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Entscheidung 17 K 1030/22


Metadaten

Gericht FG Cottbus 17. Senat Entscheidungsdatum 18.07.2023
Aktenzeichen 17 K 1030/22 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2023:0718.17K1030.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung eines Betrages, den die Klägerin auf eine fremde Steuerschuld gezahlt hat.

Am 24.02.2021 überwies die Klägerin den Betrag in Höhe von 20.211 € an den Beklagten. Im Verwendungszweck der Überweisung von ihrem Privatkonto machte sie folgende Angaben: „… EST 2019 B…“. Herr B… besaß die gleichlautende Steuernummer (…). Der Beklagte ordnete die Zahlung dem Steuerschuldverhältnis des Herrn B… zu.

Die Klägerin machte - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - durch Schreiben vom 04.06.2021 gegenüber dem Beklagten die Rückerstattung von 20.211 € geltend. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei der Zahlung um ein Versehen gehandelt habe und dass die Zahlung rechtsgrundlos erfolgt sei. Aufgrund der ungerechtfertigten Bereicherung des Beklagten habe dieser den Betrag an sie zu erstatten.

Der Beklagte reagierte darauf mit seinem Schreiben vom 14.06.2021 (Blatt 12 der Gerichtsakte). Dort führte er aus, dass die Zahlungen exakt dem Steuerpflichtigen B… zugeordnet werden konnte, sodass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß § 47 der Abgabenordnung (AO) durch Zahlung erloschen sei. Gemäß § 37 AO sei nur derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung geleistet worden sei, zur Erstattung berechtigt. Es komme nicht darauf an, von wem oder mit wessen Mitteln eine Zahlung geleistet worden sei. Eine Erstattung an sie komme daher nicht in Betracht.

Mit Schreiben vom 18.06.2021 (Blatt 14 der Gerichtsakte) wendete sich die Klägerin erneut - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - an den Beklagten. Sie wies darauf hin, dass der Zahlung in Höhe vom 20.211 € weder ein Auftrags- noch ein Anweisungsverhältnis zugrunde gelegen habe. Sie machte die Rückerstattung des Betrags an die Klägerin geltend und stützte den Anspruch auf die bürgerlichrechtliche Nichtleistungskondiktion. Rein vorsorglich erklärte sie die Anfechtung der Zahlung wegen Irrtums gegenüber dem Beklagten.

Das anwaltliche Schreiben vom 18.06.2021 legte der Beklagte als Einspruch aus. Er wies die Klägerin darauf hin, dass er, der Beklagte, den Einspruch für unbegründet halte, da sich die Überweisung aufgrund des Verwendungszwecks eindeutig der Steuerschuld von Herrn B… habe zuordnen lassen. Der Überweisungsbetrag habe vollständig die offene Steuerschuld von Herrn B… abgedeckt. Der Nachzahlungsbetrag des Herrn B… sei am 25.02.2021 fällig gewesen. Die Überweisung durch die Klägerin sei am 24.02.2021, also einen Tag vor Fälligkeit, erfolgt. Zudem sei der Einkommensteuerbescheid 2019 vom 22.01.2021 des Herrn B… der Klägerin bekannt gewesen, da sie als Angestellte des Steuerbüros „C… GmbH“, das Herrn B… steuerlich vertreten habe, Zugang zu diesem Bescheid gehabt habe. Zwischen dem Zeitpunkt des Zahlungseingangs am 24.02.2021 und der erstmaligen Rückforderung am 06.06.2021 seien mehr als zwölf Wochen vergangen. Eine unmittelbare Rückforderung der Klägerin sei daher nicht erfolgt. Da neben der Zahlung der Klägerin keine weiteren Zahlungen durch Herrn B… erfolgt seien, liege auch keine Bereicherung bei ihm, dem Beklagten, vor. Das Steuerschuldverhältnis sei daher gemäß § 47 AO erloschen.

An dieser Auffassung hielt der Beklagte fest und legte diese seiner Einspruchsentscheidung vom 31.01.2022 zugrunde, durch die der Beklagte den Einspruch vom 18.06.2021 als unbegründet zurückwies (Blatt 25 ff. der Gerichtsakte). Er begründete die Entscheidung damit, dass die Klägerin am 04.06.2021 die Rückerstattung beantragt habe und die Rückerstattung durch Bescheid vom 14.06.2021 abgelehnt worden sei. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch sei öffentlich-rechtlicher Natur und in § 37 Abs. 2 AO geregelt. Zivilrechtliches Bereicherungsrecht sei daher nicht zu berücksichtigen. Für den Anspruch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO komme es nicht darauf an, von wem, mit wessen Mitteln und auf wessen Kosten gezahlt worden sei. Entscheidend sei allein, wessen Schuld nach dem erkennbaren Willen des Zahlenden im Zeitpunkt der Zahlung getilgt werden sollte. Spätere Änderungen der Tilgungsbestimmung seien daher unbeachtlich. Da die Klägerin die Zahlung erkennbar auf die Steuerschuld des Herrn B… leistete - und zwar erkennbar am Tag der Zahlung - wurde dessen Steuerschuld getilgt. Ein Erstattungsanspruch bestehe daher nicht. Die Klägerin könne ggf. zivilrechtlich Rückgriff bei Herrn B… nehmen.

Gegen die Ablehnung der Rückerstattung in Gestalt der Einspruchsentscheidung wendet sich die Klägerin mit der am 28.02.2022 erhobenen Klage.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die Klage vor dem Finanzgericht zulässig sei, da der Beklagte den Rechtsstreit durch Bescheid und Einspruchsentscheidung zu einer abgabenrechtlichen Streitigkeit gemacht habe. Die Klage sei auch begründet. Die Zahlung in Höhe von 20.211 € sei zwar eine Zahlung auf die Steuerschuld von Herrn B… gewesen. Diese sei jedoch versehentlich und auch abgepresst erfolgt. Die Steuerschuld von Herrn B… habe zwar aufgrund eines bestandskräftigen Bescheides in Höhe der Zahlung bestanden. Jedoch habe kein Auftragsverhältnis zwischen ihr, der Klägerin, und Herrn B… zur Zahlung der Steuern bestanden. Auch habe sie, die Klägerin, die finanziellen Mittel nicht durch Herrn B… für die Überweisung zur Verfügung gestellt erhalten. Der Anspruch sei nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB begründet. Aufgrund der unverzüglichen Rückforderung durch sie, die Klägerin, habe der Beklagte trotz der Angabe der Steuernummer, der Tilgungsbestimmung und der Nennung des Namens von Herrn B… in der Überweisung nicht darauf schließen dürfen, dass eine fremde Leistung für den Steuerschuldner Herrn B… erbracht werden sollte. Auch stünden konkurrierende Ansprüche von Herrn B… gegen den Beklagten ihrem Rückerstattungsanspruch nicht entgegen. Denn der Vorrang des Bereicherungsausgleich entsprechend der Leistungsverhältnisse gelte nicht in den Anweisungsfällen, in denen eine wirksame Anweisung durch den Leistenden fehle. Die Zahlung sei außerdem vorsorglich wegen Irrtums angefochten worden. Der Verweis des Beklagten auf § 37 Abs. 2 AO greife deshalb nicht, da die Regelung nach dem Wortlaut der Norm voraussetze, dass Herr B… und nicht sie, die Klägerin, eine Zahlung an den Beklagten bewirkt hat. Denn nach § 37 Abs. 2 S. 1 AO könne nur derjenige, der eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt hat, gegenüber demjenigen, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages geltend machen. § 37 Abs. 2 S. 1 AO betreffe daher lediglich einen möglichen Rückerstattungsanspruch des Herrn B… gegen den Beklagten. Ein eigener, davon unabhängiger Anspruch auf Rückerstattung werde daher nicht geregelt und ausgeschlossen. Ihr Rückforderungsanspruch sei bereits unmittelbar mit der rechtsgrundlosen Zahlung entstanden. Grund der Zahlung sei eine Drohung des Herrn B… gewesen, den sie durch die Zahlung habe abwenden wollen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 49 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter ergänzend ausgeführt, dass insbesondere wegen der besonderen Schutzwürdigkeit der Klägerin ein eigener Rückerstattungsanspruch anzuerkennen sei. Selbst wenn grundsätzlich der Finanzverwaltung bei Zahlungen durch Dritte auf fremde Steuerschulden allein die Prüfung des eigentlichen Steuerschuldverhältnisses zwischen dem Steuerschuldner und dem Fiskus nach den Regelungen der §§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO, 48 Abs. 1 AO obliegen sollte, müsste im vorliegenden Fall ausnahmsweise die besondere Schutzbedürftigkeit der Klägerin anerkannt werden. Diese verlange danach, dem klägerischen Interesse an einer unmittelbaren Rückerstattung durch den Beklagten Vorrang vor dem fiskalischen Interesse einzuräumen, nach einer Rückerstattung den erstatten Betrag nicht erneut geltend machen zu müssen. Daher sei die Anerkennung eines eigenen Anspruchs sui generis notwendig und gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 14.06.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.01.2022 die Beklagte zu verpflichten, einen Abrechnungsbescheid im Sinne von § 218 Abs. 2 Satz 2 AO über das Bestehen eines Erstattungsanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten in Höhe von 20.211 € zu erlassen,

die Revision zuzulassen sowie

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich zur Begründung seines Abweisungsantrags auf die Begründung des Ablehnungsbescheides und der Einspruchsentscheidung.

Durch Beschluss vom 10.10.2022 ist die Entscheidung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter übertragen worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage war abzuweisen. Die Verpflichtungsklage im Sinne von § 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf Erlass eines Erstattungsbescheides.

I.     Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO eröffnet. Die Klägerin begehrt die Rückerstattung einer Zahlung auf eine fremde Steuerschuld. Sie macht damit einen etwaigen Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis im Sinne von § 37 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) geltend, so dass unzweifelhaft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über eine abgabenrechtliche Angelegenheit vorliegt und keine zivilrechtliche Streitigkeit über einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich.

II.    Die Klage ist auf den Erlass eines Abrechnungsbescheides im Sinne von § 218 Abs. 2 Satz 1 AO gerichtet, dessen Erlass der Beklagte durch Bescheid vom 14.06.2023 abgelehnt hat.

Bescheide nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO können nicht nur bei Streitigkeiten im unmittelbaren Verhältnis zwischen dem Finanzamt und dem Steuerpflichtigen, sondern auch bei Streitigkeiten im Verhältnis zwischen dem Finanzamt und Dritten erlassen werden, sofern es sich um Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis handelt (vgl. Klein/Rüsken, 16. Aufl. 2022, AO § 218 Rn. 20).

Auch bei Streitigkeiten über Erstattungsansprüche haben Finanzbehörden durch Erstattungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 Satz 1 AO zu entscheiden (vgl. FG Münster, Urteil vom 23.07.2015 – 6 K 208/13 AO –, Rn. 25 – 26). Gegenstand des Abrechnungsbescheids ist die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens reiner Zahlungsansprüche (vgl. BFH, Urteil vom 11.12.2012 – VII R 13/12 –, Rn. 10). Zwar könnten Finanzbehörden Erstattungsansprüche auch ohne Festsetzungen erfüllen. Jedoch kann ein Steuerpflichtiger die Erstattung im Falle der Weigerung der Finanzbehörde nur durch eine Leistungsklage durchsetzen, wenn zuvor der Erstattungsanspruch festgesetzt worden ist. Bei Weigerung der Finanzbehörde den Abrechnungsbescheid zu erlassen, ist eine Verpflichtungsklage zu erheben (vgl. Schober in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 218 Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, Rn. 32). Die Klage ist somit statthaft.

III.    Die Klage ist jedoch unbegründet, da kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der geleisteten Zahlung in Höhe von 20.211 € bestand.

1.    Die Klägerin kann keine Erstattung nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO verlangen, da sie nicht Erstattungsberechtigte und damit Gläubigerin des gesetzlich geregelten Erstattungsanspruchs ist. Insofern ist den Ausführungen des Klägervertreters zuzustimmen.

Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Erstattungsberechtigt ist also derjenige, auf dessen Rechnung und nicht auf dessen Kosten gezahlt wurde. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. In den Fällen, in denen ein Dritter für Rechnung des Steuerschuldners die Steuer zu entrichten hat, ist somit grundsätzlich der Steuerschuldner erstattungsberechtigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass den Zahlungen keine gesetzliche Steuerentrichtungspflicht der Klägerin zugrunde gelegen hat. Denn ein Dritter kann auch freiwillig die Leistung für den Steuerschuldner erbringen, wenn dieser nicht in Person leisten muss (vgl. BFH, Beschluss vom 12.05.2016 – VII R 50/14, BStBl. II 2016, 730, Rn. 10 ff.).

Da durch die Tilgungsbestimmung der Klägerin die Zahlung in Höhe von 20.211 € der betragsmäßig identischen Steuerschuld aus Sicht eines objektiven Empfängers eindeutig zuzuordnen war, wäre nur Herr B… zur Erstattung nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO berechtigt gewesen. Eine andere Zuordnung der Zahlung der Klägerin ist nach Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen. Denn sowohl die Nennung der Steuernummer des Herrn B…, seines vollständigen Namens und die Bezeichnung der Steuerschuld im Verwendungszweck ließen kein anderes Verständnis zu als die gewollte Tilgung der Steuerschuld für Herrn B….

2.    Für die Tilgungswirkung einer Zahlung auf eine fremde Steuerschuld nach § 48 Abs. 1 AO ist sowohl das zivilrechtliche Innenverhältnis als Zahlungsgrund irrelevant als auch eine nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung durch die Klägerin.

Bei Zahlungen von Dritten auf fremde Steuerschulden bezwecken §§ 37 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 AO die Befreiung der Finanzbehörden von einer Prüfung im Einzelfall, welche zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerschuldner und einem zahlenden Dritten bestehen und wer von ihnen - im Innenverhältnis - auf die zu erstattenden Beträge materiell-rechtlich einen Anspruch hat (vgl. BFH, Beschluss vom 12.05.2016 – VII R 50/14, BStBl. II 2016, 730, Rn. 10 m.w.N.). Daher ist eine nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung durch die Klägerin genauso unbeachtlich wie die Anfechtung durch die Klägerin. Der Rechtsgrund der Zahlung an den Beklagten wird dadurch im Nachhinein nicht verändert. Auch wird dadurch kein eigenes Steuerschuldverhältnis der Klägerin begründet, aus dem ihr ein Erstattungsanspruch im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 AO zustehen könnte.

3.    Es bestand auch kein Anspruch der Klägerin – wie vom Kläger dargelegt – als ungeregelter Erstattungsanspruch sui generis.

Der Bundesfinanzhof hat zwar nicht ausdrücklich das Bestehen eines Erstattungsanspruchs in Analogie zur bürgerlich-rechtlichen Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) abgelehnt. Vielmehr hat er im Beschluss vom 12.05.2016 (Az. BFH VII R 50/14, BStBl II 2016, 730, Rn. 18) dazu keine Aussage getroffen, jedoch nach der Ablehnung des Anspruchs aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO weitere Ansprüche geprüft und abgelehnt. Im Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat er jedoch wegen eines Erstattungsanspruchs einer Gesamtrechtsnachfolgerin entschieden, dass der Erstattungsanspruch in Abgabenangelegenheiten durch besondere Vorschriften des öffentlichen Rechts abschließend geregelt ist (vgl. BFH, Urteil vom 07.02.2002 – VII R 33/01, BStBl. II 2002, 447, Rn. 15 m.w.N.).

Nach Auffassung des Einzelrichters ist ein Anspruch sui generis außerhalb des tatbestandlichen Anwendungsbereichs von § 37 Abs. 2 Satz 1 AO abzulehnen. Der Vereinfachungszweck, der durch § 48 Abs. 1 AO erreicht werden soll, würde mit der Anerkennung von Rückgriffsansprüchen von Dritten verfehlt werden. Insofern muss dem § 37 Abs. 2 Satz 1 AO auch insoweit eine abschließende Wirkung zukommen als er alle Ansprüche von Nichterstattungsberechtigten im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ausschließt (a.A. Schlücke in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 37 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, Rn. 121). Aufgrund der zivilrechtlichen Rückgriffsansprüche im Innenverhältnis von dritten Personen gegenüber erstattungsberechtigten Steuerpflichtigen im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ist ein zahlender Dritter nicht schutzlos gestellt. Ihm wird letztlich nur das Prozessrechtsrisiko und Insolvenzrisiko des Steuerpflichtigen auferlegt, dessen Schuld getilgt worden ist.

IV.     Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 FGO zuzulassen. Rechtsfortbildung im engeren Sinne ist die rechtsschöpferische Ausfüllung von Lücken im Gesetz im Wege der Analogie oder der teleologischen Reduktion, jeweils jenseits der Grenzen methodisch zulässiger Auslegung des Gesetzes. Sie gehört zu den Aufgaben und Befugnisse der Finanzgerichte (Gräber/Ratschow, 9. Aufl. 2019, FGO § 115 Rn. 161). Da der Bundesfinanzhof über das Bestehen eines ungeregelten Erstattungsanspruchs sui generis noch nicht entschieden hat, besteht nicht nur ein Individualinteresse der Klägerin an der Anerkennung eines Erstattungsanspruchs eigener Art neben § 37 Abs. 2 AO wegen einer möglichen, besonderen Schutzbedürftigkeit, sondern auch ein Interesse der Allgemeinheit an einer Klarstellung zum System der Erstattungsansprüche.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.