Pätzel/Witt, PersVG Berlin, 5. Aufl. 2023, § 20 Rn. 3). Die Dienststellenleitung darf die Wahlwerbung nicht aus den Dienststellen verbannen oder auf Zeiten außerhalb der Dienstzeiten verweisen. Die Wahlbewerber müssen die Chance erhalten und nutzen können, sich den Wählern mit ihren Vorstellungen zu präsentieren. Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Wahl von Gleichstellungsbeauftragten gelten entsprechend: „Die Wahlbewerberinnen haben ein Recht auf Wahlwerbung, beispielsweise durch Verteilen von Handzetteln und Broschüren, das Anbringen von Plakaten, Darstellungen im behördlichen Intranet oder persönliche Gespräche mit Wählerinnen. Die Wählerinnen können nicht sinnvoll über Kandidatinnen abstimmen, die sie nicht kennen“ (BVerwG, Urteil vom 19. September 2012 – 6 A 7.11 – juris Rn. 41). Eine Grenze sei dort zu ziehen, wo aufgrund von wahlkampfbedingten Werbungsmaßnahmen der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde (BVerwG, a.a.O.).

Die Wahlwerbung obliegt allerdings den Kandidaten selbst, nicht der Dienststellenleitung. Diese hat einerseits Maßnahmen gegen eine Wahlwerbung im genannten Rahmen zu unterlassen. Die Dienststellenleitung ist andererseits nicht verpflichtet, Werbeaktionen von Wahlbewerbern durch aktives Tun zu unterstützen, sofern sie nicht allen Wahlbewerbern gleichermaßen hilft. Denn die Dienststellenleitung ist zur Neutralität verpflichtet (Kunze, in: Daniels/Kunze/Pätzel/Witt, PersVG Berlin, 5. Aufl. 2023, § 20 Rn. 3). Sie schuldet aktiv nur das Ermöglichen von Wahlwerbung, etwa durch die Bereitstellung von Schwarzen Brettern in den Dienstgebäuden oder durch die Einrichtung entsprechender Seiten im behördlichen Intranet für alle Kandidaten (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. August 2014 – OVG 62 PV 10.13 – juris Rn. 18). Diese Handlungspflicht hat die Dienststellenleitung erfüllt, wenn es den Wahlbewerbern mit angemessenem Aufwand möglich ist, sich und ihr Anliegen den Wählern zu präsentieren. Die Dienststellenleitung ist nicht darüber hinaus verpflichtet, alles zu tun und einzurichten, um die Werbemöglichkeiten der Wahlbewerber zu optimieren und alle Wünsche der Kandidaten zu erfüllen. Sie braucht insbesondere nicht mit ihren Dienstkräften Werbeaktionen einzelner Wahlbewerber außerhalb der eröffneten Werbeforen zu assistieren.

Nach diesen Maßstäben ermöglicht die Beteiligte zu 1 schon auf der Grundlage der vom Antragsteller behaupteten Tatsachen hinreichend die Wahlwerbung für alle Kandidaten. Der Antragsteller trägt vor, die Beteiligte habe E-Mails in diesem Jahr für unzulässig erklärt, um den Dienstbetrieb nicht zu beeinträchtigen. Wahlwerbung könne gebündelt auf einer Seite im Intranet erfolgen, die als „digitales Schwarzes Brett“ bezeichnet werde. Weiterhin bestehe eine Möglichkeit zur Versendung von Wahlwerbung über die Dienstpost. Dementsprechend ist in den Äußerungen der Beteiligten zu 1 von „Analogen Schwarzen Brettern“ in den einzelnen Dienststellen sowie vom „Digitalen Schwarzen Brett“ im Intranet die Rede. Der Antragsteller legt nicht dar, dass und warum die Nutzung der analogen Schwarzen Bretter, des digitalen Schwarzen Bretts, dass und warum die Versendung oder Verteilung von Wahlwerbung und die persönliche Ansprache der Wähler ungenügend sein soll, sich und sein Anliegen zu präsentieren. Wenn nach seiner Behauptung die Liste „“ keine eigenen analogen Bretter haben, ist damit nicht zugleich dargetan und glaubhaft gemacht, dass die Liste ihre Wahlwerbung in den Dienststellen nicht aushängen kann. Der Hinweis des Antragstellers auf unterschiedliche finanzielle Spielräume der Wahlbewerber mag beim Umfang, der Ausstattung und der Auflage von Werbezetteln und -broschüren zum Tragen kommen, verfängt jedoch nicht bei den „Schwarzen Brettern“ und der persönlichen Ansprache.

Eine Pflicht der Dienststellenleitung, ohne Berücksichtigung aller vorhandenen und von ihr eingeräumten Werbemöglichkeiten jedenfalls das interne E-Mail-System zu Werbezwecken freizuschalten, besteht nicht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. August 2014 – OVG 62 PV 10.13 – juris Rn. 19). Eine solche Handlungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsteller für sich angeführten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08 – (juris). Dort wurde zumal nur für Gewerkschaften das Recht erkannt, eigenmächtig Informationen an dienstliche E-Mail-Anschriften zu senden, die der Gewerkschaft bekannt waren. Der Arbeitgeber konnte von der Gewerkschaft nicht die Unterlassung verlangen. Er wurde vom Bundesarbeitsgericht aber nicht verpflichtet, selbst aktiv zu werden und die Versendung der Gewerkschaftspost zu ermöglichen oder vorzunehmen. Im Unterschied dazu verlangt der Antragsteller von der Beteiligten zu 1 die Freischaltung seines dienstlichen Outlook-Postfachs, hilfsweise die Weiterleitung seiner zu Werbezwecken verfassten E-Mails, und damit ein aktives Tun. Schließlich ist es nach den nicht substantiiert bestrittenen Äußerungen der Beteiligten zu 1 allen Wahlbewerbern untersagt, das interne, nur dienstlichen Zwecken dienende E-Mail-System für Wahlwerbung zu nutzen. Wenn der Antragsteller vorträgt, dass in den Dienststellen vertretene Gewerkschaften E-Mails an ihre Mitglieder und weitere Dienstkräfte schickten und dazu deren dienstliche E-Mail-Adressen verwendeten, handelt es sich um eigenmächtiges Handeln der Gewerkschaften, nicht um ein aktives Tun der Beteiligten zu 1.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 85 Abs. 2, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).