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Entscheidung 6 O 59/18


Metadaten

Gericht LG Cottbus 6. Zivilkammer Entscheidungsdatum 11.07.2023
Aktenzeichen 6 O 59/18 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2023:0711.6O59.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass

- der Beklagte zu 1),

- die Beklagte zu 2) und

- die Beklagte zu 5)

als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeglichen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall vom ………………… auf dem Reitplatz des Beklagten zu 1) zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen ist.

2. Die Klage gegen

- den Beklagten zu 1),

- die Beklagte zu 2) und

- die Beklagte zu 5)

ist hinsichtlich der Zahlungsanträge dem Grunde nach gerechtfertigt.

3. Die Klage gegen die Beklagten zu 3), 4), 6) und 7) wird abgewiesen.

4. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3), 4), 6) und 7) hat die Klägerin zu tragen. Die Kostenentscheidung im Übrigen bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

5. Das Urteil ist für die Beklagten zu 3), 4), 6) und 7) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem schweren Kutschenunfall am ………………… auf dem Außengelände des Beklagten zu 1).

Die Klägerin ist Geschädigte und war am ………………… Vereinsmitglied des Beklagten zu 1).

Der Beklagte zu 1) richtete auf seinem Vereinsgelände am ………………… anlässlich eines Vereinsjubiläums eine Kutschenveranstaltung aus, bei welcher ein Schaubild mit 4 Gespannen und verschiedenen Anspannungsarten zum Einsatz kam. Die Organisation der Veranstaltung oblag dem Vorstand des Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 1) war Eigentümer von zwei an der Unfallkutsche angespannten Pferden namens „………………… “ und „………………… “.

Die Beklagte zu 2) war die Ehefrau des verstorbenen …………………., der zum Unfallzeitpunkt einer der Vorstandsvorsitzenden des Beklagten zu 1) war. Die Beklagten zu 3) und 4) sind die Kinder des verstorbenen ………………… .

Die Beklagte zu 5) ist die unbekannte Erbengemeinschaft nach dem zum Unfallzeitpunkt Co-Vereinsvorsitzenden des Beklagten zu 1), Herrn ………………… . Mit Schriftsatz vom 12.07.2021 zeigte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2) bis 5) den Tod des Beklagten zu 5) an. Ein Aussetzungsantrag oder eine Mitteilung der Erben erfolgte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht.

Der Beklagte zu 6) war der Kutscher der verunfallten Kutsche, eines sogenannten Junker-Zuges (5-Spänner). Er ist zudem Vereinsmitglied des Beklagten zu 1). Beim Junker-Zug kamen zwei Stangenpferde, die im Eigentum des Beklagten zu 1) standen und drei Vorderpferde, die im Eigentum des Streithelfers standen, zum Einsatz.

Der Beklagte zu 7) war zum Unfallzeitpunkt Vereinsmitglied und zugleich Kutscher einer der beteiligten Kutschen, eines sogenannten Random-Gespanns, sowie Eigentümer der Pferde des Random-Gespanns. Bei einem Random-Gespann sind drei Pferde hintereinander eingespannt.

Bei dem Turnierplatz handelte es sich um einen ca. 40 x 75 - 80 m großen Platz mit Grasnarbe. Dieser war rundherum eingefriedet, teilweise mit massiven Pfählen im Abstand von ca. 3 m.

Das Unfallgeschehen wurde weitgehend auf einem Video aufgezeichnet. Für eine bildliche Darstellung wird auf den Inhalt der Anlage K1 (CD) verwiesen.

Im Zeitpunkt des Eintritts des Junker-Gespannes befanden sich drei weitere Gespanne auf dem Platz, ein Vierspänner, ein 6-Spänner und das Random-Gespann.

Auf dem Junker-Gespann nahm auf der Bank neben dem Beklagten zu 6) die Klägerin Platz. Diesem Gespann kam, als es auf den Platz einfuhr, das Random-Gespann entgegen. Die beiden Gespanne kamen sich nahe (Video Sekunde 38). Unmittelbar danach begannen die Pferde des Junkerzuges zu galoppieren. Nach einer Linkskurve und nach Galopp auf der Gegengeraden kippte die Kutsche des Junker-Zuges letztlich in bzw. nach der zweiten Kurve bei hoher Geschwindigkeit um. Bereits innerhalb der zweiten Kurve hatte die Hinterachse des Junker-Zuges keinen Kontakt mehr mit dem Boden (Sekunde 56). Die Klägerin wurde von der Kutsche geschleudert (Sekunde 59) und prallte gegen einen Begrenzungspfeiler. Sie trug schwerste Verletzungen davon, sie ist querschnittsgelähmt.

Die Haftpflichtversicherung des Streithelfers erkannte ihre Leistungspflicht an und zahlte einen Vorschuss von 100.000,00 € an die Klägerin. Eine vollständige Regulierung fand noch nicht statt.

Die Beklagten lehnten eine Leistungspflicht wegen des Kutschenunfalls ab.

Die Klägerin meint, die Beklagten zu 2) bis 5) würden als Erben der ehemaligen Vereinsvorsitzenden ………………… bzw. ………………… für deren pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten in ihrer Eigenschaft als Vereinsvorstände des Beklagten zu 1), welcher die Veranstaltung geplant und durchgeführt hat, gesamtschuldnerisch haften.

Die ehemaligen Vereinsvorsitzenden hätten die sie treffende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Schauplatz sei seiner Größe und Aufmachung nach nicht für die streitgegenständliche Veranstaltung geeignet gewesen. Ein in der Mitte des Platzes stehendes Holzhäuschen habe ein Hindernis dargestellt. Die Durchführung des Schaubildes sei ungeplant durchgeführt worden. Es habe keine konkreten Ablaufpläne gegeben. Es hätten wegen der Konstellation des Platzes und der vier sich dort befindlichen Gespanne Ausweichmanöver nicht gefahren werden können. Gemeinsame Proben hätten nicht stattgefunden. Die ehemaligen Vereinsvorsitzenden hätten weder die Kutscher noch die Kutschen auf ihre Qualifikation bzw. Verkehrssicherheit prüfen lassen. Auch die Pferde seien nicht hinreichend ausgebildet gewesen.

Die Klägerin meint,

- die ehemaligen Vereinsvorsitzenden hätten sicherstellen können und müssen, dass auf dem begrenzten Fahrplatz nicht derartig viele Mehrspänner gleichzeitig gezeigt werden;

- der Umstand, dass das Random-Gespann sich in der nordöstlichen Kurve recht nah am Hufschlag befunden habe und für das durchgehende Gespann (Junkerzug) somit ein Hindernis dargestellt habe, das den ungünstigen Verlauf der Fahrstrecke mitbestimmt habe, sei bereits Anzeichen dafür, dass die Konzeption des Schaubildes die begrenzte Manövrierbarkeit der großen Gespanne nicht in Betracht gezogen habe;

- ein Verschulden habe bei der Planung des Schaubildes bestanden; das Schaubild sei zu umfangreich gewesen und zu kompliziert für die diversen Gespanne auf dem zu kleinen Gelände;

- die Anforderungen, die damit an Gespannführer und Pferde gerichtet gewesen seien, seien zu hoch gewesen, als dass sie hätten von den entsprechenden Personen und Tieren bewältigt werden können;

- der Beklagte zu 6) habe nicht über das entsprechende Fahrabzeichen und die entsprechende Fahrerfahrung verfügt, um den Junkerzug bei der Jubiläumsveranstaltung sicher führen zu dürfen und zu können;

- das Fahrabzeichen der Klasse IV sei hierfür nicht ausreichend;

- vielmehr sei vorliegend für das Fahren des Fünfspännerjunkerzuges das Fahrabzeichen der Klasse III erforderlich gewesen;

- es komme hinzu, dass der Beklagte zu 6) am streitgegenständlichen Tag lediglich weiße Stoffhandschuhe und keine Lederhandschuhe getragen habe; hier sei ein sicherheitsrelevantes Kriterium nicht erfüllt worden;

- auch der Beklagte zu 7) habe nicht über die zertifizierten fahrsportlichen Qualifikationen nach der Leistungsprüfungsordnung (LPO) der deutschen reiterlichen Vereinigung zum Fahren von Mehrspännern verfügt;

- sämtliche Kutschenführer hätten auf dem Parcour die Peitsche nicht vorschriftsmäßig nach vorne oben links gerichtet in der rechten Hand gehalten; dies lasse darauf schließen, dass das Wissen ob einer korrekten Anspannung nicht vorgelegen habe;

- eine Fehlkommunikation zwischen dem Fahrer des Junkerzuges, des Beklagten zu 6) und dem Fahrer des Random-Gespanns, des Beklagten zu 7), habe schon im Vorfeld des späteren Kutschenunfalles zu einer Beinahe-Kollision geführt;

- dadurch sei der Beklagte zu 6) gezwungen gewesen, eine Ausweichbewegung nach rechts mit der Kutsche zu vollziehen;

- das linke Vorderpferd sei hierbei angallopiert und habe sich nicht mehr zum Trab durchparieren lassen;

- obwohl diese Situation von beiden Fahrern gerade noch habe bewältigt werden können, seien sich die Pferde - insbesondere das mittlere Pferd des Random-Gespannes, das sich gehorsamswidrig neben dem Gabelpferd befunden habe und das linke Vorderpferd des Junkerzuges - derart gefährlich nahe gekommen, dass offenbar bei dem linken Vorderpferd des Junkerzuges Panik ausgelöst worden sei;

- der Beklagte zu 7) habe seine Pferde nicht ausreichend angetrieben, dies habe dazu geführt, dass sich das Vorderpferd und das Mittelpferd des Random-Gespannes linksseitig zurückfallen ließen und das Mittelpferd sogar mit der hinteren Körperhälfte links neben das Gabelpferd gelangt sei;

- der Beklagte zu 7) habe in diesem Moment keine Einwirkung mehr auf die Pferde seines Gespanns gehabt und konnte sein Gespann nicht mehr ordnungsgemäß lenken;

- da der Beklagte zu 7) kurzzeitig keine Kontrolle über sein Gespann gehabt habe, sei es auch zum Missverständnis der beiden Fahrer gekommen;

- der Junkerzug sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen; es seien zwei weitere Beifahrer vorgeschrieben;

- das zu geringe Gewicht und die ungleichmäßige Lastenverteilung habe maßgeblich zum Unfallgeschehen beigetragen bzw. die Auswirkungen des Unfalls verschlimmert;

- der Wagen des Junkerzuges habe mehrere konstruktive Mängel aufgewiesen:

· der Drehkranz sei mit unter 300 mm zu klein ausgeführt;

· es habe eine Bremsmomentaufnahme an der Hinterachse gefehlt;

· das hydraulische Absperrventil der Feststellbremse des Wagens habe auf die Hinterachse gewirkt und nicht, wie üblich, auf die Vorderräder;

· der Wagen habe nicht über eine sogenannte „Feste Bracke“ verfügt;

· die Ausführung der Schweißung der vorhandenen Zugwaage sei unsachgemäß gewesen;

· es habe nicht einmal ein eigentlicher Vierspännerhaken existiert;

· der Kutschwagen hätte lediglich mit zwei Pferden geführt und nicht mit fünf Pferden eingesetzt werden dürfen;

- auch dem Beklagten zu 6) sei Fehlverhalten vorzuwerfen; sein mangelndes Führen der Kutsche habe dazu geführt, dass die Pferde nicht richtig eingestellt gewesen seien und sich innerhalb der Zäumung im Junkerzug gegenseitig bedrängt hätten;

- „S.“, das mittlere Vorderpferd, sei regelrecht eingequetscht worden und habe Panik und Angst bekommen, sich gewehrt und sei gestiegen, um sich seiner Panik entladen zu können; durch den Fahrfehler hätten die fünf Pferde dann zu galoppieren begonnen und seien durchgegangen;

- das Kippen der Kutsche sei nicht von der Klägerin veranlasst worden;

- ein Griff in die Leinen - falls er denn überhaupt passiert sei - habe nicht dazu geführt, dass die Pferde einen scharfen „Linken-Haken“ geschlagen haben oder nach links in Richtung Hindernistor gezogen haben; vielmehr sei zu diesem Zeitpunkt die Kutsche bereits völlig außer Kontrolle gewesen und die Pferde nicht mehr lenkbar gewesen.

Nach mehreren Klageerweiterungen beantragt die Klägerin zuletzt,

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit abzüglich am 12.06.2015 von der ………………. Versicherung bereits erbrachter 100.000,00 € zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin auf (Personen)Schadenersatzansprüche einen Betrag in Höhe von 39.299,91 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vermehrte Bedürfnisse (Pflegekosten Ehemann) in Höhe von 35.640,00 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 95.239,19 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeglichen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall vom 25.08.2012 auf dem Reitplatz des ……………………….. zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen ist.

6.

a) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag von 5.981,93 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit abzgl. am 23.06.2015 von der ………………… Versicherung bereits gezahlter 3.243,23 €, und abzüglich der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung von 153,00 €, das heißt restlicher 2.738,70 € zu Händen ihrer Rechtsschutzversicherung, der ………………………., zu zahlen.

b) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag von 153,00 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 3) und 4) bestreiten ihre Passivlegitimation. Alleinige Erbin des verstorbenen ehemaligen Vereinsvorsitzenden ………………… sei die Beklagte zu 2). Sie hätten auch auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichtet.

Die Beklagten behaupten, es sei zu dem Unfallgeschehen gekommen, weil die Klägerin in die Zügel gegriffen habe. Aufgrund dessen habe die Klägerin eigenverantwortlich gehandelt. Zumindest treffe die Klägerin ein Mitverschulden. Der Klägerin sei das Schaubild bekannt gewesen, auch habe die Klägerin eine Fahrerlaubnis für das Führen einer Kutsche. Die Pferde seien an Lärm gewöhnt worden und das Schaubild sei hinreichend vorab geprobt worden.

Die Beklagten 2) bis 5) sind der Ansicht, dass sie eine Haftung als Erben der ehemaligen Vorstandsvorsitzenden nicht treffe. Für eine persönliche Haftung der Beklagten 2) bis 5) gebe es neben der Inanspruchnahme des Beklagten zu 1) wie auch des Beklagten zu 6) keinen Raum. Jedenfalls müsse sich die Klägerin ein Mitverschulden entgegenhalten lassen.

Die Beklagten zu 2) bis 5) behaupten, die ehemaligen Vereinsvorsitzenden seien unentgeltlich für den Verein tätig gewesen.

Der Beklagte zu 7) behauptet, der Beklagte zu 6) sei abredewidrig mit seinem Gespann auf den Turnierplatz gefahren, obwohl er vom Sprecher noch nicht angekündigt gewesen sei. Ferner sei der Beklagte zu 6) zu schnell gefahren. Jedenfalls könne sich der Beklagte zu 7) aus der Tierhalterhaftung entlasten. Er habe die Tiere beherrscht und geführt, wie es im Verkehr erforderlich sei.

Mit Schriftsatz vom 09.05.2017 hat der Streithelfer erklärt, dem Rechtsstreit auf Klägerseite beizutreten.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 17.01.2017 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Sachverständigen ………………… . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 27.11.2017 sowie den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist gegen die Beklagten zu 1), 2) und 5) dem Grunde nach begründet. Die Klage gegen die Beklagten zu 3), 4), 6) und 7) hat keinen Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Zulässigkeit der Entscheidung durch ein Teilgrund- und Teilendurteil

a. Eine Entscheidung über die bezifferten Klageanträge durch ein Teilgrundurteil ist zulässig, §§ 301, 304 ZPO. Die Ansprüche sind dem Grunde und der Höhe nach streitig. Die Ansprüche sind dem Grunde nach entscheidungsreif und ein Anspruch der Höhe nach steht der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit zu.

Insbesondere ist die Entscheidung durch ein Grundurteil hier zweckmäßig. Der Rechtsstreit ist der Höhe nach noch nicht entscheidungsreif. Durch den Erlass eines Grundurteils ist eine gütliche Einigung der Höhe nach denkbar, die ohne Entscheidung dem Grunde nach eher nicht in Betracht käme.

b. Auch eine Entscheidung durch Teilurteil über den Feststellungsantrag ist zulässig. Die Gefahr widersprechender Entscheidungen kommt dann nicht in Betracht, wenn das Gericht, wie hier, zumindest dem Grunde nach über den gesamten Streitgegenstand entscheidet.

c. Die Klage gegen die Beklagten zu 3), 4), 6) und 7) war durch Teilurteil abzuweisen, da bereits dem Grunde nach ein Anspruch insoweit nicht besteht.

2. Rubrum bezüglich des Beklagten zu 5)

Die Klage richtete sich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegen eine unbekannte Erbengemeinschaft nach dem ursprünglichen Beklagten zu 5), dem inzwischen verstorbenen Herrn …………………. Ein Aussetzungsantrag wurde nicht gestellt. Soweit mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 06.06.2023 durch die Prozessbevollmächtigten eine Rechtsnachfolgerin des Verstorbenen mitgeteilt wurde, konnte dies nicht mehr berücksichtigt werden. Zum einen hat das Gericht auf den Zeitraum der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Zum anderen hatte die Klägerin noch keine Gelegenheit, zu der behaupteten Rechtsnachfolge Stellung zu nehmen.

Im Hinblick auf die Dauer des Rechtsstreits sowie den Erlass eines Grundurteils war die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten.

II.

1.

Die Klage gegen die Beklagten zu 3) und 4) ist wegen fehlender Passivlegitimation unbegründet.

Die Beklagten zu 3) und 4) sind, da sie am Unfallgeschehen nicht beteiligt waren, als potentielle Erben und damit als Rechtsnachfolger des verstorbenen ………………… in Anspruch genommen worden, § 1922 Abs.1 BGB. Die Beklagten zu 3) und 4) sind jedoch keine Rechtsnachfolger des verstorbenen ………………… . Nach dem vorgelegten Ehegattentestament vom 19.10.1993 (Anlage BLD 2, Blatt 440 der GA) ist die Beklagte zu 2) Alleinerbin geworden.

2.

Der Beklagte zu 1) ist für den Schaden vollumfänglich einstandspflichtig, sowohl aus Gefährdungshaftung gemäß § 833 BGB als auch aus Verschuldenshaftung gemäß §§ 823 Abs. 1, 31 BGB.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schadensersatz für ihre materiellen Schäden gegen den Beklagten zu 1) gemäß § 833 S. 1 BGB als Tierhalter wegen der Beteiligung seiner beiden Pferde am Unfallgespann (Junker-Zug) „………………… “ und „………………… “ (Stangenpferde).

Der Beklagte zu 1) ist Tierhalter im Sinne von § 833 S. 1 BGB der Pferde „………………… “ und „………………… “, da er in eigenem Interesse durch Gewährung von Obdach und Unterhalt die Sorge für die Tiere übernommen hat und dies nicht bloß zu einem ganz vorübergehenden Zweck, sondern auf einen Zeitraum von einer gewissen Dauer.

Eine Körper- bzw. Gesundheitsschädigung liegt vor. Die Klägerin ist gestürzt bzw. von der Kutsche abgeworfen worden und hat infolge des Aufpralls eine Querschnittslähmung erlitten. Diese Rechtsgutverletzung wurde auch durch die vorgenannten Tiere verursacht. Es kann dabei dahinstehen, welches der Tiere zuerst ausgebrochen ist. Im Ergebnis sind alle Pferde durchgegangen, in dessen Folge es zu der Schädigung kam.

Hierin hat sich auch die spezifische Tiergefahr der Pferde realisiert. Die typische Tiergefahr besteht in dem der Natur des Tieres entsprechenden unberechenbaren und instinktgemäßen selbstständigen Verhalten des Tieres und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und ggf. des Eigentums Dritter. Dadurch, dass die Pferde hier selbstständig in Panik die Laufgeschwindigkeit erhöhten und sich infolge dessen schwerer und zuletzt gar nicht mehr lenken bzw. kontrollieren ließen, entstand für die Klägerin aus dem Verhalten der Tiere eine schwer beherrschbare Gefahr, die sich schließlich in dem Sturz der Kutsche samt der Klägerin verwirklichte.

2.1. Kein Haftungsausschluss

Vorliegend ist die Haftung auch nicht gemäß § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr oder der freiwilligen Risikoübernahme ausgeschlossen. Unter diesen Aspekten kann die Haftung des Pferdehalters dann entfallen, wenn sich der Geschädigte bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die über die normalerweise mit dem Reiten oder einer Kutschfahrt verbundene Gefahr hinausgeht, beispielsweise etwa bei bestimmten Formen des Zureitens, Dressur- oder Springreitens. Es handelte sich bei der Fahrt nicht um eine sportliche Kutschfahrt, sondern um eine Schaufahrt anlässlich eines Vereinsjubiläums, bei der die Klägerin nicht mit übermäßigen Gefahren rechnen musste. Die Privatsachverständige ………………… führt zudem in ihrem Privatgutachten vom ………………. recht plastisch aus, dass eine Kutsche vor gar nicht allzu langer Zeit noch ein gängiges Personentransportmittel gewesen ist (Anlage K2, S. 34). Von einer besonderen Gefahr kann insoweit nicht die Rede sein.

Die Klägerin nahm zur Überzeugung des Gerichts an dem Schaubild weder als Fahrerin noch als Beifahrerin, sondern als Gast teil. Dies zeigte sich insbesondere an ihrer Sitzposition und der Positionierung ihrer Hände auf ihren Oberschenkeln, welche nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. ………………… praktisch keine Einwirkungsmöglichkeiten auf das Geschehen zuließen. Dies (Mitfahrt als reiner Gast) ist bei solchen Fahrten auch üblich, sodass hierfür eigens der Begriff der „Bockdame“ existiert.

Unbeachtlich ist insoweit, ob die Klägerin selbst über einen Fahrausweis für das Führen einer Kutsche verfügte, da sie hier selbst in keiner Form mit dem Fahren beschäftigt sein sollte. Der Umstand, dass sie deshalb die Notwendigkeit der Anwesenheit von Beifahrern in einem solchen Mehrspänner selbst gekannt haben dürfte, kann hier ebenfalls nicht zulasten der Klägerin gewertet werden. Den sachverständigen Ausführungen ist zu entnehmen, dass das Verzichten auf Beifahrer sorgfaltswidrig sein mag. Dass aus diesem Grund ex ante mit erheblichen Gefahren zu rechnen gewesen wäre, ist den sachverständigen Ausführungen nicht zu entnehmen. Die Kammer folgt diesen nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen.

Auch ein vertraglicher Haftungsausschluss ist abzulehnen.

Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht bereits aus der Gemeinnützigkeit des Beklagten zu 1). Ein solcher Ausschluss ist im Gesetz nicht vorgesehen und entspricht, anders als vom Vertreter des Beklagten zu 1) ausgeführt, auch nicht der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. nur OLG Hamm, Urteil vom 24.01.2000, Az. 13 U 166/99, Rn. 24, das die Entscheidung des OLG Celle, Urteil vom 12.11.1981, Az. 5 U 44/81 ohne Begründung ablehnt). Vielmehr kann die Gemeinnützigkeit Ausgangspunkt für die Prüfung eines vertraglichen Haftungsausschlusses gegenüber dem Vereinsmitglied darstellen (vgl. Grüneberg, § 833, Rn. 11). Es bedarf jedoch für einen Vertragsschluss einer eindeutigen Abrede der Parteien (BGH, Urteil vom 14.07.1977, Az. VI ZR 234/75). Eine solche ist nicht vorgetragen und jedenfalls nicht allein aus der Gemeinnützigkeit des Beklagten zu 1) ableitbar.

2.2. Keine Exkulpation nach § 833 S. 2 BGB

Der Beklagte zu 1) kann sich auch nicht exkulpieren gemäß § 833 S. 2 BGB, da die Pferde, wenngleich Nutztiere, insoweit nicht dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Beklagten zu 1) dienen.

Das Gesetz räumt dem Tierhalter die Möglichkeit, sich von der Gefährdungshaftung des § 833 S. 1 BGB zu befreien, nur dann ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht worden ist, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist. Dabei ist auf die allgemeine Zweckbestimmung abzustellen, die dem Tier von seinem Halter gegeben worden ist (BGH, Urteil vom 26.11.1985, Az. VI ZR 9/85). Deshalb zählen Pferde, die ein nichtwirtschaftlicher Verein (§ 21 BGB) hält, um seine satzungsgemäße Aufgabe zur Pflege und Förderung des Reitsports zu erfüllen, nach ständiger Rechtsprechung nicht zu den sogenannten „Nutztieren” im Sinne des § 833 S. 2 BGB (BGH, Urteil vom 26.11.1985, Az. VI ZR 9/85). Dies gilt selbst dann, wenn die Tiere nicht ausschließlich dem vorgenannten Zweck dienen, sondern nebenbei in geringem Umfang auch zu einer Erwerbstätigkeit des Vereins verwendet werden (BGH, Urteil vom 26.11.1985, Az. VI ZR 9/85).

Eine analoge Anwendung von § 833 S. 2 BGB ist mangels planwidriger Regelungslücke abzulehnen.

Der Beklagte zu 1) haftet somit zumindest als Tierhalter.

2.3. Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB

Für die darüber hinaus bestehende Haftung aus Verschulden gemäß §§ 823 Abs. 1, 31 BGB wird hinsichtlich des Verschuldens der ehemaligen Vereinsvorsitzenden auf die Ausführungen unter II.3.b.(4) Bezug genommen.

2.4. Kein Mitverschulden

Weder bei der Höhe des Schmerzensgeldes noch der materiellen Schadensersatzansprüche ist der Klägerin ein Mitverschulden anzulasten.

Soweit der Beklagte zu 1) vorträgt, die Klägerin habe in die Zügel gegriffen und durch hierbei getätigte Lenkbewegungen den Unfall zumindest mitverursacht, kann dies weder zu einem Ausschluss noch zu einer Minderung des Anspruchs wegen Mitverschuldens führen. Ein für die Unfallfolgen kausales Greifen in die Zügel ist bereits nicht erweislich. Zudem hat die Kammer berücksichtigt, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen ………………… ab einem bestimmten Punkt, der zumindest zeitlich deutlich vor dem behaupteten Greifen in die Zügel liegt, der Unfall nicht mehr zu verhindern war. Auf eine Vernehmung des Zeugen ………………… kam es mithin nicht an.

Eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung wie auch ein Mitverschulden der Klägerin liegen nicht vor.

Die Klage ist damit gegen den Beklagten zu 1) dem Grunde nach begründet. Der Feststellungsantrag ist begründet.

3.

Die Beklagten zu 2) und 5) sind als Rechtsnachfolger für den Schaden aufgrund einer grob fahrlässigen und kausalen Pflichtverletzung der ehemaligen Vereinsvorsitzenden des Beklagten zu 1) am 25.08.2012 gemäß §§ 823 Abs. 1, 31a BGB a.F. vollumfänglich einstandspflichtig.

a. Eine Haftung ist hier nicht schon durch den Umstand ausgeschlossen, dass neben den ehemaligen Vereinsvorsitzenden auch der Beklagte zu 1) als Verein haftet. Nach § 31 BGB ist „der Verein für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.“ Entsprechendes galt (und gilt) gemäß § 31a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. bezüglich der Haftung der Vereinsvorsitzenden gegenüber Vereinsmitgliedern. Eine ausschließliche Haftung des Vereins ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die damaligen Vorstandsmitglieder haften neben dem Beklagten zu 1) aus unerlaubter Handlung.

Etwas anderes gilt hier auch nicht gemäß § 31a Abs. 2 BGB a.F., wonach der Vorstand unter bestimmten Voraussetzungen vom Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen kann. Denn die ehemaligen Vereinsvorsitzenden handelten grob fahrlässig.

b. Auch die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

(1) Eine Rechtsgutsverletzung ist hier in der Form der Verletzung des Körpers und der Gesundheit gegeben, da die Klägerin im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung des Beklagten zu 1. von einer Kutsche fiel und sich nach einem Aufprall gegen einen Zaunpfeiler derart starke Verletzungen zufügte, dass diese zu einer Querschnittslähmung führten.

(2) Die ehemaligen Vereinsvorsitzenden haben auch eine Verkehrssicherungspflichtverletzung begangen.

Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet grundsätzlich denjenigen, der eine Gefahrenlage schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH, Urteil vom 19.12.1989 - VI ZR 182/89; Urteil vom 12.11.1996 - VI ZR 270/95; Urteil vom 04.12.2001 - VI ZR 447/00; Urteil vom 15.07.2003 - VI ZR 155/02; Urteil vom 08.11.2005 - VI ZR 332/04; Urteil vom 06.02.2007). Der Verkehrssicherungspflichtige ist aber nicht gehalten, für alle denkbaren, entfernt liegenden Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge zu treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 16.05.2006 - VI ZR 189/05; Urteil vom 16.02.2006 - III ZR 68/05). Der Dritte ist aber nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (OLG Hamm, Urteil vom 17.12.2001 - 13 U 171/01).

Gemessen an diesen Grundsätzen liegt eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vor.

Die beiden ehemaligen Vereinsvorsitzenden waren für die Planung und Durchführung der Jubiläumsveranstaltung verantwortlich. Sie hatten diese so zu organisieren, dass es weder bei Teilnehmern noch bei Zuschauern zu Verletzungen durch vorhersehbare Umstände kommt. Die Planung war unzureichend. Es existierte nur ein rudimentär abgestimmter Ablaufplan (vergleiche Anlage 2.1 zum Sachverständigengutachten vom 27.11.2017, Blatt 732 der GA). Die zu fahrenden Routen ergeben sich daraus nicht. Die Fahrer waren zur Überzeugung des Gerichts, den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen folgend, beim Ablauf auf sich allein gestellt.

Die ehemaligen Vereinsvorsitzenden haben anders als notwendig keine Konkretisierung dahingehend vorgenommen, was bei den einzelnen Schaubildern der jeweiligen Kutschfahrt gezeigt werden soll und wie der Ablauf während des Showprogrammteils geplant ist. Insoweit unterließen die beiden Vereinsvorsitzenden sogar Minimalinformationen aufzuzeichnen, welche für einen sicheren Ablauf nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zwingend erforderlich gewesen wären. Insbesondere nicht festgehalten war der Fahrweg und die Fahrtrichtung sowie die Vorfahrtsregeln. Festgehalten wurde lediglich der planmäßige Beginn und Dauer des Schaubildes sowie welche Personen daran teilnehmen. Den jeweiligen Fahrern stand somit die Ausführung des Schaubildes frei. Sie mussten sich während des Showprogrammteils nicht nur mit dessen korrekter Ausführung des allenfalls mündlich abgesprochenen Schaubildes beschäftigen, sondern waren zudem mit der Steuerung und Navigation beschäftigt, um nicht mit anderen Kutschen oder Flächenbegrenzungen zu kollidieren. Gerade hierdurch kam es nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu der sogenannten „Beinahe-Kollision“ bei Sekunde 38 der Videoaufzeichnung, was letztlich zur Unfallsituation führte.

(3) Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die fehlende Planung kausal für die spätere Verletzung der Klägerin geworden ist. Dabei ist für den Nachweis der Kausalität nicht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Verhinderung der Rechtsgutverletzung für den Fall einer fehlenden Sorgfaltspflichtverletzung zu fordern (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 70). Ausreichend ist vielmehr ein Grad von Gewissheit, der Zweifeln eines besonnenen, gewissenhaften und lebenserfahrenen Beurteilers Schweigen gebietet; Zweifel, die sich auf lediglich theoretische Möglichkeiten gründen, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht bestehen, sind hierbei nicht von Bedeutung (BGH, Urteil vom 8. 7. 2008 - VI ZR 259/06). Hier hat der Sachverständige in nachvollziehbarer Weise festgestellt, dass die unfallrelevante Situation gerade auf der fehlenden Absprache beruhte (Gutachten vom 27.11.2017, S. 8). Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an. Nach Ansicht der Videoaufzeichnung des Unfalls scheint es auch aus der laienhaften Sicht des Gerichts gerade aufgrund der räumlichen Nähe mehrerer Kutschen ohne klare Fahrtrouten zu einer Unruhe unter den Pferden des Junker-Zuges gekommen zu sein. Diese Unruhe war nach den sachverständigen Feststellungen letztlich der Auslöser für das Durchgehen der Tiere. Eine eindeutige Antwort auf die Frage des Fortgangs in einem alternativen Szenario ist naturgemäß nicht möglich. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass auch für den Fall klarer Fahrtrouten eine so enge Begegnung zweier Kutschen erfolgt wäre. Eine Unruhe bei den Pferden des Junker-Zuges hätte aus diesem Grund daher nicht aufkommen können. Dass der Unfall in ähnlicher Form auch bei einer abgestimmten Planung geschehen wäre, ist daher eine unbeachtliche bloß theoretische Möglichkeit, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht bestehen.

Dass die Pferde des Junker-Zuges die letzte Kurve noch problemlos hätten nehmen können, die fehlende Organisation also gerade nicht kausal geworden sei, sieht die Kammer nach Augenscheinnahme des Videos in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Sachverständigen nicht.

Ein hinreichender Grad an Gewissheit bezüglich der Frage der Kausalität des Organisationsverschuldens ist daher gegeben.

(4) Grobe Fahrlässigkeit

Letztlich haften die Rechtsnachfolger der ehemaligen Vereinsvorsitzenden auch trotz der in § 31a Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten Haftungsprivilegierung gegenüber der Klägerin als Vereinsmitglied zum Zeitpunkt des Unfalls, da die ehemaligen Vereinsvorsitzenden grob fahrlässig handelten.

Das aufgezeigte Verschulden stellt sich im Ergebnis als grob fahrlässig dar. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (BGH, Urteil vom 29.01. 2003 - IV ZR 173/01).

Für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit spricht vorliegend vor allem die leichte Vermeidbarkeit aufgrund der Möglichkeit einer hinreichenden Planung im Voraus. Die Situation stellte sich dann gänzlich anders dar für die Fahrer der Kutschen, die im vorliegenden Fall Entscheidungen binnen Sekunden fällen mussten.

Die ehemaligen Vereinsvorsitzenden unterließen es, die Fahrtrichtung, den Fahrweg sowie die Vorfahrt zu regeln und verbindlich festzuhalten. Festgehalten wurde lediglich der planmäßige Beginn und die Dauer des Schaubildes sowie welche Personen daran teilnehmen. Den jeweiligen Fahrern stand somit die Ausführung des Schaubildes frei und sie mussten sich während des Showprogrammteils nicht nur mit dessen korrekter Ausführung des offensichtlich allenfalls mündlich abgesprochenen Schaubildes beschäftigen, sondern waren zudem mit der Steuerung der Kutschen beschäftigt. Wie der Sachverständige ………………… und im Übrigen auch die weiteren mit dem streitgegenständlichen Unfall befassten Sachverständigen übereinstimmend ausführten, ist das Führen der hier gegenständlichen Kutschen komplex und erfordert die volle Aufmerksamkeit der Fahrer. Ein hinreichend freier Blick auf andere Kutschen besteht daher nicht. Die Komplexität des Schaubildes war den ehemaligen Vereinsvorsitzenden als langjährig im Fahrsport tätige Personen bekannt, ebenso die Gefahrenträchtigkeit des Fahrsports im Breitensport. Es ist auch gerichtsbekannt, dass jährlich eine hohe zweistellige Anzahl an Personen bei Kutschenunfällen in Deutschland schwer verletzt werden, wobei eine häufige Ursache das Erschrecken der Pferde ist. Diese Unfälle gehen in aller Regel nicht auf langfristig planbare Schauveranstaltungen zurück, sodass im Regelfall nur eine begrenzte Möglichkeit der Minimierung von Verletzungsrisiken besteht. Dies war im vorliegenden Fall jedoch gerade anders.

Es wäre daher Aufgabe der ehemaligen Vereinsvorsitzenden gewesen, das Risiko eines Erschreckens im Voraus zu minimieren. Die mit den fehlenden Fahrtrouten einhergehende Gefahr des räumlich nahen Zusammentreffens von Kutschen wurde durch eine vorhergehende Planung nicht minimiert. Die bekannte hohe Verletzungsgefahr für Mensch und Tier wurde schlicht nicht hinreichend beachtet. Die sich realisierte Gefahr hätte zudem ganz einfach vermieden werden können, indem entweder nicht vier Kutschen gleichzeitig das Gelände befahren hätten oder eine Begegnung der Kutschen durch vorgegebene Routen nahezu ausgeschlossen worden wäre.

Dies stellt für das Gericht ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten dar, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt. Insofern liegt grobe Fahrlässigkeit vor.

(5) Die ehemaligen Vereinsvorsitzenden handelten auch rechtswidrig.

(6) Die Beklagten zu 2) und 5) haften als Erben neben dem Beklagten zu 1) gemäß §§ 823, 31a, 1922 BGB.

c. Kein Mitverschulden

Bezüglich eines fehlenden Mitverschuldens wird auf die Ausführungen unter II.2.4 verwiesen.

Die Klage ist daher gegen die Beklagten zu 2) und zu 5) dem Grunde nach begründet. Der Feststellungsantrag ist begründet.

4.

Die Klage gegen den Beklagten zu 6) ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 6) kein Schadenersatzanspruch nach § 823 BGB zu.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich zur Überzeugung der Kammer ein für die Verletzungen der Klägerin kausaler Sorgfaltspflichtverstoß des Beklagten zu 6) nicht erweisen.

a. Zwar steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 6) fahrlässig Verkehrssicherungspflichten verletzt hat. Es kann jedoch nicht die Ursächlichkeit dieser Verkehrssicherungspflichtverletzungen für den konkreten Verletzungserfolg festgestellt werden.

(1) Der Beklagte zu 6) hat die Kutsche mit unpassenden Stoffhandschuhen geführt. Die Handschuhe sind insofern nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht Teil der rein optischen Bekleidung, sondern gelten als Ausrüstung mit Sicherheitsrelevanz. So ist es üblich, beim Führen von Pferden Lederhandschuhe oder spezielle Reithandschuhe zu tragen, was der Beklagte zu 6) hier nicht getan hat. Dadurch wurde ihm der Zugriff auf die Pferde erschwert, weil er die Zügel mit weniger Haftung hat halten können. Es kann dabei dahinstehen, ob die Handschuhe über Noppen verfügten, wie vom Beklagten zu 6. behauptet. Denn auch dies wäre nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht ausreichend.

(2) Weiter hat der Beklagte zu 6) die Peitsche nicht wie üblich nach vorne oben links gerichtet in der rechten Hand gehalten. Die Peitsche dient, nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, der Einflussnahme auf die Pferde - auch um diese zu beruhigen. Da der Beklagte zu 6) die Peitsche nicht wie üblich gehalten hat, war seine Einflussnahmemöglichkeit auf die Pferde eingeschränkt.

(3) Auch verzichtete der Beklagte zu 6) auf eine sogenannte Lösungsphase nach dem Anspannen der Pferde an den Junkerzug und fuhr direkt langsam zum Reitplatz. Hierdurch konnten die Tiere sich nicht wie nötig gewesen wäre einige Minuten an die Anspannung gewöhnen, weshalb sie eine gesteigerte Unruhe behielten. Dies hat das Gericht vor allem vor dem Hintergrund, dass an der Anspannung mit „Samuel“ ein besonders junges Pferd beteiligt war, welches mangels Erfahrung noch mehr zur Unruhe neigte, als Fehlverhalten des Beklagten zu 6) gewertet.

(4) Schließlich ist der Beklagte zu 6) als Kutschenführer auch für dessen ordnungsgemäße Besetzung verantwortlich. Folglich ist auch ihm der Umstand anzulasten, dass der Junkerzug gänzlich ohne, anstelle der üblichen zwei Beifahrer (“Grooms“) gefahren ist, welche gerade für Notsituationen zur Verhinderung eines Unfalls erforderlich sind.

(5) Unerheblich ist dagegen, dass der Beklagte zu 6) das ehemalige Fahrabzeichen der Klasse III der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) nicht innehatte. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen sind die Fahrabzeichen keine zwingende Voraussetzung zum sicheren Führen bestimmter Kutschenarten, sondern dienen lediglich dem Nachweis, um an bestimmten Wettkämpfen teilzunehmen.

(6) Weiterhin ist dem Beklagten zu 6) im Ergebnis der Beweisaufnahme im Zusammenhang mit der „Beinahe-Kollision“ keine Verkehrspflichtverletzung im Sinne eines Fahrfehlers vorwerfbar. Das Gericht geht davon aus, dass auch nach den sachverständigen Feststellungen die geringen Abstände der Gespanne ein Problem der fehlenden Organisation und nicht der fahrerischen Qualitäten der beteiligten Kutscher war. Zwar hätte der Beklagte zu 6) nach den Feststellungen des Sachverständigen (S. 13) deutlich mehr (nach rechts) ausfahren können. Dies unterlassen zu haben, war nach der Überzeugung des Gerichts jedoch nicht pflichtwidrig. Der Abstand bis zur Begrenzung des Reitplatzes, an der sich auch zahlreiche Zuschauer befanden, betrug nur einige Meter. Insbesondere der Sachverständige ………….. weist in überzeugender Weise vielfach auf den erforderlichen Sicherheitsabstand zu der Begrenzung des Platzes hin (siehe Gutachten vom 19.12.2018, S. 17, Bl. 1288 der GA, mit Verweis auf das Erfordernis einer physischen Begrenzung von 50 cm vor der eigentlichen Umzäunung). Das Unterlassen dieses (möglichen) Ausfahrens ist daher ex ante nicht als pflichtwidrig zu bewerten. Wiederum dürfte das Problem eher bei der Organisation als bei den Fahrern gelegen haben.

(7) Es ist auch nicht festgestellt, dass der Beklagte zu 6) im Rahmen der Beinahe-Kollision sein Gespann durch Durchparieren aus dem Zug hätte nehmen müssen, um ein Galoppieren des Gespanns zu verhindern. Der Sachverständige ………………… hat allein festgestellt, dass dies zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre. Es ist dabei auch aus laienhafter Sicht erkennbar, dass die Kontrollierbarkeit der Kutsche vor und nach der Kurve (Sekunde 43) eine Zäsur erfuhr. Auch die Klägerin persönlich gab an, dass die Pferde erst auf der Gegengeraden außer Kontrolle geraten sind (Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 15.11.2016, S. 3, 2. Absatz, Bl. 487 der GA). Bis zur Kurve wirkt die Fahrt zügig, aber kontrolliert. Insofern ist nicht zu erkennen, dass es sorgfaltswidrig war, dass der Beklagte zu 6) sein Gespann vor der ersten Kurve (Sekunde 43) nicht zum Stillstand gebracht hatte.

Die Situation gerät vielmehr erst nach der Kurve, im Video bei ca. Sekunde 45, außer Kontrolle. Dort ist zu sehen, dass sich das mittlere Pferd aufbäumt. Erst ab diesem Zeitpunkt erscheint es nach der Überzeugung des Gerichts als sorgfaltswidrig, wenn kein Versuch unternommen werden würde, die Kutsche zum Stillstand zu bringen. Da der Beklagte zu 6) jedoch ab Sekunde 45 nicht mehr im Bild ist und erst kurz dem Sturz wieder ins Bild kommt, ist bereits nicht erwiesen, dass der Beklagte zu 6) nicht bereits ab Sekunde 45 versucht hätte, das Gespann zum Stillstand zu bringen. Als der Beklagte zu 6) bei Sekunde 56 wieder ins Bild kommt, versucht er dies ausweislich seiner zurückgelehnt angespannten Haltung augenscheinlich.

Ein Fahrfehler kann dem Beklagten zu 6) nach Überzeugung des Gerichts daher nicht zum Vorwurf gemacht werden.

b. Der Nachweis der Kausalität eines Verkehrspflichtsverstoßes durch den Beklagten zu 6) wurde nicht geführt.

Bezüglich eines Fahrfehlers ab Sekunde 45, den das Gericht bereits nicht erkennen kann, fehlt es an der Kausalität. Das Gericht ist überzeugt, dass die Kutsche ab Sekunde 45 nicht mehr kontrollierbar war. Zum einen liegt dies bereits bei laienhafter Betrachtung der Bilder nahe. Es ist deutlich zu erkennen, wie sich das mittlere Vorderpferd aufbäumt, was augenscheinlich auf eine kaum noch kontrollierbare Situation hindeutet. Zum anderen hat dies der Sachverständige ebenso bewertet. Soweit das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 hierzu die Feststellung des Sachverständigen enthält, dass bei „5.40 min“ (Seite 3, Bl. 1458) die Kutsche nicht mehr kontrollierbar gewesen sei, handelt es sich offensichtlich um einen Übertragungsfehler des Diktats der mündlichen Verhandlung. Offenkundig wurde „fünfundvierzig“ diktiert, was als „fünf-vierzig“ von der Schreibkraft verstanden und im Anschluss nicht korrigiert wurde. Das Video hat jedenfalls nur eine Länge von 2:32 min. Die Stelle bei Sekunde 45 stellt auch bei laienhafter Sicht den Punkt dar, an dem das Unglück seinen Lauf nahm. Zur gleichen Einschätzung, dass nach der Kurve Panik ausbricht, kommt auch der Sachverständige …………………. (Bl. 346 der GA). Auch die Sachverständige ………………… kommt nicht zum Ergebnis eines kausalen Verschuldens eines Fahrers (Anlage K2a).

Im Übrigen ließ sich zur Überzeugung des Gerichts auch bezüglich der weiteren festgestellten Verkehrspflichtverstöße der Nachweis der Ursächlichkeit nicht führen. Der Sachverständige sah insoweit vor allem ein Organisationsverschulden, welches den Unfall verursachte.

Bezüglich des Tragens der Stoffhandschuhe ist der Nachweis nicht gelungen, dass das Tragen von Lederhandschuhen oder speziellen Reithandschuhen den Unfall verhindert hätte. Der Sachverständige ………………… hat eine Ursächlichkeit der Stoffhandschuhe nicht festgestellt. Die Sachverständige ………………… konnte explizit kein Durchrutschen der Zügel durch die Hand feststellen (Anlage K2a, S. 19). Es kann daher nicht festgestellt werden, dass das Tragen der weißen Stoffhandschuhe kausal für den Unfall geworden wäre.

Gleiches gilt für den fehlerhaften Peitschengriff. Es sind bereits zu dem Zeitpunkt, in dem die Kutsche noch hätte angehalten werden können, keine Versuche zum Anhalten erkennbar, was im Übrigen für sich genommen auch nicht sorgfaltswidrig war (siehe oben). Erst als aufgrund der Panik der Tiere kein Eingreifen mehr möglich war, wäre der Einsatz der Peitsche überhaupt erst in rechtlicher Hinsicht zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten durch den Beklagten zu 6) erforderlich gewesen.

Gleiches gilt letztlich für die Aneinandergewöhnung der Tiere durch frühzeitiges Einspannen. Wie der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20.05.2021 feststellte, kann ein Durchgehen der Tiere immer passieren und ist nie zu 100 % voraussehbar. Insofern hätte die Aneinandergewöhnung das Risiko wohl reduziert, jedoch nicht sicher zur Vermeidung dessen geführt.

Auch bezüglich der Besetzung des Junker-Zuges ohne qualifizierte Beifahrer (sogenannte Grooms) lässt sich ein Kausalitätsnachweis nicht führen. Wie bereits den überzeugenden Berechnungen im Gutachten des Sachverständigen ………………… vom 13.07.2014 (Anlage K2b), denen sich die weiteren Sachverständigen später angeschlossen haben, zu entnehmen ist, war die Besetzung angesichts der Kraft von fünf panischen Pferden für sich genommen nicht relevant. Was die Funktion als Unterstützung des Beklagten zu 6) bei der Leinenführung angeht, so ist wiederum zu berücksichtigen, dass die Panikreaktion gerade erst bei Sekunde 45 unumkehrbar wurde und davor einen kontrollierbaren Eindruck machte. Wie bereits aufgezeigt, war es daher nicht pflichtwidrig, vor der Kurve den Junker-Zug nicht zum Stehen zu bringen. Letztlich kann daher auch bezüglich zweier „Grooms“ nicht davon ausgegangen werden, dass diese vor der Kurve eingegriffen hätten. Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen ………………… war das Unglück jedoch nach der Kurve nicht mehr zu verhindern. Der Einsatz von qualifizierten Beifahrern hätte den Unfall damit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verhindert.

Auch wenn die größere Zahl von Pflichtverletzungen die Gefahr des Unfalls erheblich erhöht haben dürfte, besteht auf Seiten des Gerichts, auch alle Pflichtverletzungen hinweg gedacht, kein Grad von Gewissheit, der Zweifeln eines besonnenen, gewissenhaften und lebenserfahrenen Beurteilers Schweigen gebietet (BGH, Urteil vom 08.07.2008 - VI ZR 259/06). Weitere Risikofaktoren, für die der Beklagte zu 6) nicht verantwortlich ist, wie etwa das junge Alter des mittleren Vorderpferds, bestünden weiter fort. Es wäre damit zwar denkbar, jedoch letztlich Spekulation, ob ein anderes Verhalten des Beklagten zu 6) den Unfall verhindert hätte.

Der Kausalitätsnachweis ist nicht geführt.

Die Klage gegen den Beklagten zu 6) ist daher unbegründet.

5.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 7) weder Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB noch aus § 833 BGB.

a. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 7) aus § 833 S. 1 BGB.

Zwar ist der Beklagte zu 7) Halter der Pferde des Random-Gespanns mit der die Unfallkutsche in eine Beinahe-Kollision geraten ist. Das Gericht geht daher davon aus, dass sich im Grundsatz noch die spezifische Tiergefahr mittelbar in dem Unfall ca. 20 Sekunden später realisiert hat. Der Beklagte zu 7) kann sich jedoch gemäß § 833 S. 2 BGB exkulpieren.

Bei den Tieren handelt es sich um privilegierte Haustiere im Sinne von § 833 S. 2 BGB. Diese setzte der Beklagte zu 7) auch zu Erwerbszwecken ein, da er mit ihnen gewerblich Kremser-Fahrten durchführte. Die Pferde dienten damit der Erwerbstätigkeit des Beklagten zu 7) mit der Folge, dass eine Exkulpation möglich ist.

Diese gelingt dem Beklagten zu 7) auch.

Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Beklagte zu 7) die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Diesbezüglich kommt zunächst das Nebeneinandergehen von Vorder- und Mittelpferd des Random-Gespanns in Betracht. Dass dies jedoch eine Anforderung im Sinne der Verkehrssicherheit des Gespanns ist, wurde sachverständigenseits nicht ausgeführt. Auch aus laienhafter Sicht erscheint beim Fahren des Random-Gespanns das Nebeneinandergehen von 2 Pferden nicht als sicherheitsrelevant und ist daher zumindest unerheblich für die im Verkehr erforderliche Sorgfalt. Der plausible Einwand des Beklagten zu 7), dass das Zurückfallen des Vorderpferdes sogar die Gefahr reduzierte, da die Kutschen ansonsten noch näher aneinander gewesen wären, bedarf daher keiner näheren Bewertung.

Bezüglich des zu dichten Ausweichens weist der Sachverständige ………………… darauf hin, dass die Situation in der Entstehung nicht beurteilt werden kann und dass im Übrigen der Beklagte zu 6) eher die Möglichkeit gehabt hätte, diese Stelle deutlich weiter auszufahren. Auf dem nur für ca. 1 Sekunde erkennbaren relevanten Verhalten des Beklagten zu 7) ist kein Fehlverhalten zu erkennen. Letztlich erscheint auch hier ein Defizit der Organisation erkennbar zu sein.

Insbesondere hat der Beklagte zu 7) keine Vorfahrtsregeln missachtet, alleine schon deshalb, weil es solche in dieser Form bei Veranstaltungen wie der streitgegenständlichen nicht allgemeingültig gibt und mangels Fahrplan auch hier keine festgelegt waren. Unbeachtlich war auch, wie sich die Pferde des Beklagten zu 7) nach der Beinahe-Kollision verhalten haben, da dies keinen Einfluss auf die Unfallkutsche mehr haben konnte und auch nicht hatte.

Auch eine Sorgfaltspflichtverletzung, welche im Video nicht erkennbar ist, ist nicht erwiesen. Die Fahrtrouten waren nicht festgelegt, der Beklagte zu 7) scheint erkennbar Richtung Ausfahrt unterwegs gewesen zu sein. Der Beklagte zu 6) fuhr ein, wofür kein Ablaufplan bestand, sodass der Beklagte zu 7) sich nicht darauf einstellen konnte. Der Beklagte zu 7) konnte eine Kollision trotz der mangelhaften Organisation vermeiden. Eine Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne eines Fahrfehlers durch den Beklagten zu 7) liegt somit zur Überzeugung des Gerichts nicht vor.

Die formale Qualifikation durch Nachweis eines Fahrabzeichens der Klasse III war in rechtlicher Hinsicht nicht erforderlich (siehe oben).

Dass der Beklagte zu 7) trotz der defizitären Organisation an der Veranstaltung teilnahm, begründet für sich genommen keinen Verkehrspflichtverstoß.

Es konnte auch nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, dass der Beklagte zu 7) kurzzeitig keine Kontrolle über sein Gespann hatte. Der Sachverständige ………………… verneint ausdrücklich, dass ein solcher Kontrollverlust im Video erkennbar wäre.

Der Beklagte zu 7) kann sich daher bezüglich der Tierhalterhaftung exkulpieren gemäß § 833 S. 2 BGB.

b. Mangels eines kausalen Sorgfaltspflichtverstoßes des Beklagten zu 7) kommt auch keine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht.

Die Klage gegen den Beklagten zu 7) war daher abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung betreffend die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3., 4., 6. und 7. beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Ein Teilurteil, das hinsichtlich eines Streitgenossen den Prozess entscheidet, kann eine Teilkostenentscheidung treffen (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2001 - V ZR 22/00, juris; BGH, Urteil vom 25. November 1959 - V ZR 82/58 -, juris).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.