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Entscheidung 12 U 42/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12. Zivilsenat Entscheidungsdatum 12.12.2024
Aktenzeichen 12 U 42/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1212.12U42.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25.03.2024 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az. 8 O 285/23, teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.278,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.07.2023 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Klägerin 76 % und der Beklagte 24 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 37 % und der Beklagte 63 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung des Beklagten ist teilweise begründet.

1.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung des im Eigentum der Klägerin stehenden angemieteten Fahrzeuges sowohl aus den §§ 535, 280 Abs. 1 BGB als auch aus § 823 Abs. 1 BGB lediglich i.H.v. 1.278,38 € zu. a)    Der Beklagte hat zumindest fahrlässig, indem er mit dem von ihm angemieteten Fahrzeug in die Tiefgarage einfuhr, obwohl diese für Fahrzeuge mit einer Fahrzeughöhe über 2,10 m nicht zugelassen war, die Beschädigung des Mietfahrzeugs verursacht und dadurch seine Pflicht aus den zugrundeliegenden Mietvertrag, alles zu unterlassen, was zu Schäden an dem gemieteten Fahrzeug führen kann, verletzt und sich damit schadensersatzpflichtig gemacht.b)    Zwar haben die Parteien im Mietvertrag eine Haftungsbefreiung nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung vereinbart. Der Beklagte haftet demnach über den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt von 150,00 € hinaus nur, wenn er den Schadensfall vorsätzlich oder grob fahrlässig im Sinne des § 81 VVG herbeigeführt hat. Im Streitfall ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass der Beklagte grob fahrlässig handelte.

aa)    Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv und subjektiv schweren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt hierbei für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv „schlechthin unentschuldbare“ Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet. Hiernach ist es in aller Regel erforderlich, nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven (personalen) Seite konkrete Feststellungen zu treffen (vgl. nur BGH, Urteil vom 10.05.2011 – VI ZR 196/10, r+s 2011, 290 Rn. 10; BGH, Urteil vom 21.07.2020 – VI ZR 369/19, VersR 2020, 1476 Rn. 8). Das Vorliegen grober Fahrlässigkeit ist eine Frage des Einzelfalls. Sie kann nicht pauschal bei Nichtbeachtung der notwendigen Durchfahrtshöhe von Mietfahrzeugen durch den Mieter oder den berechtigten Fahrer verneint werden, sondern ist einzelfallbezogen zu bejahen oder zu verneinen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.09.2012 – 24 U 54/12, r+s 2012, 586, juris Rn. 11 f.; OLG Hamm, Urteil vom 21.12.2021 – I-7 U 31/21, NJW-RR 2022, 541, juris Rn. 16). bb)    Gemessen an diesen Maßstäben handelte der Beklagte im vorliegenden Falle grob fahrlässig. Der Beklagte handelte grob sorgfaltswidrig, indem er mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug, das nach den vorliegenden Lichtbildern erkennbar die gewöhnliche Pkw-Höhe überschritt, in die Tiefgarage einfuhr und dabei – wie er selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat – das über der Einfahrt angebrachte Zeichen 265, das auf eine maximale Durchfahrtshöhe von 2,10 m hinwies, übersah. Zwar sind zu der konkreten Fahrzeughöhe keine Feststellungen getroffen worden. Soweit der Beklagte vorgetragen hat, das Mietfahrzeug habe keine außergewöhnlich große Aufbauhöhe gehabt, ist es unstreitig beim Einfahren in das Parkhaus zu einer Berührung der Durchfahrtsmesslatte im Einfahrtsbereich gekommen, sodass davon auszugehen ist, dass die Fahrzeughöhe jedenfalls die angegebene Durchfahrtshöhe von 2,10 m überschritt, da es anderenfalls nicht zu einer Beschädigung gekommen wäre. Dies hätte sich dem Beklagten auch ohne weiteres aufdrängen müssen, da er gerade nicht mit einem normalen Pkw unterwegs war, sodass er sich mit den Abmessungen des Fahrzeuges bereits vor Antritt der Fahrt hätte vertraut machen und sich hinsichtlich der Höhenmaße vergewissern müssen, ob eine Einfahrt in die Tiefgarage gefahrlos möglich war. Indem er sich darüber hinwegsetzte, handelt er auch subjektiv in besonderem Maße pflichtwidrig.

Es entlastet den Beklagten auch nicht, dass ihm bei Anmietung des Fahrzeuges gesagt worden sein soll, er solle das Fahrzeug bei der Rückgabe in der („Firma 01“)-Abstellzone abstellen, und lediglich die Tiefgarage als eine solche Abstellzone gekennzeichnet war. Der Beklagte hätte vielmehr, wäre er sich der Gefahr einer Beschädigung des Fahrzeuges bei Einfahrt in die Tiefgarage bewusst gewesen, sich mit der Klägerin – etwa über die („Firma 01“)-Notfallnummer – in Verbindung setzen können, um weitere Anweisungen hinsichtlich des Abstellortes zu erhalten, und gegebenenfalls auf die Einfahrt verzichten und das Fahrzeug im öffentlichen Straßenland abstellen müssen. cc)    Nach den Grundsätzen des § 81 Abs. 2 VVG richtet sich im Falle grob fahrlässiger Schadensverursachung die Haftung nach der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers. Danach ist eine Beschränkung der Leistungskürzung unterhalb von 50 % möglich, wenn der Grenzbereich zur einfachen Fahrlässigkeit betroffen ist, sich das Verhalten des Schädigers also eher diesem Bereich als dem des bedingten Vorsatzes zuordnen lässt (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Danach ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu ermitteln, welche Haftungsquote in Ansatz zu bringen ist. Der Senat bewertet die Haftungsquote abweichend vom Landgericht im Streitfall mit 1/3. Zugunsten des Beklagten ist zu berücksichtigen, dass er keine Erfahrung mit der Führung eines derartigen Transporters hatte und sich im Inneren des Fahrzeuges kein Hinweis auf dessen Höhe befand. Darüber hinaus spricht für ihn, dass ihm von den Mitarbeitern der Klägerin ausdrücklich aufgegeben wurde, das Fahrzeug in der („Firma 01“)-Abstellzone abzustellen, die sich allein in der Tiefgarage befand, und zum damaligen Zeitpunkt dort kein Hinweis angebracht war, dass eine Einfahrt mit Lkw oder Transportern nicht möglich war. Das Verhalten des Beklagten ist auch nicht als besonders verantwortungslos oder rücksichtslos zu beurteilen. Ob freie Parkplätze auf der Straße vorhanden waren und wie hoch gegebenenfalls eine Parkgebühr gewesen wäre, ist ungeklärt. Zudem stand der Beklagte, der bereits eine fünfstündige Fahrt von („Ort 01“) nach („Ort 02“) hinter sich hatte, wegen der fortgeschrittenen Zeit und des anstehenden Rückgabetermins unter Zeitdruck. Gegen den Beklagten spricht andererseits, dass die erhöhte Sitzposition und die ungewohnten Abmessungen des Fahrzeuges ihn zu erhöhter Aufmerksamkeit hätten veranlassen müssen. Bei der Einfahrt in die Tiefgarage wurde durch das Zeichen 265 deutlich erkennbar auf die geringe Durchfahrthöhe hingewiesen. Jedoch lag, anders als in denen in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen, im Streitfall keine erhebliche Differenz zwischen der Durchfahrthöhe und der Fahrzeughöhe vor. Bei Abwägung sämtlicher für und gegen den Beklagten sprechenden Umstände hält der Senat die Schwere des Verschuldens eher im Bereich der unteren Hälfte der groben Fahrlässigkeit für gegeben und damit eine Quote von 1/3 als angemessen, aber auch ausreichend. c)    Von dem danach vom Landgericht ermittelten erstattungsfähigen Betrag von 3.899,12 €, der mangels eigener Berufung der Klägerin zugrundezulegen ist, ist zunächst der Selbstbehalt von 150,00 € in Abzug zu bringen (vgl. OLG Hamm a.a.O. Rn. 37). 1/3 von dem verbleibenden Betrag von 3.749,12 € ergibt 1.249,71 €. Hinzu kommen jeweils anteilig die Gutachterkosten und die Unkostenpauschale von insgesamt 28,67 €, sodass sich der zu erstattende Betrag auf 1.278,38 € beläuft. 2.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB. Die Zustellung des Mahnbescheides steht nach § 286 Abs. 1 S. 2 BGB der Mahnung gleich. Zwar ist der Zeitpunkt der Zustellung nicht aktenkundig, da der Widerspruch jedoch bereits am 07.07.2023 einging, steht fest, dass die Zustellung jedenfalls zu diesem Zeitpunkt erfolgt war. 3.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Im Hinblick darauf, dass die Entscheidung des Senats einen Einzelfall betrifft, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird gemäß § 3 ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG auf 2.026,56 € festgesetzt.