Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Der 4. Senat | Entscheidungsdatum | 10.12.2024 | |
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Aktenzeichen | 4 S 30/24 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:1210.4S30.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, 39 Abs. 1 Satz 2 LBG BE |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Oktober 2024 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Antragsteller mit der Beschwerde dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO), auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gebieten keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Gemessen an dem durch das Beschwerdevorbringen begrenzten Prüfungsstoff hat das Verwaltungsgericht das Begehren des Antragstellers, im Wege einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass er der Aufforderung des Antragsgegners vom 9. September 2024, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, nicht folgen müsse, zu Recht abgelehnt. Denn die von der Beschwerde dargelegten Gründe, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben sein soll (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), greifen nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat einen Anordnungsanspruch nicht mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit als vom Antragsteller glaubhaft gemacht angesehen. Es hat die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung an den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 27. Juni 2024 – 2 C 17.23 – juris) aufgestellten Maßstäben gemessen und ist davon ausgegangen, dass ihr hinreichende Angaben zum Anlass sowie zu Art und Umfang der vorgesehenen ärztlichen Untersuchung zu entnehmen sind. Die Untersuchungsanordnung verweise auf den Bescheid über die Aufhebung der Zurruhesetzung des Antragstellers vom 17. Mai 2024 und gebe als Untersuchungszweck die Klärung seiner weiteren dienstlichen Verwendung an. Für den Antragsteller sei so und ausweislich seines Vortrags im – wegen der Aufhebung der Zurruhesetzungsverfügung durch den Antragsgegner inzwischen erledigten – gerichtlichen Verfahren erkennbar, dass die Untersuchungsanordnung aus Anlass des abgebrochenen Zurruhesetzungsverfahrens, seiner gesundheitlichen Vorgeschichte und der letzten polizeiärztlichen Einschätzung – es komme eine funktionsbezogene Polizeidienstfähigkeit in Betracht und es bestehe eine (allgemeine) Dienstfähigkeit sowie die gesundheitliche Eignung für eine Umschulungsmaßnahme – erfolge. Ferner sei für den Antragsteller hinreichend deutlich, was im Rahmen der auf etwa zwei Stunden begrenzten polizeiärztlichen Untersuchung im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie geschehen solle; zunächst eine psychiatrische Exploration, die aus Fragen nach der Biographie, dem Befinden und anderen körperlichen Beschwerden bestehe, danach erforderlichenfalls eine körperliche Untersuchung. Angesichts der Vorgeschichte bestünden auch inhaltlich keine Bedenken gegen die Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung. Zwar sei eine psychiatrische Exploration ein besonders weitgehender Eingriff in das Recht aus Art. 2 Abs. 2 GG und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, es sei aber zu berücksichtigen, dass es sich um eine Wiederholungsuntersuchung vor dem Hintergrund bereits mehrfach gestellter (Verdachts-)Diagnosen auf psychiatrischem Gebiet handle.
Der Antragsteller rügt die fehlerhafte Besetzung des Verwaltungsgerichts, legt hiermit einen Besetzungsfehler jedoch nicht dar. Denn soweit er die Mitwirkung der Berichterstatterin an dem angefochtenen Beschluss lediglich vermisst, kann sich diese auf Abwesenheit in Folge von Urlaub oder Krankheit gründen, ohne dass ein vom Antragsteller wohl für erforderlich gehaltener „Vertretungstatbestand“ in dem Beschluss mitzuteilen gewesen wäre. Eilverfahren sind auch während der Abwesenheit des Berichterstatters zu fördern und ggf. zu entscheiden. Der Antragsteller behauptet nicht, dass die Berichterstatterin prozessordnungswidrig verdrängt worden sei. Dafür ist auch nichts ersichtlich.
Auch die weiteren mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe erschüttern die Rechtmäßigkeit des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses unter Zugrundelegung des wegen der Vorwegnahme der Hauptsache vom Verwaltungsgericht angelegten gesteigerten Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nicht. Der Anordnung vom 9. September 2024 lässt sich durch die ausdrückliche Bezugnahme auf den Bescheid vom 17. Mai 2024 sehr wohl als Ausgangspunkt das zuvor abgebrochene Zurruhesetzungsverfahren entnehmen. Auch wird in der Anordnung mitgeteilt, dass eine aktuelle Aussage zur Polizeidienstfähigkeit und zur Dienstfähigkeit zur Klärung der weiteren dienstlichen Verwendung erforderlich sei. Insoweit liegen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auf Grundlage der letzten psychiatrischen Untersuchung im Jahr 2023 fortlaufend ganz erhebliche Verwendungseinschränkungen für den Antragsteller vor, die ihm selbst und nicht nur seinem Rechtsanwalt bekannt sind (kein Dienst an der Waffe, kein Nachtdienst und kein Führen von Dienstfahrzeugen auf Dauer). Das unterscheidet die Untersuchungsanordnung im vorliegenden Fall von einer Anordnung, die einen bislang uneingeschränkt polizeidienstfähigen Vollzugsbeamten trifft, der sich einem neuen medizinischen Vorbehalt ausgesetzt sieht und insoweit hinreichend ins Bild gesetzt werden muss, warum er ärztlich untersucht werden soll, zumal auf psychiatrischem Gebiete. Die andauernde Verwendungseinschränkung des Antragstellers ist das bekannte Faktum.
Der Dienstherr hat ein berechtigtes Interesse daran festzustellen, ob und wie sich eine Verwendungseinschränkung im Laufe der Zeit entwickelt und ob ein Polizeibeamter womöglich wieder laufbahngerecht eingesetzt werden kann. Besteht eine Verwendungseinschränkung auf psychiatrischer Grundlage, erweist sich eine Wiederholungsuntersuchung in angemessenen Abständen auf derselben Grundlage als verhältnismäßig, so dass – anders als der Antragsteller meint – die Nichtangabe von Diagnosen nicht schadet. Anderes würde nur gelten, wenn amts- bzw. polizeiärztlich festgestellt worden wäre, dass Besserung und Verschlechterung der psychischen Störung auszuschließen seien. So aber dient die Untersuchung hier der umfassenden Ermittlung der noch bestehenden Verwendungsmöglichkeiten und sind die maßgeblichen Beschwerden „dem Bereich Psychiatrie und Psychotherapie“ zugeordnet und somit inhaltlich eingegrenzt worden. Dies genügt dem Erfordernis aus der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die Fachrichtung (medizinischer Bereich), innerhalb derer die (amts-)ärztliche Untersuchung erfolgen solle, zu benennen und zum Umfang mitzuteilen, ob es sich um eine orientierende oder eine eingehende Untersuchung handele (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2024 – OVG 4 S 24/24 – S. 3 BA unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2024 – 2 C 17.23 – juris Rn. 28). Vor diesem Hintergrund geht der Beschwerdeführer fehl in der Annahme, der Antragsgegner sei in der Anordnung zur Wiedergabe der gesamten Vorgeschichte verpflichtet gewesen. Zwar muss die Behörde die tatsächlichen Umstände in der Untersuchungsaufforderung angeben, dem Beamten bekannte Umstände müssen aber nur „zumindest so umschrieben werden, dass erkennbar ist, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Anordnung herangezogen wird“ (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2024 – 2 C 17.23 – juris Rn. 24). Hier geht es, wie bereits dargelegt, nicht um einen Vorfall oder um ein Ereignis, das zu Zweifeln Anlass gibt. Vielmehr war die Verwendungseinschränkung des Antragstellers bereits ärztlich festgestellt worden; diese Feststellung bedarf, wie der Antragsgegner zutreffend meint, der Aktualisierung. Genau das hat er dem Antragsteller mitgeteilt.
Wenn der Antragsteller in der Beschwerde vorträgt, dass frühere ärztliche Feststellungen nicht mehr valide seien, plädiert er im Ergebnis selbst für die Notwendigkeit einer Aktualisierung. Die psychiatrische Untersuchung könnte denn auch das Resultat ergeben, dass der Antragsteller wieder umfassend polizeidienstfähig ist. Das betrifft den vom Antragsteller bestrittenen, mit einem Untersuchungswert aus dem Jahr 2020, wie er meint, nicht verlässlich diagnostizierten Alkoholabusus, aber auch die Persönlichkeitsakzentuierung, die, wie vom Antragsteller angeführt, kein wissenschaftlich anerkanntes Krankheitsbild benennt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. August 2024 – OVG 4 L 10/24 – juris Rn. 1).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).