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Verrechnung; Verwaltungsakt; Bestimmtheit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 33. Senat Entscheidungsdatum 06.05.2010
Aktenzeichen L 33 R 1404/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 52 SGB 1, § 33 SGB 10

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Mai 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Verrechnung seiner Rentennachzahlung.

Mit Eingang bei der Beklagten am 23. November 1981 stellte das Arbeitsamt Rosenheim einen Antrag auf Verrechnung gemäß § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in Höhe von 1.668,50 DM wegen zurückzufordernden Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 1. Februar 1975 bis 17. März 1975. Mit Eingang bei der LVA Oberbayern am 21. Dezember 1983 ermächtigte das Arbeitsamt Aalen die Beklagte zur Verrechnung nach § 52 SGB I wegen rückständigen Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 18. März 1975 bis 24. April 1975 und 1. Februar 1975 bis 13. März 1975 in Höhe von 1.677,40 DM.

Zu einem unbekannten Datum, ca. Anfang 1985, ersuchte die Bayerische Bau-Berufsgenossenschaft (im Folgenden: Bau-BG) die Beklagte zur Vormerkung der Verrechnung geschuldeter Beträge.

Mit Eingang bei der Beklagten am 11. August 1988 stellte die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Traunstein ein Verrechnungsersuchen nach § 52 SGB I i.V.m. § 51 SGB I bezüglich rückständiger Beiträge in Höhe von 8.441,47 DM für die Zeit vom 1. Oktober 1982 bis 31. Dezember 1982.

Mit Schreiben vom 28. März 1985 teilte die Beklagte der Bau-BG mit, dass sie das Vormerkungsersuchen zum Vorgang des Versicherten genommen habe. Gleiches teilte die Beklagte mit Schreiben vom 17. August 1988 der AOK Traunstein mit.

Am 24. Januar 2000 hat der Kläger einen Antrag auf Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres gestellt.

Auf Anfrage der Beklagten teilte das Landesarbeitsamt (LAA) Bayern am 17. Februar 2000 mit, dass seine Restforderung 649,10 DM betrage und dass es sich bei den Verrechnungsersuchen vom 23. November 1981 und 21. Dezember 1983 um die gleiche Forderung handele. Die AOK Traunstein teilte mit Schreiben vom 16. Februar 2000 mit, dass ihre Forderung sich inklusive Zinsen immer noch auf 10.375,90 DM belaufe. Die Bau-BG bestätigte mit Schreiben vom 8. März 2000, dass ihre Forderung noch 3.418,31 DM betrage.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente für langjährige Versicherte ab 1. Januar 2000. Es ergab sich für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 30. Juni 2000 eine Nachzahlung in Höhe von 7.877,52 DM, die die Beklagte vorläufig einbehielt.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2000 rechnete die Beklagte die Rentennachzahlung ab und teilte dem Kläger mit, dass 3.938,76 DM an ihn ausgezahlt würden, der gleiche Betrag jedoch weiterhin einbehalten werde. Hierüber erhalte er zu gegebener Zeit weitere Nachricht.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2000 teilte der Kläger mit, dass ein Einbehalt der Nachzahlung nicht zulässig sei, weil er in der Zeit von Januar bis Juni 2000 keine Zahlung erhalten habe. Er habe während dieses Zeitraums Schulden gemacht und sei dringend auf die Nachzahlung angewiesen, um diese zurückzahlen zu können.

Mit Schreiben vom 9. Juni 2000 hörte die Beklagte den Kläger dahingehend an, dass sie beabsichtige, die Nachzahlung in Höhe von 3.938,76 DM mit Forderungen des Arbeitsamtes Rosenheim, der AOK Traunstein und der Bau-BG zu verrechnen. Er erhielt Gelegenheit, sich innerhalb von drei Wochen zu der vorgesehenen Verrechnung zu äußern. Dies tat der Kläger mit Schreiben vom 19. Juni 2000. Er teilte mit, dass die Forderung der AOK Traunstein durch Vergleich erledigt worden und daher hinfällig sei. Außerdem habe diese Forderung nicht ihn persönlich betroffen, sondern seinen Sohn, der damals ein Autohaus geführt habe. Eine Forderung der Bau-BG sei ihm nicht bekannt. Die Forderung des Arbeitsamtes sei bekannt, er wisse nicht, ob die Höhe noch zutreffe. Durch die Verrechnung werde Hilfebedürftigkeit eintreten. Er habe Geld für die Zeit von Januar bis Juni 2000 geliehen und müsse dieses zurückzahlen.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2000 teilte die AOK Traunstein mit, dass ihre Forderung gegen den Kläger zu Recht bestehe. Sie legte Kopien eines Schuldanerkenntnisses gemäß § 781 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom 12. Juni 1985über einen Betrag von 7.378,57 DM nebst 1 % Zinsen seit dem 13. November 1982 bei sowie einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Traunstein vom 21. (unleserlich) 1988 über eine Forderung in Höhe von insgesamt 7.376,57 DM sowie ein Schreiben der AOK für die Kreise Berchtesgadener Land und Traunstein vom 7. Juni 1995 an den Kläger, wonach einem Antrag zugestimmt worden sei, dass bei einer Vergleichssumme in Höhe von 1.600,00 DM die Forderung gegen Herrn E als erledigt betrachtet würde, die bestehende Forderung gegen den Kläger jedoch unter Berücksichtigung der Zahlung in Höhe von 1.600,00 DM aufrecht erhalten bleibe.

Mit Schreiben vom 19. Juli 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein weiterer Betrag, und zwar in Höhe von 1.312,92 DM der Nachzahlung an ihn ausbezahlt werde. Der Restbetrag in Höhe von 2.625,84 DM werde weiterhin einbehalten; darüber erhielte der Kläger zu gegebener Zeit weitere Nachricht.

Mit Bescheid vom 3. August 2000, überschrieben mit „Verrechnungsbescheid“, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie vom Arbeitsamt Rosenheim ermächtigt worden sei, Arbeitslosengeld in restlicher Höhe von 649,10 DM gegen die ihm zuerkannte laufende Geldleistung (Rente) zu verrechnen. Ferner sei sie von der AOK in Traunstein mit Schreiben vom 10. August 1988 nach § 52 SGB I ermächtigt worden, die von ihm geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung von derzeit 10.375,90 DM gegen die ihm zuerkannte laufende Geldleistung (Rente) zu verrechnen. Die Beklagte stellte die gesetzlichen Voraussetzungen des § 52 SGB I i. V. m. § 51 SGB I in dem Bescheid dar. Weiter teilte sie mit, dass keine Hilfebedürftigkeit nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) eintreten dürfe. Sie habe über die Auf- bzw. Verrechnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Nach Prüfung der pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens werde auch unter Berücksichtigung seiner im Anhörungsverfahren geäußerten Einwände die Auf- bzw. Verrechnung für angemessen gehalten. Die Forderung des Arbeitsamtes sei von ihm nicht grundsätzlich bestritten worden. Die Höhe der restlichen Forderungen des Arbeitsamtes habe das Landesarbeitsamt (LAA) Bayern der Beklagten mit Schreiben vom 17. Februar 2000 bekannt gegeben. Die AOK Traunstein habe mit Schreiben vom 5. Juli 2000 bestätigt, dass ihre Forderung aufgrund des Schuldanerkenntnisses vom 12. Juni 1985 und des Vollstreckungsbescheides vom 21. Dezember 1988 noch bestehe. Die Auf- bzw. Verrechnung werde mit 2.625,84 DM aus der Rentennachzahlung des Bescheides vom 17. Mai 2000 vorgenommen. Eine Verrechnung gegen die laufende Rentenzahlung sei unter Berücksichtigung der grundsätzlich bestehenden Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau und der Höhe der monatlichen Rente von derzeit 1.323,67 DM nicht beabsichtigt, da bei diesem Betrag davon auszugehen sei, dass bei einer Verrechnung Sozialhilfebedürftigkeit eintrete. Die Rentennachzahlung für die Zeit von Januar 2000 bis Mai 2000 stehe bis maximal zur Hälfte für eine Verrechnung zur teilweisen Tilgung der Forderungen des Arbeitsamtes und der AOK zur Verfügung, die zeitlich gegenüber später erworbenen Ansprüchen Dritter vorrangig seien.

Mit Schreiben vom 14. August 2000 legte der Kläger gegen den Verrechnungsbescheid vom 3. August 2000 Widerspruch ein. Wie er schon mehrfach mitgeteilt habe, habe er die monatliche Zahlung für das Leben ausleihen müssen, um nicht verhungern zu müssen. Die Beklagte habe ihn monatelang ohne jeden Pfennig sitzen lassen, so dass ihm keine andere Wahl verblieben sei. Er müsse die geliehenen Gelder logischerweise zurückbezahlen, um sich nicht des Betruges schuldig zu machen. Wenn er den Betrag von der Beklagten nicht bekommen sollte, müsse er aus der laufenden Rente die Schuld begleichen, was finanziell unmöglich sei. Somit müsse er dann das Sozialamt in Anspruch nehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2001, an den Bevollmächtigten abgesendet am 9. März 2001, hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Die Verrechnung der Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim von zu Unrecht erbrachtem Arbeitslosengeld in restlicher Höhe von 649,10 DM sowie die Verrechnung der Forderung der AOK Traunstein von geschuldeten Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung in Höhe von derzeit 10.375,90 DM mit 2.625,84 DM aus der Rentennachzahlung des Bescheides vom 17. Mai 2000 sei nicht zu beanstanden.

Mit der am 11. April 2001 bei dem Sozialgericht München erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er sei bezüglich der Forderung der AOK nur Bürge gewesen. Der Schuldner sei aus der Verpflichtung entlassen worden, nach Zahlung eines geringen Betrages. Die AOK hätte erst versuchen müssen, seinen Sohn, den Schuldner, in Anspruch zu nehmen. Im Übrigen sei Hilfebedürftigkeit im Sinne des BSHG entstanden.

Mit Beschluss vom 19. Februar 2004 hat das Sozialgericht München den Rechtsstreit wegen des Wohnsitzes des Klägers im Ausland bei Klageerhebung an das Sozialgericht Berlin verwiesen.

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2004 hat das Sozialgericht die AOK Traunstein und die Bau-BG Bayern und Sachsen zu dem Verfahren beigeladen.

Mit Urteil vom 15. Mai 2008 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Im angefochtenen Widerspruchsbescheid habe die Beklagte die von ihr vorgenommene Verrechnung mit einem Teil der Rentennachzahlung hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen für diesen Vorgang zutreffend dargestellt und im Übrigen in Nachholung gegenüber dem angefochtenen Bescheid vom 3. August 2000 auch in ausreichender Weise das ihr in diesem Zusammenhang obliegende Ermessen nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I ausgeübt. Die Beigeladene zu 1) habe hinsichtlich der vom Kläger auch im vorliegenden Verfahren bestrittenen Forderung unter Vorlage des Schuldanerkenntnisses vom 12. Juni 1985 eindeutig belegt, dass sie eine Forderung gegen den Kläger besitze, so dass es sich entgegen der klägerischen Argumentation im vorliegenden Verfahren nicht um mittels des Ermächtigungsschreibens der Beigeladenen zu 1) vom 10. August 1988 geltend gemachte „angebliche Ansprüche“ handele. Unter dieser Voraussetzung habe die Beklagte die Verrechnung vornehmen müssen, denn eine Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers, die nach § 51 SGB I zu berücksichtigen gewesen wäre, sei ersichtlich nicht eingetreten. Das Sozialgericht verwies zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides.

Gegen das dem damaligen Klägerbevollmächtigten am 5. Juni 2008 zugestellte Urteil hat dieser am 7. Juli 2008, einem Montag, Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Das Sozialgericht sei auf seine Begründung überhaupt nicht eingegangen. Die Beklagte habe die Rentenzahlung monatelang verschleppt. Er habe nicht von „Nichts“ leben können und habe daher ein Darlehen aufnehmen müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Mai 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und das angefochtene Urteil verwiesen.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) sowie die mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 beigeladene Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch die Regionaldirektion Bayern, haben keine Anträge gestellt.

Auf Aufforderung des Senats mit Schreiben vom 15. September 2009 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. November 2009 dahingehend Stellung genommen, dass ihres Erachtens der Bescheid vom 3. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 nicht zu unbestimmt sei. Dem Kläger sei auch bereits mit der Anhörung vom 9. Juni 2000 im Einzelnen das Verrechnungsersuchen erläutert worden, so dass aus dem Gesamtzusammenhang deutlich werde, dass er durchaus Art und Umfang der Verrechnung im Einzelnen habe nachvollziehen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten (Az. ) und die Akten der Beigeladenen zu 2) haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, da der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von 750 Euro überschritten wird.

Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Mai 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, da der angefochtene Bescheid nicht mit der notwendigen hinreichenden Bestimmtheit die (von der Beklagten vorgesehene) Verrechnung regelt.

Grundsätzlich ist eine Verrechnung mit Forderungen eines anderen Leistungsträgers gemäß § 52 i.V.m. § 51 SGB I möglich. Danach kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist. Dies ist dann der Fall, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1. die geltend gemachte Forderung eines Leistungsträgers muss bestehen,
2. es muss eine Ermächtigung des berechtigten Leistungsträgers zur Verrechnung vorliegen,
3. die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 SGB I müssen erfüllt sein, d.h. es darf gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen nur bis zu deren Hälfte aufgerechnet werden und es darf durch die Verrechnung keine Hilfebedürftigkeit nach dem Zwölften oder dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs eintreten und
4. die ordnungsgemäße Ausübung des dem verrechnenden Leistungsträger zustehenden Ermessens sowie die erforderliche Bestimmtheit des Verwaltungsaktes muss gegeben sein.

Umstritten ist, ob die Verrechnung durch Verwaltungsakt erfolgen muss (oder kann), oder ob sie durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung auszuüben ist. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat in seinem Urteil vom 24. Juli 2003 (Az. B 4 RA 60/02 R, dokumentiert in juris und in SozR 4-1200 § 52 Nr. 1) die zuletzt genannte Auffassung vertreten, wohingegen der 13. Senat des BSG davon ausgeht, dass die Verrechnung durch Verwaltungsakt vorzunehmen ist. Er hat deshalb mit Beschluss vom 5. Februar 2009 (Az. B 13 R 31/08 R, dokumentiert in juris) beim 4. Senat des BSG angefragt, ob dieser an der Rechtsauffassung festhält, dass eine Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt zu erklären, sondern durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung auszuüben sei. Mit Beschluss vom 22. September 2009 (Az. B 4 SF 1/09 S, dokumentiert in juris) hat der 4. Senat mitgeteilt, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält.

Vorliegend kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Verrechnung per Verwaltungsakt vorzunehmen ist, da die Beklagte für die von ihr vorgesehene Verrechnung tatsächlich die Form des Verwaltungsaktes gewählt hat und dieser bereits wegen mangelnder Bestimmtheit aufzuheben ist. Gemäß § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies bedeutet, dass schon aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, was die Behörde will (vgl. Engelmann in von Wulffen (Hrsg.), Kommentar zum SGB X, § 33 Rn. 3 und Littmann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB X, § 33 Rn. 3). Die Beteiligten müssen ihr Verhalten danach ausrichten können (Klarstellungsfunktion des Verwaltungsaktes). Dabei fehlt es an der Bestimmtheit nicht bereits deshalb, weil es zur Ermittlung des Entscheidungsgehalts der Auslegung bedarf (vgl. Urteil des BSG vom 19. März 1992, Az. 7 RAr 34/91, juris Rn. 38 = SozR 3-7815 Art. 1 § 2 Nr. 1). Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann auf die Begründung des Verwaltungsaktes einschließlich ihm beigefügter Anlagen, aber auch auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte und auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden. Abzustellen ist auf die Erkenntnismöglichkeit eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers. Ein Verwaltungsakt ist somit hinreichend bestimmt, wenn für den verständigen Beteiligten der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar wird und eine unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (vgl. Engelmann, a.a.O., mit Rechtsprechungsnachweisen, und Littmann, a.a.O.).

Den genannten Grundsätzen entspricht der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2000 nicht. Es ist bereits nur mit Mühe überhaupt ein Verfügungssatz dieses Bescheides zu erkennen, dieser findet sich inmitten der Begründung. Der Senat sieht den Satz „Die Auf- bzw. Verrechnung wird mit 2625,84 DM aus der Rentennachzahlung des Bescheides vom 17. Mai 2000 vorgenommen“ als Verfügungssatz. Ein weiterer lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen; im übrigen Bescheid erklärt die Beklagte, dass sie vom Arbeitsamt Rosenheim und der AOK Traunstein zur Verrechnung ermächtigt wurde, benennt die Rechtsgrundlagen, stellt dar, dass durch die Verrechnung keine Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG eintreten dürfe, teilt Erwägungen bzgl. der Ermessensausübung mit sowie, dass die Forderung des Arbeitsamtes vom Kläger grundsätzlich nicht bestritten werde und die AOK Traunstein mit Schreiben vom 5. Juli 2000 bestätigt habe, dass die Forderung noch bestehe und lediglich die Forderung gegen R E als erledigt betrachtet werde. Weiter teilt sie mit, dass und aus welchen Gründen eine Verrechnung gegen die laufende Rentenzahlung nicht beabsichtigt sei. Der Bescheid endet mit dem Satz: „Die Rentennachzahlung für die Zeit von Januar 2000 bis Mai 2000 steht jedoch bis maximal zur Hälfte für eine Verrechnung zur teilweisen Tilgung der Forderungen des Arbeitsamtes und der AOK zur Verfügung, die zeitlich gegenüber später erworbenen Ansprüchen Dritter vorrangig sind“.

Diesem Bescheid lässt sich nicht entnehmen, welche Forderung in welcher Höhe gegen die Rentennachzahlung aufgerechnet werden soll und in welcher Reihenfolge. Es wird zwar in der Begründung mitgeteilt, dass das Arbeitsamt Rosenheim die Beklagte ermächtigt habe, eine Forderung in Höhe von 649,10 DM zu verrechnen und die AOK Traunstein eine Forderung in Höhe von 10.375,90 DM sowie, dass die „Auf- bzw. Verrechnung“ mit 2625,84 DM aus der Rentennachzahlung vorgenommen werde. Es lässt sich jedoch nicht erkennen, welche Forderung in welcher Höhe verrechnet wird, d.h., es wird nicht klar, ob die Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim in Höhe von 649,10 DM komplett verrechnet wird (und damit erlöschen würde) oder ob vorrangig die Forderung der AOK Traunstein verrechnet wird (was allerdings nicht sinnvoll wäre, da der Verrechnungsbetrag hierfür nicht ausgereicht hätte und dann die Erwähnung der Forderung des Arbeitsamts Rosenheim nicht verständlich wäre) oder, was ebenfalls möglich wäre, nur ein Teil der Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim verrechnet werden sollte und ein weiterer Betrag in irgendeiner Höhe mit einer Teilforderung der AOK Traunstein. Es lässt sich auch aus dem Bescheid nicht erkennen, ob eine Rangfolge der Forderungen besteht; allein aus der Nennung der Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim an erster Stelle in der Begründung für den Bescheid lässt sich nicht mit der notwendigen hinreichenden Bestimmtheit erkennen, dass diese vorrangig sein soll.

Der Senat hält es für unabdingbar, dass eine Verrechnungserklärung eindeutig ist und aus ihr zu erkennen, welche Forderung in welcher Höhe befriedigt ist. Dabei richten sich die Anforderungen an die Bestimmtheit auch nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts; der Verwaltungsakt muss zudem eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden (vgl. Engelmann, a.a.O., unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts [BVerwG] vom 20. April 2005, Az. 4 C 18/03, juris Rn. 53 = BVerwGE 123, 261). Bei der Verrechnung gemäß § 52 SGB I handelt es sich zwar nicht um Zwangsvollstreckung. Die sozialrechtliche Verrechnung ist ein Sonderfall der Aufrechnung (vgl. J. Häußler in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB I, § 52 Rn. 3). Sie hat jedoch ähnliche Wirkungen wie die Zwangsvollstreckung, insbesondere erlischt eine Forderung nach ihrer Vornahme ganz oder teilweise. Daraus ergibt sich zwanglos, dass genau bestimmt bzw. bestimmbar sein muss, was die Verrechnung im Einzelnen regelt.

Dies ist bei dem Bescheid vom 3. August 2000 nicht gewährleistet. Das BSG hatte allerdings in einem Fall, in dem die Bestimmtheit der aufzurechnenden Forderungen unklar war, keine Probleme diese anzunehmen, da die Beteiligten übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung angegeben hatten, dass die Forderungen, die dort verrechnet worden waren, unbestritten und bindend festgestellt seien. Daraus ergab sich für das BSG, dass für den dortigen Kläger erkennbar gewesen war, welche Beitragsansprüche für welchen Arbeitnehmer und welchen Zeitraum in der genannten Forderung enthalten waren und durch die Verrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollten (vgl. Urteil des BSG vom 10. Dezember 2003, Az. B 5 RJ 18/03 R, juris Rn. 16 = SozR 4-1200 § 52 Nr. 2). Vorliegend verhält es sich jedoch anders. Dass tatsächlich nicht verstanden wurde, was genau womit verrechnet werden sollte, ergibt sich aus der Klagebegründung des damaligen Klägerbevollmächtigten, der annahm, dass die Beklagte einen Betrag in Höhe von insgesamt 3274,94 DM verrechnet habe. Er ging offensichtlich davon aus, dass einmal die Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim in Höhe von 649,10 DM sowie zusätzlich die Forderung der AOK Traunstein von 10.375,90 DM in Höhe von 2625,84 DM verrechnet worden seien, insgesamt also ein Betrag von 3274,94 DM (649,10 DM + 2625,84 DM = 3274,94 DM). Dies könnte man aus der folgenden, im Widerspruchsbescheid zu findenden Formulierung entnehmen: „Die Verrechnung der Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim von zu Unrecht erbrachtem Arbeitslosengeld in restlicher Höhe von 649,10 DM sowie die Verrechnung der Forderung der Allgemeinen Ortskrankenkasse Traunstein von geschuldeten Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung von derzeit 10.375,90 DM mit 2625,84 DM aus der Rentennachzahlung des Bescheides vom 17. 05. 00 ist nicht zu beanstanden". Daraus ist ersichtlich, dass auch der Widerspruchsbescheid keine Klarheit und damit Korrektur hinsichtlich des Bescheides vom 3. August 2000 erbracht hat. Dies ist zwar grundsätzlich möglich. Ist ein Widerspruchsbescheid ergangen, so ist ausreichend, wenn durch ihn Bestimmtheit hergestellt wird (vgl. Engelmann, a.a.O., § 33 Rn. 4 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Dies ist vorliegend jedoch nicht gelungen. Da nur noch ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 2625,84 DM zur Verfügung stand, konnte eine Aufrechnung mit insgesamt 3274,94 DM nicht durchgeführt werden; dies lässt sich jedoch nicht dem Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides bzw. dem Widerspruchsbescheid entnehmen, sondern erschließt sich nur unter Berücksichtigung des Akteninhaltes. Es wird auch mit dem Widerspruchsbescheid nicht klargestellt, welche Forderung in welcher Höhe aufgerechnet werden sollte und damit gegebenenfalls erloschen ist.

Der Bescheid vom 3. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 entspricht damit nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs. 1 SGB X.

Die Rechtsfolge eines unbestimmten Verwaltungsaktes ist, dass dieser rechtswidrig ist. Mangelnde Bestimmtheit kann nicht nach § 41 Abs. 2 SGB X geheilt werden, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Sie ist auch nicht gemäß § 42 SGB X unbeachtlich, da es sich nicht um einen Formfehler handelt (vgl. Engelmann, a.a.O., § 33 Rn. 10 m.w.N.). Der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 war daher aufzuheben.

Eine Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung des einbehaltenen Betrages kam nicht in Betracht, da dies nicht Streitgegenstand war. Der Kläger hatte, anwaltlich vertreten, in der ersten Instanz lediglich beantragt, den Bescheid vom 3. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 aufzuheben, Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 (oder 5) SGG hat der Kläger nicht erhoben, auch nicht in der Berufungsinstanz, in der er ebenfalls anwaltlich vertreten ist.

Auch mit der Frage, ob möglicherweise in einer durch Verwaltungsakt vorgenommenen Verrechnung eine Verrechnungserklärung durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung liegt, musste sich der Senat nicht befassen, da, wie gesagt, keine Leistungsklage erhoben ist. Im Übrigen dürfte, sofern eine Verrechnungserklärung nicht durch Verwaltungsakt vorzunehmen ist, die von der Beklagten vorgenommene unwirksam sein, da sie ebenfalls zu unbestimmt wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren in vollem Umfang erfolgreich war. Hinsichtlich der Beigeladenen folgt die Kostenentscheidung aus § 193 Abs. 4 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.