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Sachgebiet: Finanzgerichtsordnung Überschrift: Beginn beSt-Pflicht für Steuerberater mit Erhalt des Registrierungscodes


Metadaten

Gericht FG Cottbus 16. Senat Entscheidungsdatum 12.07.2023
Aktenzeichen 16 K 16070/23 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2023:0712.16K16070.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 52d FGO

Leitsatz

Für Steuerberater beginnt die beSt-Nutzungspflicht bei Zugang des von der Bundessteuerberaterkammer versandten Registrierungscodes, nicht erst bei der tatsächlichen Freischaltung des beSt.

Angewendete Vorschriften: FGO § 52d

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in der Sache um die Steuerbarkeit ausländischer Einkünfte. Der Kläger hat als in C… wohnhafter Regisseur für seine selbständige Tätigkeit in Tschechien von einer tschechischen Kapitalgesellschaft im Streitjahr rund 142 T€ erhalten, die das beklagte Finanzamt – FA – der Besteuerung unterwarf, weil die ausländische Besteuerung bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung vom 21.04.2023 nicht nachgewiesen worden war. Im Laufe des Klageverfahrens legt der Kläger dazu Nachweise1 vor.

Vorab ist die Wirksamkeit der Klageerhebung unter dem Gesichtspunkt der Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs (§ 52d Finanzgerichtsordnung – FGO –) zu klären. Die Klage wurde für den Kläger durch die in C… kanzleiansässige Steuerberaterin B… erhoben.

I.1.

Die Steuerberaterkammer C… hat im Laufe des Jahres 2022 ihre Mitglieder in drei Sondernewslettern über die technischen Voraussetzungen zum „besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach“ – „beSt“ informiert (vom 01.06.2022, 11.07.2022 und 21.10.2022). Wegen der Einzelheiten wird auf diese Newsletter2 Bezug genommen.

2.

Die Steuerberaterin B… hat ihren Zugangscode zum beSt von der Bundessteuerberaterkammer im Laufe des Monats Januar 2023 erhalten.3

II.1.

Mit Schriftsatz datierend auf den 12.05.2023, per Fax eingegangen am 16.05.2023 und per Briefpost im Original eingegangen am 17.05.2023, hat sie für den Kläger Klage erhoben. In der Klageschrift heißt es: „Die Einrichtung der technischen Voraussetzung für die Übermittlung der Schriftsätze gemäß § 52d Satz 2 FGO verzögert sich leider. Hier habe ich einen Technikertermin Anfang Juni 2023. Gemäß § 52d Satz 2 FGO übermittle ich noch nach den allgemeinen Vorschriften. Sobald es technisch funktioniert, reiche ich auf elektronischem Weg alles nach.“

2.

Zusammen mit der Eingangsverfügung vom 17.05.2023, ausgeführt mit Schreiben vom 23.05.2023, der Klägervertreterin zugestellt am 24.05.2023, wies der Berichterstatter auf Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Klageerhebung im Hinblick auf § 52d FGO hin. Er forderte auf, die technischen Probleme der Vertreterin bei der Einrichtung des beSt näher dazulegen und glaubhaft zu machen und dabei auch darzulegen, wann diese Probleme erstmal bekannt geworden sind, wodurch sie bekannt geworden sind und wieso sie nicht hätten vermieden werden können, wenn die technischen Hinweise der Steuerberaterkammer im vergangenen Jahr zur Kenntnis genommen und umgesetzt worden wären.

3.

Mit elektronischen eingereichtem Schriftsatz datierend auf den 29.06.2023, per EGVP übermittelt am 02.07.2023, teilte die Klägervertreterin mit, dass die Kommunikation über das beSt nunmehr funktioniere. Sie führt aus:

Die Informationen der Steuerberaterkammer im Jahr 2022 habe sie seinerzeit zur Kenntnis genommen. Die Einreichung des beSt habe sich bei ihr verzögert aufgrund der zahlreichen anderen Aufgaben (Routineaufgaben und außerordentliche Arbeiten seit Anfang 2023, wie Grundsteuererklärungen bis Ende Januar 2023, Schlussabrechnungen der Coronahilfen mit europäischem Beihilferecht bis Ende März 2023, Veröffentlichungen von Bilanzen für 2021 im Bundesanzeiger bis 11.04.2023, Schlussabrechnungen der Coronahilfen im Übrigen bis Ende Juni 2023, Kurzarbeitergeldabrechnungen der Bundesanstalt für Arbeit und Steuererklärungen für 2021 bis Ende August 2023). Gerichtliche Vertretung spiele in ihrer steuerlichen Beratung nur eine untergeordnete Rolle.

In der gesamten Branche sei ein grundsätzlicher Nachhang bei der technischen Einrichtung des beSt festzustellen. Andere Gerichte bzw. Senate würden Fax und Post noch großzügig akzeptieren. Die technische Einrichtung werde umso schwerer, je größer die psychischen Belastungen in der Betriebsorganisation würden. Es gebe kein gesamtdurchdachtes digitales Konzept. Die übertrieben schnelle gesetzliche Vorgabe sei nicht nachvollziehbar. Während für Rechtsanwälte die Kommunikation mit dem Gericht typischerweise zentral für die Tätigkeit sei, sei dies für Steuerberater nicht der Fall. Die Übermittlung per Fax erscheine ihr im Übrigen sicherer als die über das Internet. Die technische Einrichtung des beSt sei für sie aus Gründen der Arbeitsintensität nicht zu schaffen gewesen. Ggf. könne sie diese Dienstleistung sonst nicht mehr anbieten und müsse ihre Mandanten dafür zu Rechtsanwälten mit weit höheren Stundensätzen schicken.

4.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 2019 vom 07.04.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.04.2023 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um … € niedriger zugrunde gelegt werden.

5.

Das FA hat sich noch nicht geäußert.

1 FG-A Bl. 19-28

2 Schreiben StBK C… vom 17.05.2023 nebst Anlagen, FG-A Bl. 37-57

3 vgl. FG-A Bl. 35

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig.

I. Die Klageerhebung ist gemäß § 52d FGO unwirksam.

1. In der Rechtsprechung ist im Hinblick auf § 52d FGO umstritten, ob Steuerberater seit dem 01.01.2023 noch auf nichtelektronischem Wege Klage erheben können (verneinend BFH, Beschluss vom 28.04.2023 XI B 101/22, Juris, unter Hinweis auf die Möglichkeit der Nutzung der sog. „fast lane“, allerdings für eine Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde; verneinend Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 20.03.2023 7 K 183/22, Juris, ebenfalls unter Hinweis auf die „fast lane“, allerdings bei einem bereits vor dem 01.01.2023 begonnenen Klageverfahren und betreffend eines Schriftsatzes zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens bis zum Ende einer gesetzten Ausschlussfrist; differenzierend FG Münster, Gerichtsbescheid vom 14.04.2023 7 K 86/23 E: ab Zusendung des Registrierungscodes durch die Bundessteuerberaterkammer, jedoch vorher noch nicht; ebenso Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 21.03.2023 10 V 67/23, Juris, insbesondere gegen Schmittmann, BB 2022, Heft 50, Seite I, der die Nutzungspflicht erst ab der erfolgten Freischaltung bejaht; differenzierend auch Schumann, DStZ 2023, 312).

2. Der Senat ist zwar der Auffassung, dass bei Klageerhebung nach dem 01.01.2023 Steuerberater jedenfalls bis zum Zugang des Registrierungscodes noch per Fax oder Post Klage erheben konnten, da für sie bis zu diesem Moment der elektronische Übermittlungsweg noch nicht zur Verfügung stand. Auf den Zeitpunkt der Versendung der Registrierungscodes durch die Bundessteuerberaterkammer hatten sie keinen Einfluss. Solange noch kein Gerichtsverfahren geschwebt hat, waren sie auch nicht verpflichtet, sich um Zugang per „fast lane“ zu bemühen.

Andererseits besteht nach Auffassung des Senats ab dem Zugang des Registrierungscodes die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung, und zwar unabhängig davon, ob die Freischaltung dann tatsächlich erfolgt ist. Denn Steuerberaterinnen und Steuerberater hatten grundsätzlich die Obliegenheit, für die technischen Voraussetzungen rechtzeitig zu sorgen.

Für den Senat sind dabei zwei Gesichtspunkte von besonderer Bedeutung:

a) Es wäre sonst nicht mit nachvollziehbaren Gründen abgrenzbar, bis wann noch auf konventionellem Weg Klage erhoben werden (oder ein ausschlussfristerfüllender Schriftsatz eingereicht werden) kann. Würde man auf die tatsächliche Freischaltung des beSt abstellen, stünde es praktisch im Belieben eines jeden einzelnen Steuerberaters, wann er diese durchführt bzw. durchführen lässt. Es könnte nicht gesagt werden, wie lange nach Zugang des Registrierungscodes ein Steuerberater sich dann Zeit lassen darf.

b) Es gehört zu den Berufspflichten jedes Rechtsanwaltes und Steuerberaters, nur solche Aufträge anzunehmen, die er oder sie auch ausführen kann. Wer weiß, dass sein beSt noch nicht freigeschaltet ist, muss eben an einen anderen Berufsträger verweisen, der technisch bereits der elektronischen Kommunikation mächtig ist. In C… sind – neben rund 15.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten – auch über 4.500 Steuerberaterinnen und Steuerberater zugelassen. Der Senat geht davon aus, dass spätestens Ende März 2023 (nach Abschluss der Übermittlungen der Registrierungscodes durch die Bundesteuerberaterkammer) zumindest einige Hundert davon ihr beSt bereits freigeschaltet hatten, denn dem Senat liegen seitdem auch neue Klagen vor, die von Steuerberatern über das beSt eingereicht wurden. Dieser hätte sich der Kläger, durch Vermittlung der Klägervertreterin, ggf. auch nur als Unterauftragnehmer zur Schriftsatzeinreichung, bedienen können.

3. Aus denselben Erwägungen ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gegeben, weil insoweit die Fristversäumnis – wäre die Klageschrift inzwischen nochmals elektronisch eingereicht worden – nicht unverschuldet wäre.

II.1.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, zugelassen. Die Frage, ob die beSt-Nutzungspflicht für Steuerberater (spätestens) mit Übersendung des Registrierungscodes durch die Bundessteuerberaterkammer beginnt oder (erst) mit der tatsächlichen Freischaltung des beSt, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend, jedenfalls nicht für erstinstanzliche Klageerhebungen, geklärt, jedoch, wie dem Senat aus eigener Anschauung bekannt, in einer großen Vielzahl von Fällen von Bedeutung. Sie hat auch verfassungsrechtliche Implikationen im Hinblick auf die Rechtsschutzgewährung.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 90a Abs. 1 FGO), weil von einer mündlichen Verhandlung keine weitere Erhellung der Sache zu erwarten ist.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten mündliche Verhandlung beantragen oder Revision einlegen.

1. Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Gerichtsbescheides schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu stellen.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat die Postanschrift: Postfach 10 04 65, 03004 Cottbus, und die Hausanschrift: Von-Schön-Str. 10, 03050 Cottbus, sowie den Telefax-Anschluss: 0355/ 48644 1000.

Der Antrag auf mündliche Verhandlung kann auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg gestellt werden. Die hierfür erforderliche Zugangs- und Übertragungssoftware kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.

2. Die Revision ist bei dem Bundesfinanzhof innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Gerichtsbescheides schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. Ihr soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Gerichtsbescheides beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Gerichtsbescheides zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit der Gerichtsbescheid angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch den Gerichtsbescheid ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.

Bei der Einlegung und Begründung der Revision vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.

3. Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.