Gericht | OLG Brandenburg 2. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 27.11.2024 | |
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Aktenzeichen | 2 U 26/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:1127.2U26.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 08.08.2023, Az. 1 O 106/22, wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kosten der Streithelferin trägt diese selbst.
Das genannte Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf einen Gebührenwert bis 10.000,00 € festgesetzt.
1.
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die zulässige Berufung der Beklagten offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der vorliegenden Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, eine Entscheidung des Senats weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist und auch keine besonderen Gründe vorliegen, aufgrund derer in der Berufungsinstanz eine mündliche Verhandlung angezeigt ist. Zur Begründung dieser Einschätzungen und wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie der im Berufungsrechtszug angekündigten Anträge wird auf den Beschluss des Senats vom 26.08.2024 Bezug genommen. Hieran ist auch in Ansehung der Gegenerklärungen der Beklagten und ihrer Streithelferin festzuhalten.
a)
Der Senat vermag nicht der Auffassung der Beklagten beizutreten, sie habe für die hier anzunehmende unzureichende Befestigung des im Streit stehenden Verkehrsschildes nicht einzustehen, weil sie die ihr insofern obliegende Verkehrssicherungspflicht vertraglich an die von ihr eingesetzte Streithelferin delegiert habe und deshalb lediglich noch zu deren Kontrolle und Überwachung verpflichtet gewesen sei.
Grundsätzlich können Verkehrssicherungspflichten zwar mit der Folge delegiert werden, dass sich die Pflichten des ursprünglich Verantwortlichen auf Kontroll- und Überwachungspflichten verkürzen und der Übernehmende seinerseits deliktisch verantwortlich wird (allg. hierzu s. etwa BGH, Urteil vom 28.03.2023 – VI ZR 19/22, NJW 2023, 2037, Rn. 14 f.). Für den Staat, der sich zur Erfüllung seiner Aufgaben eines Privaten bedient, gilt dies aber nur, soweit sich die Tätigkeit des Privaten auf dem Boden des bürgerlichen Rechts abspielt und keinen hoheitlichen Charakter trägt (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.1973 – III ZR 186/71, BeckRS 1973, 30382005 m.w.N.). Handelt der Private hingegen hoheitlich, also in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes, trifft die Verantwortlichkeit für sein Fehlverhalten gemäß Art. 34 Satz 1 GG allein seine Anstellungskörperschaft. Es findet also eine Haftungsverlagerung mit der Folge statt, dass der Geschädigte allein die Körperschaft, die den Privaten angestellt hat, in Anspruch nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.1993 – III ZR 189/91, NJW 1993, 1258 m.w.N.). In dieser Fallgestaltung haftet dem Geschädigten daher nicht der Private persönlichen (BGH, Urteil vom 06.06.2019 – III ZR 124/18, NJW-RR 2019, 1163, Rn. 10 m.w.N.) und kann die öffentliche Hand den Geschädigten auch nicht auf eine Inanspruchnahme des Privaten als anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB verweisen (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.1993 – III ZR 189/91, a.a.O.).
So liegt es hier. Denn die Streithelferin hat bei der Aufstellung, Wartung und Kontrolle des in Rede stehenden Verkehrsschildes in Ausübung eines ihr von der Beklagten anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt. Die für diese Einschätzung im Beschluss vom 26.08.2024 angeführten Erwägungen stellt die Beklagte nicht in Abrede. Stattdessen geht sie in der Gegenerklärung ausdrücklich selbst davon aus, die Streithelferin „als Verwaltungshelferin eingesetzt[…]“ zu haben.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die von der Beklagten für ihre gegenteilige Ansicht zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (Beschluss vom 04.03.2022 – 12 U 1858/21, BeckRS 2022, 7064) als hier nicht einschlägig. Weder dieser Entscheidung noch dem vorausgegangenen Hinweisbeschluss vom 19.01.2022 (BeckRS 2022, 7061) und der betreffenden landgerichtlichen Entscheidung (LG Koblenz, Urteil vom 20.09.2021 – 1 O 38/21, BeckRS 2021, 49733) lässt sich entnehmen, dass das im dortigen Streitfall von dem beklagten Land mit der Verkehrssicherung beauftragt gewesene Unternehmen hoheitlich tätig geworden ist. Die Ausführung des Oberlandesgerichtes zur Haftungsverengung sprechen vielmehr für das Gegenteil. Die Lesart der Beklagten, die diesen Entscheidungen entnehmen will, die Anstellungskörperschaft habe beim Einsatz von Verwaltungshelfern nicht für deren schuldhafte Amtspflichtverletzungen, sondern allein für eigene Versäumnisse bei deren Kontrolle und Überwachung einzustehen, führte nämlich nicht lediglich zu einer Verengung, sondern zu einem gänzlichen Ausschluss der Haftung für schuldhafte Amtspflichtverletzungen des Verwaltungshelfers. Denn der als Verwaltungshelfer und damit als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne handelnde Private kann für derartige Pflichtverletzungen nach dem Vorstehenden vom Geschädigten gemäß Art. 34 Satz 1 GG nicht in Anspruch genommen werden.
Auf die Ausführungen der Gegenerklärung der Beklagten dazu, ihren Kontroll- und Überwachungspflichten hinreichend nachgekommen zu sein, kommt es daher nicht mehr an. Auch kann demnach dahingestellt bleiben, ob die hier anzunehmende unzureichende Befestigung des Schildes im Rahmen einer Sichtkontrolle feststellbar gewesen wäre.
b)
Die Gegenerklärung der Streithelferin vermag eine von dem Beschluss vom 26.08.2024 abweichende Würdigung ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Auch der darin gehaltene Vortrag zur Befestigung des Schildes an der Mittelleitplanke trägt der sekundären Darlegungslast der Beklagten nicht Rechnung. Vielmehr erschöpft sich dieser Vortrag wiederum in der pauschalen Behauptung einer ordnungsgemäß durchgeführten und lege artis erfolgten Befestigung. Wie diese Befestigung konkret ausgeführt worden ist, bleibt damit weiterhin offen. Anderes ergibt sich auch nicht aus den als Anlage 1 vorgelegten Lichtbildern, die offenbar den als Anlage …3 in erster Instanz vorgelegten Lichtbildern entsprechen. Denn der hierzu allein gehaltene Vortrag der Streithelferin, es handele sich um „Bilder des Befestigungssystems“, lässt offen, ob die Lichtbilder das streitgegenständliche Verkehrsschild wiedergeben bzw. das Schild unter Verwendung dieses Systems befestigt worden ist.
2.
Die Kostenentscheidung rechtfertigt sich aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 2. Halbs. ZPO. Eine Entscheidung über die Kosten der weiteren Streitverkündeten ist nicht angezeigt. Für diese hat sich zwar mit Schriftsatz vom 06.02.2024 (Blatt 140 eA-OLG) ein Prozessbevollmächtigter bestellt, der zugleich sowie ergänzend mit Schriftsatz vom 30.10.2024 (Blatt 196 eA-OLG) Akteneinsicht beantragt hat. Eine § 70 ZPO entsprechende Beitrittserklärung ist für sie indes nicht abgegeben worden. Insbesondere ist den Akteneinsichtsgesuchen bei gebotener Auslegung keine konkludente Erklärung des Beitritts im Sinne von § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO zu entnehmen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 31.03.2010 – 1 W 11/10, BeckRS 2010, 9825).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Der Streitwert für die Berufungsinstanz ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO festgesetzt.