Gericht | OLG Brandenburg 10. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 21.10.2024 | |
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Aktenzeichen | 10 W 22/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:1021.10W22.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde der Klägerin wird unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Neuruppin vom 16.10.2023, Az. 1 O 116/15 zurückgewiesen und der Beschluss unter Wegfall der Festsetzung bis zum 31. Januar 2018 klarstellend wie folgt gefasst:
Der Streitwert wird auf 1.752.502,44 € festgesetzt.
I.
Die Parteien haben den Rechtsstreit mit Beschluss vom 16. Oktober 2023 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO beendet und die Kosten gegeneinander aufgehoben. Das Landgericht hat den Streitwert mit diesem Beschluss
bis zum 12. September 2016 auf 482.479,49 € für die Klage und die Widerklageanträge zu 1) und 2) und
ab dem 31. Januar 2018 auf 1.752,502,44 € für die Klageerweiterung vom 29. Januar 2018 und die Widerklageanträge zu 1) bis 3)
festgesetzt (Bl. 1111 R f. LG, zugestellt am 18. Oktober 2023, Bl. 1124). Hiergegen richtet sich die mit der Formulierung „legen wir“ beim Landgericht am 9. April 2024 von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingelegte Beschwerde mit den Anträgen, den Streitwert
bis 12. September 2016 auf 319,955,42 €
ab 31. Januar 2018 auf 1.000.000 €
festzusetzen (Bl. 1137 LG). Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, dass der Wert der Klage und Widerklageanträge zu 1) und 2) gemäß § 45 GKG nicht zu addieren seien, da es sich um denselben Gegenstand handele. Daher sei der höhere Wert, der der Klage von 319.955,42 €, maßgeblich. Denn die widerklagend geltend gemachte Bürgschaftsforderung hänge vom Bestand der klageweise geltend gemachten Werklohnforderung ab.
Gleiches gelte für den Streitwert ab dem 31. Januar 2018, der sich ebenfalls nach der höchsten Forderung, nämlich des Widerklageantrags zu 3) über 1.000.000 €, richte.
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 29. Mai 2024 nicht abgeholfen. Vorliegend sei jeweils nicht „derselbe Gegenstand“ betroffen, so dass die erfolgte Zusammenrechnung der Werte zutreffend sei. Der Werklohnanspruch der Klage stelle einen anderen Anspruch als der mit dem Widerklageantrag zu 3) geltend gemachte Verzögerungsanspruch dar. Ebenso sei nicht zwingend, dass die Anerkennung der Klageforderung notwendigerweise die Aberkennung der Bürgschaftsherausgabeansprüche (Widerklageanträge 1 und 2) nach sich ziehe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig, obwohl aus der in der Beschwerdeschrift angeführten Formulierung „legen wir“ nicht ausdrücklich folgt, ob es sich um eine solche der Prozessbevollmächtigten der Klägerin oder der Klägerin selbst handeln soll. Allerdings würde es für eine Beschwerde der Prozessbevollmächtigten an der auch für § 32 RVG erforderlichen Beschwer fehlen, weil eine Herabsetzung des Streitwerts mit der Beschwerde erreicht werden soll. Danach kann es sich nur um eine Beschwerde der Klägerin nach § 68 Abs. 1 S. 1 GKG handeln (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 28. Januar 2013 – 3 W 12/13 –, Rn. 6, juris). Über die so ausgelegte Beschwerde hat der Senat gemäß § 68 Abs. 1 S. 5 iVm § 66 Abs. 6 S. 1 Hs. 2, S. 3 ZPO in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zu entscheiden, da das Landgericht in dieser Besetzung entschieden hat (BeckOK KostR/Laube, 46. Ed. 1.7.2024, GKG § 68 Rn. 143, beck-online). Die Beschwerde ist auch fristgerecht gemäß § 68 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 iVm § 63 Abs. 3 S. 2 GKG, da sie innerhalb von sechs Monaten nach dem Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO, durch den sich das Verfahren anderweitig im Sinne von § 63 Abs, 2 S. 2 2. Alt. GKG erledigt hat, eingelegt worden ist.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Soweit das Landgericht zwei sogenannte Stufenstreitwerte festgesetzt hat, war die landgerichtliche Entscheidung allerdings wie geschehen klarstellend zu korrigieren. Da „Stufenstreitwerte“ nach der Rechtsprechung des Senats für die hier allein maßgeblichen Gerichtsgebühren gemäß § 40 GKG ohne Bedeutung sind, ist allein der höchste Wert maßgeblich. Der Gebührenstreitwert dient der Bemessung der wertabhängigen Gerichtsgebühren, die sich etwa durch Klagerücknahme, übereinstimmende Erledigterklärung oder andere unstreitige Erledigungen vermindern lassen, dies jedoch nicht auf der Ebene des Streitwerts, sondern des Gebührensatzes. Auch die Rücknahme einer Klage senkt den Streitwert nicht auf Null, sondern belässt ihn beim ursprünglichen Wert. Eine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung hat daher für die Gerichtsgebühren nicht zu erfolgen, denn die Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 2 1 GKG dient lediglich der Bemessung der Gerichtsgebühren (OLG München, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 15 U 2407/16, NJW-RR 2017, 700, beck-online; Hartmann, KostG, § 63 GKG Rn. 16; vgl. Zöller/Herget, ZPO, § 3 Rn. 8; Fölsch, NZM 2016, 500). Besonderheiten, die dennoch die Festsetzung von Stufenstreitwerten nach dem GKG erfordern könnten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Insofern bestand für das Landgericht kein Anlass, im Verfahren nach dem GKG alleine wegen einer Klageänderung einen Stufenstreitwert festzusetzen (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 7. März 2022 – 3 W 3/22 –, Rn. 12, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 101 Sch 126/20 –, Rn. 38, juris; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 7. November 2022 – L 1 KR 240/19 B –, Rn. 16, juris; VG Köln, Urteil vom 25. Oktober 2023 – 21 K 3887/20 –, Rn. 127, juris), so dass die dennoch erfolgte Festsetzung von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG ersatzlos aufzuheben war.
Nach den vorstehenden Maßstäben ist vorliegend der höchste Streitwert im erstinstanzlichen Verfahren gemäß § 40 GKG maßgeblich. Einzig in Betracht kommen dabei die auch vom Landgericht herangezogenen Streitwerte der Klage und Widerklageanträge 1) und 2) sowie der Klage samt Widerklageantrag zu 3).
a) Im Hinblick auf den Streitwert von Klage und Widerklage vor dem 12. September 2016 war zutreffender Streitwert allerdings nicht wie vom Landgericht festgesetzt 482.479,49 €, sondern 319.955,42 €. Werden die Herausgabe der Bürgschaftsforderung einerseits und die gesicherte Forderung andererseits in einem Prozess geltend gemacht, so ist wegen wirtschaftlicher Gleichwertigkeit nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG nach einhelliger Auffassung ein einheitlicher Streitwert festzusetzen (KG Berlin, Beschluss vom 8. August 2022 – 21 W 11/22 –, Rn. 4, juris, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Januar 2016 – I-9 W 8/15 –, juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 1 W 21/14 –, Rn. 4, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. Juni 1998, 12 W 36/98 - juris; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 3 ZPO, Rn. 16_52; Toussaint/Elzer, 54. Aufl. 2024, GKG § 45 Rn. 15, beck-online; NK-GK/Ralf Kurpat, 3. Aufl. 2021, GKG § 45 Rn. 18, beck-online).
b) Dieser Streitwert von 319.955,42 € ist allerdings niedriger, als der gemäß § 40 GKG für Klage und Widerklageerweiterung ab dem 31. Januar 2018 maßgebliche Streitwert, der auf 1.752.502,44 € festzusetzen war und damit der höchste für die Wertfestsetzung nach dem GKG maßgebliche Streitwert ist. Die Klage in Höhe von zuletzt 752.502,44 € betrifft eine Werklohnforderung der Klägerin (Bl. 400 LG), der Widerklageantrag zu 3) die Zahlung von 1.000.000 € Schadensersatz insbesondere für Verzögerungsschäden (Bl. 341 LG).
Den hierfür maßgeblichen Streitwert hat das Landgericht gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zutreffend unter Zusammenrechnung auf 1.752.502,44 € bestimmt. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG findet keine Anwendung, wenn mit Klage und Widerklage lediglich Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschneiden, sondern unterschiedliche Vermögenspositionen betreffen (BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – VIII ZR 261/12 –, Rn. 5, juris; BGH, Beschluss vom 6. Juni 2013 – I ZR 190/11 –, Rn. 11, juris). Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist (BGH, Beschluss vom 11. April 2019 – I ZR 205/18 –, Rn. 7, juris; BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2015 – III ZB 61/15 –, juris; BGH, Beschluss vom 12. September 2013 – I ZR 58/11 –, Rn. 6, juris).
Danach ist eine Zusammenrechnung erforderlich. Zwar folgen Werklohn und Schadensersatzansprüche aus demselben Vertragsverhältnis. Sie überschneiden sich aber wirtschaftlich nicht, da sie mit Werklohn einerseits und Schadensersatz auf unterschiedliche wirtschaftliche Interessen gerichtet sind. Daher hat das Landgericht zu Recht eine Zusammenrechnung vorgenommen.
3. Eine Kostenentscheidung ist wegen § 68 Abs. 3 GKG nicht veranlasst.