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Entscheidung 1 W 26/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 07.11.2024
Aktenzeichen 1 W 26/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1107.1W26.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 25.04.2024, Az. 4 O 29/23, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich aus eigenem Recht gegen die Streitwertfestsetzung für das Verfahren erster Instanz durch das Landgericht.

In der Sache nahm der Kläger die Beklagte als Betreiberin eines sozialen Netzwerks wegen eines Datenschutzvorfalls im Jahr 2019 in Anspruch. Er stellte folgende Anträge:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite immateriellen Schadensersatz in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 1.000,00 EUR nebst Zinsen seit  Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerseite alle künftigen Schäden zu ersetzen, die der Klägerseite durch den unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten, der nach Aussage der Beklagten im Jahr 2019 erfolgte, entstanden sind und/oder noch entstehen werden.

3. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

a. personenbezogene Daten der Klägerseite, namentlich Telefonnummer, FacebookID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt, Beziehungsstatus unbefugten Dritten über eine Software zum Importieren von Kontakten zugänglich zu machen, ohne die nach dem Stand der Technik möglichen Sicherheitsmaßnahmen vorzusehen, um die Ausnutzung des Systems für andere Zwecke als der Kontaktaufnahme zu verhindern,

b. die Telefonnummer der Klägerseite auf Grundlage einer Einwilligung zu verarbeiten, die wegen der unübersichtlichen und unvollständigen Informationen durch die Beklagte erlangt wurde, namentlich ohne eindeutige Informationen darüber, dass die Telefonnummer auch bei Einstellung auf „privat“ noch durch Verwendung des Kontaktimporttools verwendet werden kann, wenn nicht explizit, hierfür die Berechtigung verweigert und, im Falle der Nutzung der Facebook-Messenger App, hier ebenfalls explizit die Berechtigung verweigert wird.

4. Die Beklagte wird verurteilt der Klägerseite Auskunft über die Klägerseite betreffende personenbezogene Daten, welche die Beklagte verarbeitet, zu erteilen, namentlich welche Daten durch welche Empfänger zu welchem Zeitpunkt bei der Beklagten durch Scraping oder durch Anwendung des Kontaktimporttools erlangt werden konnten.

Den vom Kläger in der Klageschrift mit 11.000 Euro angegebenen Streitwert hat das Landgericht auf die Wertstufe bis 3.000 Euro festgesetzt.

Der hiergegen eingelegten Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der sie die Festsetzung auf mindestens 6.000 Euro begehren, hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die aus eigenem Recht der Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegte Streitwertbeschwerde ist gemäß §§ 68 Abs.1 Satz1, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

2. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Streitwert zutreffend auf die Wertstufe bis zu 3.000 Euro festgesetzt. Dieser Wert setzt sich aus den folgenden Einzelwerten der Klageanträge zusammen:

a. Der Streitwert für den Klageantrag zu 1. ergibt sich aus dem vom Kläger benannten (Mindest-)Schadenersatzbetrag in Höhe von 1.000 Euro.

b. Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 2. die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihm auch zum Ersatz aller zukünftigen aus dem streitgegenständlichen Scraping-Vorfall entstehenden Schäden verpflichtet ist, ist diesem Antrag ein eigener wirtschaftlicher Wert beizumessen. Dieser orientiert sich grundsätzlich an den Vorstellungen des Klägers zum Klageantrag zu 1, ist aber nur mit einem Bruchteil zu bemessen, wobei 50 % und damit ein Betrag in Höhe von 500 Euro angemessen erscheint (zum Bruchteil so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.01.2023 – 4 AR 4/22 –, Rn. 23, juris).

c. Der Streitwert für die Unterlassungsanträge zu 3.a) und 3.b) ist unter Berücksichtigung der nach § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG für die Wertfestsetzung bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen maßgebenden Umstände des Einzelfalls – in Abweichung von der Streitwertangabe der Prozessbevollmächtigten des Klägers (insgesamt mindestens 4.000 Euro) – auf jeweils 500 Euro festzusetzen.

Maßgeblich ist insoweit zum einen, dass sich die Anträge im Wesentlichen auf eine Wiederholungsgefahr bezüglich nur eines Teils der von ihm angenommenen Datenschutzverstöße der Beklagten stützen, weshalb sie wertmäßig geringer als die vermeintlich bereits erlittene Beeinträchtigung zu bemessen sind. Da mit diesen Anträgen zum anderen letztlich auch nur nicht vollstreckbare gesetzliche Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung aufgegriffen werden und die Daten des Klägers bereits ohnehin abgegriffen und veröffentlicht worden sind, erachtet der Senat einen Gesamtstreitwert der Anträge 3a und 3b von 1.000 Euro - d.h. von jeweils 500 Euro - für ausreichend, aber auch erforderlich, um das Klagebegehren des Klägers zu bemessen (so auch OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 – I-7 U 19/23 – Rn. 274ff. m.w.N; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.07.2024 – 6 W 36/24 –, Rn. 24ff., OLG Saarbrücken, Urteil vom 03.05.2024 – 5 U 72/23 –, Rn. 51, jeweils juris).

d. Der Wert des mit dem Klageantrag Ziffer 4 geltend gemachten Auskunftsanspruchs ist schließlich mit 500 Euro zu bemessen. Der Wert des Auskunftsanspruchs ist nicht identisch mit dem Leistungsanspruch, sondern in der Regel nur mit einem Teilwert des Anspruchs zu bemessen, dessen Durchsetzung die verlangte Information dienen soll. Dabei werden üblicherweise 1/4 bis 1/10 angesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2021 - III ZR 162/20 - juris). Angesichts des Umstandes, dass der Auskunftsanspruch nach der Datenschutzgrundverordnung nicht zwingend der Vorbereitung eines anderen Anspruches dient, erscheint dieser Wert hier mit nicht mehr als 500 Euro angemessen eingeordnet (so auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 – 10 W 5/23 –, Rn. 17, OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.07.2024 – 6 W 36/24 –, Rn. 28, OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.07.2024 – 8 U 21/24 –, Rn. 11, OLG Dresden, Beschluss vom 03.09.2024 – 4 W 497/24 –, Rn. 26, jeweils juris).

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da gemäß § 68 Abs. 3 GKG das Verfahren gebührenfrei ist und (außergerichtliche) Kosten nicht erstattet werden.