Gericht | LG Neuruppin 1. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 12.09.2023 | |
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Aktenzeichen | 1 O 76/22 | ECLI | ECLI:DE:LGNEURU:2023:0912.1O76.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 18.408,96 € festgesetzt.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal.
Der Kläger erwarb auf Grundlage eines Kaufvertrages vom 23.05.2015 mit der Gebr. S… OHG den streitgegenständlichen Volkswagen Multivan Startline, mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WV2ZZZ7HZFH… als Gebrauchtwagen zum Preis von 32.000,00 €. In dem von der Beklagten hergestellten Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA189 des Volkswagenkonzerns mit der Schadstoffklasse Euro 5 verbaut. Bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger wies es einen Kilometerstand von 6.230 km auf. Am 24.05.2022 wies das Fahrzeug eine Kilometerleistung von 131.000 km auf.
Mit Bescheid vom 24.01.2020 erließ das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) einen Rückrufbescheid für Fahrzeuge der Marke VW T5/T6, Baujahre 2009 bis 2016, wegen einer Konformitätsabweichung, die zur Überschreitung des Euro-5-Grenzwertes für Stickoxide führe. Dieser Rückrufbescheid betraf nicht das streitgegenständliche Fahrzeug, sondern T 5-Modelle mit einem 7-Gang DSG-Automatikgetriebe. Die Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf der Internetseite der Beklagten ergab die Mitteilung: Ihr Fahrzeug ist nicht betroffen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.05.2022 forderte der Kläger die Beklagte auf, bis zum 03.06.2022 18.408,96 € (Kaufpreis abzüglich der bereits als möglich berechenbaren Nutzungsentschädigung mit Kilometerstand bei Klageinreichung) Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen.
Der Kläger behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 215/2007/EG versehen. Die Beklagte habe ihn daher vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Der streitgegenständliche Motor EA 189 enthalte - wie in den anderen Fällen der festgestellten Manipulation auch - eine Abschalteinrichtung, die Rollenprüfstandserkennung, die erkenne, ob sich der Motor bei der Zulassung auf dem NEFZ-Prüfstand oder im realen Betrieb befinde. Im realen Betrieb schalte dieser die Abgasrückführung aus, so dass erheblich mehr Abgase entstehen. Dies ergebe sich aus einem Prüfbericht der Deutschen Umwelthilfe. Die Beklagte habe im EG-Typgenehmigungsverfahren diesbezüglich unvollständige Angaben gemacht.
Darüber hinaus bestehe eine unzulässige temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems (sogenanntes Thermofenster), welches dazu führe, dass das Fahrzeug bei den hierzulande zumeist üblichen Außentemperaturen die Abgasrückführung und -reinigung deutlich reduziere und der Grenzwert für den Stickoxidausstoß überschritten werde.
Zwar habe das KBA diese Einrichtungen nicht beanstandet und bezüglich des Fahrzeuges des Klägers einen Rückruf nicht ausdrücklich angeordnet. Dies sei indes nicht relevant, da es sich insoweit um Rechtsfragen handele, die das Gericht zu beurteilen habe.
Mit der am 24.05.2022 bei Gericht eingegangenen und am 13.07.2022 zugestellten Klage hat der Kläger ursprünglich beantragt, erstens die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 18.408,96 € (Kaufpreis abzüglich der bereits als möglich berechenbaren Nutzungsentschädigung mit Kilometerstand bei Klageinreichung) abzüglich einer weiter zu berechnenden vom Gericht auf Basis einer Gesamtlaufleistung von zumindest 300.000 km zu schätzenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Zugrundelegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, zweitens festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im streitgegenständlichen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet und drittens die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.214,99 € freizustellen.
Nachdem der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug am 31.05.2022 zu einem Verkaufspreis von 17.500,00 € und bei einem Kilometerstand von 132.000 km veräußert hat, beantragt der Kläger nunmehr,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 800,03 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 31.05.2022 sowie aus einem Betrag von 18.408,96 € vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bis zum 30.05.2022 und
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.214,99 € freizustellen
und erklärt den Rechtsstreit in der Hauptsache im Übrigen für erledigt.
Die Beklagte widerspricht der teilweisen Erledigungserklärung und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der streitgegenständliche Motor besitze keine unerlaubte Abschalteinrichtung. Bei den T5-Fahrzeugen sei im Softwarecode des Motorsteuergeräts zwar eine Zykluserkennung in Form der bekannten EA189-Umschaltlogik als mögliche Bedatungsoption hinterlegt. Diese Zykluserkennung werde in T5-Fahrzeugen - wie dem streitgegenständlichen Fahrzeug - aber nicht genutzt, da diese Option nicht aktiv bedatet worden sei. Eine Umschaltlogik - wie in anderen Fahrzeugtypen mit EA189-Motor vorhanden - komme hier nicht zum Einsatz. Die Beklagte verweist darauf, dass die mit der Überprüfung des Fahrzeugtyps T5 Ende 2015 beauftragte ... GmbH festgestellt habe, dass eine Umschaltlogik - wie in anderen Fahrzeugtypen mit Ea189-Motor vorhanden - nicht zum Einsatz komme. Das KBA habe ebenfalls keinen Anlass gesehen, das streitgegenständliche Fahrzeug zurückzurufen. Namentlich das Fahrzeug des Klägers sei - unstreitig - von keinen derartigen Maßnahmen betroffen. Das Fahrzeug halte die vorgeschriebenen NEFZ-Laborwerte der Abgasnorm EU 5 ein. Hier würden aufgrund der Fahrzeugbeschaffenheit ohnehin höhere Grenzwerte gelten.
Das sog. Thermofenster stelle ebenfalls keine unzulässige Abschaltungseinrichtung dar. Das im streitgegenständlichen Fahrzeug applizierte Thermofenster entspreche dem zum Zeitpunkt der Entwicklung und des Inverkehrbringens modernsten Stand der Technik und sei zum sicheren Betrieb des Fahrzeugs notwendig und daher zulässig. Im Falle relativ niedriger Außentemperaturen könne es zu Schäden am Abgasrückführungssystem durch Ablagerungen (Versottung) kommen, während bei extrem hohen Außentemperaturen die Gefahr bestehe, dass die dadurch zusätzlich erhöhten Abgastemperaturen Teile des Abgasrückführungssystems beschädigten. Die Abgasrückführung erfolge in Abhängigkeit der Umgebungslufttemperatur in einem Temperaturbereich von ca. 3 Grad Celsius bis über 35 Grad Celsius hinaus. Die Außentemperatur sei nur einer von vielen Faktoren, die bei der Steuerung der Abgassysteme eine Rolle spielen könnten. Das OBD arbeite einwandfrei und entspreche allen gesetzlichen Anforderungen.
Im Hinblick auf einen etwaigen Anspruch aus § 826 BGB fehle es an einem sittenwidrigen Handeln. Die Auslegung von Emissionskontrollsystemen gemäß dem Stand der Wissenschaft und Technik und der entsprechenden Erkenntnismöglichkeiten eines Entwicklers könne nicht sittenwidrig sein. Das gelte selbst dann, wenn man die temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems unzutreffend als unzulässige Abschalteinrichtung ansehe. Eine Auslegung von Art. 5 Abs. 2 S. 2 a) VO 2007/715/EG, wonach eine temperaturabhängige Steuerung zulässig sei, sei zumindest nicht unvertretbar.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der von der Klagepartei geltend gemachte Anspruch ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB gegen die Beklagte nicht zu. Hiernach ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Die erforderliche objektive Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn die schädigende Handlung nach ihrem Inhalt bzw. Gesamtcharakter im Widerspruch zum Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden steht und daher mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung unvereinbar ist (BGH, Teilversäumnis- und Endurteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250).
Gemessen an diesen Voraussetzungen ergibt sich bereits aus dem klägerischen Vortrag keine Haftung der Beklagten.
Die in der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Oldenburg, Beschluss vom 05.12.2018 - 14 U 60/18; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18) zwar grundsätzlich bejahte Haftung der Beklagten beim Vertrieb von Fahrzeugen mit dem vom sog. Dieselskandal betroffenen EA189-Motor wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB beruht darauf, dass die Beklagte Fahrzeuge in Verkehr gebracht hat, die nicht über eine materiell gerechtfertigte, dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis verfügten, weil ihr Motor, wie die Beklagte wusste, aber verschwiegen hat, in Gestalt der sog. Umschaltlogik (vom Prüfmodus in den Fahrmodus) eine unzulässige Abschalteinrichtung aufwies, deretwegen im Falle des Gewahrwerdens korrigierende Nebenbestimmungen des KBA zu erwarten waren, bei deren Nichterfüllung die Stilllegung des Fahrzeugs in Betracht kam; die das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit begründenden besonderen Umstände lagen dabei insbesondere darin, dass die Umschaltlogik, die mit besonderen Einstellung für den erkannten Prüfmodus vorspiegelte, die NEFZ-Höchstgrenzen des NOx-Ausstoßes einzuhalten, dazu diente, die Genehmigung für Fahrzeuge zu erhalten, die sachlich an sich nicht absatzreif und nicht marktfähig waren, Umstände, die wegen der damit verbundenen Folgeprobleme (namentlich ungelöster technischer Fragen einer anderen, legalen Motorauslegung und denkbarer Wertminderung) jeden vernünftigen Käufer von dem Erwerb eines solchen Fahrzeugs hätten Abstand nehmen lassen (vgl. OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 23.01.2020 – 16 U 141/19, BeckRS 2020, 26260 Rn. 17-20, beck-online).
Dass solche Umstände in Ansehung des im streitgegenständlichen Fahrzeug Multivan Startline verbauten Motors - der zwar auch der Baureihe EA189 zuzuordnen ist - vorlägen, ist dennoch nicht genügend vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
Das Gericht verkennt dabei nicht den Umstand, dass es sich bei dem vorliegenden Motor um einen solchen der in einer Mehrzahl an Fällen manipulierten Art des EA189 handelt. Die Beklagtenpartei bestreitet auch nicht, dass den Multivan Startline Fahrzeugen im Softwarecode des Motorsteuergeräts eine Zykluserkennung in Form der bekannten EA189-Umschaltlogik als mögliche Bedatungsoption hinterlegt ist. Die Beklagte erläutert gleichwohl grundsätzlich nachvollziehbar den Hintergrund, warum diese Zykluserkennung in Multivan Startline Fahrzeugen - wie dem streitgegenständlichen Fahrzeug - nicht genutzt werde: bei Fahrzeugen dieses Typs nämlich gelten ohnehin höhere Grenzwerte, da die Fahrzeuge für mehr als sieben Insassen ausgelegt und somit Fahrzeuge „für besondere soziale Erfordernisse“ i.S.d. Art. 3 Nr. 2 lit. B) VO 715/2007 seien. Deshalb sei diese Option nicht aktiv bedatet worden.
Diesem Vortag ist die Klagepartei nicht entgegengetreten. Der Kläger schlussfolgert daraus gleichwohl, dass der Fall nicht anders bewertet werden könne, als andere Fälle bezogen auf den Motortyp des EA189. Wenn aber eine Manipulation tatsächlich gar nicht erfolgte, weil mit Blick auf unterschiedliche Grenzwerte nicht erforderlich, zeigt dies zwar den Betrugsvorsatz in Bezug auf die tatsächlich manipulierten VW-Motoren EA189; in dem hier zu entscheidenden Fall führt dies indes nicht zu einem Schadensersatzanspruch.
Weitere konkrete Indizien für die Richtigkeit ihrer Behauptung, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit mindestens einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, hat die Klagepartei nicht aufgezeigt. Derartige Indizien könnten sich etwa aus publizierten behördlichen oder sonstigen Untersuchungen zu dem streitgegenständlichen Fahrzeug ergeben, aus eigenen Ermittlungen und Untersuchungen der Klägerseite, aus einem behördlich angeordneten Rückruf betreffend das streitgegenständliche Fahrzeug, aus Verlautbarungen oder Maßnahmen des KBA und anderem (vgl. OLG Frankfurt a. M., Hinweisbeschluss vom 17.02.2020 – 12 U 353/19, BeckRS 2020, 2626 Rn. 9, beck-online).
Der Umstand, dass der hier verbaute Motor der Baureihe EA189 zuzuordnen ist, vermag einen ausreichenden Anknüpfungspunkt im genannten Sinn aus den bereits genannten Gründen nicht zu begründen. Auf diesen Hintergrund stützt sich die Klagepartei aber vornehmlich.
In Bezug auf den Werdegang nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals im Jahre 2015 ist zu konstatieren, dass die Beklagte gerade hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugstyps auch Untersuchungen (der ... GmbH) beauftragt hatte, deren Ergebnis zu Gunsten der Beklagten ausfiel. Anlass, an diesen Negativ-Feststellungen zu zweifeln, hatte das für die Prüfung auf unzulässige Abschalteinrichtungen zuständige KBA nicht. Ein verbindlicher Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist dementsprechend unstreitig nicht erfolgt; anderslautende Verlautbarungen des KBA oder anderer Behörden, die sich zu dem streitgegenständlichen Fahrzeug verhalten würden, sind nicht dargelegt worden.
Soweit das streitgegenständliche Fahrzeug Gegenstand eines vom KBA mit Bescheid vom 10. Oktober 2018 angeordneten Rückrufs wegen einer Konformitätsabweichung gewesen sein soll, bleibt festzustellen, dass dieser Rückrufbescheid nur Fahrzeuge mit einem 7-Gang DSG-Automatikgetriebe betrifft. Dieses Getriebe fährt auf dem Prüfstand in einem bestimmten Drehzahl- und Stundenkilometerbereich - leichte Beschleunigung von 100 auf 120 km/h - untertourig, weshalb die Stickoxidgrenzwerte in diesem Fenster überschritten werden. Dies ist bei dem hier verbauten 5-Gang-Schaltgetriebe aber nicht der Fall. Damit ist der Rückrufbescheid nicht übertragbar, weil sich die Funktion dieses Getriebes in Bezug auf die Motorleistung maßgeblich von derjenigen des streitgegenständlichen Fahrzeuges unterscheidet. Es scheitert damit an der Vergleichbarkeit. Gleiches gilt für die vorgelegten Messungen der Deutschen Umwelthilfe, die zwar ein T5-Modell, aber eine andere Motorleistung betraf. Die Beklagte legt in ihrer Klageerwiderung zudem nachvollziehbar die Hintergründe der sog. Konformitätsabweichung dar (Bl. 65 ff. d.A.) sowie warum diese nicht geeignet ist, den Verbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu indizieren. Ebenso wenig beziehen sich die vorgelegten Presseberichte auf das streitgegenständliche Fahrzeugmodell, sondern nehmen allgemein auf die Hersteller wie „VW“ oder „Audi“, jedenfalls auf andere Fahrzeuge Bezug.
Das KBA hat zudem schon viele Rückrufe, nicht nur von Fahrzeugen mit EA-189-Motor, sondern auch anderer Fahrzeuge des VW-Konzerns und anderer Hersteller betreffend, angeordnet. Gerade das streitgegenständlichen Fahrzeug hat es jedoch unbeanstandet gelassen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass gerade bei einem weiteren mit EA-189-Motor ausgestatteten Fahrzeugtyp die Abschalteinrichtung vom KBA nicht gefunden und beanstandet worden wäre. Dann reicht die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in anderen Fahrzeugen nicht als tatsächlicher Anhaltspunkt aus (vgl. OLG Dresden Urteil vom 10.03.2020 – 9a U 2520/19, BeckRS 2020, 22698 Rn. 17, 18, beck-online).
Vielmehr bestätigte das KBA in anderen Verfahren gegenüber verschiedenen Gerichten in den jeweiligen Einzelfällen den Fahrzeugtyp T5 betreffend amtlich, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht gefunden worden sei (Anlagen B 2 ff.). Das gleiche Ergebnis offenbarte die von Beklagtenseite durchgeführte FIN-Abfrage für das streitgegenständliche Fahrzeug (Bl. 60 d.A.). Die von der Klagepartei aufgestellte These, dass die Abschalteinrichtung zwar vorhanden sei, jedoch das KBA nicht in der Lage sei, dies zu erkennen oder festzustellen, bleibt damit reine Spekulation (vgl. OLG Brandenburg, Hinweisbeschluss vom 20.4.2020 – 1 U 103/19, BeckRS 2020, 10519 Rn. 19-24, beck-online).
Soweit der Kläger eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines „Thermofensters“ behauptet, ist auch dies für sich genommen nicht geeignet, einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB zu begründen, da es jedenfalls an dem erforderlichen Verschulden fehlt. Zwar ist nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs davon auszugehen, dass insbesondere ein Thermofenster in bestimmten Ausgestaltungen eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S. von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 darstellt (EuGH, Urteil vom 14.07.2022 – C-134/20, EuZW 2022, 1073 f.), woran selbst eine erteilte Typgenehmigung nichts ändert (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259, beck-online). Es kann hier allerdings offenbleiben, ob die vorliegende Ausgestaltung objektiv hierunter fällt. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug wurde spätestens 2014 hergestellt und typgenehmigt, die Beklagte durfte aber bis zu der betreffenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14.07.2022 davon ausgehen, dass ein Thermofenster aus Gründen des Motor- oder Bauteilschutzes im Rahmen einer weiten Auslegung der genannten Vorschrift zulässig sei. Insoweit befand sie sich in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum, da bis dahin nahezu alle europäischen Hersteller ihre Dieselfahrzeuge mit einem Thermofenster ausgerüstet hatten und dies trotz umfangreicher Untersuchungen von den zuständigen Überwachungsbehörden auch nicht beanstandet wurde. Vor diesem Hintergrund konnte und durfte die Beklagte darauf vertrauen, dass jene Funktion mit Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 vereinbar sei. Sie befand sich demgemäß in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum, der einem Verschulden in Form vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhaltens entgegensteht (KG Berlin, Beschluss vom 03.08.2023 – 4 U 10/23, BeckRS 2023, 19942 Rn. 32, beck-online; OLG München, Beschluss vom 10.08.2023 – 34 U 2099/23 e, BeckRS 2023, 20163 Rn. 14, beck-online; OLG München, Beschluss vom 04.08.2023 – 37 U 1709/23 e, BeckRS 2023, 19946 Rn. 26, beck-online).
Aus den vorgenannten Gründen besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und die Beklagte befand sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs auch nicht im Annahmeverzug, sodass die Klage von Anfang an unbegründet und somit auch die teilweise Erledigung der Hauptsache nicht festzustellen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.