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Entscheidung 9 WF 182/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 27.11.2024
Aktenzeichen 9 WF 182/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1127.9WF182.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der (Festsetzungs-)Beschluss des Amtsgerichts Rathenow vom 30. April 2024 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Juli 2024 - Az. 5 F 288/23 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der vom Antragsgegner an den Antragsteller für das Kind („Name 01“), geboren am ... Januar 2014, ab 1. Juli 2024 und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres am ... Januar 2032 zu zahlende Unterhalt wird auf 100 Prozent des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzgl. des gesamten Kindergeldes für ein erstes Kind (derzeit monatlich 301 EUR) festgesetzt.

Der von dem Antragsgegner an den Antragsteller für das Kind („Name 01“), geboren am ... Januar 2014, zu zahlende Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 1. September 2018 bis zum 31. Dezember 2023 wird auf insgesamt 254 EUR festgesetzt.

Der weitergehende Antrag des Antragstellers und die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners werden zurückgewiesen.

2. Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller zu 75 Prozent und der Antragsgegner zu 25 Prozent.

3. Der Beschwerdewert beträgt 12.841 EUR.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1.

Eingehend am 16. Oktober 2023 beantragte der Antragsteller aufgrund entsprechender Unterhaltsvorschussleistungen für die im mütterlichen Haushalt betreute Tochter des Antragsgegners, („Name 01“), geboren am ... Januar 2014, und unter Bezugnahme auf wiederholte Auskunfts- und Zahlungsverlangen seit dem 13. September 2018 aus übergegangenem und übergehendem Recht nach § 7 UVG die Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren im Umfang von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des gesamten Kindergeldes für die Zeit ab November 2023 sowie von rückständigem Kindesunterhalt für die Zeit von September 2018 bis einschließlich Oktober 2023 im Gesamtumfang von 11.933 EUR.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 251 FamFG hat der Antragsgegner Leistungsunfähigkeit aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht und hierzu den aktuellen Leistungsbescheid für die von September 2023 bis einschließlich Februar 2024 und entsprechende Berechnungsbögen für die Monate Dezember 2019 bis einschließlich Februar 2020 vorgelegt.

Hingewiesen auf die Vorschrift des § 7a UVG hat der Antragsteller seinen Festsetzungsantrag für die Monate März bis einschließlich Oktober 2023 sowie Dezember 2019 und Januar und Februar 2020 mit Schreiben vom 11. Dezember 2023 (in Höhe von insgesamt 2.606 EUR) zurückgenommen.

Mit Beschluss vom 30. April 2024 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Juli 2024) hat das Amtsgericht den Unterhalt in der zuletzt noch beantragten Höhe festgesetzt.

Gegen diesen ihm am 8. Mai 2024 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29. Mai 2024 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde des Antragsgegners, mit der dieser unter Herreichung einer Vielzahl weiterer Leistungsbescheide nach dem SGB II und unter Berufung auf § 7a UVG und der Ankündigung entsprechender Unterhaltszahlungen an das Jugendamt ab Juli 2024 (sinngemäß) die Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses und die Abweisung des Antrages des Antragstellers zu erreichen sucht.

Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er hält die Beschwerde bereits für verspätet eingelegt und im Übrigen auch deshalb für unzulässig, weil der Einwand der Leistungsunfähigkeit nicht bereits vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses erhoben worden sei. Die nun nachgewiesenen (weiteren) Zeiten des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II würden „in einer ggf. durchzuführenden Vollstreckung entsprechend § 7a UhVorschG Berücksichtigung finden“.

2.

Die gemäß §§ 256 Abs. 1, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1 FamFG grundsätzlich statthafte Beschwerde des Antragsgegners gegen den Festsetzungsbeschluss vom 8. Mai 2024 ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2, 117 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 FamFG). Worauf der Antragsteller den Einwand der Verfristung des Rechtsmittels stützen möchte, erschließt sich nicht. Die Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG ist offensichtlich gewahrt.

Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg. Der Antragsgegner hat mit den Ergänzungen im Verfahren zweiter Instanz - nahezu lückenlos - für (fast) den gesamten Streitzeitraum den Bezug von Leistungen nach dem SGB II-Leistungen nachgewiesen.

Der gerichtlichen Durchsetzung von nach § 7 UVG übergegangenen Ansprüchen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum steht vorliegend § 7a UVG entgegen. § 7a UVG untersagt die gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs durch den Sozialleistungsträger in den Zeiträumen, in denen die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023, Az. XII ZB 190/22 - Rdnr. 12 ff. bei juris). Aus § 7a UVG ergibt sich damit eine Rechtsverfolgungssperre, die bereits der Zulässigkeit jeglichen Gerichtsverfahrens und damit auch des vereinfachten Unterhaltsverfahrens entgegensteht. Deshalb ist diese Vorschrift auch im Beschwerdeverfahren uneingeschränkt zu berücksichtigen. Die Regelungen in § 256 Satz 2 FamFG stehen dem nicht entgegen, weil es sich bei dem Verweis auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB II entgegen der Ansicht des Antragstellers tatsächlich nicht um eine Einwendung nach § 252 FamFG Abs. 2 bis 4 FamFG handelt. Einwendungen im Sinne des § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG sind alle Einwendungen, die nach materiellem Recht gegen den Unterhaltsanspruch erhoben werden können (MüKoFamFG/Macco, 3. Aufl. 2018, FamFG § 252 Rdnr. 10). Sie betreffen damit das zivilrechtliche Verhältnis zwischen unterhaltsberechtigtem Kind und unterhaltsverpflichtetem Elternteil. § 7a UVG ist dagegen Teil des öffentlich-rechtlich konstruierten Beziehungsgeflechts des unterhaltsvorschussberechtigten Kindes und seiner unterhaltsverpflichteten Eltern zum staatlichen Träger dieser Sozialleistung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. September 2023, Az. 6 UF 121/23 - Rdnr. 8 bei juris - unter Bezugnahme auf VGH München, Beschluss vom 7. November 2012 - 12 C 12.2279 -, Rdnr. 25 bei juris und auch BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2012 - 5 C 20/11 -, Rdnr. 11 ff. bei juris).

Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum seit September 2018 lagen und liegen vorliegend auch die Voraussetzungen des § 7a UVG jedenfalls bis einschließlich Juni 2024 weitestgehend vor. Der Antragsgegner bezog in diesem Zeitraum mit Ausnahme der Zeit von Oktober 2022 bis einschließlich Februar 2023 (dazu sogleich) nachweislich Leistungen nach SGB II und damit auch im Sinne des § 7a UVG durchgängig nicht über Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Denn dabei kann es sich notwendigerweise nur um Einkommen in einer Höhe handeln, die den Bezug von SGB-II-Leistungen nicht hindert (OLG Frankfurt a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

Für die Monate Oktober 2022 bis einschließlich Februar 2023 ist allerdings kein entsprechender Leistungsbezug festzustellen, für den Monat November 2022 wegen eines vorübergehenden Einkommens von 1.541,50 EUR (vgl. dazu Bl. 11 eA II) ein solcher Bezug tatsächlich sicher auszuschließen. Gleichwohl konnte der danach grundsätzlich geschuldete Unterhalt in Höhe von insgesamt 472 EUR für die Monate Oktober und November 2022 mit Blick auf die vom Antragsteller selbst mitgeteilten Zahlungen des Antragsgegners im gesamten Kalenderjahr 2022 von 1.069 EUR (vgl. Anlage zur Antragsschrift vom 16. Oktober 2023, Bl.3 eA I) nicht festgesetzt werden. Für die Monate Januar und Februar 2023 waren bei grundsätzlich geschuldeten 252 EUR monatlich nur insgesamt 254 EUR festzusetzen, weil nach der Darstellung des Antragsgegners auf die im Kalenderjahr 2023 entstandenen Ansprüche Zahlungen von 250 EUR eingegangen sind.

Für die Zeit ab Juli 2024 wiederum hat der Antragsgegner in der Beschwerdeschrift ausdrücklich Zahlungsbereitschaft erklärt, den (übergehenden) Unterhaltsanspruch also faktisch in entsprechender Höhe anerkannt. Dies führt mit Blick auf das weiterhin anzuerkennende Titulierungsinteresse des Antragstellers entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht zur „Einstellung des Verfahrens“ oder zur Zurückweisung des Zahlungsantrages des Antragstellers, sondern zu einer antragsgemäßen Festsetzung bzw. im hiesigen Beschwerdeverfahren zu einer Bestätigung des ergangenen Festsetzungsbeschlusses insoweit.

3.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 243 FamFG.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 40 Abs. 1, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.