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Wehrdienstbeschädigung - Bandscheibenvorfall - Kausalität


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 14.10.2010
Aktenzeichen L 13 VS 51/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 81 SVG

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 1. August 2007 wird zurückgewiesen.

Eine Kostenerstattung findet auch für das Berufungsverfahren nicht statt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der der am 31. März 2003 aus der Bundeswehr ausgeschiedene Kläger begehrt die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung.

Er leistete 2002 seinen Grundwehrdienst und wurde im August 2002 zur Bekämpfung des Elbehochwassers herangezogen. Im Rahmen dieses Einsatzes hatte er Sandsäcke von erheblichem Gewicht in Netze umzuladen, die an Hubschraubern aufgehängt waren, bzw. an dieser Aufgabe dergestalt mitzuwirken, dass er als Teil einer Menschenkette die Sandsäcke aufnahm und weiterreichte bzw. warf.

Mehrere Besuche des Klägers beim Truppenarzt wegen aufgetretener Rückenschmerzen blieben erfolglos. Durch eine MRT-Untersuchung vom Januar 2003 stellte sich heraus, dass der Kläger an einem Bandscheibenvorfall L5/S1 und L4/5 litt, zu dessen Behandlung er ins Bundeswehrkrankenhaus überwiesen wurde. Eine dort Mitte Januar 2003 vorgesehene OP lehnte der Kläger ab und ließ anderen Ortes eine endoskopische OP am 27. Januar 2003 durchführen.

Am 17. März 2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Beschädigtenversorgung. Der Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie Oberstarzt PD Dr. med. B ein, in dem dieser zu der Einschätzung gelangte, das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung sei ausgeschlossen. Der Bandscheibenvorfall sei als Folge einer Degeneration anzusehen, zu deren Manifestation die körperliche Belastung des Hochwassereinsatzes nur beigetragen habe. Mit Bescheid vom 24. September 2003 lehnte der Beklagte die Gewährung der beantragten Versorgung ab und hielt an dieser Entscheidung auch auf den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2004 fest.

Mit der am 10. August 2004 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. T eingeholt. In seinem Gutachten vom 25. November 2006 ist dieser zu der Einschätzung gelangt, der Bandscheibenvorfall sei degenerativ bedingt. So leide der Kläger an einer angeborenen Bogenschlussstörung des 1. Steißbeinwirbels, die die Belastbarkeit des Segmentes L5/S1 abschwäche. Der Hochwassereinsatz hätte bei einem gesunden Mann im Alter des Klägers eine Bandscheibenschädigung nicht herbeiführen können. Gegen eine traumatische Schädigung sprächen der Vorfall in zwei Bereichen der Wirbelsäule und das Fehlen eines Schadens an Wirbelkörpern. Die Vorschädigung überwöge die körperliche Anstrengung während des Einsatzes in ihrer Bedeutung für den Schadensausbruch so eindeutig, dass sie alleine als wesentliche Ursache angesehen werden könne. Jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis, wie etwa Bauarbeiten, hätte dieselben Symptome hervorrufen können.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. August 2007 abgewiesen und unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. T ausgeführt, es habe sich bei dem Bandscheibenvorfall weder um eine Wehrdienstbeschädigung im Sinne einer Entstehung noch einer Verschlimmerung gehandelt. Gegen das am 14. November 2007 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 12. Dezember 2007 eingelegten Berufung, zu deren Begründung er vorträgt, der Sachverständige habe sich nicht hinreichend mit den bei dem Hochwassereinsatz aufgetretenen Hebe- und Drehbewegungen auseinandergesetzt und verkannt, dass er zuvor keinerlei Beschwerden gehabt habe, so dass selbst im Falle einer Veranlagung von einer anspruchsbegründenden wehrdienstbedingten Verschlimmerung auszugehen sei.

Der Kläger beantragt zu erkennen:

Der Beklagte wird in Abänderung des Urteiles des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 1. August 2007 und unter Aufhebung seines Bescheides vom 24. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2004 verurteilt, den im Jahr 2002 infolge des Hochwassereinsatzes der Bundeswehr vom 20. August 2002 bis 25. August 2002 erlittenen Bandscheibenvorfall in den Segmenten L4/L5 sowie L5/S1 beim Kläger als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich im Wesentlichen auf das erstinstanzliche Urteil und die Gutachten aus dem Verwaltungs- und dem erstinstanzlichen Verfahren.

Die Beigeladene hat einen eigenen Antrag nicht gestellt.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Landessozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirotherapie Dr. W eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 10. Februar 2010 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Das Begehren des Klägers ist dahingehend zu verstehen, er wolle die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung erreichen, dass es sich bei dem Zustand nach Bandscheibenvorfall L4/L5 und Bandscheibenoperation L5-S1 links um die Folge einer bei dem Einsatz zur Bekämpfung des Elbehochwassers vom 20. bis 25. August 2002 erlittenen Wehrdienstbeschädigung handle (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz -SGG- ).

Grundlage für das klägerische Begehren ist § 80 Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Nach dieser Vorschrift erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Gem. § 81 Abs. 1 SVG ist eine Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.

Umstritten ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob zwischen dem Einsatz des seinerzeit wehrpflichtig gewesenen Klägers bei der Hochwasserbekämpfung und dem erlittenen Bandscheibenvorfall die sog. haftungsbegründende Kausalität gegeben ist. Notwendig ist hierfür nicht der Vollbeweis, sondern die Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999, B9 VS 2/98 R, Juris), also die Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden (BSG, Beschluss vom 8. August 2001, B 9 V 23/01, Juris). Nur solche Bedingungen sind rechtlich beachtlich, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt haben (wesentliche Bedingung). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, B 2 U 8/06 R, Juris).

Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist eine Kausalität zwischen der Kraftanstrengung beim Heben bzw. Werfen der Sandsäcke und dem Bandscheibenvorfall nicht wahrscheinlich. Zwar hat der Kläger in seiner Schilderung vom 14. März 2003 angegeben, der Hochwassereinsatz sei außerordentlich anstrengend gewesen, so dass bald am ganzen Körper Schmerzen entstanden wären, die er zunächst auf einen Muskelkater geschoben habe. Das in dieser Schilderung zum Ausdruck kommende zeitliche Zusammentreffen von anstrengendem Einsatz und Schmerzauftritt steht aber nicht im Einklang mit den Unterlagen über die medizinische Behandlung des Klägers während des Wehrdienstes. Die daraus ersichtliche Eintragung der Oberstabsärztin Dr. G vom 16. September 2002 weist aus, der Kläger habe über Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule geklagt und angegeben, diese bestünden seit 5 Wochen, hätten ihren Anfang also deutlich vor dem am 20. August 2002 begonnenen Hochwassereinsatz genommen. Der Senat hat keinen Anlass, die Richtigkeit dieser Eintragung in Zweifel zu ziehen, denn diese ist im Tatbestand des angefochtenen Urteiles ausdrücklich erwähnt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf jene Unterlagen Bezug genommen.

Vor diesem Hintergrund ist es mindestens ebenso möglich, dass der Kläger den Bandscheibenvorfall bereits vor dem Hochwassereinsatz erlitten hatte. Dies wird auch nicht durch die Leistung des Klägers während dieses Einsatzes widerlegt, denn er hat sich auch nach jenem, von ihm für den Bandscheibenvorfall als ursächlich angesehenen Einsatz eine mehrwöchige Ausbildung zum Kraftfahrer für Lkw abgeschlossen und hätte damit bei bereits erfolgtem Bandscheibenvorfall ein besonderes Leistungsvermögen bei hoher Schmerztoleranz gezeigt. Zugleich belegen die eingeholten fachärztlichen Gutachten, dass der Kläger eine angeborene Prädisposition für die Entwicklung eines Bandscheibenschadens in Gestalt der sog. Bogenschlussstörung aufgewiesen hat. Diese kann trotz des vergleichsweise jungen Alters des Klägers bei Zusammentreffen alltäglicher Verrichtungen mit einer ungünstigen Körperhaltung zur Entstehung des Bandscheibenvorfalls führen. Es bedarf schon deshalb keiner Aufdeckung einer konkreten Alternativursache, um ernsthafte Zweifel an der Ursächlichkeit der dem Kläger beim Hochwassereinsatz abverlangten Tätigkeiten für die Entstehung des Bandscheibenvorfalles zu erzeugen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.