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Entscheidung 1 OAus 39/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 04.11.2024
Aktenzeichen 1 OAus 39/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1104.1OAUS39.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten Ś… an die Republik Polen zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen der im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Koszalin vom 14. Juni 2024 (Az. II Kop 60/24) näher bezeichneten rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht Wałcz vom 18. April 2018 (Az.: II K 95/18) wegen einer Straftat gegen Leben und Gesundheit (Artikel 157 § 1 des polnischen Strafgesetzbuches) ist zulässig.

Die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, die Auslieferung des Verfolgten Ś… an die Republik Polen zum Zwecke der Vollstreckung der Freiheitsstrafe von zehn Monaten aus der in dem vorgenannten Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Koszalin vom 14. Juni 2024 (Az. II Kop 60/24) näher bezeichneten rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht Wałcz vom 18. April 2018 (Az.: II K 95/18) zu bewilligen, wird nach vollinhaltlicher Überprüfung gerichtlich bestätigt.

Der Grundsatz der Spezialität ist zu beachten.

Die Fortdauer der Auslieferungshaft gegen den Verfolgten Ś… wird angeordnet.

Gründe

I.

1. Mit dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Koszalin vom 14. Juni 2024 (Az. II Kop 60/24) ersuchen die polnischen Behörden um die Festnahme und Auslieferung des Verfolgten M…M…Ś… zum Zwecke der Vollstreckung der durch Urteil des Amtsgerichts Wałcz vom 18. April 2018 (Az.: II K 95/18) wegen einer Straftat gegen Leben und Gesundheit (Artikel 157 § 1 des polnischen Strafgesetzbuches) erkannten Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Die Freiheitsstrafe ist noch vollständig zu verbüßen.

Nach der deutschen Übersetzung der Sachverhaltsdarstellung in dem Europäischen Haftbefehl schlug der Verfolgte am 29. Oktober 2017 in Polen in der Straße U…W… dem Geschädigten P…C… so stark gegen den Brustkorb, dass er auf die Straße fiel und mit dem Kopf aufschlug, wodurch er einen Bruch des rechten Schädelknochens erlitt.

2. Der Verfolgte wurde aufgrund der Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) am … 2024 in H... in einem Fitnessstudio vorläufig festgenommen und am Folgetag durch das Amtsgericht Oranienburg zum Auslieferungsersuchen richterlich angehört. Aufgrund der Festhalteanordnung des Amtsgerichts Oranienburg vom 3. September 2024 und des Auslieferungshaftbefehls des Senats vom 11. September 2024 war der Verfolgte zunächst in die Justizvollzugsanstalt Nord-Brandenburg, Teilanstalt Neuruppin-Wulkow, überführt worden, gegenwärtig ist er in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg a.d.H. inhaftiert. Bei seiner haftrichterlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Oranienburg am 3. September 2024 hat der Verfolgte nach Belehrung im Beisein seines Rechtsbeistands und einer Dolmetscherin für die polnische Sprache keine Erklärung dazu abgegeben, ob er mit seiner Auslieferung nach Polen im vereinfachten Verfahren einverstanden ist und ob er auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet.

3. Zu dem Europäischen Haftbefehl und dem damit verbundenen Auslieferungsersuchen sowie zu der Absicht der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, im Falle der Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten, diese auch zu bewilligen und keine Bewilligungshindernisse nach § 83b IRG geltend zu machen, ist der Verfolge nochmals am 14. Oktober 2024 gemäß §§ 28, 79 Abs. 2 S. 3 IRG in Anwesenheit seines Rechtsbeistandes und eines Dolmetschers für die polnische Sprache vor dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel richterlich vernommen worden. Zugleich war ihm Gelegenheit gegeben worden, zu der avisierten Bewilligungserklärung der Generalstaatsanwaltschaft Stellung zu nehmen, wovon er keinen Gebrauch gemacht hat.

Bei der richterlichen Anhörung am 14. Oktober 2024 hat sich der Verfolgte mit einer Auslieferung im vereinfachten Verfahren nicht einverstanden erklärt, so dass der Senat über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden hat. Zudem hat der Verfolgte auch auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes nicht verzichtet.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen hat er – ähnlich wie bereits bei der richterlichen Anhörung am 3. September 2024 – angegeben, seit 2017/2018 in Deutschland zu leben, zu arbeiten und zu wohnen. Die Adresse in Wałcz sei die Wohnung seiner Mutter und seines Bruders. Er selbst habe dort keinen festen Wohnsitz mehr. In Deutschland habe er von 2018 bis 2023 für eine Gerüstbaufirma in B... gearbeitet und seit Mitte Februar 2024 arbeite er bei einer Firma für Innenausbau in H... . 2018 habe er seine aus Polen stammende Frau geheiratet, die aber von ihm getrennt lebe. Seit dem Jahr 2020 sei er in Deutschland amtlich gemeldet, zuvor in B..., derzeit in H... . In Polen sei er „nie zu einer Verhandlung“ gewesen; eine Ladung zum Strafantritt habe er nie erhalten.

4. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat unter dem Datum des 22. Oktober 2024 beantragt, die Auslieferung des Verfolgten an Polen zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen der im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Koszalin vom 14. Juni 2024 (Az. II Kop 60/24) näher bezeichneten rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht Wałcz vom 18. April 2018 (Az.: II K 95/18) wegen einer Straftat gegen Leben und Gesundheit (Artikel 157 § 1 des polnischen Strafgesetzbuches) für zulässig zu erklären, der seitens des Generalstaatsanwalts beabsichtigten Bewilligung der Auslieferung des Verfolgten an Polen zur Strafvollstreckung - unter Spezialitätsvorbehalt – zuzustimmen sowie die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen.

Dem Verfolgten ist über seinem Beistand Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gegeben worden. Mit Anwaltsschriftsatz vom 30. Oktober 2024 ist der Verfolgte dem Auslieferungsersuchen entgegengetreten.

II.

Der Senat entscheidet entsprechend den Anträgen der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg; die gesetzlichen Voraussetzungen für die erstrebten Anordnungen liegen vor.

1.

Die Auslieferung des Verfolgten an die polnischen Justizbehörden zum Zwecke der Strafvollstreckung ist nach dem durch das EuHbG vom 20. Juli 2006 umgesetzten Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten sowie nach den maßgeblichen Bestimmungen des Achten Teils des IRG nicht unzulässig; Gründe, die einer Auslieferung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Auslieferungsfähigkeit ist nach den §§ 3, 81 Nr. 2 IRG gegeben. Die dem Verfolgten vorgeworfene Tat ist auch nach deutschem Recht strafbar, namentlich als vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB) oder jedenfalls als fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), strafbar (§ 3 Abs. 1 IRG). Zudem übersteigt das Maß der zu vollstreckenden Freiheitsstrafe das in § 81 Nr. 2 IRG genannte Mindestmaß von vier Monaten; die Strafvollstreckung verjährt in Polen nicht vor dem 18. Juli 2043.

Der übermittelte Europäische Haftbefehl des Bezirksgerichts Koszalin vom 14. Juni 2024 enthält zudem die nach § 83a Abs. 1 Nrn. 1-6 IRG erforderlichen Angaben. Er gibt die Identität des Verfolgten an, enthält die Bezeichnung und Anschrift der ausstellenden Justizbehörde, nennt die Art und die rechtliche Würdigung der begangenen Straftat, einschließlich der gesetzlichen Bestimmungen, sowie die verhängte Strafe und beschreibt die Umstände, unter denen die Tat begangen worden ist, mit Angaben zu Tatzeit, Tatort und Tatmodalitäten ausreichend. Dem Europäischen Haftbefehl ist ebenso zu entnehmen, dass die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wałcz am 18. April 2018 in Anwesenheit des Verfolgten stattgefunden hat (Europäischer Haftbefehl vom 14. Juni 2024, lit. D), mithin ist der Ausschlussgrund des § 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG nicht einschlägig. Das lediglich pauschale Bestreiten der Anwesenheit in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wałcz durch den Verfolgten („Ich war nie zu einer Verhandlung“) kann die konkreten Angaben im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Koszalin nicht entkräften.

2.

a) Hinsichtlich der avisierten Bewilligung der Auslieferung durch die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshof vom 24. November 2020 (Az. C-510/19) zum Begriff der „vollstreckenden Justizbehörde" nach Art. 6 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI) und der dadurch bedingten europarechtskonformen Auslegung von § 79 Abs. 2 IRG eine vollinhaltliche Überprüfung und Bestätigung durch den Senat veranlasst.

b) Die beabsichtigte Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft, keine Bewilligungshindernisse geltend zu machen, ist nach vollinhaltlicher Prüfung durch den Senat zu bestätigen.

aa) Die in § 83b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 IRG im Einzelnen aufgeführten Bewilligungshindernisse, die einer Auslieferung entgegenstehen könnten, liegen beim Verfolgten nicht vor. Die dem Verfolgten von den polnischen Behörden zur Last gelegte Tat ist in Polen begangen worden und hat ausschließlich Auslandsbezug.

bb) Die im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel am 14. Oktober 2024 angekündigte Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, insbesondere kein Bewilligungshindernis nach § 83b Abs. 2 Nr. 2 geltend zu machen, ist auf der Grundlage eines rechtsfehlerfrei ermittelten vollständigen Sachverhalts zutreffend getroffen worden. Bei dieser Überprüfung ist zu beachten, dass nach § 79 Abs. 1 IRG grundsätzlich eine Pflicht zur Bewilligung zulässiger Auslieferungsersuchen besteht und der Bewilligungsbehörde bei Vorliegen von Bewilligungshindernissen ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (ausf. bereits Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2010, (1) 53 AuslA 52/10 (26/10); siehe auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2008, 376; KG, Beschluss vom 23. März 2010, (4) AuslA 1252/09 (38/10); KG, Beschluss vom 30. November 2009, (4) AuslA 247/08 (78/08), jew. zit. nach juris). Unter Berücksichtigung dessen hat die Generalstaatsanwaltschaft ohne Rechtsfehler das Vorliegen eines überwiegenden schutzwürdigen Interesses des Verfolgten an einer Vollstreckung der Strafe im Inland verneint.

Gründe für die Ablehnung der Bewilligung nach § 83b Abs. 2 Nr. 2 IRG sind nicht ersichtlich.

(1.) Der Europäische Gerichtshof geht von einem möglicherweise gesicherten gewöhnlichen Aufenthalt erst ab einer Aufenthaltsdauer von fünf Jahren aus (vgl. EuGH, Urteil vom 05.September 2012, C-42/11 - Lopes da Silva Jorge - NJW 2013, 141; EuGH, Urteil vom 06. Oktober 2009, C-123/08 - Wolzenburg - NJW 2010, 283; siehe auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Mai 2016 , 2 Ausl A 202/15, in NStZ-RR 2016, 352 ff.). Dieser Zeitraum wäre nach den Angaben des Verfolgten bei seiner richterlichen Anhörung zwar erreicht, jedoch muss der Aufenthalt rechtmäßig sein. Dies setzt insbesondere voraus, dass sich der Verfolgte im Inland an die geltenden Melderegelungen gehalten hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.05.2016 - 2 AuslA 202/15 -, juris). Dies ist hier nicht der Fall. Der Verfolgte ist nach eigenen Angaben und nach Auskunft der B... Polizei erst seit dem … 2020 im B... Melderegister notiert (amtliche Meldebestätigung, Bl. 112 d. A.), wobei Zweifel bestehen, dass er sich unter dieser Adresse (G… …, bei L…, … B... C…) tatsächlich aufgehalten hat; nach polizeilichen Ermittlungen handele es sich hierbei um eine „Scheinanschrift“ (vgl. Bericht Polizeidirektion Nord vom 12. September 2024, BI. 121 d. A.), zumal der Verfolgte in einem Fitnessstudio in H... festgenommen wurde.

Auch scheint sein Arbeitsverhältnis bei der Gerüstbaufirma vor dem Jahr 2019 nicht offiziell angemeldet gewesen zu sein, da die Abfrage bei der Deutschen Rentenversicherung erst ab dem 01.01.2019 eine Anmeldung bestätigte (vgl. Bl. 187 d. A.). Es kommt hinzu, dass sich der Verfolgte offenbar zu einer Zeit nach Deutschland begeben hat, zu der er mit der Strafvollstreckung in Polen rechnen musste. Dieser Umstand relativiert die Bedeutung der Bindungen des Verfolgten an Deutschland (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 20. März 2008, Ausl 3/08, zit. n. juris).

(2.) Aber selbst wenn man annehmen mag, dass der Verfolgte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, kann er sich – wie die Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 22. Oktober 2024 zutreffend ausgeführt hat – nicht auf ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an einer Strafvollstreckung im Inland berufen.

(a.) Maßgeblich hierfür ist, ob durch die Verbüßung der Strafe im Inland die Resozialisierungschancen des Verfolgten bzw. Verurteilten erhöht werden (vgl. EuGH NJW 2008, 3201, 3203 – Kozlowski-Urteil –, insbes. Rdnr. 45; EuGH NJW 2011, 285, 286; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2009, 107, 108; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.12.2010, 1 AK 50/10 - zit. nach Juris; OLG Köln, Beschluss vom 31.08.2009, 6 AuslA 41/09, Beschluss vom 23. März 2010, (4) AuslA 1252/09 (38/10); KG, Beschluss vom 30. November 2009, (4) AuslA 247/08 (78/08), jew. zit. nach juris). Der Strafvollzug in der Bundesrepublik Deutschland müsste der Aufgabe, den Verfolgten zu einem künftigen Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu befähigen (vgl. dazu § 2 Satz 1 StVollzG), besser gerecht werden als die Strafvollstreckung im ersuchenden Staat. Insoweit ist über den gewöhnlichen Aufenthalt des Verfolgten in Deutschland hinaus von Bedeutung, in welchem Maße die beruflichen, wirtschaftlichen, familiären und sozialen Beziehungen des Verfolgten in Deutschland verfestigt sind. Hierbei ist zu bedenken, dass bei drohender Strafvollstreckung im Herkunftsland - wie hier - die Bindungen an Deutschland besonderer Ausprägung bedürfen, um ein Bewilligungshindernis zu begründen (vgl. KG, Beschluss vom 23.03.2012, (4) AuslA 1252/09 (38/10) juris). Dabei ist anzunehmen, dass im Falle einer Vollstreckung im Herkunftsstaat von vornherein keine der Resozialisierung entgegenstehenden sprachlichen und kulturellen Probleme bestehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 31.08.2009, 6 AuslA 41/09 juris; OLG Karlsruhe a.a.O.). Vor allem ist wie bei jeder Auslieferungsentscheidung der Grundsatz des § 79 Abs. 1 IRG zu beachten, wonach eine zulässige Auslieferung nach dem aus der Vorschrift zweifelsfrei ersichtlichen gesetzgeberischen Willen im Regelfall auch zu bewilligen ist.

(b.) Unter Beachtung der vorstehend dargestellten Maßstäbe ist anzunehmen, dass die bestehenden Bindungen des Verfolgten im Bundesgebiet nicht geeignet sind, die Resozialisierungschancen im Falle einer Inlandsvollstreckung zu erhöhen. Der Verfolgte würde im Falle der Auslieferung die Strafe in seinem Herkunftsland verbüßen. Die kulturellen und rechtlichen Gegebenheiten in Polen sind ihm geläufig, da er mit den dortigen Lebensverhältnissen vertraut ist. Seine derzeitigen persönlichen und familiären Bindungen führen demgegenüber zu keiner anderen Beurteilung. Zwar mag er sich seit längerer Zeit in Deutschland aufhalten. Vertiefte soziale Bindungen in Deutschland sind nicht festzustellen. Von seiner Ehefrau lebt der Verfolgte getrennt; Kinder hat er nicht (vgl. BI. 46 d. A.). Familiäre Bezugspersonen, wie seine Mutter und sein Bruder, leben in Polen. Zu seinem in Deutschland lebenden Vater hat er keinen Kontakt (vgl. BI. 22 d. A.)

Unabdingbare Grundlage für einen resozialisierungsorientieren Strafvollzug ist zudem, dass der Verfolgte die deutsche Sprache in einem Maße beherrscht, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seiner Straftat, etwa im Gespräch mit den im Strafvollzug behandelnden Personen, möglich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2010, (1) 53 AuslA 52/10 (26/10); OLG Karlsruhe NStZ-RR 2009, 107; OLG Celle, Beschluss vom 10.09.2012, 1 Ausl 26/12 -, jew. zit. n. juris). Dies ist vorliegend nicht gegeben; zu den richterlichen Anhörungen beim Amtsgericht Oranienburg am 3. September 2024 und beim Amtsgericht Brandenburg a.d.H. am 14. Oktober 2024 musste jeweils ein Dolmetscher für die polnische Sprache herangezogen werden. Auch hat der Verfolgte einen von seinem Arbeitgeber für erforderlich gehaltenen Sprachkurs bisher nicht beginnen können, so dass es dem Verfolgten während des von ihm behaupteten langjährigen Aufenthalts in Deutschland offenbar nicht gelungen ist, die deutsche Sprache zumindest in Grundzügen zu erlernen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Vollstreckung der Strafe in Polen für den mit den dortigen Lebensverhältnissen noch gut vertrauten Verfolgten aus sonstigen Gründen eine besondere Härte darstellen könnte (vgl. dazu: KG, Beschluss vom 23. März 2010, Az. (4) AuslA 1252/09 (38/10), zit. n. juris), liegen nicht vor und sind von ihm auch nicht vorgetragen worden.

Nach alledem liegen nach Abwägung aller für und gegen den Verfolgten sprechenden Umstände keine Gründe vor, die einer Übergabe des Verfolgten an die polnischen Behörden zum Zwecke der Strafvollstreckung entgegenstehen, so dass die avisierte Bewilligung der Auslieferung des Verfolgten an Polen durch die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg gerichtlich zu bestätigen ist.

3.

Der Vorbehalt der Spezialitätsbindung wird zu beachten sein.

4.

Die Fortdauer der Auslieferungshaft ist anzuordnen. Der Haftgrund der Fluchtgefahr besteht aus den im Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 11. September 2024 genannten Gründen fort. Weniger einschneidende Maßnahmen bieten nicht die nach § 25 Abs. 1 IRG erforderliche Gewähr, dass der Zweck der Auslieferungshaft auch durch sie erreicht werden könnte. Angesichts der Höhe der zu vollstreckenden Strafen ist die Fortdauer der Auslieferungshaft erforderlich und angemessen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht dem bei der gegebenen Sachlage nicht entgegen.