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Entscheidung 13 UF 100/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 27.11.2024
Aktenzeichen 13 UF 100/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1127.13UF100.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) vom 15.05.2024 unter Aufrechterhaltung im Übrigen in Ziffer 2. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Kindesmutter wird die Gesundheitsfürsorge für das am ....2018 geborene Kind A... L... S... allein übertragen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 4.000 EUR.

Gründe

I.

Der beschwerdeführende Vater wendet sich gegen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Gesundheitssorge für sein eingangs genanntes Kind auf dessen Mutter.

Den ursprünglich gemeinsam sorgeberechtigten Eltern wurde mit Beschluss vom 28.11.2022 die elterliche Sorge im Umfang des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge für das Kind entzogen und dem Jugendamt als Amtspfleger übertragen, weil das Amtsgericht das Kindeswohl infolge einer eingeschränkten Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern und eines anhaltend hohen Konfliktniveaus zwischen den Kindeseltern als gefährdet ansah. Der Kindesvater erteilte der Kindesmutter zudem eine Sorgerechtsvollmacht, soweit den Eltern die elterliche Sorge nicht entzogen wurde. Seit August 2022 besteht zwischen Vater und dem bei der Mutter lebenden Kind Kontakt nur durch Videobotschaften unter Vermittlung einer Familienhelferin.

Die Ergänzungspflegerin hat im Herbst 2023 mitgeteilt, die Kindesmutter betreue und versorge das Kind vollständig und kindeswohlgemäß allein, nehme notwendige Hilfen in Anspruch und arbeite mit den Helfern und der Amtspflegerin offen und verlässlich zusammen, sodass die Aufrechterhaltung des teilweisen Sorgerechtsentzugs und die Übertragung auf einen Ergänzungspfleger nicht mehr erforderlich sei.

Die Kindesmutter hat beantragt,

den Beschluss über den teilweisen Entzug der elterlichen Sorge vom 18.11.2022, Az.: 30 F 157/22 (3), aufzuheben und die elterliche Sorge im Umfang der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitsfürsorge ihr allein zu übertragen.

Der Vater hat einer Aufhebung des teilweisen Sorgerechtsentzuges sowie - im Falle der Aufhebung - einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge auf die Kindesmutter allein mit der Begründung widersprochen, es sei zu befürchten, dass die Mutter wieder in alte Verhaltensmuster verfalle und das Kind nicht ausreichend fördere und er, der Vater, von der Mutter überhaupt keine Informationen über das gemeinsame Kind erhalte.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen Inhalt der Senat wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstands verweist (Bl. 89 ff. eiP AG), hat das Amtsgericht nach persönlicher Anhörung der Verfahrensbeteiligten dem Antrag der Mutter entsprochen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Voraussetzungen, die zum teilweisen Entzug des Sorgerechts geführt haben, lägen nicht mehr vor. Die Kindesmutter habe seit der Entscheidung das in ihrem Haushalt lebende Kind ordnungsgemäß betreut, versorgt und gefördert, Hilfen in Anspruch genommen und mit den Helfern als auch dem Jugendamt jederzeit verlässlich und offen zusammen gearbeitet. Aufgrund einer Bevollmächtigung durch die Amtspflegerin habe die Kindesmutter bereits seit längerer Zeit selbständig und einschränkungslos alle Angelegenheiten des Kindes wahrgenommen und gezeigt, dass sie in ihrer Erziehungsfähigkeit habe nachreifen können. Nach Aufhebung des Sorgerechtsentzugs und damit verbundenem Wiederaufleben der gemeinsame elterlichen Sorge, sei der Kindesmutter die elterliche Sorge im Umfang des Aufenthaltsbestimmungsrechtes und der Gesundheitsfürsorge für das Kind gemäß § 1671 Abs. 1 BGB allein zu übertragen. Zwischen den Kindeseltern finde nach wie vor keine Kommunikation zu den Belangen des Kindes statt. Es sei auch nicht zu erwarten, dass sich dies zeitnah ändern könnte. Der Kindesvater sei mit Rücksicht auf eine eingeschränkte Kommunikations- und Reflexionsfähigkeit kaum zu einem sachbezogenen Austausch mit den am Hilfeprozess Beteiligten in der Lage. Seine hohe Impulsivität und Aggressivität führten immer wieder dazu, dass Gespräche abgebrochen werden mussten. Hinzu komme, dass die Kindeseltern in den Belangen der elterlichen Sorge - etwa zur medizinischen Behandlung des bei dem Kind diagnostizierten ADHS - völlig unterschiedliche Auffassungen verträten und dem Kindesvater, vor dem Hintergrund eigenen leidvollen Erlebens in seiner Kindheit, ein sachbezogener Austausch zu den ärztlichen und therapeutischen Empfehlungen nicht möglich zu sein scheine. Da nicht zu erwarten sei, dass die Kindeseltern zeitnah in der Lage sein würden, sich über die Belange ihres Kindes einvernehmlich auszutauschen und der Kindesvater bezogen auf die genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge eine Bevollmächtigung der betreuenden Kindesmutter ablehne, sei die getroffene Entscheidung erforderlich.

Hiergegen wendet sich der Vater mit seiner Beschwerde, mit der er geltend macht, eine alleinige elterliche Sorge der Mutter im Bereich der Gesundheitssorge komme nicht in Betracht, da die Kindesmutter dem gemeinsamen Sohn eine umstrittene medikamentöse Therapie aufgrund einer nur vermuteten Aufmerksamkeitsstörung verabreichen wolle, was in Ansehung des geringen Alters des Kindes, nicht gesicherter Diagnose und bereits bestehender anderweitiger Therapien aus seiner Sicht höchst bedenklich sei. Mit dem Lebensmittelpunkt des Kindes im Haushalt der Kindesmutter bestehe ohnehin schon länger Einverständnis.

Der Beschwerdeführer beantragt (Bl. 111 eiP AG),

den Beschluss des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) vom 15.05.2024 abzuändern und die elterliche Sorge für das minderjährige Kind A... L... S..., geboren am … 2018, vollständig auf beide Eltern zu übertragen,

hilfsweise: die Gesundheitssorge auf beide Eltern gemeinsam zu übertragen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer erklärt, es sei mit einer alleinigen Gesundheitssorge der Mutter einverstanden, wenn diese ihm eine ausschließlich auf die Einholung von Informationen bei den behandelnden Ärzten und Therapeuten beschränkte Vollmacht erteile.

Die Beschwerdegegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und macht geltend, dass der Beschwerdeführer die von ihm begehrte Vollmacht dazu nutzen werde, sich in die medizinische Behandlung des Kindes einzumischen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Sach- und Streitstands verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG). Er sieht von einer erneuten Anhörung des Kindes (§ 159 Abs. 3 S. 1 FamFG) und der weiteren Beteiligten ab. Weder die Gewährung rechtlichen Gehörs noch die Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts erfordern neue persönliche Anhörungen. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren und besseren Erkenntnisse der Senat gewinnen könnte. Das Amtsgericht hat über die Anhörungen des Kindes und der Eltern am 17.04.2024 ein ausführliches Protokoll aufgenommen (Bl. 82 ff. eiP Ag). Die Verfahrensbeiständin hat über ihre Gespräche mit dem Kind und den Eltern ausführlich berichtet und das Jugendamt hat seine Einschätzung detailliert dargelegt. Diese Anhörungen und schriftlichen Berichte vermitteln dem Senat in tatsächlicher Hinsicht eine ausreichend verlässliche Entscheidungsgrundlage.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. zulässige Beschwerde des Vaters hat nur teilweise Erfolg.

Nachdem die Entscheidung des Amtsgerichts über die Aufhebung des teilweisen Entzugs Sorgerechts der Eltern gemäß § 1696 Abs. 2 BGB mit der Folge des Wiederauflebens der vorherigen gemeinsamen elterlichen Sorge nicht angefochten worden ist, ist im Beschwerdeverfahren nur noch über den Antrag der Mutter, ihr die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht und Gesundheitssorge zur alleinigen Ausübung zu übertragen, zu entscheiden, welchem das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung stattgegeben hat.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters hat Erfolg, soweit er sich gegen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das gemeinsame Kind auf die Mutter wendet.

Insoweit war der Beschluss des Amtsgerichts abzuändern und die gemeinsame elterliche Sorge wiederherzustellen, nachdem der Beschwerdeführer mit dem Lebensmittelpunkt des Kindes bei der Mutter ausdrücklich einverstanden ist.

Von der Einigung der Eltern über den Lebensmittelpunkt des Kindes kann sich der nicht betreuende Elternteil nicht mehr einseitig von seiner Einwilligung zum Aufenthalt beim anderen Elternteil lösen (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 08.03.2000 - 5 UF 134/99-, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.09.1998 - 17 UF 30/98-, juris). Eine gerichtliche Regelung ist vorliegend daher entbehrlich, da auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Einigung der Eltern nicht von einem belastbaren Bindungswillen getragen ist und die Beibehaltung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts dem Kindeswohl abträglich ist (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Januar 2024 – 16 UF 195/22 –, Rn. 39, juris).

Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht nach Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge der Mutter die Gesundheitssorge für das gemeinsame Kind übertragen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht.

Gemäß § 1671 Abs. 1 BGB ist dem Antrag hier der vom Vater getrennt lebenden Mutter auf Übertragung der Gesundheitssorge stattzugeben, wenn der Vater des hier noch nicht 14 Jahre alten Kindes nicht widerspricht (§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB) oder zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Gesundheitssorge und die Übertragung auf die antragstellende Mutter dem Wohl des hier betroffenen Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).

Der Beschwerdeführer hat einer alleinigen Gesundheitssorge der Mutter widersprochen. Soweit er seine Zustimmung mit Schriftsatz vom 17.09.2024 angekündigt hat, erfolgte dies nicht vorbehaltlos, sondern unter der Bedingung, dass die Mutter ihm eine Vollmacht erteilt, mittels derer er selbst Informationen bei Ärzten und Therapeuten des Kindes einholen kann. Hierzu war die Mutter nicht bereit, sodass in der Sache zu entscheiden war, ob zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Bereich der Gesundheitssorge und die Übertragung auf die Mutter dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Da die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge gem. § 1671 BGB in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG eingreift, kommt sie nur aus Gründen des Kindeswohls und unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Betracht, wobei alle für und gegen die gemeinsame elterliche Sorge sprechenden Umstände im Rahmen einer einzelfallbezogenen und umfassenden Betrachtung gegeneinander abzuwägen sind (BGH NJW 2016, 2497, Rn. 12). Gewichtiges Kriterium für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist das Vorliegen eines nachhaltigen und tiefgreifenden Elternkonflikts. Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BGH a. a. O. Rn. 23). Eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen muss in einer Art und Weise möglich sein, die auch bei einem Dissens der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleisten würde (BVerfG, NJW-RR 2004, 577). Wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die - im Wege einer Prognose - befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belasten würde, wenn man sie zur gemeinsamen Entscheidung zwänge, kommt die gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht (BGH a. a. O. Rn. 24; Senat, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 13 UF 10/20 –, Rn. 16, juris)

So liegt der Fall hier. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der gemeinsamen Gesundheitssorge sind gegeben. Ausweislich der erstinstanzlichen Stellungnahme des Jugendamtes haben die Eltern weiterhin keine gemeinsame Kommunikationsbasis. Die andauernden Konflikte der Eltern hätte sich danach in der Vergangenheit negativ auf den Alltag der Mutter und ihrer Familie ausgewirkt und die Mutter sei nach Einschätzung des Jugendamtes teilweise wie gelähmt erschienen. Die Konflikte hatten im Jahr 2022 ein Ausmaß und schädliche Folgen für das Kind angenommen, dass es sogar notwendig war, den Eltern das Sorgerecht u.a. im Bereich der Gesundheitssorge einstweilen zu entziehen.

Der Elternkonflikt betrifft gerade die hier in Rede stehende Gesundheitssorge, hinsichtlich derer der Vater der Mutter die notwendige Eignung zur Ausübung abspricht. Nach seiner Einschätzung falle die ohnehin überlastete Mutter ohne Kontrolle des Jugendamtes wieder in alte kindeswohlschädliche Muster zurück und vernachlässige die notwendige Förderung des Kindes. Konkret hat sich neuer Streit an der ADHS-Erkrankung des Kindes und ihrer Behandlung entzündet, über die die Mutter aus Sicht des Vaters eigenmächtig und falsch entschieden habe.

An der gestörten Kommunikation der Eltern wird sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern. Trotz aller Bemühungen aller in den Hilfeprozess eingebundenen Personen ist es bisher nicht gelungen, eine sachliche Gesprächsebene zwischen den Eltern herbeizuführen. Der Vater ist zu vom Jugendamt veranlassten Terminen zu gemeinsamen Gesprächen zunächst bereits nicht erschienen. Erst im Mai dieses Jahres konnte erstmals ein Hilfeplangespräch mit beiden Eltern im Zuge der Einrichtung begleiteten Umgangs durchgeführt werden, wobei daran anschließend allerdings vereinbart wurde, zunächst nur Einzelgespräche weiterzuführen. Das Jugendamt empfiehlt, selbst eine Informationsvermittlung ausschließlich per Post umzusetzen, da alle digitalen Kommunikationswege die Streitigkeiten der Eltern erneut anfachen könnten.

Es steht auch zu erwarten, dass eine alleinige Gesundheitssorge der Mutter dem Kindeswohl am besten entspricht. Die Mutter ist diejenige, bei der das Kind seit Jahren lebt und die das Kind am besten kennt, wohingegen der persönliche Kontakt zum Vater schon vor längerer Zeit ausgeschlossen werden musste. Die Mutter ist nach Angaben des Jugendamtes nach Kontaktabbruch zum Vater wesentlich entspannter und im Allgemeinen auch belastbarer geworden und das Kind hat seitdem ebenfalls wesentliche Fortschritte in seiner Entwicklung gemacht.

Bedenken gegen die Erziehungseignung der Mutter bestehen auch im Übrigen nicht. Jugendamt, Ergänzungspflegerin und Verfahrensbeistand haben die Mutter als verlässlich und verantwortungsvoll geschildert, die ohne Unterstützung der Ergänzungspflegerin alle Anträge selbständig gestellt, Therapien organisiert und Termine vereinbart habe, sodass die Ergänzungspflegerin der Mutter zunächst Vollmacht erteilt und sodann die Aufhebung des teilweisen Sorgerechtsentzugs und Übertragung u.a. der Gesundheitssorge auf die Mutter angeregt hat.

Dass die Mutter in Ansehung der ADHS-Erkrankung des Kindes keine dem Kindeswohl entsprechenden Entscheidungen treffe oder treffen könne, hat sich auch im Beschwerdeverfahren nicht ergeben. Nach Einschätzung der Verfahrensbeiständin verkennt der Vater seit Jahren den Umfang der Förderbedürftigkeit seines Sohnes und sieht als Ursache für dessen Defizite die Kindesmutter. Ausweislich der Stellungnahme der Mutter und des Jugendamtes im Beschwerdeverfahren wurde die mit der Beschwerde beanstandete medikamentöse Behandlung der ADHS-Erkrankung des Kindes aber ärztlicherseits empfohlen und bereits von der Ergänzungspflegerin eingeleitet. Andere Therapien, insbesondere Ergotherapie hätten nicht ausgereicht, um die Konzentrationsstörungen des Kindes nachhaltig zu verbessern. Ausweislich der Schilderung der Mutter, die die Behandlung fortführen will, reagiert das Kind überaus positiv auf die Medikation und konnte so mittlerweile eingeschult werden. Das Medikament sei auch für Kinder ab 6 Jahren geeignet. Der Beschwerdeführer ist alldem zuletzt auch nicht mehr entgegengetreten.

Die Übertragung der Gesundheitssorge auf die Mutter ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch nicht entbehrlich, weil die Möglichkeit der Erteilung einer Vollmacht des Vaters im Bereich der Gesundheitssorge bestünde. Eine Vollmachtserteilung hindert eine Sorgerechtsübertragung nur dann, wenn sie - was hier bereits nicht der Fall ist - zum für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt tatsächlich erfolgt ist (vgl. BGH, FamRZ 2020, 1171, 1174). Sein Angebot, der Mutter bei einem gemeinsamen Sorgerecht eine solche Vollmacht zu erteilen, hat der Beschwerdeführer erstinstanzlich ausdrücklich zurückgenommen und im Beschwerdeverfahren nicht erneuert. Zum anderen erfordert der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge auch bei Vorliegen einer Vollmacht eine Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern, soweit diese zur wirksamen Ausübung der Vollmacht im Interesse des Kindeswohls erforderlich ist (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Frankfurt, FamRZ 2021, 756, 757; OLG Dresden, Beschluss vom 25. März 2022 – 21 UF 427/21 –, Rn. 12, juris). Wie dargestellt, fehlt es vorliegend an einer solchen, hier für die wirksame Ausübung der Vollmacht notwendigen Fähigkeit und Bereitschaft.

Soweit der Vater geltend macht, der Mutter könne die alleinige Gesundheitssorge nicht übertragen werden, weil sie ihm dann jegliche Informationen über das Kind vorenthalten werde, verhilft auch dieser Vortrag seiner Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Vater hat auch bei alleiniger Gesundheitssorge der Mutter einen eigenen Informationsanspruch gegen diese gemäß § 1686 BGB (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 19. Mai 2009 – 10 UF 20/09 –, Rn. 39, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 55 Abs. 2, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.