Gericht | OLG Brandenburg 10. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 21.11.2024 | |
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Aktenzeichen | 10 U 131/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:1121.10U131.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 14. September 2023 – 6 O 142/20 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil sowie die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
I.
Die Parteien streiten über die Fälligkeit einer Werklohnforderung aus dem zwischen ihnen geschlossenen Verbraucherbauvertrag vom 22. Februar 2018.
Die Klägerin hat die Vergütung für fällig gehalten, weil die Beklagten die Abnahme des Werks - ein Einfamilienhaus - am 14. Februar 2020 und erneut am 11. März 2020 verweigert hätten, ohne dass wesentliche Mängel vorgelegen hätten. Zudem hätten die Voraussetzungen der fiktiven Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB vorgelegen.
Die Beklagten haben geltend gemacht, es sei bis heute keine wirksame Abnahme erfolgt, weil sie am 23. Januar 2020 eine umfassende Mängelliste erstellt und diese an die Klägerin übersandt hätten. Einen weiteren Mangel - Haustür: schwarzer Strich auf Glasinnenseite - hätten sie am 10. Februar 2020 mitgeteilt.
Sie seien berechtigt gewesen, die übereinstimmend auf den 14. Februar 2020 angesetzte Abnahme zu verweigern, weil nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt die in der Mängelliste aufgeführten Mängel beseitigen könne, wie sie mit E-Mail vom 5. Februar 2020 angekündigt hatte.
In tatsächlicher Hinsicht habe am 14. Februar 2020 eine Mangelfreiheit nicht vorgelegen, denn der mit der E-Mail vom 10. Februar 2020 angezeigte Mangel an der Haustür sei ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Protokolls zur Zustandsfeststellung vom 25. Februar 2020 noch vorhanden gewesen. Zudem hätten sich, wie aus diesem Protokoll ersichtlich, noch weitere Mängel gezeigt, sodass das Bauwerk nicht mangelfrei gewesen sei. Die Abnahmeverweigerungen am 14. und 25. Februar 2020 sei daher berechtigt gewesen.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung des Restwerklohns von 17.261,47 € nebst Zinsen verurteilt, lediglich hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten hat es die Klage abgewiesen.
Es hat angenommen, dass die Vergütung der Klägerin fällig sei, weil eine fiktive Abnahme der Leistung gemäß § 640 Abs. 2 BGB vorliege. Das Haus sei fertiggestellt gewesen, wovon die Klägerin jedenfalls subjektiv ausgegangen sei. Es hätten keine wesentlichen Mängel vorgelegen. Die Klägerin habe die Beklagten wirksam zur Abnahme aufgefordert und die Beklagten hätten die Abnahme binnen dieser Frist nicht qualifiziert, d. h. unter Benennung wenigstens eines Mangels verweigert. Schließlich liege jedenfalls im Prozess die Abnahmereife vor, weil die Beklagten keinen wesentlichen Mangel vorgetragen hätten.
Dagegen haben die Beklagten Berufung eingelegt und gerügt, dass das Gericht zu Unrecht vom Vorliegen einer fiktiven Abnahme ausgegangen sei. Das Bauvorhaben sei weder am 14. noch am 25. Februar 2020 vertragsgemäß fertiggestellt, noch die Mängel beseitigt gewesen. Zudem sei durch die Beklagten die Abnahme unter Hinweis auf die fehlende Fertigstellung und Nennung von Mängeln verweigert worden.
Zudem seien die Beklagten nicht ordnungsgemäß auf die Folgen des § 640 Abs. 2 BGB hingewiesen worden; das Schreiben der Klägerin vom 20. Dezember 2020 (tatsächlich wohl 12. Februar 2020) genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Zudem fehle es an einer prüffähigen Schlussrechnung, die es den Beklagten als Verbrauchern erlauben würde, die einzelnen erbrachten Leistungen zu prüfen.
Die Beklagten beantragen,
das am 14. September 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus - 6 O 142/20 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
Hinsichtlich des tatsächlichen Vorbringens wird Bezug genommen auf das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 14. September 2023 sowie die von den Parteien gewechselten Schriftsätze.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung des restlichen Werklohns gemäß § 631 Abs. 1 BGB zu.
1. Die Parteien haben einen Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650 I Abs. 1 BGB geschlossen, mit dem sich die Klägerin zum Bau eines Einfamilienhauses für die Beklagten verpflichtet hat.
2. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Restwerklohnforderung auch fällig. Nach § 650g Abs. 4 BGB setzt die Fälligkeit der Vergütung die Abnahme des Werkes sowie die Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung voraus. Beides liegt hier vor.
a) Zwar haben die Beklagten das Werk nicht ausdrücklich oder konkludent abgenommen, jedoch liegen, wie vom Landgericht angenommen, die Voraussetzungen der fiktiven Abnahme gemäß § 640 Abs. 2 BGB vor. Danach gilt das Werk als abgenommen, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Ein Verbraucher muss gemäß § 640 Abs. 2 S. 2 BGB auf diese Rechtsfolge in Textform hingewiesen worden sein.
aa) Das Werk ist fertiggestellt. Eine Fertigstellung im Sinne des § 640 Abs. 2 BGB setzt nicht voraus, dass sämtliche Arbeiten erbracht und alle wesentlichen Mängel behoben worden sind. Fertigstellung kann damit auch gegeben sein, wenn noch - auch wesentliche - Mängel des Werks vorliegen (Werner/Pastor-Wagner/Werner Der Bauprozess, 18. Aufl. Rn. 1782; OLG Schleswig, IBR 2022,120). Es muss nur vollständig fertiggestellt sein, ohne dass Restleistungen notwendig sind.
Dies ist hier der Fall, denn die Beklagten beschränken sich auf die pauschale Feststellung, dass das Werk nicht fertiggestellt sei, nennen aber keine konkrete Restleistung, obwohl sie das Einfamilienhaus seit mehr als vier Jahren nutzen. Da die Beklagten weder vorprozessual noch im Rechtsstreit wesentliche Mängel vorgetragen haben, kommt es auch nicht auf den Streit an, aus wessen Sicht die Fertigstellung gegeben sein muss.
bb) Die Klägerin hat den Beklagten, wie das Landgericht zutreffend ausführt, eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt; auf dessen zutreffende Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
cc) Die Beklagten haben die Abnahme zwar verweigert, allerdings ohne mindestens einen Mangel konkret anzugeben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. Februar 2020 (K 6, Bl. 67 LG) verweigerten die Beklagten die Abnahme lediglich mit dem Hinweis, dass das Bauvorhaben nicht fertiggestellt sei. Am von den Beklagten vorgeschlagenen Abnahmetermin vom 11. März 2020 haben sie die Abnahme unter Hinweis darauf verweigert, dass man nicht wissen könne, wie die Mängel beseitigt worden seien.
Die Mitteilung mindestens eines Mangels war auch nicht verzichtbar. Es ist nicht ausreichend, dass die Beklagten der Klägerin am 23. Januar 2020 eine Liste mit Mängeln übergeben haben und dieser die Mängel damit bekannt gewesen sind.
Die Meinungen gehen auseinander hinsichtlich der Frage, wie es zu bewerten ist, wenn die Besteller bereits vor der Fristsetzung Mängel gerügt haben. Es wird die Ansicht vertreten, dies sei ausreichend, weil dem Werkunternehmer die Mängel bekannt sind und eine Berufung auf die formalen Voraussetzungen des § 640 Abs. 2 BGB rechtsmissbräuchlich wäre. Die andere Ansicht verweist auf das formale Verfahren des § 640 Abs. 2 BGB und darauf, dass es im Interesse der Klarheit dem Besteller zuzumuten sei, erneut einen konkreten Mangel zu nennen (vgl. - auch zum Meinungsstand - Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 10. Dezember 2021 – 1 U 64/20 –, juris – Rn.26 m.w.N., IBR 2022,120; ebenso Werner/Pastor, Der Bauprozess, 18. Aufl. Rn.1784 m.w.N.; Grüneberg-Retzlaff, BGB 83. Aufl. § 640 Rn.14).
Der Senat schließt sich der letzten Meinung an. Der Gesetzgeber wollte den Besteller mit der Neuregelung des § 640 Abs. 2 BGB dazu anhalten, sich darüber Gedanken zu machen, welche Mängel tatsächlich (noch) vorliegen und mindestens einen davon auch konkret zu nennen. Im vorliegenden Fall streitet schon die Klarheit für eine Wiederholung des oder der Mängel, weil die Klägerin mit E-Mail vom 5. Februar 2020 angekündigt hatte, sie würde sämtliche in der Liste vom 23. Januar 2020 aufgeführten Mängel bis zur Abnahme am 14. Februar 2020 beseitigen. Somit ist keineswegs selbstverständlich, dass einer oder alle der mit Liste von 23. Januar 2020 gerügten Mängel bei Fristablauf noch bestanden haben. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es darauf an, ob zum Zeitpunkt des Fristablaufs Mängel vorgelegen haben, nicht zu dem Zeitpunkt, in dem die Frist gesetzt worden ist.
Das Verhalten der Beklagten lässt auch keinen eindeutigen Schluss darauf zu, dass sämtliche Mängel der vorgenannten Liste noch bestanden haben. Entgegen dem pauschalen Berufungsvorbringen, dass keine Mängel beseitigt worden seien, spricht die verweigerte Abnahme vom 11. März 2020 unter Hinweis darauf, dass man nicht wissen könne „wie die Mangel beseitigt worden seien“, eher dafür, dass zumindest einige Mängel beseitigt worden sind.
Soweit die Beklagten in der Berufung erstmals vortragen, dass sie die Abnahme unter Hinweis auf die Nichtfertigstellung des Hauses und andererseits unter Nennung der Mängel verweigert hätten und insoweit beklagtenseitige Parteivernehmung anbieten, ist der Vortrag schon nicht hinreichend konkret. Daraus geht schon nicht hervor, wer, wann welche Mängel gerügt haben soll; darüber hinaus ist der Vortrag verspätet und deshalb nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen.
dd) Schließlich sind die Beklagten auch ordnungsgemäß auf die Folgen der Abnahmeverweigerung in Textform mit Schreiben vom 12. Februar 2020 hingewiesen worden; der Hinweis entspricht den gesetzlichen Vorschriften.
b) Letztlich kommt es darauf auch nicht maßgeblich an, denn der Anspruch auf Werklohn ist vorliegend ohne Abnahme fällig. Nach der Rechtsprechung des BGH, die auch nach neuem Bauvertragsrecht wirksam ist und neben die Regelung des § 640 Abs. 2 BGB tritt (Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher-Jurgeleit, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 3.Teil Rn. 60) treten die Abnahmewirkungen ein, wenn der Auftraggeber endgültig und ernsthaft zu Unrecht die Abnahme verweigert. Der Anspruch auf Zahlung des Werklohns wird dann auch ohne (tatsächliche) Abnahme fällig, wenn die Beklagten zur Abnahme verpflichtet sind (Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher-Jurgeleit, a.a.O., Rn. 61). Ist der Besteller zur Abnahme verpflichtet, weil keine wesentlichen Mängel vorliegen, ist der Unternehmer nicht gezwungen, zunächst auf Durchführung der Abnahme zu klagen. Vielmehr kann er sofort die Vergütungsforderung geltend machen. Eine Abnahmepflicht besteht allerdings nur dann, wenn das Werk vertragsgemäß hergestellt ist, § 640 Abs. 1 S. 1 BGB, d. h. wenn es keine erheblichen Mängel aufweist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. April 2010 - 4 U 129/08 - Rn. 54, juris).
So liegt der Fall hier, denn die Beklagten haben keinen wesentlichen Mangel vorgetragen. Die Mangelfreiheit hat zwar der Werkunternehmer zu beweisen. Im Hinblick darauf, dass er eine negative Tatsache beweisen muss, obliegt dem Besteller eine sekundäre Darlegungslast dahingehend, dass er den behaupteten Mangel substantiiert vortragen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 1999 - 22 U 229/98 -, Rn. 4, juris).
Danach ist der Werklohnanspruch der Klägerin auch ohne Abnahme fällig, denn in erster Instanz haben sich die Beklagten nur auf die Mängel aus dem Protokoll über die Zustandsfeststellung der Klägerin gestützt. Sie sind gleichfalls der Behauptung der Klägerin, es handele sich um unwesentliche Mängel, deren Beseitigung nicht mehr als 200 € insgesamt erfordere, nicht entgegengetreten. Dabei handelt es sich um einen schwarzen Strich auf der Glasinnenseite der Haustür (150 €) und Rostspuren an den Putzschäden im Gäste-WC (K 9, Bl. 71 LG). Letztere sind nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin am 26. Februar 2020 beseitigt worden. Weitere Mängel sind in der ersten Instanz nicht gerügt worden.
Auch der Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung, „Eine vertragsgemäße Fertigstellung und Beseitigung der Mängel ist durch die Klägerin nicht, weder bis zum 14. Februar, 18. Februar 2020 und 25. Februar 2020, noch bis zur Gegenwart erfolgt“ im Zusammenhang mit der erstmals in der Berufungsinstanz übersandten Mängelliste vom 23. Januar 2020 und deren Bearbeitung durch die Klägerin vom 5. Februar 2020 ist nicht ausreichend, weil es an einem Vortrag fehlt, welche Mängel (noch) geltend gemacht werden; darüber hinaus ist der Vortrag verspätet und nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen.
c) Schließlich liegt auch entgegen der Annahme der Beklagten die erforderliche prüffähige Schlussrechnung vor, § 650 g Abs. 4 BGB. Vorliegend handelt es sich um einen Pauschalpreisvertrag, bei dem für die Prüffähigkeit lediglich die geleisteten Abschlagszahlungen aufzuführen sind. Zudem haben die Beklagten die fehlende Prüffähigkeit nicht innerhalb von 30 Tagen beanstandet, § 650 d Abs. 4 S. 3 BGB.
d) Die Höhe der verbleibenden Vergütung haben die Beklagten nicht beanstandet, ebenso wenig wie die Verurteilung zur Zahlung der Zinsen.
Die Entscheidung über die Kosten ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 17.261,47 € festgesetzt.