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Divergenz, divergenzfähige Entscheidungen, Rückforderung von Bezügen, Berliner Feuerwehr, Entreicherung, Zweckbestimmung der Anwärtersonderzuschläge, verschärfte Haftung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Der 4. Senat Entscheidungsdatum 27.11.2024
Aktenzeichen 4 N 61/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:1127.4N61.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, 12 Abs. 2; 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 BesG BE , 818 Abs. 3; 820 abs. 1 BGB

Leitsatz

Die Aufzählung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeführten divergenzfähigen Entscheidungen ist abschließend.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. September 2024 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 12.332,52 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der in wohnhafte Kläger, der mit Wirkung vom 1. Juli 2018 als Brandmeister-Anwärter in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf bei der Berliner Feuerwehr berufen und nach Bestehen der Laufbahnprüfung mit Wirkung zum 1. Januar 2020 unter Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Probe ernannt wurde, wendet sich gegen die Rückforderung von Anwärtersonderzuschlägen (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 BBesG BE i. V. m. §  12 Abs. 2 BBesG BE), nachdem er mit Ablauf des 31. August 2020 auf eigenen Antrag hin aus dem Beamtenverhältnis bei der Berliner Feuerwehr entlassen worden ist. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage abgewiesen.

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor.

Eine Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen inhaltlich bestimmten, das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem ebensolchen Rechtssatz widersprochen hat, der in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden ist, und diesen nicht anwendet, weil es ihn für unrichtig hält und das Urteil auf dieser Abweichung beruht (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2021 – OVG 4 N 68.18 – juris Rn. 23, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2021 – 2 B 76.20 – juris Rn. 5). Relevant ist nur die Abweichung von einer Entscheidung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte. Die Aufzählung der dort angeführten divergenzfähigen Entscheidungen ist abschließend (Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 124 Rn. 42; Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 45).

Der Kläger meint, die Ausführung des Verwaltungsgerichts, wonach er sich nicht auf Entreicherung (vgl. § 818 Abs. 3 BGB) berufen könne, weil er nach § 63 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG BE, § 820 Abs. 1 BGB verschärft hafte, weiche von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22. April 1998 – XII ZR 221/96 – juris = NJW 1998, 2433) ab. Damit beruft der Kläger sich bereits nicht auf eine divergenzfähige Entscheidung, denn Urteile des Bundesgerichtshofes sind nach der abschließenden Regelung des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO keiner Divergenz fähig. Im Übrigen steht der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung auf dem Standpunkt, dass der objektive Rechtsgrund in einer rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeit bestehen muss. § 820 BGB sei auf Unterhaltsvereinbarungen, die den gesetzlichen Unterhaltsanspruch lediglich modifizierten, weder direkt noch entsprechend anwendbar (BGH, Urteil vom 22. April 1998 – XII ZR 221/96 – Ls. und Rn. 17 ff.). Der Kläger legt nicht nach § 124a Abs. 4 Satz 3 VwGO hinreichend dar, dass die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur Rückforderung von Anwärtersonderzuschlägen eines Beamten einen tragenden abstrakten Rechtssatz aufstellt, der von dem vorgenannten Rechtssatz des Bundesgerichtshofes zu Unterhaltsvereinbarungen, die den gesetzlichen Unterhaltsanspruch modifizieren, abweicht. Überdies steht die vom Verwaltungsgericht angenommene Anwendung der Regelung über die verschärfte Haftung des § 820 Abs. 1 BGB bei der Rückforderung von Bezügen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15. November 2016 – BVerwG 2 C 9.15 – juris Rn. 22).

2. Der Kläger macht zudem ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend.

Die Berufung ist wegen des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2019 – 1 BvR 587/17 – juris Rn. 32; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2021 – OVG 4 N 68.18 – juris Rn. 23).

Gemessen daran ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers nicht, dass an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ernstliche Zweifel bestünden.

Der Kläger meint, das Urteil des Verwaltungsgerichtes beruhe auf einem Rechtsfehler, da er nicht gemäß § 820 BGB verschärft hafte, weil die Voraussetzungen des § 820 BGB nicht vorlägen. Die Zahlung der Anwärterzuschläge erfolge unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Voraussetzung des § 62 Abs. 3 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz (gemeint sein dürfte die entsprechende Regelung in § 63 Abs. 3 Satz 1 BBesG BE) eintrete. In den Fällen einer aufschiebenden Bedingung fehle es an der für § 820 BGB erforderlichen subjektiven Ungewissheit. Denn die Beteiligten des Verfahrens hätten fest mit dem Bedingungseintritt gerechnet, anderenfalls wäre es zu keiner Zahlung gekommen. Dazu bezieht er sich auf eine zivilrechtliche Kommentierung zum Provisionsanspruch von Maklern. Würde einem Makler eine Vorauszahlung auf seinen Provisionsanspruch geleistet, so müsse dieser damit rechnen, dass das Hauptgeschäft nicht zustande komme; er hafte damit gemäß § 820 Abs. 1 Satz 1 BGB verschärft. Werde der Hauptvertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen, so greife § 820 Abs. 1 BGB nicht ein, wenn Makler und Maklerkunde fest mit dem Bedingungseintritt gerechnet hätten, denn dann fehle es wiederum an der für § 820 erforderlichen Ungewissheit (vgl. Schwab, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2024, § 820 Rn. 16).

Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts zur Rückforderung von beamtenrechtlichen Anwärtersonderzuschlägen, wonach der Kläger sich nicht auf Entreicherung berufen könne, weil er gemäß § 820 Abs. 1 BGB verschärft hafte. Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist zwar grundsätzlich ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG BE i.V.m § 818 Abs. 3 BGB). Der Kläger kann sich vorliegend jedoch nicht auf Entreicherung berufen, weil er gemäß § 820 Abs. 1 BGB verschärft haftet (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2016 – BVerwG 2 C 9.15 – juris Rn. 22). Die gesetzesimmanente Zweckbestimmung des Anwärtersonderzuschlags ist nach § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBesG BE hier nicht erfüllt, weil der Kläger nach Bestehen der Laufbahnprüfung nicht mindestens fünf Jahre als Beamter im öffentlichen Dienst des Landes Berlin verblieben ist. Er ist auf eigenen Antrag hin aus dem Beamtenverhältnis bei der Berliner Feuerwehr entlassen worden. Demgegenüber kann sich der Kläger nicht auf einen Wegfall der Bereicherung im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB berufen, weil die zulässigerweise bezweckte, als ungewiss angesehene Mindestdienstzeit nicht erreicht worden ist (§ 820 Abs. 1 BGB i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG BE; vgl. auch VGH Kassel, Urteil vom 22. März 1995 – 1 UE 1955/93 – juris Rn. 32; siehe ähnlich Schwab, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2024, § 820 Rn. 15).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).