Gericht | LG Neuruppin 1. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 12.08.2022 | |
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Aktenzeichen | 1 O 114/20 | ECLI | ECLI:DE:LGNEURU:2022:0812.1O114.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach der am 26.02.1936 geborenen und am 02.10.2019 verstorbenen W… einen Betrag in Höhe von 150.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach der am 26.02.1936 geborenen und am 02.10.2019 verstorbenen W… einen Betrag in Höhe von 31.136,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2021 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 3 % und die Beklagte 97 % zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
6. Der Streitwert wird auf 186.136,41 € festgesetzt.
Der Kläger begehrt Zahlungen an die Erbengemeinschaft.
Der Kläger ist der Sohn des von der Erblasserin vorverstorbenen Ehemanns aus erster Ehe. Die Beklagte ist die jüngere Schwester der Erblasserin.
Die Erblasserin erstellte am 04.07.1994 mit ihrem Ehemann einen Erbvertrag, mit dem beide unter anderem den Kläger im Sinne des § 1941 II BGB als Erben einsetzten (vgl. Anlage K1, Bl. 10f. d. A.). Die Erblasserin war seit 2008 verwitwet.
Die Erblasserin errichtete am 24.09.2013 eine Vorsorgevollmacht und setzte die Beklagte, hilfsweise die Tochter der Beklagten, als Bevollmächtigte ein. Die Beklagte verfügte auch über eine Kontovollmacht für das Konto der Erblasserin.
Die Erblasserin war seit dem 03.01.2019 in der Einrichtung P… GmbH in R….
Die Erblasserin erteilte der Beklagten unter dem 08.04.2019 Vollmacht zur Veräußerung der zuletzt von ihr bewohnten Immobilie (vgl. Anlage K5, Bl. 16f. d. A.). Dort ist u.a. geregelt:
„[...] Ich, Frau W…, [...] bevollmächtige hiermit Frau M… [...] den Kaufpreis in Empfang zu nehmen[...]“
Die Beklagte veräußerte mit Notarvertrag vom 02.05.2019 das Grundstück der Erblasserin zum Kaufpreis von 150.000,00 EUR (vgl. Bl. 40ff. d. A.). Den Kaufpreis zahlten die Käufer direkt auf das Konto der Beklagten.
Am 02.10.2019 verstarb die Erblasserin.
Der Kläger und der weitere Vertragserbe J… nahmen die Erbschaft an. Der weitere Vertragserbe F… verstarb am 16.06.2013 unter Hinterlassung eines Sohnes. Dieser erklärte vor der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Neuruppin unter dem 25.02.2020 die Ausschlagung der Erbschaft aus jedem Berufungsgrund, nachdem das Nachlassgericht diesen erst nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes vom 03.02.2020 über den Anfall der Erbschaft und den Berufungsgrund in Kenntnis setzen konnte.
Mit Schreiben vom 03.03.2020 forderte der Kläger von der Beklagten Rechenschaft über die Vollmachtausübung. Diese teilte mit, in Ausübung dieser Vollmacht habe sie die Immobilie zum Kaufpreis von 150.000 EUR veräußert. Einen Anspruch der Erbengemeinschaft hat die Beklagte mit Schreiben vom 30.04.2020 zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 03.06.2021 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zum 18.06.2021 zur Rechenschaftslegung hinsichtlich diverser Buchungen in Höhe von 36.136,41 EUR (vgl. Anlage K12, Bl. 137ff. d. A.) auf dem Konto der Erblasserin auf. Die Beklagte erteilte die Auskunft mit Schriftsatz vom 21.07.2022.
Der Kläger hat die Klage mit Schriftsatz vom 26.07.2021 erweitert, die Erweiterung mit Schriftsatz vom 25.08.2021 geändert und am 18.03.2022 die Klage teilweise - in Höhe von 5.000,00 EUR - einseitig für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt zuletzt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach der am 26.02.1936 geborenen und am 02.10.2019 verstorbenen W… einen Betrag in Höhe von 150.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach der am 26.02.1936 geborenen und am 02.10.2019 verstorbenen W… einen Betrag in Höhe von 31.136,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2021 zu zahlen.
3. Festzustellen, dass der Rechtsstreit hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 5.000,00 EUR in der Hauptsache erledigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass die Erblasserin ihr den Kaufpreis i.H.v. 150.000,00 EUR geschenkt habe. Die Erblasserin habe ferner an den Sohn der Beklagten einen Betrag i.H.v. 5.000,00 EUR und an die Beklagte einen Betrag i.H.v. 20.000,00 EUR geschenkt. Die Bargeldauszahlungen vom Konto der Erblasserin seien entweder zusammen mit der Erblasserin vorgenommen worden und diese habe das Geld sogleich in Empfang genommen oder die Beklagte habe es der Erblasserin im Pflegeheim überbracht.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen O…, D… und P… (vgl. Beweisbeschluss vom 18.10.2021, Bl. 166ff. d. A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 18.03.2022 (vgl. Bl. 232ff. d. A.) Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I. Der Kläger kann den Betrag in Höhe von 150.000,00 EUR, den die Beklagte für den Verkauf der Immobilie der Erblasserin von den Käufern erhalten hat, von der Beklagten an die Erbengemeinschaft herausverlangen, gem. §§ 662, 667, 1922, 2039 BGB.
1. Bei dem Verkauf des Grundstücks der Erblasserin, der die Grundstücksveräußerungsvollmacht vom 08.04.2019 zugrunde liegt, handelt es sich um einen Auftrag i.S.d. § 662 BGB zwischen der Erblasserin und der Beklagten.
Die Abgrenzung von einem Auftrag zu einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis, welches keine rechtlichen Pflichten auslöst, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wenn für den Auftragnehmer erkennbar ist, dass der Auftraggeber ein wesentliches Interesse an der Durchführung des Auftrages hat, ist von einem Rechtsbindungswillen auszugehen. Es kommt darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger, also den Auftraggeber, wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage des Leistenden verlässt.
Ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer spricht grundsätzlich nicht gegen einen Auftrag i. S. von § 662 BGB. Denn ein „besonderes Vertrauensverhältnis“ zwischen den Beteiligten ist der Regelfall eines Auftrages mit rechtlichen Verpflichtungen. Wenn ein Familienangehöriger Geldgeschäfte für einen anderen Familienangehörigen erledigt – im Rahmen einer Vorsorgevollmacht oder auch im Rahmen eines Einzelauftrages – wird man im Regelfall von einem Auftrag mit rechtlichen Verpflichtungen ausgehen müssen (vgl. bspw. OLG Schleswig, FamRZ 2014, 1397; OLG Brandenburg, Urt. v. 20. 11. 2013 – 4 U 130/12, juris). Eine abweichende Bewertung kann nur ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls in Betracht kommen.
Die Erblasserin hat vorliegend ein wesentliches Interesse an der Durchführung des Auftrages gehabt und mithin mit Rechtsbindungswillen gehandelt. Dafür spricht schon die notarielle Veräußerungsvollmacht. Denn dort sind die rechtlichen Verpflichtungen festgehalten. Es standen auch wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art der Erblasserin auf dem Spiel. Denn das Vermögen der Erblasserin bestand im Wesentlichen aus dem Grundstück. Der Grundstücksverkauf hat ferner eine - für die Beklagte erkennbare - wirtschaftliche Bedeutung für die Erblasserin gehabt. Insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass die Beklagte als Inhaberin der Kontovollmacht für das Konto der Erblasserin über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse informiert gewesen ist. Für die wirtschaftliche Bedeutung spricht außerdem, dass die Erblasserin zu dem Zeitpunkt der Grundstücksveräußerungsvollmacht bereits in der Einrichtung P… GmbH in R… gelebt hat. Es ist demnach nicht auszuschließen, dass die Erblasserin über ihr Vermögen frei verfügen wollte, nachdem der Gegenwert für ihr Vermögen in der Form der tatsächlichen Nutzung des Grundstückes weggefallen war.
Für die Beklagte hat auch kein Risiko einer hohen Haftung bestanden, was gegen das Vorliegen eines Auftragsverhältnis sprechen könnte, da ihr in der Grundstücksveräußerungsvollmacht weitgehende Freiheiten eingeräumt worden sind, die eine Haftung der Beklagte in Bezug auf den Grundstücksverkauf nahezu ausschließen.
Aus Sicht eines objektiven Beobachters hat sich das Handeln der Beklagten mithin nicht um eine Gefälligkeit dargestellt. Aus dem zwischen der Erblasserin und der Beklagten bestandenen besonderen persönlichem Vertrauensverhältnis allein ergibt sich jedenfalls nicht, dass hier vorliegend zwischen den Parteien kein Rechtsbindungswille bestanden hat.
Besondere Umstände, die dennoch für das Vorliegen eines Gefälligkeitsverhältnisses sprechen würden, liegen auch nicht in der bestrittenen Behauptung, dass die Erblasserin der Beklagten den Kaufpreis habe schenken wollen. Denn selbst bei einer Unterstellung, dass eine Schenkung zwischen den Parteien hinsichtlich des Kaufpreises vereinbart gewesen ist, führt dies nicht dazu, dass die Parteien ohne Rechtsbindungswillen hinsichtlich des Auftrages gehandelt haben. Denn aufgrund der mit der Veräußerung einhergehenden weitreichenden rechtlichen Folgen liegt es vielmehr nahe, dass sowohl die Erblasserin als auch die Beklagte in Anbetracht der daraus resultierenden gegenseitigen rechtlichen Pflichten mit Rechtsbindungswillen gehandelt haben.
Die Beklagte war mithin gem. § 667 BGB gegenüber der Erblasserin verpflichtet, alles, was sie aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herauszugeben. Im vorliegenden Fall ist das der erlangte Kaufpreis i.H.v. 150.000,00 EUR. Dieser Anspruch auf Herausgabe ist auf die Erbengemeinschaft übergegangen, vgl. § 1922 BGB, und der Kläger kann es für die Erben fordern, vgl. § 2039 BGB.
2. Der Anspruch ist auch durchsetzbar. Denn die Geltendmachung des Anspruches gem. § 667 BGB stellt keine unzulässige Rechtsausübung des Klägers i.S.d. § 242 BGB (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) dar.
Das wäre der Fall, wenn es sich bei dem Kaufpreis i.H.v. 150.000,00 EUR um eine Schenkung der Erblasserin an die Beklagte gehandelt hat. Denn dann hätte die Beklagte einen Anspruch i.S.d. §§ 516, 518 I BGB gegen die Erbengemeinschaft aufgrund des zwischen ihr und der Erblasserin abgeschlossenen Schenkungsvertrages und könnte den Kaufpreis i.H.v. 150.000,00 EUR verlangen.
a) Ein solcher Anspruch scheitert vorliegend jedenfalls nicht wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Form i.S.d. § 518 I BGB.
Denn der Formmangel der Schenkung i.S.d. § 518 I BGB führt nicht zu einer Nichtigkeit gem. § 125 BGB, sondern ist durch Bewirkung der versprochenen Leistung heilbar i.S.d. § 518 II BGB.
Entgegen der Auffassung der Klagepartei findet auch die Formvorschrift gem. § 311 b III BGB vorliegend keine Anwendung, weil die behauptete Schenkung nicht das ganze oder einen Bruchteil des ganzen gegenwärtigen Vermögens der Erblasserin zum Gegenstand hatte. Sie bezog sich vielmehr auf einen einzelnen bestimmten Vermögensgegenstand (Kaufpreis des Grundstücksverkaufs). Auf Verträge mit einem solchen Vertragsgegenstand ist § 311 BGB nicht anzuwenden.
Denn die Form des § 311 BGB hat ihren Grund darin, das derjenige vor übereilten und unüberlegten Handlungen geschützt werden soll, der die in der Vorschrift genannten Verträge über sein ganzes gegenwärtiges Vermögen oder über einen Bruchteil dieses ganzen Vermögens schließen will. Dieser Schutz ist notwendig, da der Vertragschließende in solchen Fällen oft keine sichere Vorstellung über den Umfang der von ihm eingegangenen Verpflichtung hat. Diese Voraussetzung trifft aber nicht zu, wenn die den Gegenstand des Vertrags bildenden Vermögensteile in dem Vertrag selbst bestimmt bezeichnet sind (vgl. BGH, NJW 1957, 1514, beck-online).
So liegt der Fall hier. Gegenstand der behaupteten Schenkung ist nicht das ganze oder ein Bruchteil des ganzen Vermögens der Erblasserin - auch wenn das Vermögen der Erblasserin im Wesentlichen aus dem Grundstück bestand - sondern lediglich der Erlös, der sich aus dem Verkauf des Grundstücks der Erblasserin ergeben hatte. Die Erblasserin ist also über den Umfang ihrer behaupteten eingegangenen Verpflichtung nicht besonders schutzbedürftig i.S.d. § 311 b III BGB gewesen, da sie eine sichere Vorstellung über ihre eingegangene Verpflichtung hatte. Durch den behaupteten Schenkungsvertrag wird mithin das Grundstück, respektive der vereinnahmte Kaufpreis für das Grundstück als Vermögensteil bestimmt bezeichnet.
b) Vorliegend ist das Gericht jedoch nicht davon überzeugt, dass die Erblasserin der Beklagten den Kaufpreis geschenkt hat.
Nach dem in § 286 I ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist ein Beweis erst erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Diese danach erforderliche Überzeugung erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, es reicht vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der Zweifeln Schweigen gebietet.
Nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme sind beim Gericht jedoch Zweifel bzgl. der behaupteten Schenkung geblieben.
Die verbleibenden Zweifel resultieren insbesondere aus folgenden Erwägungen:
aa) Gegen eine Schenkung spricht bereits, dass die Formvorschrift gem. § 518 I BGB hinsichtlich des Schenkungsversprechens nicht eingehalten worden ist, obwohl ein Notar hinsichtlich der Veräußerungsvollmacht in dieser Sache befasst gewesen ist und es naheliegend gewesen wäre, dass dieser sogleich den Schenkungsvertrag notariell beurkundet.
Insofern muss berücksichtigt werden, dass die Beklagte vorträgt (vgl. Klageerwiderung vom 14.07.2020, Bl. 36 d. A.), dass sich der Wunsch der Erblasserin, den Betrag schenken zu wollen, bereits aus der notariellen Veräußerungsvollmacht aufgrund der dort gewählten Formulierung, die Beklagte sei bevollmächtigt, „den Kaufpreis in Empfang zu nehmen“, ergeben würde. Das bedeutet, dass die Erblasserin bereits zu diesem Zeitpunkt die Beklagte beschenken wollte, so dass ohne Weiteres der Notar dieses Schenkungsversprechen hätte notariell beurkunden können.
Eine solcher notarielle Beurkundung ist jedoch nicht erfolgt und jedenfalls auch nicht in der gewählten Formulierung zu erkennen, da diese Formulierung lediglich aussagt, dass sie zu der vollständigen Abwicklung des Verkaufes bevollmächtigt wird, also auch zu der Entgegennahme des Kaufpreises berechtigt ist. Ein „in Empfang nehmen“ enthält aber keinen Aussagegehalt dahingehend, dass der Kaufpreis auch (endgültig) behalten werden darf. Eine derartige Klarstellung wäre insoweit aber auch ohne Weiteres möglich gewesen.
bb) Auch spricht der Erbvertrag der Erblasserin mit ihrem vorverstorbenen Ehemann gegen eine solche Schenkung, da daraus jedenfalls der Wille der Erblasserin ersichtlich ist, dass der Nachlass an die dort benannten Erben gehen soll. Sofern die Erblasserin nun den Großteil des Nachlasses verschenkt, steht das jedenfalls im Widerspruch zu der dort getroffenen Verfügung, da der Nachlass erheblich geschmälert wird.
Das Recht der Erblasserin, weiterhin uneingeschränkt über ihr Vermögen lebzeitig verfügen zu können gem. § 2286 BGB i.V.m. § 2 des Erbvertrages, bleibt von der Erbeinsetzung zwar grundsätzlich unberührt, kann aber nach Eintritt des Erbfalls bereicherungsrechtliche Ansprüche nach § 2287 BGB auslösen.
Darüber hinaus kann ein Verstoß des Erblassers gegen die erbvertragliche Bindung durch lebzeitige Verfügungen zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts unter Lebenden gem. § 138 BGB führen. Voraussetzung dafür, dass die „Aushöhlung“ zur Nichtigkeit des Zweitgeschäfts wegen Sittenverstoßes führt, ist, dass zu dem Verstoß gegen die erbvertragliche Bindung und der Beeinträchtigung des Vertragserben besondere, erschwerende Umstände hinzutreten, die die strengen Voraussetzungen des § 138 BGB erfüllen. Als solche besondere, erschwerende Umstände genügt im Hinblick auf die nur schuldrechtliche Sanktion des § 2287 selbst eine Benachteiligungsabsicht des Zuwendenden gegenüber dem Vertragserben noch nicht. Von Bedeutung kann in diesem Zusammenhang aber sein, ob die Werte, die der Zuwendende durch das Zweitgeschäft weggibt, sein ganzes Vermögen oder doch dessen Kern betreffen, oder ob in seinem Nachlass noch wesentliche Vermögenswerte für den Erbvertragspartner verbleiben.
Eine Entscheidung über eine etwaige Nichtigkeit kann vorliegend jedoch dahinstehen, da das Gericht bereits nicht von der Schenkung überzeugt ist.
cc) Schließlich hat die durchgeführte Beweisaufnahme zu keiner Überzeugung des Gerichts geführt, der den oben dargestellten Zweifeln hinsichtlich der behaupteten Schenkung Schweigen gebietet.
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Aussage des Zeugen O… trotz der unterlassenen Belehrung in der öffentlichen Sitzung am 18.03.2022 und erfolgten Rüge des Verfahrensfehlers durch die Beklagtenseite gem. §§ 295 I, 383 II, 383 I Nr. 3 ZPO verwertet werden kann, da die Einvernahme des Zeugen wiederholt, der Zeuge insoweit über das Zeugnisverweigerungsrecht naher Angehöriger belehrt und Hinweis auf die mangelnde Verwertbarkeit der Aussage wiederholt worden ist, vgl. §§ 377 III, 383, 398 ZPO.
Der Zeuge O… hat bekundet, dass er sich noch an den genauen Wortlaut der Erblasserin erinnern würde, was sie im Zusammenhang mit der notariellen Veräußerungsvollmacht gesagt habe. Dieser sei : „Wenn ich nicht mehr bin, soll [die Beklagte] das Geld behalten“.
Der Zeuge D… hat bekundet, dass er sich noch an eine Geburtstagsfeier der Erblasserin in (wahrscheinlich) 2017 erinnert, bei der die Erblasserin mitgeteilt habe, der Beklagten etwas schenken zu wollen. Auf Nachfrage des Beklagtenvertreters bekundete er dann noch, dass er am Rande gehört habe, dass es hinsichtlich des Geschenkes um einen Hausverkauf gehen und die Beklagte den Kaufpreis dafür erhalten solle.
Der Zeuge P… hat bekundet, dass er sich ebenfalls an einen Satz der Erblasserin erinnert, den sie an die Beklagte gerichtet habe. Sie habe gesagt: „Du erbst das sowieso, du bekommst das, was da ist“. Insoweit hat er ferner bekundet, dass das Geld, was aus dem Hausverkauf stammte, zunächst der Beklagten nur zur Verwaltung bekommen habe. Sie habe es auf ihr Konto bekommen, damit sie für den Fall, dass die Erblasserin etwas benötigt, ihr das auch geben konnte. Auf Nachfrage des Beklagtenvertreters bekundete er ferner, dass das Geld aus dem Hausverkauf zunächst nicht an [die Beklagte] geschenkt werden sollte, sondern diese sollte es nur verwalten. Das was später übrig war, sollte sie geschenkt bekommen. Er hat ferner bekundet, dass es auch seiner Sicht Haarspalterei sei zu sagen, die Beklagte sollte das Geld erst bekommen, wenn die Erblasserin tot sei. Sie sollte es schon im Zeitpunkt davor haben, um darüber verfügen zu können. Das ergebe sich vor allem daraus, dass die Beklagte die Vorsorgevollmachten für die Erblasserin hatte.
Die Zeugen sind glaubhaft. Das Gericht hatte bei der Befragung den Eindruck, dass die Zeugen nach bestem Wissen und dem Stand ihrer Erinnerung die Fragen des Gerichts beantwortet haben. Auf Erinnerungslücken oder Unsicherheiten haben die Zeugen von sich aus hingewiesen. Der Glaubhaftigkeit der Aussagen steht jedenfalls nicht entgegen, dass die Zeugen auf Nachfragen ihre jeweiligen Aussagen angepasst, respektive konkretisiert haben.
Die Zeugen sind auch glaubwürdig. An der Glaubwürdigkeit der Zeugen kann aufgrund ihrer familiären Verbundenheit zu der Beklagten allein nicht gezweifelt werden. Der Umstand, dass die Zeugen O… und P… auf Nachfrage ein Vorgespräch mit dem Beklagtenvertreter bestätigt haben, kann in Anbetracht der getätigten Aussagen jedenfalls nicht ihre Glaubwürdigkeit in Abrede stellen.
Die Aussagen der Zeugen O… und P… sprechen gegen eine Schenkung der Erblasserin an die Beklagte zu ihren Lebzeiten. Insoweit konnten sich nämlich beide Zeugen noch an einen genauen Wortlaut der Erblasserin erinnern, aus dem sich ergibt, dass die Beklagte den Kaufpreis erst im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin erhalten sollte. Eine solche Erinnerung kommt bei der Würdigung eine besondere Bedeutung zu, da anhand einer wörtlichen Äußerung der Erblasserin ihr Wille unmittelbar erkennbar wird.
Ferner hat der Zeuge P…, als Sohn der Beklagten, mit dieser über den Hausverkauf gesprochen und insoweit nachvollziehbar darstellen können, dass die Beklagte den Betrag zunächst nur für die Erblasserin verwalten sollte. Die Verfügungsmöglichkeit über das Geld stehe im Zusammenhang zu der Vorsorgevollmacht, so dass sich auch daraus ergibt, dass die Beklagte das Geld der Erblasserin lediglich verwalten sollte, nicht jedoch (zu Lebzeiten) geschenkt bekommen hat.
Die Aussage des Zeugen D… ist hinsichtlich des Beweisthemas nicht ergiebig, da er keine konkrete Aussage der Erblasserin mitbekommen hat, aus der sich ergibt, dass die Beklagte den Kaufpreis des Hausverkaufes erhalten soll. Seine Erinnerung basierten insoweit auf Hörensagen.
Demnach ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Beklagte den Kaufpreis zu Lebzeiten der Erblasserin von dieser geschenkt bekommen hat.
II. Der Kläger kann ferner Zahlung eines Betrages in Höhe von 31.136,41 EUR von der Beklagten an die Erbengemeinschaft verlangen, gem. §§ 280 I, 662, 667, 2039 BGB. Denn die Beklagte hat ihre Pflicht aus dem Auftragsverhältnis, nämlich das Konto der Erblasserin interessengerecht zu führen, verletzt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die von ihr getätigten Bargeldabhebungen und Überweisungen dem Interesse der Erblasserin entsprochen haben.
Insoweit konnte die Beklagte weder beweisen, dass die Erblasserin ihr 20.000,00 EUR geschenkt hat, noch dass die Erblasserin das Geld, das von der Beklagten vom Konto abgehoben worden ist, erhalten hat.
Hinsichtlich der Kontoabhebungen hat die Beklagte auf den von ihr angebotenen Zeugen verzichtet (vgl. Schriftsatz vom 20.05.2022, Bl. 271 d. A.) und ist somit beweisfällig geblieben.
Aber auch der von der Beklagten benannte Zeuge P… konnten die per Überweisung erfolgte Schenkung in Höhe von 20.000,00 nicht bestätigen. Er hat insoweit bekundet, dass er keinerlei Kenntnis zu den Überweisungen hat.
III. Der Antrag auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache i.H.v. 5.000,00 EUR ist jedoch unbegründet.
Der Antrag auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache ist begründet, wenn die ursprüngliche Klage zulässig und begründet war und durch ein nachträgliches Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. BGH NJW 1986, 588).
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung (Schriftsatz vom 25.08.2021) war die zulässige Klage unbegründet. Denn die Beklagtenseite hatte mit Schriftsatz vom 21.07.2022 mitgeteilt, dass der Zeuge P… einen Betrag i.H.v. 5.000,00 EUR als Dank für seine Arbeiten für die Erblasserin per Überweisung vom 07.03.2019 erhalten habe. In dem Termin vom 18.03.2022 hat der Zeuge dies bestätigt und die Klageseite daraufhin einseitig die Klage teilweise für erledigt erklärt. Die Klage i.H.v. 5.000,00 EUR ist demnach nicht durch ein nachträgliches Ereignis unbegründet geworden.
IV. Der Anspruch auf Zinsen folgt aus Verzugsgesichtspunkten gem. §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf 92 I ZPO
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Der Streitwert wird auf 186.136,41 EUR festgesetzt. Bei der Klage eines Miterben gegen einen Nachlassschuldner auf Leistung an die Erbengemeinschaft nach § 2039 BGB bestimmt sich der Streitwert nach der vollen begehrten Leistung (vgl. Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, III. Streitwerte im Erbrecht Rn. 20, beck-online; MüKoZPO/Wöstmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 3 Rn. 71).