Die Berufung ist zulässig, da der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von 750 Euro überschritten wird.
Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Mai 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, da der angefochtene Bescheid nicht mit der notwendigen hinreichenden Bestimmtheit die (von der Beklagten vorgesehene) Verrechnung regelt.
Grundsätzlich ist eine Verrechnung mit Forderungen eines anderen Leistungsträgers gemäß § 52 i.V.m. § 51 SGB I möglich. Danach kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist. Dies ist dann der Fall, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
|
1. |
|
die geltend gemachte Forderung eines Leistungsträgers muss bestehen, |
|
2. |
|
es muss eine Ermächtigung des berechtigten Leistungsträgers zur Verrechnung vorliegen, |
|
3. |
|
die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 SGB I müssen erfüllt sein, d.h. es darf gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen nur bis zu deren Hälfte aufgerechnet werden und es darf durch die Verrechnung keine Hilfebedürftigkeit nach dem Zwölften oder dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs eintreten und |
|
4. |
|
die ordnungsgemäße Ausübung des dem verrechnenden Leistungsträger zustehenden Ermessens sowie die erforderliche Bestimmtheit des Verwaltungsaktes muss gegeben sein. |
Umstritten ist, ob die Verrechnung durch Verwaltungsakt erfolgen muss (oder kann), oder ob sie durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung auszuüben ist. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat in seinem Urteil vom 24. Juli 2003 (Az. B 4 RA 60/02 R, dokumentiert in juris und in SozR 4-1200 § 52 Nr. 1) die zuletzt genannte Auffassung vertreten, wohingegen der 13. Senat des BSG davon ausgeht, dass die Verrechnung durch Verwaltungsakt vorzunehmen ist. Er hat deshalb mit Beschluss vom 5. Februar 2009 (Az. B 13 R 31/08 R, dokumentiert in juris) beim 4. Senat des BSG angefragt, ob dieser an der Rechtsauffassung festhält, dass eine Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt zu erklären, sondern durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung auszuüben sei. Mit Beschluss vom 22. September 2009 (Az. B 4 SF 1/09 S, dokumentiert in juris) hat der 4. Senat mitgeteilt, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält.
Vorliegend kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Verrechnung per Verwaltungsakt vorzunehmen ist, da die Beklagte für die von ihr vorgesehene Verrechnung tatsächlich die Form des Verwaltungsaktes gewählt hat und dieser bereits wegen mangelnder Bestimmtheit aufzuheben ist. Gemäß § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies bedeutet, dass schon aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, was die Behörde will (vgl. Engelmann in von Wulffen (Hrsg.), Kommentar zum SGB X, § 33 Rn. 3 und Littmann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB X, § 33 Rn. 3). Die Beteiligten müssen ihr Verhalten danach ausrichten können (Klarstellungsfunktion des Verwaltungsaktes). Dabei fehlt es an der Bestimmtheit nicht bereits deshalb, weil es zur Ermittlung des Entscheidungsgehalts der Auslegung bedarf (vgl. Urteil des BSG vom 19. März 1992, Az. 7 RAr 34/91, juris Rn. 38 = SozR 3-7815 Art. 1 § 2 Nr. 1). Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann auf die Begründung des Verwaltungsaktes einschließlich ihm beigefügter Anlagen, aber auch auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte und auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden. Abzustellen ist auf die Erkenntnismöglichkeit eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers. Ein Verwaltungsakt ist somit hinreichend bestimmt, wenn für den verständigen Beteiligten der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar wird und eine unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (vgl. Engelmann, a.a.O., mit Rechtsprechungsnachweisen, und Littmann, a.a.O.).
Den genannten Grundsätzen entspricht der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2000 nicht. Es ist bereits nur mit Mühe überhaupt ein Verfügungssatz dieses Bescheides zu erkennen, dieser findet sich inmitten der Begründung. Der Senat sieht den Satz „Die Auf- bzw. Verrechnung wird mit 2625,84 DM aus der Rentennachzahlung des Bescheides vom 17. Mai 2000 vorgenommen“ als Verfügungssatz. Ein weiterer lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen; im übrigen Bescheid erklärt die Beklagte, dass sie vom Arbeitsamt Rosenheim und der AOK Traunstein zur Verrechnung ermächtigt wurde, benennt die Rechtsgrundlagen, stellt dar, dass durch die Verrechnung keine Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG eintreten dürfe, teilt Erwägungen bzgl. der Ermessensausübung mit sowie, dass die Forderung des Arbeitsamtes vom Kläger grundsätzlich nicht bestritten werde und die AOK Traunstein mit Schreiben vom 5. Juli 2000 bestätigt habe, dass die Forderung noch bestehe und lediglich die Forderung gegen
R
E als erledigt betrachtet werde. Weiter teilt sie mit, dass und aus welchen Gründen eine Verrechnung gegen die laufende Rentenzahlung nicht beabsichtigt sei. Der Bescheid endet mit dem Satz: „Die Rentennachzahlung für die Zeit von Januar 2000 bis Mai 2000 steht jedoch bis maximal zur Hälfte für eine Verrechnung zur teilweisen Tilgung der Forderungen des Arbeitsamtes und der AOK zur Verfügung, die zeitlich gegenüber später erworbenen Ansprüchen Dritter vorrangig sind“.
Diesem Bescheid lässt sich nicht entnehmen, welche Forderung in welcher Höhe gegen die Rentennachzahlung aufgerechnet werden soll und in welcher Reihenfolge. Es wird zwar in der Begründung mitgeteilt, dass das Arbeitsamt Rosenheim die Beklagte ermächtigt habe, eine Forderung in Höhe von 649,10 DM zu verrechnen und die AOK Traunstein eine Forderung in Höhe von 10.375,90 DM sowie, dass die „Auf- bzw. Verrechnung“ mit 2625,84 DM aus der Rentennachzahlung vorgenommen werde. Es lässt sich jedoch nicht erkennen, welche Forderung in welcher Höhe verrechnet wird, d.h., es wird nicht klar, ob die Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim in Höhe von 649,10 DM komplett verrechnet wird (und damit erlöschen würde) oder ob vorrangig die Forderung der AOK Traunstein verrechnet wird (was allerdings nicht sinnvoll wäre, da der Verrechnungsbetrag hierfür nicht ausgereicht hätte und dann die Erwähnung der Forderung des Arbeitsamts Rosenheim nicht verständlich wäre) oder, was ebenfalls möglich wäre, nur ein Teil der Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim verrechnet werden sollte und ein weiterer Betrag in irgendeiner Höhe mit einer Teilforderung der AOK Traunstein. Es lässt sich auch aus dem Bescheid nicht erkennen, ob eine Rangfolge der Forderungen besteht; allein aus der Nennung der Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim an erster Stelle in der Begründung für den Bescheid lässt sich nicht mit der notwendigen hinreichenden Bestimmtheit erkennen, dass diese vorrangig sein soll.
Der Senat hält es für unabdingbar, dass eine Verrechnungserklärung eindeutig ist und aus ihr zu erkennen, welche Forderung in welcher Höhe befriedigt ist. Dabei richten sich die Anforderungen an die Bestimmtheit auch nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts; der Verwaltungsakt muss zudem eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden (vgl. Engelmann, a.a.O., unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts [BVerwG] vom 20. April 2005, Az. 4 C 18/03, juris Rn. 53 = BVerwGE 123, 261). Bei der Verrechnung gemäß § 52 SGB I handelt es sich zwar nicht um Zwangsvollstreckung. Die sozialrechtliche Verrechnung ist ein Sonderfall der Aufrechnung (vgl. J. Häußler in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB I, § 52 Rn. 3). Sie hat jedoch ähnliche Wirkungen wie die Zwangsvollstreckung, insbesondere erlischt eine Forderung nach ihrer Vornahme ganz oder teilweise. Daraus ergibt sich zwanglos, dass genau bestimmt bzw. bestimmbar sein muss, was die Verrechnung im Einzelnen regelt.
Dies ist bei dem Bescheid vom 3. August 2000 nicht gewährleistet. Das BSG hatte allerdings in einem Fall, in dem die Bestimmtheit der aufzurechnenden Forderungen unklar war, keine Probleme diese anzunehmen, da die Beteiligten übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung angegeben hatten, dass die Forderungen, die dort verrechnet worden waren, unbestritten und bindend festgestellt seien. Daraus ergab sich für das BSG, dass für den dortigen Kläger erkennbar gewesen war, welche Beitragsansprüche für welchen Arbeitnehmer und welchen Zeitraum in der genannten Forderung enthalten waren und durch die Verrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollten (vgl. Urteil des BSG vom 10. Dezember 2003, Az. B 5 RJ 18/03 R, juris Rn. 16 = SozR 4-1200 § 52 Nr. 2). Vorliegend verhält es sich jedoch anders. Dass tatsächlich nicht verstanden wurde, was genau womit verrechnet werden sollte, ergibt sich aus der Klagebegründung des damaligen Klägerbevollmächtigten, der annahm, dass die Beklagte einen Betrag in Höhe von insgesamt 3274,94 DM verrechnet habe. Er ging offensichtlich davon aus, dass einmal die Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim in Höhe von 649,10 DM sowie zusätzlich die Forderung der AOK Traunstein von 10.375,90 DM in Höhe von 2625,84 DM verrechnet worden seien, insgesamt also ein Betrag von 3274,94 DM (649,10 DM + 2625,84 DM = 3274,94 DM). Dies könnte man aus der folgenden, im Widerspruchsbescheid zu findenden Formulierung entnehmen: „Die Verrechnung der Forderung des Arbeitsamtes Rosenheim von zu Unrecht erbrachtem Arbeitslosengeld in restlicher Höhe von 649,10 DM sowie die Verrechnung der Forderung der Allgemeinen Ortskrankenkasse Traunstein von geschuldeten Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung von derzeit 10.375,90 DM mit 2625,84 DM aus der Rentennachzahlung des Bescheides vom 17. 05. 00 ist nicht zu beanstanden". Daraus ist ersichtlich, dass auch der Widerspruchsbescheid keine Klarheit und damit Korrektur hinsichtlich des Bescheides vom 3. August 2000 erbracht hat. Dies ist zwar grundsätzlich möglich. Ist ein Widerspruchsbescheid ergangen, so ist ausreichend, wenn durch ihn Bestimmtheit hergestellt wird (vgl. Engelmann, a.a.O., § 33 Rn. 4 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Dies ist vorliegend jedoch nicht gelungen. Da nur noch ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 2625,84 DM zur Verfügung stand, konnte eine Aufrechnung mit insgesamt 3274,94 DM nicht durchgeführt werden; dies lässt sich jedoch nicht dem Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides bzw. dem Widerspruchsbescheid entnehmen, sondern erschließt sich nur unter Berücksichtigung des Akteninhaltes. Es wird auch mit dem Widerspruchsbescheid nicht klargestellt, welche Forderung in welcher Höhe aufgerechnet werden sollte und damit gegebenenfalls erloschen ist.
Der Bescheid vom 3. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 entspricht damit nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs. 1 SGB X.
Die Rechtsfolge eines unbestimmten Verwaltungsaktes ist, dass dieser rechtswidrig ist. Mangelnde Bestimmtheit kann nicht nach § 41 Abs. 2 SGB X geheilt werden, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Sie ist auch nicht gemäß § 42 SGB X unbeachtlich, da es sich nicht um einen Formfehler handelt (vgl. Engelmann, a.a.O., § 33 Rn. 10 m.w.N.). Der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 war daher aufzuheben.
Eine Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung des einbehaltenen Betrages kam nicht in Betracht, da dies nicht Streitgegenstand war. Der Kläger hatte, anwaltlich vertreten, in der ersten Instanz lediglich beantragt, den Bescheid vom 3. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2001 aufzuheben, Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 (oder 5) SGG hat der Kläger nicht erhoben, auch nicht in der Berufungsinstanz, in der er ebenfalls anwaltlich vertreten ist.
Auch mit der Frage, ob möglicherweise in einer durch Verwaltungsakt vorgenommenen Verrechnung eine Verrechnungserklärung durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung liegt, musste sich der Senat nicht befassen, da, wie gesagt, keine Leistungsklage erhoben ist. Im Übrigen dürfte, sofern eine Verrechnungserklärung nicht durch Verwaltungsakt vorzunehmen ist, die von der Beklagten vorgenommene unwirksam sein, da sie ebenfalls zu unbestimmt wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren in vollem Umfang erfolgreich war. Hinsichtlich der Beigeladenen folgt die Kostenentscheidung aus § 193 Abs. 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.