Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Der 10. Senat | Entscheidungsdatum | 05.12.2024 | |
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Aktenzeichen | 10 S 35/24 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:1205.10S35.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2 GG, 18, 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, Abs. 2 Richtlinie für die dienstliche Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Bundesministerium der Finanzen vom 15. August 2022, 146 Abs. 4 VwGO |
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Oktober 2024 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Beschwerde mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
I.
Streitgegenstand des Verfahrens ist die Auswahlentscheidung zur Besetzung eines förderlichen Referatsleiterdienstpostens bei der Antragsgegnerin. Der Antragsteller steht als Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A 15) im Dienst der Antragsgegnerin. Er wendet sich dagegen, dass die Antragsgegnerin ihn im Auswahlverfahren für die Besetzung des Dienstpostens unberücksichtigt gelassen und stattdessen die Beigeladene ausgewählt hat.
In der Sonderhausmitteilung 6/23 vom 29. September 2023 schrieb die Antragsgegnerin zum 1. Dezember 2023 den Dienstposten einer Leiterin/eines Leiters des Referats IV C 3 (Allgemeine Fragen der Einkommensteuer; Abschreibungen; Steuerliche FuE-Förderung; Vorsorgeaufwendungen; Riester-Förderung; Alterseinkünfte) intern aus, wobei sie als zwingendes Qualifikationserfordernis unter anderem anführte, dass Regierungsdirektorinnen und Regierungsdirektoren über eine überdurchschnittliche dienstliche Regelbeurteilung in der BesGr. A 15 (Note A oder B) verfügen müssten.
Die Richtlinie für die dienstliche Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Bundesministerium der Finanzen vom 15. August 2022 (im Folgenden: Beurteilungsrichtlinie) sieht in § 20 Abs. 1 für die Beurteilung der Einzelmerkmale und des Gesamturteils folgende Notenstufen vor:
Note A: Die Anforderungen werden in besonderer, herausragender Weise übertroffen und können kurz als „Herausragend“ bezeichnet werden.
Note B: Die Anforderungen werden deutlich übertroffen und können kurz als „Überdurchschnittlich“ bezeichnet werden.
Note C: Die Anforderungen werden in jeder Hinsicht erwartungsgemäß erfüllt und können kurz als „Erwartungsgemäß“ bezeichnet werden.
Note D: Den Anforderungen wird mit Einschränkungen noch entsprochen und sie können kurz als „Teilweise Erwartungsgemäß“ bezeichnet werden.
Note E: Den Anforderungen wird nicht entsprochen und sie können kurz als „Nicht Erwartungsgemäß“ bezeichnet werden.
Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Beurteilungsrichtlinie sind den fünf Notenstufen jeweils drei Punktwerte zugeordnet, die eine Leistungsdifferenzierung innerhalb der Gesamtnote darstellen. Diese zahlenmäßigen Binnendifferenzierungen werden zur Klarstellung verbal durch die Zusätze „oberer Bereich“, „mittlerer Bereich“ und „unterer Bereich“ beschrieben. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 ist das Gesamturteil rechnerisch aus dem arithmetischen Mittelwert aller für die Beamtinnen und Beamten der jeweiligen Besoldungsgruppe relevanten, in § 18 der Richtlinie geregelten Einzelmerkmale zu ermitteln.
Um den Dienstposten bewarben sich mit dem Antragsteller sechs Beschäftigte. Die Auswahlentscheidung traf die Antragsgegnerin auf der Grundlage von Auswahlgesprächen. Die Teilnehmer hatte sie anhand der Gesamturteile der aktuellen dienstlichen Regelbeurteilungen der Teilnehmer zum Stichtag 31. August 2022 ausgewählt. Zwei der Bewerber, unter ihnen die Beigeladene, waren in ihren Regelbeurteilungen mit dem Gesamturteil „A mittlerer Bereich“ bewertet worden. Die Regelbeurteilung einer Bewerberin mit dem Gesamturteil „sehr gut“ wertete die Antragsgegnerin entsprechend ihrer Beurteilungsrichtlinie als dem Gesamturteil „A mittlerer Bereich“ wesentlich gleich. Zwei der Bewerber erzielten die Gesamturteile „A unterer Bereich“. Die Regelbeurteilung des Antragstellers weist ein Gesamturteil von „C oberer Bereich“ aus. In der – noch nach einer alten Fassung der Beurteilungsrichtlinie der Antragsgegnerin erstellten – vorangegangenen Regelbeurteilung zum Stichtag 30. September 2020 war der Antragsteller mit dem abschließenden Gesamturteil „B (überdurchschnittlich)“ bewertet worden. Zur Begründung der Absenkung der Beurteilung zum Stichtag 31. August 2022 im Vergleich zur Vorbeurteilung führte die Antragsgegnerin in der Regelbeurteilung zum 31. August 2022 aus:
„(…) Da die Vergleichsgruppe der Regierungsdirektorinnen und Regierungsdirektoren im aktuellen Beurteilungszeitraum eine andere als im vorherigen ist, wurde Herr X_____ bei ggf. gleicher Leistung nicht mit der Note B (alte Beurteilungsrichtlinie) sondern mit der Note C – oberer Bereich beurteilt.“
Die Regelbeurteilung des Antragstellers zum Stichtag 31. August 2022 ist Gegenstand des Streitverfahrens zum Aktenzeichen VG 7 K 271/23 vor dem Verwaltungsgericht Berlin.
Die Antragsgegnerin lud die mit „A mittlerer Bereich“ beurteilten Bewerber sowie den Antragsteller zu einem Auswahlgespräch. Die Einladung des Antragstellers beruhte auf einer im oben genannten Klageverfahren abgegebenen Erklärung der Antragsgegnerin, die Bewerbung des Antragstellers unter Vorbehalt zuzulassen und das Stellenbesetzungsverfahren zugunsten des Antragstellers zunächst ohne Berücksichtigung seiner Beurteilung fortzuführen, ihn also bis zum Ausgang des Rechtsstreits den bestbeurteilten Bewerberinnen und Bewerbern fiktiv gleichzustellen. Im Ergebnis der Auswahlgespräche wurden der Antragsteller an dritter und die Beigeladene an erster Stelle platziert.
Gegen die ihm mit E-Mail vom 9. Februar 2024 mitgeteilte Auswahlentscheidung hat der Antragsteller um Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes nachgesucht. Mit Beschluss vom 7. Oktober 2024 hat das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den förderlichen Dienstposten der Leiterin/des Leiters des Referats IV C 3 endgültig mit der Beigeladenen zu besetzen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers neu entschieden wurde und zwei Wochen seit der Mitteilung dieser Entscheidung vergangen sind, und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers dadurch verletzt worden sei, dass die Antragsgegnerin zu seinen Lasten maßgeblich auf das Auswahlgespräch abgestellt habe, ohne zuvor anhand einer fehlerfrei zum Stichtag 31. August 2022 erstellten Regelbeurteilung des Antragstellers einen Leistungsvergleich mit den übrigen Bewerberinnen und Bewerbern vorzunehmen. Die dem Antragsteller zum Stichtag 31. August 2022 erstellte Regelbeurteilung erweise sich als mängelbehaftet, weil sie völlig unzureichend sein beachtlich schlechteres Abschneiden im Vergleich zu seiner Vorbeurteilung begründe und die Begründung des Gesamturteils den Schluss erlaube, dass die Leistungen des Antragstellers nicht hinreichend konkret in den Blick genommen worden seien. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2024 hat keinen Erfolg. Die mit ihr dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung das Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auch in einem Konkurrentenstreit beschränkt ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. Juli 2018 – 2 BvR 1207/18 –, juris Rn. 18; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2024 – OVG 10 S 10/24 –, juris Rn. 1 m.w.N.), rechtfertigen keine Aufhebung oder Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Sie sind nicht geeignet, die erstinstanzliche Annahme zu erschüttern, dass die Auswahlentscheidung materiell rechtswidrig war, weil die Antragsgegnerin zulasten des Antragstellers maßgeblich auf das Auswahlgespräch abgestellt habe (dazu nachfolgend 1.) und nicht prognostizierbar sei, wie eine fehlerfrei erstellte dienstliche Beurteilung des Antragstellers ausfallen werde, sodass seine Auswahl in einem neuen Verfahren möglich erscheine (dazu nachfolgend 2.).
1. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Antragsgegnerin habe die Auswahlentscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass die Beigeladene sich in Auswahlgesprächen, die in Form von strukturierten Interviews mit ihr, dem Antragsteller und zwei weiteren Bewerbern geführt worden seien, als die am besten geeignete Bewerberin erwiesen habe. Für die Teilnahme an den Auswahlgesprächen habe die Antragsgegnerin zuvor lediglich die abschließenden Gesamturteile der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der sechs Bewerberinnen und Bewerber in den Blick genommen. Es sei der Antragsgegnerin aber verwehrt gewesen, bei der Auswahl zulasten des Antragstellers maßgeblich auf das Auswahlgespräch abzustellen. Vielmehr habe nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1/13 –, BVerwGE 147, 20-37, juris Rn. 46 ff.; BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1/14 –, juris Rn. 35 f.) zunächst anhand einer dem Antragsteller fehlerfrei zum Stichtag 31. August 2022 erstellten Regelbeurteilung ein Leistungsvergleich mit den übrigen Bewerberinnen und Bewerbern stattfinden müssen.
Dem hält die Beschwerde entgegen, es sei zu Gunsten des Antragstellers fingiert worden, er gehöre zu den Bewerberinnen und Bewerbern, die nach dem Gesamturteil und nach der Binnendifferenzierung im Bewerberfeld die besten Beurteilungen gehabt hätten. Dies sei die „Note A mittlerer Bereich“ mit 14 Punkten gewesen. Vor diesem Hintergrund sei ein – im Übrigen bestrittener – Mangel der letzten Regelbeurteilung durch die fingierte Beurteilung mit der Note A im Rahmen des Auswahlverfahrens für die Zwecke des Auswahlverfahrens „überkompensiert“ worden („Meistbegünstigung“). Das vermag nicht zu überzeugen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Leistungsvergleich der Bewerber um ein Beförderungsamt vorrangig anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 2 VR 2/15 –, juris Rn. 22; BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1/13 –, juris Rn. 21; BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 – 2 VR 5/12 –, juris Rn. 24).
Die Auffassung der Antragsgegnerin, sie habe der vorgenannten Rechtsprechung entsprochen, indem sie den Antragsteller den bestbeurteilten Bewerbern fiktiv gleichgestellt habe, ihn demzufolge mit „A“ und binnendifferenziert mit „mittlerer Bereich“ beurteilt habe, und auf dieser Grundlage zum Auswahlgespräch eingeladen habe, trifft nicht zu. Auch ein solcher Gleichstand des Antragstellers mit den nach dem Gesamturteil besten verbliebenen Bewerbern hätte vor der Durchführung von Auswahlgesprächen eine weitere Differenzierung nach umfassender inhaltlicher Auswertung seiner Beurteilung erforderlich gemacht, die im Auswahlverfahren der Antragsgegnerin nicht vorgesehen war (a.) Unabhängig davon lässt sich das gewählten Verfahren nicht unter dem Gesichtspunkt einer „Meistbegünstigung“ rechtfertigen (b)
a) Zu Unrecht hat die Antragsgegnerin vor der Durchführung von Auswahlgesprächen eine weitere Differenzierung der Beurteilungen unterlassen.
Die Annahme der Antragsgegnerin, sie habe auf der ersten Stufe der Auswahlentscheidung das Gesamturteil betrachtet, und auf der zweiten Stufe mit der Berücksichtigung der dem Gesamturteil zugeordneten Punktwerte bereits eine weitere Differenzierung vorgenommen worden, trifft nicht zu. Die Antragsgegnerin geht schon im Ausgangspunkt fehl, soweit sie wohl meint, das abschließende Gesamturteil werde (zunächst allein) durch die Note A oder grundsätzlich auch B bezeichnet. Tatsächlich – und hiervon geht auch das Verwaltungsgericht zu Recht aus (vgl. Seite 5, dritter Absatz des angegriffenen Beschlusses) – besteht das in erster Linie maßgebende Gesamturteil (Gesamtnote) hier aus der (realen, gleichgesetzten oder fingierten) Bewertung der eingeladenen Bewerber mit „A – mittlerer Bereich“. Das ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der Beurteilungsrichtlinie, wonach die von der Antragsgegnerin als „Binnendifferenzierung“ bezeichnete Aufspaltung ausdrücklich eine „Leistungsdifferenzierung innerhalb der Gesamtnote“ darstellt (vgl. § 19 Abs. 1 sowie § 20 Abs. 2 Satz 1 der Beurteilungsrichtlinie). Zum anderen folgt dies auch aus der optischen Gestaltung der Regelbeurteilungen, die unter Gesamturteil die Note einschließlich der Binnendifferenzierung aufführen. Ordnet ein Beurteilungssystem den Gesamtnoten einen Bereich jeweils mehrerer Punktwerte zu, sollen hierdurch nach der maßgeblichen Einschätzung des Dienstherrn messbare und beachtliche Bewertungsunterschiede zum Ausdruck gebracht werden, denn gerade dies ist der Sinn eines Punktsystems, das Abstufungen innerhalb des vergebenen Gesamturteils zum Zwecke eines Leistungsvergleichs ermöglichen soll (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 – 2 C 16/02 –, Rn. 14, juris; ebenso der antragstellerseits in Bezug genommene Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg, vom 29. November 2021 – OVG 4 S 34/21 –, juris Rn. 4).
Damit hat die Antragsgegnerin eine gebotene weitere Differenzierung der Beurteilungen mit „A – mittlerer Bereich“ unterlassen. Bei einem Gleichstand (auch bereits dergestalt binnendifferenzierter) Gesamturteile ist eine weitere Ausdifferenzierung geboten, die nach der vom Verwaltungsgericht zutreffend zugrunde gelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zunächst in Form einer umfassenden inhaltlichen Auswertung der Beurteilung zu erfolgen hat, bei der der Dienstherr Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen hat; nachfolgend kann der Dienstherr auf einzelne Gesichtspunkte abstellen, deren besondere Bedeutung er indes zu begründen und deren Erfüllung er wiederum unter Heranziehung der dienstlichen Beurteilung zu ermitteln hat, über die hinaus er andere Erkenntnisquellen nur ergänzend heranziehen kann (BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1/13 –, juris Rn. 46 ff.; Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1/14 –, juris Rn. 35 f.).
Die danach zunächst gebotene umfassende inhaltliche Auswertung der Beurteilungen zwecks Ermittlung der Möglichkeit einer weiterer Binnendifferenzierung hat die Antragsgegnerin hier nicht unternommen – und wäre dazu auch nicht imstande gewesen, weil die Fiktion einer bloßen Gesamtnote des Antragstellers ihr hierfür keine Beurteilungsgrundlage bot. Vielmehr hat sie diesen Schritt als entbehrlich angesehen, weil sie – nach dem vorgenannten Maßstab unzutreffend – von einer bereits hinreichenden Auswertung der vorliegenden Beurteilungen und – nach dem vorgenannten Maßstab verfrüht – von einem im wesentlichen gleichen Ergebnis derselben ausgegangen war.
b) Unabhängig davon lässt sich das gewählte Verfahren nicht unter dem Gesichtspunkt einer „Meistbegünstigung“ rechtfertigen.
Dass die Antragsgegnerin vorliegend eine Gesamtnote für den Antragsteller fingiert hat, die sie selbst für zu gut erachtet, der seiner bestbeurteilten Konkurrenten entspricht und ihm die Teilnahme am Auswahlgespräch ermöglicht, stellt für sich genommen keine „Meistbegünstigung“ dar. Denn wäre der Antragsteller besser als seine Mitbewerber zu beurteilen, so hätte er diesen ohne Durchführung eines Auswahlgespräches vorgezogen werden müssen. Nur wenn diese Möglichkeit gesichert ausgeschlossen werden kann, würde in dem gewählten Verfahren – und zwar nur insoweit – eine „Meistbegünstigung“ des Antragstellers liegen.
Hiervon kann nicht bereits deshalb ausgegangen werden, weil der Antragsteller im Auswahlgespräch schlechter abgeschnitten hat als zwei seiner Mitbewerber. Denn solche Auswahlgespräche können immer nur eine Momentaufnahme darstellen, während die dienstliche Beurteilung Stärken und Schwächen – und überhaupt ein individuelles Leistungsbild – des zu Beurteilenden aufzeigt, wie sie sich über einen längeren Zeitraum ergeben haben und damit zuverlässiger festgestellt werden können als in einem bloßen Auswahlgespräch. Insbesondere solchermaßen gezeigte Stärken, die ggf. auch Schwächen in einem Auswahlgespräch relativieren können, bleiben indes unberücksichtigt, wenn Erkenntnisse aus der dienstlichen Beurteilung – wie hier geschehen – nicht herangezogen werden. Dass darin eine „(Meist)Begünstigung“ liegen würde, vermag der Senat deswegen nicht zu erkennen.
Darzulegen, dass der Antragsteller keinesfalls besser als mit „A – mittlerer Bereich“ zu beurteilen ist, wäre indes Sache der Antragsgegnerin, der dieser Umstand ggf. zugutekäme. Dies unterlässt die Beschwerde in der rechtsirrigen Annahme, es obliege dem Antragsteller geltend zu machen und dem Verwaltungsgericht festzustellen, dass dieser mit einer besseren Punktzahl als seine Konkurrenten zu beurteilen sei.
Erfolglos wendet die Antragsgegnerin im Weiteren ein, es sei ihr zuzugestehen, im Falle einer angefochtenen Beurteilung eine Auswahlentscheidung nicht bis zu einer Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache auszusetzen, sondern sich in diesem Fall zulässigerweise auf das Hilfsmittel eines Auswahlgesprächs für die Auswahlentscheidung stützen zu dürfen. Die Antragsgegnerin verhält sich widersprüchlich, wenn sie auf der einen Seite die Rechtswidrigkeit der Beurteilung bestreitet und entsprechend prozessiert, sie diese auf der anderen Seite ihrer Auswahlentscheidung aber nicht zugrunde legt. Im Übrigen ist sie gehalten, dafür zu sorgen, dass für ein erstrebtes Auswahlverfahren eine fehlerfreie Beurteilungsgrundlage zur Verfügung steht. Abgesehen davon bedurfte es hier auch keiner Aussetzung der Auswahlentscheidung, weil es der Antragsgegnerin möglich ist, die Beigeladene kommissarisch mit den Aufgaben des streitigen Dienstpostens zu betrauen und im Falle einer Neuauswahl einen etwaigen Bewährungs- und Erfahrungsvorsprung auszublenden. Die von der Antragsgegnerin erbetene Ausnahme von den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist, wie vorstehend aufgezeigt, jedenfalls mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vereinbar.
2. Ebenfalls ohne Erfolg wendet die Beschwerde ein, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Obsiegens des Antragstellers aus, indem es darauf abstelle, dass nicht prognostizierbar sei, wie eine fehlerfrei erstellte dienstliche Beurteilung des Antragstellers ausfallen werde, so dass seine Auswahl bei einer erneuten Auswahlentscheidung möglich erscheine.
Die Antragsgegnerin führt insoweit aus, wenn das Verwaltungsgericht darauf abstelle, dass sich die materielle Rechtswidrigkeit der Beurteilung aus einer völlig unzureichenden Begründung des schlechteren Abschneidens des Antragstellers im Vergleich zur Vorbeurteilung ergebe, sei dem entgegenzuhalten, dass diese Begründungspflicht bei einer Beurteilung mit einer identischen Note wie in der Vorbeurteilung entfallen wäre, dem Antragsteller mit dem Gesamturteil aus der Vorbeurteilung (Note B) aber noch nicht einmal die Möglichkeit gegeben gewesen wäre, an den Auswahlgesprächen teilzunehmen. Dies zugrunde gelegt fehlten der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung konkrete Ausführungen dazu, dass bei einer korrekten Beurteilung dem Antragsteller gegenüber allen anderen Mitbewerbern mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Vorzug zu geben gewesen wäre. Auch das überzeugt nicht.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Regelbeurteilung nicht allein aus der völlig unzureichenden Begründung für das schlechtere Abschneiden im Vergleich zur Vorbeurteilung, sondern komme hinzu (vgl. Beschlussabdruck Seite 8, 2. Absatz „und“), dass der Inhalt der Begründung in der Weise mangelhaft sei, dass sich der Schluss erlaube, dass die Leistungen des Antragstellers nicht hinreichend konkret in den Blick genommen worden seien. Das Verwaltungsgericht führt hierzu aus, die Begründung erschöpfe sich in den Ausführungen „Da die Vergleichsgruppe der Regierungsdirektorinnen und Regierungsdirektoren im aktuellen Beurteilungszeitraum eine andere als die vorherige ist, wurde Herr X_____ bei ggf. gleicher Leistung nicht mit der Note B (alte Beurteilungsrichtlinie) sondern mit der Note C – oberer Bereich beurteilt.“ Mit der geforderten Individualität der Begründung ließe sich schon die Formulierung „bei ggf. gleicher Leistung“ nicht vereinbaren. Sie widerspreche einer hinreichend konkreten Betrachtung der Leistungen des Antragstellers und ihrer Entwicklung. Weiter fehle jegliche Erläuterung, inwiefern sich die Vergleichsgruppe geändert und wie sich dies konkret auf die Beurteilung des Antragstellers ausgewirkt habe. Einer solchen Erläuterung hätte es aber bedurft, um die Einschätzungen der Leistungen des Antragstellers nachvollziehbar und einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich zu machen.
Mit dieser Argumentation setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend auseinander.
Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen tatsächlich wirksamen Rechtsschutz. Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl zumindest offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2016 - 2 BvR 2223/15 -, juris Rn. 83; BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 2 VR 1.16 -, juris Rn. 43; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2018 - OVG 10 S 47.18 -, juris Rn. 17, und Beschluss vom 22. Februar 2019 - OVG 10 S 59.18 -, juris Rn. 9 m.w.N.), mithin nicht vollkommen ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschluss vom 25. November 2015 - 2 BvR 1461/15 -, juris Rn. 19 f.). Die Beurteilung, ob die Auswahl möglich erscheint oder aber vollkommen ausgeschlossen ist, setzt eine wertende Betrachtung der Umstände des Einzelfalls voraus. Dabei darf das prüfende Verwaltungsgericht der Neubeurteilung derjenigen Bewerber, deren Beurteilungen sich als fehlerhaft erwiesen haben, nicht etwa vorgreifen, sondern muss den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung respektieren. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung und der neuen Beurteilung vorzunehmen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Februar 2019 - OVG 10 S 59.18 -, juris Rn. 9 m. w. N.). Die Rechtsordnung behält solche Akte der wertenden Erkenntnis dem Dienstherrn vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, juris Rn. 16; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Februar 2019 - OVG 10 S 59.18 -, juris Rn. 9). Gemessen an diesen Grundsätzen erweisen sich die Erwägungen des Verwaltungsgerichts als zutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind erhebliche Notenverschlechterungen plausibel zu begründen (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1/16 –, juris Rn. 33). Entsprach die im hier in Rede stehenden Beurteilungszeitraum gezeigte Leistung nicht mehr der vorherigen, müssen die Gründe für die Verschlechterung vom Antragsteller nachvollzogen werden können. Entsprechend müssen sich aus der Begründung die Ursachen für die Herabstufung ergeben. Dem wird die vorliegende Begründung schon im Ansatz nicht gerecht, weil durch die Formulierung „bei ggf. gleicher Leistung“ noch nicht einmal zwingend von einer Verschlechterung der Leistungen des Antragstellers ausgegangen werden kann. Soweit in der Begründung der Sache nach auf einen geänderten Beurteilungsmaßstab verwiesen wird, indem zum Ausdruck gebracht wird, dass der Antragsteller an einer anderen Vergleichsgruppe als in der vorherigen Beurteilung gemessen wurde, so lässt dies ebenfalls keinen Rückschluss auf die Leistungen des Antragstellers zu, weil die Vergleichsgruppe nicht näher umschrieben wird. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Mangel der Begründung auch kausal für die offenen Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahlentscheidung. Das liegt daran, dass die Begründung nicht isoliert mangelhaft ist, sondern dass der Mangel die gesamte Beurteilung erfasst, weil er den Schluss zulässt, dass die tatsächlich erbrachten Leistungen des Antragstellers nur unzureichend gewürdigt worden sind. Die Beschwerde kann daher nicht mit dem Argument Erfolg haben, bei einem Wegfall der Begründungspflicht und keiner angenommenen Verschlechterung könne der Antragsteller allenfalls die Notenstufe „B“ aus der Vorbeurteilung erreichen. Tatsächlich ist die Antragsgegnerin gehalten, überhaupt erstmals die individuellen Leistungen des Antragstellers und damit seine Eignung im in Rede stehenden Zeitraum zu beurteilen. Diesem Akt wertender Erkenntnis konnte das Verwaltungsgericht nicht vorgreifen.
Soweit die Beschwerde abschließend darauf verweist, die Auswahlentscheidung genüge den Anforderungen an die Dokumentation zur Gewährleistung der gebotenen Nachprüfbarkeit, lässt dies keine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung erkennen, der zufolge aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG die Verpflichtung des Dienstherrn folge, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen (sog. Auswahlvermerk), um eine sachgerechte Kontrolle durch das Gericht zu ermöglichen, so dass der Auswahlvermerk den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage markiere, der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung maßgeblich sei.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass diese ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG (vgl. Beschluss des Senats vom 24. Oktober 2023 – OVG 10 S 20/23 – juris Rn. 25 m.w.N.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).