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Entscheidung 11 K 11108/17


Metadaten

Gericht FG Cottbus 11. Senat Entscheidungsdatum 28.06.2023
Aktenzeichen 11 K 11108/17 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2023:0628.11K11108.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2013 vom 12. August 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2017 wird dahingehend geändert, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um € 1 914,28 gekürzt wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Klägerin ist eine GmbH, die durch Vertrag vom xx.xx.2008 mit Sitz in C… gegründet und am xx.xx.2009 in das Handelsregister beim Amtsgericht C… eingetragen wurde. Satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand war zunächst „xxx“. Mit Vertrag vom xx.xx.2009 trat die alleinige Gesellschafterin der Klägerin, die B… GmbH, ihre Gesellschaftsanteile an die D… AG mit Sitz in E… (Schweiz) ab. Zugleich wurde der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand in „Verwaltung eigenen Grundvermögens" geändert.

Auf eine schriftliche Anfrage des damals zuständigen Finanzamts F… – Finanzamt – teilte der damalige steuerliche Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass sich der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin im Gebäude G …-straße in C… befinde; auf den Inhalt des Schreibens vom 20. April 2009 wird Bezug genommen. Eine Nachfrage des Beklagten ergab sodann, dass dort kein eigenes Klingelschild für die Klägerin und kein Mietvertrag über die Anmietung von Büroräumen existierte.

Die Klägerin erwarb mit Vertrag vom xx.xx.2009 das mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaute Grundstück H…-straße in C….

Die Klägerin, vertreten durch ihren späteren Geschäftsführer I…, erteilte einer am xx.xx.2007 gegründeten J… GmbH, K…-straße, C…, vertreten durch deren Geschäftsführer L…, unter dem Datum „28.11.2009" eine schriftliche „Hausverwaltungsvollmacht" bezüglich der vorgenannten Liegenschaft. Darin heißt es u.a.:

„Die Eigentümerin bevollmächtigt die Verwalterin unter ausdrücklicher Befreiung von den Vorschriften des § 181 BGB, alle Rechtsgeschäfte für sie abzuschließen und verbindliche Erklärungen abzugeben, die das Verwaltungsobjekt betreffen. Die Verwalterin vertritt die Eigentümerin gegenüber Arbeitnehmern, Mietern, Behörden und sonstigen dritten Personen und Beteiligten, soweit geltend zu machende Ansprüche das Verwaltungsobjekt betreffen. Diese Vollmacht erstreckt sich auf die Vornahme einseitiger Rechtsgeschäfte nach § 174 BGB, insbesondere auf die Anmahnung und juristische Durchsetzung rückständiger Mieten und Umlagen. Die Vollmacht umfasst insbesondere auch:

1. sämtliche Rechte und Pflichten aus bestehenden oder neuen Miet- und Pachtverhältnissen, einschließlich des Neuabschlusses, der Kündigung, der Stellung von Mieterhöhungsverlangen und Abgabe aller anderer, auch einseitig empfangsbedürftiger Willenserklärungen wie Kündigungen

2. den Abschluss und die Kündigung von Versicherungsverträgen und die Geltendmachung der Rechte und Ansprüche aus solchen Verträgen

3. den Abschluss und die Kündigung von Dienst- und Werkverträgen z. B. über Hausmeistertätigkeiten, Reinigungsarbeiten, Reparaturen o. ä.

4. die Erteilung von Aufträgen an Handwerker, Baufirmen o. ä. einschließlich der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, Zurückbehaltüngsrechten o. ä.

5. alle Anordnungen und Rechtshandlungen vorzunehmen, die sich auf die Instandsetzung und Instandhaltung des Objekts beziehen

6. die Vertretung gegenüber Dienstleistungsunternehmen, Kreditinstituten, Finanzämtern, Behörden, Gerichten und sonstigen Institutionen

7. die Berechtigung, Einblick in alle das Verwaltungsobjekt betreffenden Akten, insbesondere bei den Baubehörden, Grundbuchämtern und in Schuldurkunden zu nehmen

8. die Beauftragung von Rechtsanwälten namens und im Auftrag der Eigentümerin

9. die Geltendmachung und Beitreibung von allen das verwaltete Objekt betreffenden Zahlungsansprüchen.

Die Verwalterin kann geeigneten Dritten einzelne Verwaltungsaufgaben, die sich aus dem Verwaltungsvertrag ergeben, übertragen und dazu auch Untervollmachten erteilen. Seine Haftung für die Erfüllung des Verwaltungsvertrages wird jedoch nicht berührt "

Mitte des Jahres 2012 wurde das vorgenannte Vertragsverhältnis in Bezug auf die Person des Geschäftsbesorgers dahingehend geändert, dass nicht mehr die J… GmbH, sondern eine am xx.xx.2012 gegründete M… GmbH mit Sitz ebenfalls in C… (alleinige Gesellschafterin: J… GmbH; Geschäftsführer: ebenfalls L…) die vorgenannten Aufgaben für die Klägerin erledigen sollte. Die Firma der J… GmbH wurde zeitgleich in N… GmbH geändert. Ähnliche Aufgaben erledigte die M… GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer L…, auch für folgende Gesellschaften:

· O… GmbH (Geschäftsführer: I…, wohnhaft in Luxemburg) - StNr. beim Beklagten: …

· P… GmbH (Geschäftsführer: I…, wohnhaft in Luxemburg) -StNr. beim Beklagten: ….

Mit Vertrag vom xx.xx.2010 trat die alleinige Gesellschafterin der Klägerin, die D… AG, einen Teilgeschäftsanteil in Höhe von € „xxx“,- an Herrn I…, wohnhaft in Luxemburg, sowie einen weiteren Teilgeschäftsanteil in Höhe von € „xxx“,- EUR an Frau Q…, wohnhaft in R… (Schweiz), ab. Noch am selben Tag bestellte die Gesellschafterversammlung der Klägerin I… an Stelle von Herrn S… zum alleinigen Geschäftsführer der Klägerin. Das Amtsgericht C… trug die Änderung im „xxx“ 2010 in das Handelsregister ein.

Im Februar 2010 teilte der damalige Bevollmächtigte der Klägerin dem Finanzamt telefonisch mit, dass sich der nun endgültige Sitz der Klägerin im Gebäude K…-straße in C… befinde. Daraufhin gab das Finanzamt das Besteuerungsverfahren an den Beklagten ab. Im August 2012 teilte die M… GmbH in Gründung unter anderem dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin mit, dass die Klägerin ihren Geschäftssitz zum 30. August 2012 nach C…, T…-straße, verlegen werde.

Mit Bescheid vom 8. April 2010 nahm das Finanzamt U… eine Zurechnungsfortschreibung bezüglich des Einheitswertes des Grundstücks der Klägerin auf den 1. Januar 2011 vor. Der Einheitswert betrug € 159 523,- EUR. Der Bescheid war nicht an die Klägerin selbst adressiert, sondern an die J… GmbH als deren Bevollmächtigte.

Mit Vertrag vom xx.xx.2012 veräußerte die Klägerin das Grundstück H…-straße an die V… GmbH & Co. KG in Gründung – KG –. Der Senat nimmt Bezug auf den Inhalt des Kaufvertrags. Am xx.xx.2013 wurde die KG als neue Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen (vgl. Grundbuchauszug).

Die Klägerin gab die Steuererklärungen für das Streitjahr 2013 (zunächst) nicht ab. Der Beklagte erließ daher entsprechende Schätzungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO – ). Die Klägerin gab die Steuererklärungen für das Streitjahr 2013 im Dezember 2015 ab. Der Beklagte erließ daraufhin Änderungsbescheide, in denen er den Steuererklärungen folgte. Im August 2016 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für das Streitjahr 2013.

Die Klägerin legte gegen diese Bescheide Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, der im Streitjahr 2013 erzielte Gewinn unterliege aufgrund der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz – GewStG – nicht der Gewerbesteuer.

Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die Veräußerung des Grundstücks erst zum 31. Dezember 2013, 23.59 Uhr, erfolgt sei. Es sei daher weiterhin von dem ursprünglich vereinbarten Nutzen-Lasten-Wechsel bereits zum 30. Juni 2013 auszugehen. Die beantragte erweitere Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei daher zu versagen.

Zur Begründung ihrer Klage trug die Klägerin vor, sie sei nicht gewerbesteuerpflichtig gewesen, weil sie im Inland zu keinem Zeitpunkt eine Betriebsstätte innegehabt habe. Eine Gewerbesteuerpflicht bestünde in ihrem Fall nur, wenn sie im Streitjahr 2013 in Deutschland eine Betriebsstätte innegehabt hätte. Im vorliegenden Fall habe Herr I… seine Unternehmen an seinem Wohnsitz in Luxemburg verwaltet. Dort habe er als Geschäftsführer der Klägerin die Steuererklärungen unterschrieben, so dass sich die Stätte der Geschäftsführung nicht in Deutschland, sondern in Luxemburg befunden habe. Die üblichen mit der Pachtzinsvereinnahmung und der Erhaltung des Pachtobjekts verbundenen Verwaltungstätigkeiten seien von einer Hausverwaltungsgesellschaft in C… ausgeführt worden, die nur eigenes Personal beschäftigt habe.

Jedenfalls sei der Gewerbeertrag aber nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG zu kürzen. Die sogenannte erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG könne sie hingegen nicht in Anspruch nehmen, weil sie im Streitjahr auch nicht grundstücksbezogene Umsätze (= Provisionen für die Vermittlung eines Darlehens) erzielt habe.

Der 9. Senat gab der Klage mit Urteil vom 21. November 2019 – 9 K 11108/17, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2020, 669, hinsichtlich der Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG statt, bejahte jedoch die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin. Mit Urteil vom 23. März 2022 – III R 35/20, BFHE 276, 170, BStBl. II 2022, 844, hob der BFH dieses Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Zur weiteren Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie habe in der BR Deutschland keine Betriebsstätte im Sinne des § 12 Satz 1 AO unterhalten. Gleichermaßen habe sie keine Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Inland unterhalten (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO). Vielmehr seien die geschäftsleitenden Entscheidungen durch ihren in Luxemburg ansässigen Geschäftsführer I… und nicht durch beauftragte Hausverwaltungsgesellschaft getroffen worden. Ihr, der Klägerin Geschäftsführer habe in Luxemburg insbesondere Verträge freigegeben, die Steuererklärungen durchgesehen und unterschrieben und das beauftragte Hausverwaltungsunternehmen kontrolliert, ausgewählt und angeleitet. In den Räumlichkeiten der Hausverwaltung habe I… keine nachhaltigen geschäftsleitenden Tätigkeiten ausgeführt. Im Inland habe es nur vereinzelt Treffen außerhalb der Geschäftsräume des Hausverwaltungsunternehmens gegeben. Dies habe der Zeuge L… in seiner Aussage vor dem 9. Senat im ersten Rechtsgang bestätigt. Das beauftragte Hausverwaltungsunternehmen habe auch keine eigene Handlungsfreiheit besessen. Alle Entscheidungen seien in Absprache und in Anweisung von I… getroffen worden. Auch dies habe der Zeuge L… in seiner Aussage vor dem 9. Senat im ersten Rechtsgang bestätigt. Die weitreichende Vollmacht für das beauftragte Hausverwaltungsunternehmen habe nur auf praktischen Erwägungen beruht, um die Vertretung der Klägerin erleichtern zu können. Zudem habe keine Personenidentität bestanden; eine Überwachung vor Ort sei daher für die Klägerin nicht möglich gewesen. Die Postanschrift in den Räumen des beauftragten Hausverwaltungsunternehmens habe nur der Praktikabilität gedient.

Schließlich komme deshalb auch eine Aufteilung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 3 GewStG nicht in Betracht.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2013 und die Gewerbesteuer 2013 vom 12. August 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2017 aufzuheben, hilfsweise den Gewerbeertrag um € 1 914,28 zu kürzen sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, die Klägerin habe erstmals im Klageverfahren, nachdem sie zuvor selbst über mehrere Jahre von einer Betriebsstätte im Inland ausgegangen sei, erklärt, sie sei nicht gewerbesteuerpflichtig. Aus der umfassenden Hausverwaltungsvollmacht der Klägerin gegenüber der J… GmbH vom 28.11.09 ergebe sich, dass die Bevollmächtigte die für die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung maßgeblichen Entscheidungen im Tagesgeschäft für die Klägerin getroffen habe und daher von der Klägerin keine eigenen Entscheidungen im Tagesgeschäft mehr zu gewesen seien.

Der Vorsitzende hat der Klägerin unter anderem mit Verfügung vom 5. April 2023 eine Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – gesetzt. Die Klägerin hat hierauf vorgetragen, der Beklagte trage die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte.

Der 9. Senat hat im ersten Rechtsgang über die Frage des Inhalts und der Durchführung des Kaufvertrags über das Grundstücke H…-straße in den Jahren 2012 und 2013 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L…. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls über die mündliche Verhandlung vom 21. November 2019, das durch Verlesen in die mündliche Verhandlung des erkennenden Senats eingebracht worden ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. 1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere bestreitet die Klägerin ihre Steuerpflicht und begehrt damit die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Daher ist auch die Klage gegen den Gewerbesteuerbescheid zulässig (vergleiche zum Fall der sogenannten Null-Festsetzung zum Beispiel: BFH, Urteil vom 4. April 2008 – IV R 91/06, BFH/NV 2008, 1298).

2. Die Klage ist jedoch nur zum Teil begründet. Der angefochtene Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in dem nachstehend dargestellten Umfang in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

a) Die Klägerin unterlag im Streitjahr 2013 der Gewerbesteuerpflicht. Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), das heißt soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG).

aa) Gemäß § 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Die Annahme einer Betriebsstätte setzt gemäß § 12 Satz 1 AO eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Für die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht ist grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Es reichen weder eine tatsächliche Mitbenutzung noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit aus. Weiter muss die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit unmittelbar dienen. Für die Annahme eines unmittelbaren "Dienens" der Geschäftsanlage oder Einrichtung genügt daher nicht das Eigentum oder der Besitz eines Grundstücks. Gebäude, die lediglich einem Dritten überlassen werden (z.B. Vermietung/Verpachtung), begründen deshalb keine Betriebsstätte des Überlassenden; dies gilt selbst dann, wenn der Zweck des Geschäfts gerade in der Vermietung oder Verpachtung besteht. Erforderlich ist vielmehr, dass in dem vermieteten Objekt eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt (vergleiche: BFH, Urteil vom 23. März 2022 – III R 35/20, a.a.O., m.w.N.).

Eine Betriebsstätte kann allerdings auch in der Betriebsstätte eines Dritten begründet werden, wenn der Unternehmer rechtlich befugt ist, die Einrichtung oder Anlagen nach den Bedürfnissen seines Unternehmens zu nutzen und wenn er eigene Arbeitnehmer beschäftigt oder ihm überlassene, seinen Weisungen unterliegende Arbeitnehmer oder Subunternehmer dort tätig werden (siehe: BFH, Urteil vom 23. März 2022 – III R 35/20,.a.a.O., m.w.N.).

Unter Umständen kann auch durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft oder Betriebsführungsgesellschaft ohne Verfügungsrecht über deren Räumlichkeiten eine Betriebsstätte des beauftragenden Unternehmens begründet werden, wenn die Gesellschaft aufgrund des zur Verfügung gestellten "sachlichen und personellen Organismus" in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit "operativ" nachzugehen; dies gilt auch für den "reinen Inlandsfall". Eine eigene unternehmerische Tätigkeit kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn aufgrund der Personenidentität der Leitungsorgane eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht wird (so BFH, Urteil vom 23. März 2022 – III R 35/20, a.a.O.).

Der Senat vermag das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Streitfall nicht festzustellen. Es ist anhand des Vortrags des Beklagten, der für das Vorliegen der steuerbegründen Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast (objektive Feststellungslast) trägt, für den Senat nicht feststellbar, dass die Klägerin aufgrund eigener operativer Tätigkeit einen Zugriff in Gestalt einer Verfügungsmacht über die fraglichen Räumlichkeiten des beauftragten Hausverwaltungsunternehmens inne hatte. Insbesondere bestand zwischen der Klägerin und dem beauftragten Hausverwaltungsunternehmen keine Personenidentität der Leitungsorgane, die eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht hätte.

Gleichermaßen vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Klägerin in den Räumen des beauftragen Hausverwaltungsunternehmens eigene betriebliche Handlungen vorgenommen hat. Diese können zwar auch dann vorliegen, wenn die Klägerin die Tätigkeit des Auftragnehmers oder der Managementgesellschaft im Rahmen der betreffenden Einrichtung fortlaufend und nachhaltig überwacht. Jedoch muss diese fortlaufende Überwachung an dem betreffenden Ort, also in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers, erfolgen (siehe: BFH, Urteil vom 23. März 2022 – III R 35/20, a.a.O., m.w.N.). Bei fehlender Identität der Leitungsorgane und fehlender ortsbezogener Überwachung führt aber allein die Beauftragung einer Management- oder Dienstleistungsgesellschaft nicht zu einer Betriebsstätte des Auftraggebers in den Räumen des Auftragnehmers, wenn die Überwachung lediglich aus dem Ausland erfolgte.

bb) Zur Überzeugung des Senats hatte die Klägerin jedoch in der BR Deutschland eine Stätte der Geschäftsleitung im Sinne des § 12 Satz 2 Nr. 1 AO inne. Denn eine Betriebsstätte setzt nicht notwendigerweise eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraus, sondern kann sich auch in den fremden Räumen eines Dritten (Geschäftsleiters) oder in den Geschäftsräumen eines mit der Geschäftsführung beauftragten gesellschaftsfremden Managers befinden (siehe: BFH, Urteil vom 23. März 2022 – III R 35/20, a.a.O.).

Nach § 10 AO ist die Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Dies ist der Ort, an dem der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird und die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Entscheidend ist, an welchem Ort die für die Klägerin vorzunehmenden Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt, sowie solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören ("Tagesgeschäfte"), tatsächlich wahrgenommen wurden. Nicht entscheidend sind hingegen diejenigen Maßnahmen, die die Grundlagen der Gesellschaft, insbesondere die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Inhaber des Unternehmens an ungewöhnlichen Maßnahmen und an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung betreffen. Bei der Beurteilung sind maßgebend die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls wie Art, Umfang, Struktur und Eigenart des Unternehmens zu berücksichtigen. Wird eine Kapitalgesellschaft an mehreren Orten geschäftsführend tätig, so sind die an den verschiedenen Orten ausgeübten Tätigkeiten nach ihrer Bedeutung für die Kapitalgesellschaft zu gewichten, um auf diese Weise den Ort der Geschäftsleitung zu bestimmen (vergleiche BFH, Urteil vom 23. März 2022 – III R 35/20, a.a.O., m.w.N.).

Auf dieser rechtlichen Grundlage ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin ihre Geschäftsleitung im Inland ausübte. Für diese Einschätzung spricht zunächst der Umstand, dass die steuerlich vertretene Klägerin bis zum Klageverfahren selbst die Ansicht vertrat, in der BR Deutschland eine Betriebsstätte inne zu haben. Darüber hinaus zeigt aber insbesondere die dem beauftragten Hausverwaltungsunternehmen erteilte Vollmacht, dass dieses Unternehmen befugt war, die tägliche, mit der Vermietung eines größeren Wohn- und Geschäftshauses verbundenen Geschäfte auszuführen. Zwar folgt aus der Vollmacht nicht, ob das beauftragte Hausverwaltungsunternehmen auch befugt war, eigenständige Entscheidungen zu treffen, oder ob das beauftragte Hausverwaltungsunternehmen nur auf der Grundlage von Entscheidungen des Geschäftsführers der Klägerin jeweils tätig wurde. Indessen belegt schon der Vortrag der Klägerin, die weitreichende Vollmacht habe nur auf praktischen Erwägungen beruht, um die Vertretung der Klägerin erleichtern zu können, dass dem beauftragten Hausverwaltungsunternehmen schon aus Gründen der täglichen Praktikabilität eine weitreichende Entscheidungskompetenz eingeräumt war.

Soweit die Klägerin dagegen – unter Hinweis auf die dem Beklagten obliegende objektive Feststellungslast – lediglich vorträgt, die geschäftsleitenden Entscheidungen seien nur durch ihren in Luxemburg ansässigen Geschäftsführer I… getroffen worden, Herr I… habe in Luxemburg insbesondere Verträge freigegeben, die Steuererklärungen durchgesehen und unterschrieben und das beauftragte Hausverwaltungsunternehmen kontrolliert, ausgewählt und angeleitet, bleibt dieser Vortrag ohne jede konkrete Untermauerung durch entsprechende konkrete Tatsachen. Träfe dieser Vortrag zu, so müsste die Klägerin ohne weiteres Korrespondenz, zum Beispiel in Form von E-Mails, SMS-Nachrichten, WhatsApp-Nachrichten, Briefen oder Faxnachrichten vorlegen können, die ihren entsprechenden Vortrag belegen könnten. Denn, wenn I…, wie die Klägerin vorträgt, sich nur vereinzelt und außerhalb der Geschäftsräume des beauftragten Hausverwaltungsunternehmens (vermutlich) mit Herrn L… getroffen haben soll, ist es nicht glaubhaft, dass die Maßnahmen des Tagesgeschäfts ausschließlich mündlich abgesprochen worden sein sollen. Zudem hat der Zeuge L… in seiner Vernehmung vor dem 9. Senat selbst bekundet, er habe mit I… unter anderem per Fax kommuniziert.

Soweit die Klägerin sich in diesem Zusammenhang darauf beruft, die im Tagesgeschäft anstehenden Entscheidungen seien in Luxemburg getroffen worden, sie aber diesen Vortrag nicht zu belegen vermag, geht dieser Umstand – ungeachtet der dem Beklagten obliegenden objektiven Feststellungslast – zu ihren Lasten (§ 90 Abs. 2 AO). Im Übrigen übersieht die Klägerin, dass sich nur aus dem Wohnsitz von I… in Luxemburg nicht ableiten lässt, dass sich dort automatisch eine (die) Geschäftsleitungsbetriebsstätte der Klägerin befindet (ebenso: Beinert/Maucher, Der Betrieb 2023, 219 [220]). Vielmehr erfordert eine Geschäftsleitung in Luxemburg auch ein dortiges tatsächliches Handeln (vergleiche hierzu: Töben/Schrepp, DStR 2023, 305 [312]).

Auf der Grundlage des eigenen vorherigen Handelns gegenüber der Finanzverwaltung und insbesondere aufgrund der erteilten weitreichenden Hausverwaltungsvollmacht geht der Senat zu seiner Überzeugung davon aus, dass das beauftragte Hausverwaltungsunternehmen tatsächlich die Entscheidungen im Tagesgeschäft für die Klägerin getroffen hat. Für diese Einschätzung spricht auch der Umstand, dass nach der Aussage des Zeugen L… nur bestimmte außerordentliche Entscheidungen, wie fristlose Kündigungen, oder ob eine Wohngemeinschaft als Mieter akzeptabel sei, oder wenn es „brenzlig“ wurde mit I… abgesprochen wurden, und dass das beauftragte Hausverwaltungsunternehmen über eine Bankvollmacht für das Konto der Klägerin bei der W… Bank verfügte, um die das Grundstück betreffenden Aufwendungen begleichen zu können.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr Geschäftsführer habe die Entscheidungen, die den Verkauf des Grundstücks betrafen, nicht auf das beauftragte Hausverwaltungsunternehmen übertragen. Denn selbst wenn dies zuträfe, wovon der Senat ausgeht, stellt die Veräußerung des einzigen Grundstücks der Klägerin kein Tagesgeschäft dar.

b) Eine Aufteilung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 3 GewStG kommt nicht in Betracht, da der Senat mangels Mitwirkung der Klägerin bei der Aufklärung nicht festzustellen vermochte, dass die Klägerin auch in Luxemburg eine Betriebsstätte inne hatte.

c) Der angefochtene Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag ist jedoch insoweit rechtswidrig, als der Beklagte keine Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG vorgenommen hat. Der Gewerbeertrag ist – wovon auch der Beklagte ausgeht – um 1,2% des Einheitswerts auf den 1. Januar 2011, mithin um € 1 914,28 zu kürzen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 und 3 FGO; die Klägerin hat nur zu einem geringen Teil obsiegt.