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Entscheidung 32 O 29/16


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 32. Zivilkammer Entscheidungsdatum 02.03.2018
Aktenzeichen 32 O 29/16 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2018:0302.32O29.16.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.05.2017 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt das beklagte Krankenhaus auf Ersatz von Kindesunterhalt nach einer erfolglosen Sterilisierung der Kindesmutter in Anspruch.

Bereits im Alter von 13 Jahren wurde bei der Kindesmutter Frau S. K. aufgrund von Verwachsungen der rechte Eierstock entfernt. Im Alter von 29 Jahren bat sie um Durchführung einer Sterilisation. Am 15.12.2006 erfolgte eine Tubensterilisation links durch bipolare Elektrokoagulation über eine Distanz von 2 cm. Im Jahre 2008 wurde die Kindesmutter das erste Mal schwanger. Es erfolgte ein Schwangerschaftsabbruch.

Am 27.05.2008 wurde unter der Diagnose „unklare Unterbauchbeschwerden, Verdacht auf Adnexitis, Zustand nach Sterilisation 2006“ eine Tubenentfernung beidseits indiziert. Nach dem OP Bericht wurde linksseitig eine Tubektomie durchgeführt.

Im Jahr 2013 kam es zu einer erneuten Schwangerschaft. Am 13.12.2013 wurde das Kind P. J. K. geboren.

Mit Urkunde des Standesamts Frankfurt (Oder) vom 02.01.2014 erklärte der Kläger die Anerkennung der Vaterschaft. Mit vollstreckbarer Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung der Stadt Frankfurt, UR Nr. 68 / 2014 vom 04.02.2014 verpflichtete sich der Kläger ab dem 1. Februar 2014 monatlich Unterhalt i.H.v. 200 € zu zahlen.

Der Kläger behauptet, er habe von Januar 2014 bis Dezember 2016 insgesamt 7200 € Unterhalt gezahlt. Insoweit hält er die Beklagte für Ersatz verpflichtet, da der Behandlungsvertrag zwischen der Beklagten auch den Schutz vor derartigen Belastungen zum Gegenstand gehabt habe ich Sterilisation sei für Frau K. auch aus wirtschaftlichen Gründen wichtig gewesen. Er habe ebenfalls auf diese Sterilisation vertraut.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7200 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, Frau K. fehlerhaft behandelt zu haben. Wirtschaftliche Gründe für eine Sterilisation seien zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden. Die Beklagte bestreitet weiter, dass der Kläger der biologische Vater sei. Bei der Vaterschaftsanerkennung handele es sich um eine freiwillige Übernahme der Vaterschaftsrechte und-Pflichten, ohne dass die biologische Abstammung geprüft werde.

Auch in diesem Fall sei der Kläger jedenfalls nicht in den Schutzbereich des Behandlungs Vertrages einbezogen da er zum Zeitung der Behandlung noch nicht mit der Kindesmutter liiert gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des BGH komme eine Einbeziehung allenfalls bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Partnerschaften, die bei Durchführung der Behandlung bestanden hätten und deren auch wirtschaftlichem Schutz die Behandlung gerade habe dienen sollen in Betracht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Akten des Verfahrens Landgericht Neuruppin 32 O 28 / 15, in welchem die Kindesmutter die Beklagte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch genommen hat, war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2017. Insbesondere war das dort eingeholte Sachverständigengutachten über die Frage, ob die Sterilisation behandlungsfehlerhaft ausgeführt worden ist, Gegenstand der mündlichen Verhandlung. In diesem Gutachten ist der Sachverständige PD Dr. M. zu dem Ergebnis gekommen, dass der rechte Eileiter weder bei der Erstoperation im Alter von 13 Jahren noch bei einer der beiden Sterilisationen entfernt wurde, so dass es auf diesem Wege aufgrund des noch vorhandenen Eierstock auf der linken Seite zu einer Schwangerschaft kommen konnte.

In dem Parallelverfahren ist ein Vergleich geschlossen worden (inhaltsgleich mit dem widerrufenen Widerrufsvergleich)

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist - bis auf die geltend gemachten, aber nicht belegten und auch nicht von dem Schuldanerkenntnis umfassten Betrag für Januar 2014 - begründet.

Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB i.V.m. dem Behandlungsvertrag zwischen der Kindesmutter und der Beklagten, welche gemäß § 278 BGB für den behandelnden Arzt einstehen muss. Vorliegend ist der Kläger als Kindesvater in den Vertrag, der eine behandlungsfehlerfreie Durchführung der Sterilisation zum Gegenstand hatte, einbezogen.

Die Vaterschaft des Klägers steht aufgrund seines Anerkenntnisses gem. § 1592 Ziff. 2 BGB mit Wirkung für und gegen alle fest. Aufgrund dieser „inter-omnes-Wirkung“ kann die Beklagte die Vaterschaft des Klägers nicht mit Erfolg anzweifeln.

Der Kläger ist aktivlegitimiert, eine Verletzung des Behandlungsvertrags mit der Kindesmutter geltend zu machen.

Bereits in der Entscheidung vom 18.01.1983 , Az. VI ZR 114/81, hat der BGH ausgeführt, dass der Ehemann in den Schutzbereich des Behandlungsvertrag der Kindesmutter einbezogen ist und dies damit begründet, es könne für die Ersatzpflicht des verantwortlichen Arztes keine Rolle spielen, wie sich die verursachte Belastung im Einzelfall zwischen den Eheleuten verteile (zitiert nach beck-online).

In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.11.2006-Az. VI ZR 48 / 06-heißt es (1. Leitsatz, zitiert nach beck-online): „In den Schutzbereich eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrags zwischen Arzt und Patienten ist nicht nur ein ehelicher, sondern auch der jeweilige nichteheliche Partner einbezogen, der vom fehlschlagen der Vergütung betroffen ist.“ Diese weite Formulierung ist in den nachfolgenden Urteilsgründen dahingehend eingeschränkt worden, dass dies jedenfalls in dem entschiedenen Fall gilt, in welchem die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Behandlung mit dem Kindesvater zusammenlebte. Wörtlich heißt es:

“Der Streitfall nötigt nicht zur Entscheidung der Frage, in welchem Umfang nichteheliche Väter unter allen denkbaren Umständen, etwa bei ungefestigten kurzfristigen Partnerschaften, in einen von der Frau abgeschlossenen, auf Empfängnisverhütung angelegten Behandlungsvertrag einbezogen sind. Jedenfalls ist die Feststellung des BerGer., die Voraussetzungen für eine Einbeziehung des Vaters des Kindes lägen unter den Umständen des Streitfalls vor, nicht zu beanstanden. Sofern die Arztleistung - wie hier - auch der wirtschaftlichen Familienplanung dient, ist ihr wesenseigen, dass der vertragliche Schutz denjenigen zukommt, die für den Unterhalt aufzukommen haben. Dies gilt nicht nur bei ehelicher Vaterschaft (Senat, BGHZ 76, 259 [262] = NJW 1980, 1452), sondern auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Partnerschaften, die bei Durchführung der Behandlung bestehen und deren auch wirtschaftlichem Schutz die Behandlung gerade dienen soll.

Diese Voraussetzungen hat das BerGer. für den Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht. Entgegen den Ausführungen der Revision war es nicht erforderlich, dass die Kl. dem Bekl. den Kindesvater als ihren festen Partner vorstellte oder namentlich benannte. Die Leistungsnähe des Dritten, das Interesse der Kl. an dessen Schutz, sein Schutzbedürfnis und die Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises (vgl. dazu Senat, BGHZ 56, 269 [273f.] = NJW 1971, 1931; NJW 2002, 1489 = VersR 2002, 767; BGH, NJW 2001, 3115 [3116] m.w. Nachw.) lagen nach den Umständen des Streitfalls auch aus Sicht des Bekl. selbst dann vor, wenn ihm nähere Informationen zur Person des damaligen Lebenspartners der Kl. und späteren Kindesvaters fehlten. Um die von der Revision herausgestellte Fallgestaltung, bei der im Zeitpunkt der ärztlichen Leistung noch völlig offen ist, wann und gegebenenfalls mit wem künftig Geschlechtsverkehr ausgeübt wird, geht es nach den Feststellungen des BerGer. im Streitfall nicht.“

Der vorliegende Fall nötigt nun zur Entscheidung gerade dieser Frage. Unter Abwägung sämtlicher Umstände ist die Einbeziehung des Kindesvaters jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen zu bejahen.

Vorliegend geht es um die korrekte Durchführung einer Sterilisation – und nicht um die korrekte Verabreichung eines Verhütungsmittels, wie in dem vom BGH entschiedenen Fall. Während ein Verhütungsmittel oft nur zeitlich beschränkt angewendet wird – jedenfalls nur zeitlich beschränkt bis zur erneuten Verordnung oder Verabreichung wirkt – ist die Sterilisation grundsätzlich unumkehrbar und auf Dauer. Während ein Verhütungsmittel sofort wirkt (oder eben versagt), kann es bei einer fehlgeschlagenen Sterilisation noch nach Jahren zu einer – ungewollten – Schwangerschaft kommen. Es ist denkbar, dass die bei Behandlung noch bestehende Ehe bereits geschieden ist und die Kindesmutter erneut geheiratet hat. Die Haftung des Arztes kann kaum davon abhängen, ob der Ehemann noch derselbe ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass das Risiko weiterhin und unverändert dasselbe ist. Es kann nach einer fehlerhaften Sterilisation zeitlich irgendwann, aber in der Summe nur einmal zu einer Schwangerschaft kommen. Tritt dieser Fall ein, ist der Misserfolg des Eingriffs offenbar. Eine etwaige weitere Schwangerschaft ist dann nicht mehr dem mißglückten Eingriff zuzurechnen, sondern der eigenen Entscheidung der Kindesmutter, die entweder die Möglichkeit, schwanger zu werden, akzeptiert hat, oder es unterlassen hat, anderweitig für eine ausreichende Verhütung zu sorgen.

Wenn es aber nicht darauf ankommt, ob die Kindesmutter (schon oder noch) verheiratet ist, dann kann es auch nicht darauf ankommen, ob sie bereits liiert ist. Das Vertrauen eines künftigen Partners oder Ehepartners ist grundsätzlich in gleicherweise schützenswert wie das von der Rechtsprechung des BGH bereits anerkannte Vertrauen des gegenwärtigen Lebens- oder Ehepartners. Hinzu kommt, dass die Frage nach einer bestehenden Partnerschaft oder Ehe im Zusammenhang mit der Erörterung eines Sterilisationswunsches aus medizinischen Gründen nicht erörtert werden müssen und im Zweifel auch nicht erörtert werden.

Vorliegend hat die Behandlung jedenfalls auch dem wirtschaftlichen Schutz gedient. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass eine Sterilisation bei dem ersten Eingriff nicht erreicht worden ist, mithin für die Erreichung des Operationszweckes nicht unbedingt erforderlich war, und zum anderen daraus, dass der Sterilisationswunsch nach dem Schwangerschaftsabbruch im Jahr 2008 wiederholt worden ist. Eine nähere Erforschung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Prozess ist nicht geboten. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass immer dann, wenn die Sterilisation nicht aus gesundheitlichen Gründen indiziert ist, es auch darum geht, die wirtschaftliche Belastung mit einer Unterhaltsverpflichtung zu vermeiden. Die Art und Weise der Behandlung ist auch nicht davon abhängig, ob die Sterilisation aus gesundheitlichen oder aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt.

Aufgrund des Gutachtens, welches in dem Rechtsstreit der Kindesmutter eingeholt worden ist und welches gem. § 411a ZPO auch in diesem Verfahren verwertet werden kann, steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Sterilisation behandlungsfehlerhaft ausgeführt worden ist. Der Sachverständige PD Dr. M. hat ausgeführt, sowohl bei der Operation 2006 als auch bei dem Eingriff 2008 sei übersehen worden, dass 1991 nur der rechte Eierstock, nicht aber der rechte Eileiter entfernt worden sei. 2006 sei nur die linke Tube koaguliert worden, 2008 sei nur die linke Tube entfernt worden. Hierbei sei die Funktionsfähigkeit der rechten Tube nicht überprüft worden. Es hätten beide Tuben koaguliert oder entfernt werden müssen , um der Sterilisation zum Erfolg zu verhelfen. Es habe nicht ausgereicht, das auf der rechten Seite der Eierstock fehlte.

Diesen Ausführungen, denen die Beklagte nicht erheblich entgegengetreten ist, schließt sich die Kammer an.

Dem Kläger ist ein Vermögensschaden in Höhe der Barunterhaltsverpflichtung entstanden. Diese ist im Schuldanerkenntnis vom 04.02.2014 auf 200,- € monatlich beziffert worden und unterschreitet damit aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers den Regelsatz. An der Erstattungsfähigkeit in dieser Höhe bestehen daher unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 14.11.2006) keine Bedenken. Die Zahlungspflicht der Beklagten ist auch nicht davon abhängig, ob der Kläger die Unterhaltsverpflichtung erfüllt hat. Sollte eine Zahlung (noch) nicht erfolgt sein, bestünde der Schaden immer noch in der Belastung mit einer Verbindlichkeit. Der damit bestehende primäre Anspruch auf Befreiung von dieser Verbindlichkeit ist gem. §c 250 BGB in einen Zahlungsanspruch übergegangen. Danach kann ein Gläubiger Geldersatz verlangen, wenn ein Schuldner mit der Erfüllung seiner Pflicht in Verzug ist. Verzug besteht nicht nur nach Ablauf einer gesetzten Frist, sondern auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert wird.

Soweit auch für Januar 2014 ein Betrag von 200,- € geltend gemacht wird, ist die Klage unbegründet. Eine Unterhaltsverpflichtung für Januar wird von der Schuldurkunde nicht umfasst. Es ist auch nicht im einzelnen vorgetragen worden, dass bereits im Januar Zahlungen, ggf. in welcher Form und in welcher Höhe, erfolgt sind.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 709, 92 II ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers war so gering, dass es gerechtfertigt war, der Beklagten die gesamten Kosten aufzuerlegen.