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Entscheidung 17 K 6063/22


Metadaten

Gericht FG Cottbus 17. Senat Entscheidungsdatum 30.03.2023
Aktenzeichen 17 K 6063/22 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2023:0330.17K6063.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der gegenüber der Beigeladenen ergangenen Bescheid über Körperschaftsteuer für das das Jahr 2019 vom 01. Dezember 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. Mai 2022 wird dahingehend geändert, dass der Steuerfestsetzung eine Übernahme des vom Kläger eingebrachten Einzelunternehmens mit den dort zum 31. Dezember 2019 ausgewiesenen Buchwerten in die Eröffnungsbilanz der Beigeladenen zum 31. Dezember 2019 zugrunde gelegt wird.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens dem Beklagten auferlegt.     

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob im Fall einer rückwirkenden Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft, bei der die Entnahmen der im Rückwirkungszeitraum erwirtschafteten Gewinne das eingebrachte Buchvermögen übersteigen, eine Einschränkung des Ansatzwahlrechtes analog § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Umwandlungssteuergesetzes - UmwStG - für das zum Rückwirkungszeitpunkt vom Einzelunternehmen auf die Kapitalgesellschaft übergehende Vermögen zu beachten ist.

Der Kläger betrieb unter der Firma „B… e.K.“ ein Einzelunternehmen, das er mit notariellem Vertrag vom 21. Dezember 2020 (UR-Nr. … des Notars C… in D…) im Zuge einer Bar- und Sachgründung der Beigeladenen als Agio auf diese übertrug.

Zudem errichtete der Kläger am 21. Dezember 2020 die E… GmbH, in die er wiederum seine 100 %ige Beteiligung an der Beigeladenen im Wege einer Bar- und Sachgründung als Agio einbrachte.

Beide Gesellschaftsgründungen meldete der Kläger noch am 21. Dezember 2020 zur Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichtes D… an. Die Beigeladene wurde am 26. Januar 2021 eingetragen.

Die Beigeladene beantragte beim Beklagten mit Schreiben vom 15. März 2021 die steuerliche Rückbeziehung der Einbringung auf den 31. Dezember 2019, 24:00 Uhr unter Übernahme der für das Einzelunternehmen in der Schlussbilanz zum 31. Dezember 2019 ausgewiesenen Buchwerte.

Für das Jahr 2020 wies die Beigeladene einen bilanziellen Jahresüberschuss vor Steuern in Höhe von 958.804,21 € aus und gab an, dass im Rückwirkungszeitraum vom 01. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 Entnahmen in Höhe von 882.339,97 € getätigt worden seien.

Der Beklagte bewertete das übergehende Betriebsvermögen abweichend von der Eröffnungsbilanz der Beigeladenen zum 31. Dezember 2019 mit einem um 717.620,45 € erhöhten Wertansatz, den er wie folgt ermittelte:

Buchwert des Einzelunternehmens zum 31. Dezember 2019     164.719,52 €
abzüglich Entnahmen im Rückwirkungszeitraum - 882.339,97 €
Erhöhungsbetrag                             717.620,45 €.

Hiervon ausgehend setzte der Beklagte gegenüber der Beigeladenen mit Bescheid vom 01. Dezember 2021 die Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum 2019 (Rumpfwirtschaftsjahr 31. Dezember 2019 bis 31. Dezember 2019) in Höhe von 0,- € fest und übersandte dem Kläger am 28. Februar 2022 eine separate Ausfertigung des Bescheides.

Der Kläger legte hiergegen am 24. März 2022 Einspruch ein. Er sei durch den abweichend von der beantragten Buchwertfortführung erhöhten Wertansatz beschwert, weil er sich diesen nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG als Veräußerungspreis für sein eingebrachtes Einzelunternehmen anrechnen lassen müsse.

Die Buchwertfortführung sei rechtswidrig versagt worden. Die Beigeladene habe das ihr nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zustehende Wahlrecht dahingehend ausgeübt, dass die Buchwerte des Einzelunternehmens zum Einbringungszeitpunkt übernommen werden sollen. Für eine Einschränkung der Wahlrechtsausübung, insbesondere nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG, sei kein Raum. Das zum Einbringungszeitpunkt (31. Dezember 2019) ausgewiesene Betriebsvermögen sei nicht negativ, daher bestehe auch kein Aufdeckungszwang.

Entnahmen seien nach § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG von der Rückwirkung ausdrücklich ausgenommen und daher auch bei der Ermittlung des übergehenden Betriebsvermögens zum Einbringungszeitpunkt nicht zu berücksichtigen.

Der Bundesfinanzhof - BFH - habe in seiner Entscheidung vom 07. März 2018 (I R 12/16, Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2018, 1063) zur Vorgängervorschrift § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 bereits entschieden, dass es auch zu negativen Anschaffungskosten für den einbringungsgeborenen Anteil kommen könne. Die negativen Anschaffungskosten würden bei späterer Veräußerung oder bei Untergang des erworbenen Anteils zu einem Veräußerungsgewinn führen. Eine Besteuerung der Überentnahmen gehe daher bei der Buchwertfortführung auch in den Fällen, in denen sie den Buchwert zum Einbringungszeitpunkt übersteigen, nicht verloren.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06. Mai 2022 als unbegründet zurück.

Die im Rückwirkungszeitraum getätigten Entnahmen seien maximal in Höhe des zum Einbringungsstichtag vorhandenen Betriebsvermögens als „Vermögensentnahmen“ möglich gewesen. Bei dem darüber hinaus gehenden Entnahmebetrag handele es sich um Gewinnentnahmen. Insoweit komme es zu einem Besteuerungsausfall, wenn die entnommenen Gewinne des Rückwirkungszeitraums nur mit der Körperschaftsteuer belastet würden und hierfür weder die Ausschüttungsbesteuerung hergestellt werde noch eine Versteuerung als Veräußerungsgewinn für das eingebrachte Betriebsvermögen erfolge.

Aus dem Regelungszusammenhang von § 20 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG sei abzuleiten, dass es auch dann zu einer Buchwertaufstockung kommen müsse, wenn das zum Übertragungsstichtag ausgewiesene Betriebsvermögen durch die Entnahmen im Rückwirkungszeitraum negativ werde.

Der vom BFH vertretenen Auffassung, dass Entnahmen im Rückwirkungszeitraum nicht zu einer Wertaufstockung, sondern zu negativen Anschaffungskosten führten, sei nicht zu folgen. Negative Anschaffungskosten könnten sich zwar rechnerisch, aber nicht tatsächlich ergeben. Der handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten setzte nach der Definition des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB - einen Anschaffungsaufwand, also positiv angefallene Ausgaben voraus.

Die Rechtsprechung des BFH zu negativen Anschaffungskosten in den Fällen des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG - lasse sich nicht auf Umwandlungsvorgänge übertragen. Der BFH habe die in diesen Fällen entstehenden negativen Anschaffungskosten mit der Notwendigkeit eines Merkpostens begründet, weil andernfalls die Besteuerung der stillen Reserven verloren ginge. Eines solchen Merkpostens bedürfe es nicht, wenn der Gewinn laufend ermittelt werde.

Das Ergebnis der fehlenden Entnahmebesteuerung durch Annahme negativer Anschaffungskosten anstelle einer Wertaufstockung für das übergehende Betriebsvermögen entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Dieser habe mit den umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften eine steuerneutrale Umstrukturierung ermöglichen wollen, nicht aber eine Steuervermeidung für im Rückwirkungszeitraum entnommene Gewinne. Dies aber könne der Einbringende erreichen, indem er seine Anteile „ewig“ halte.

Durch die Wertaufstockung komme es schließlich auch nicht zu einer Doppelbesteuerung. Insoweit müsse zwischen laufender Gewinnbesteuerung und der Besteuerung der stillen Reserven differenziert werden. Der aufgestockte Betrag sei für die Beigeladene zusätzliches Abschreibungs- und Aufwandspotential.

Der Kläger hat am 31. Mai 2022 Klage erhoben.

Der Kläger beantragt,

den gegenüber der Beigeladenen ergangenen Bescheid über Körperschaftsteuer für das das Jahr 2019 vom 01. Dezember 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. Mai 2022 dahingehend zu ändern, dass die Buchwerte des vom Kläger eingebrachten Einzelunternehmens fortgeführt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Das Gericht hat die Beigeladene mit Beiladungsbeschluss vom 15. März 2023 zum Verfahren beigeladen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klage ist als Drittanfechtungsklage zulässig, weil neben der Beigeladenen als Inhaltsadressatin auch der Kläger in seiner Rechtsposition von dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid betroffen und beschwert ist.

Denn bei einer – wie hier vorliegenden – Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG gilt der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG für den Einbringenden als Veräußerungspreis des eingebrachten Betriebs und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile. Wegen der materiellen Bindungswirkung des bei der Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft angesetzten Werts für die Besteuerung des Einbringenden kann dieser im Rahmen seines eigenen Besteuerungsverfahrens wegen eines etwa entstandenen Veräußerungsgewinns nicht mit der Einwendung gehört werden, es sei ein davon abweichender Wert als Veräußerungspreis anzusetzen (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluss vom 19. Dezember 2007, I R 111/05, BStBl. II 2008, 536; Urteile vom 25. April 2012, I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649; vom 16. Dezember 2009, I R 97/08, BStBl. II 2010, 808; vom 15. Juni 2016, I R 69/15, BStBl. II 2017, 75).

Da aber aufgrund der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes -GG-) der Einbringende die Möglichkeit haben muss, einen aus seiner Sicht unzutreffend angesetzten Veräußerungsgewinn gerichtlich überprüfen zu lassen, ist ihm die Befugnis zuzubilligen, die für die aufnehmende Kapitalgesellschaft maßgebliche Steuerfestsetzung im Wege der Drittanfechtung anzugreifen (BFH, Urteile vom 08. Juni 2011, I R 79/10, BStBl. II 2012, 421; vom 25. April 2012, I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649; vom 15. Juni 2016, I R 69/15, BStBl. II 2017, 75).

II. Der gegenüber der Beigeladenen erlassene Körperschaftsteuerbescheid ist rechtswidrig, weil er auf Besteuerungsgrundlagen basiert, die auch gegen den Kläger wirken und der hierdurch in seinen Rechten verletzt ist, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

1. Die Beigeladene durfte das auf sie übergegangene Betriebsvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG mit dem Buchwert übernehmen. Ihr dahingehend ausgeübtes Wahlrecht war insbesondere nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG eingeschränkt.

a) Wird ein Betrieb im Ganzen im Wege der Sacheinlage in eine Kapitalgesellschaft als übernehmende Gesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an dieser Gesellschaft eingebracht, ist das übergehende Vermögen nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 UmwStG grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen.

Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 gilt der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, für den Einbringenden als Veräußerungspreis des eingebrachten Betriebs und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile.

Abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG kann das übernommene Betriebsvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG auf Antrag auch einheitlich mit dem Buchwert oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem Wert im Sinne des Satzes 1, angesetzt werden, soweit (1.) sichergestellt ist, dass es später bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt, (2.) die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten nicht übersteigen, (3.) das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird und (4.) der gemeine Wert etwaiger sonstiger Gegenleistungen, die neben den neuen Gesellschaftsanteilen gewährt werden, im Einzelnen näher definierte Grenzbeträge nicht übersteigt.

b) Übersteigen die Passivposten die Aktivposten, sind die im eingebrachten Betriebsvermögen ruhenden stillen Reserven soweit aufzudecken, als dies zum Ausgleich des auf die jeweilige Sacheinlage bezogenen Negativkapitals erforderlich ist (Herlinghaus in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2. Aufl., § 20 Rz 162: "Wertaufstockung des steuerlichen Eigenkapitals auf Null").

c) Ein dergestalt auszugleichendes negatives Eigenkapital hat der Kläger vorliegend nicht in die Beigeladene eingebracht. Das in der Schlussbilanz zum 31. Dezember 2019 ausgewiesene Eigenkapital belief sich auf 164.719,52 €. In dieser Höhe blieben die Passivposten hinter den ausgewiesenen Aktivposten zurück.

2. Die nach dem Einbringungsstichtag getätigten Entnahmen mindern das für § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG maßgebende Eigenkapital nicht.

a) Die Einbringung im Sinne des § 20 Abs. 1 UmwStG kann nach § 20 Abs. 5 und – wenn sie wie hier im Wege der Einzelrechtsnachfolge vorgenommen wird – Abs. 6 Satz 3 UmwStG mit steuerlicher Rückbeziehung erfolgen. Die Rückbeziehung durfte vorliegend – weil die Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister im Jahr 2020 erfolgte – auf einen Tag, der höchstens zwölf Monate vor dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages und höchstens zwölf Monate vor dem Zeitpunkt liegt, an dem das eingebrachte Betriebsvermögen auf die übernehmende Gesellschaft übergeht, erfolgen, § 20 Abs. 6 Satz 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 15 Satz 1 UmwStG.

Die von der Beigeladenen beantragte Rückbeziehung auf den 31. Dezember 2019 liegt innerhalb dieses gesetzlich zulässigen Rückwirkungszeitraumes.

b) Bei Ausübung des Rückwirkungswahlrechtes sind das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags auf die Übernehmerin übergegangen wäre (hier: mit Ablauf des 31. Dezember 2019), § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG. Das gilt jedoch nach § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG hinsichtlich des Einkommens und des Gewerbeertrags nicht für Entnahmen und Einlagen, die nach dem gewählten steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgen. Diese erhöhen (Einlagen) bzw. mindern (Entnahmen) gemäß § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile. Damit schließt § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG eine rückwirkende Umqualifizierung von Entnahmen als (verdeckte) Gewinnausschüttungen und eine Umqualifizierung von Einlagen als über das Nennkapital hinaus geleistete Einlagen aus.

Der Ausschluss der Rückwirkung führt dazu, dass die Entnahmen und Einlagen so zu behandeln sind, wie sie sich ohne Einbringung bei der Ertragsermittlung ausgewirkt hätten, nämlich steuerneutral. Zwar gehen sie mit einer Veränderung des Eigenkapitals einher, dies allerdings erst in dem Zeitpunkt, in dem sie getätigt werden. Vorliegend erfolgten die Entnahmen in 2020. Damit haben sie zu einer Eigenkapitalminderung in 2020, und damit erst nach dem – zulässig gewählten – Einbringungszeitpunkt geführt. Auf die Kapitalkontenentwicklung des eingebrachten Unternehmens im Rückwirkungszeitraum kommt es jedoch bei den Einschränkungen des Ansatzwahlrechtes nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG nicht mehr an. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG ist das Vermögen des Einbringenden zum steuerlichen Übertragungsstichtag maßgebend.

Eine Auslegung des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG dahingehend, die im Rückwirkungszeitraum getätigten Entnahmen und Einlage so zu behandeln, als seien sie noch vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgt, ginge über den Wortlaut und auch über den zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen hinaus; hat doch der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG die Rückwirkungsfolge gerade einschränken und nicht erweitern wollen.

3. Der zwischen § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG und § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG bestehende Regelungszusammenhang rechtfertigt es nicht, § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG über seinen Wortlaut, im Wege der teleologischen Extension auch insoweit anzuwenden, als der Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens durch Entnahmen im Rückwirkungszeitraum (ggf. korrigiert um Einlagen im Rückwirkungszeitraum) ins Negative gemindert wird. Vielmehr steht die Regelungssystematik dem entgegen.

a) § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG sieht vor, dass von den Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile im Sinne des § 20 Abs. 3 UmwStG der Buchwert der Entnahmen abzuziehen und der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG ergebende Wert der Einlagen hinzuzusetzen ist. Die Norm beinhaltet nach ihrem Wortlaut lediglich eine Korrektur der sich nach § 20 Abs. 3 UmwStG ergebenden Anteilsanschaffungskosten, nicht hingegen die Vorgabe eines „Mindestansatzes“ des eingebrachten Betriebsvermögens (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 07. März 2018, I R 12/16, BFH/NV 2018, 1063 zur Vorgängernorm § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 m.w.N.). Dem Normtext ist nicht zu entnehmen, dass das Ergebnis der vorgenannten Rechenoperation nicht ggf. negativ sein könnte (ebenda m.w.N.).

b) Soweit der Beklagte einen ungewollten Besteuerungsvorteil darin sieht, dass für die im Rückwirkungszeitraum entnommenen Beträge im Zuge der Einbringung weder eine Ausschüttungsbelastung noch eine Versteuerung als Veräußerungspreis erfolgt, ist festzustellen, dass dieses Ergebnis nicht nur eintritt, wenn die Entnahmen im Rückwirkungszeitraum – wie hier – das eingebrachte Betriebsvermögen übersteigen, sondern in allen Fällen, in denen der im Rückwirkungszeitraum erzielte Gewinn den Entnahmebetrag erreicht oder übersteigt, mithin auch in Fällen, in denen sich keine negativen Anschaffungskosten ergeben.

Während für das eingebrachte Betriebsvermögen die Besteuerung nach dem Transparenzprinzip zu erfolgen hatte, ist es nach der Einbringung dem Besteuerungsregime für Kapitalgesellschaften und damit dem Trennungsprinzip unterworfen. Die nach der Einbringung erzielte Gewinne werden dabei gestaffelt besteuert: Sie unterliegen im Entstehungsjahr der Körperschaftsteuer und im Ausschüttungsjahr einer weiteren Ertragsbesteuerung.

§ 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG sieht für die erste Besteuerungsstufe, nämlich die Besteuerung im Gewinnentstehungsjahr, eine Rückwirkung vor, nimmt jedoch die zweite Besteuerungsstufe, nämlich die Ausschüttungsbesteuerung, mit § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG ausdrücklich hiervon aus und verschiebt sie über § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG temporär durch entsprechende Minderung des Anschaffungsaufwandes auf den Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile oder der Auflösung der Gesellschaft.

Daraus folgt systemimmanent eine Steuerstundung für sämtliche im Rückwirkungszeitraum ausgeschütteten laufenden Gewinne, und zwar unabhängig von der Höhe des zum Einbringungszeitpunkt vorhandenen Betriebsvermögens.

aa) Hätte das Eigenkapital des eingebrachten Einzelunternehmens zum 31. Dezember 2019 vorliegend bspw. 1.000.000 € betragen, würden sich keine negativen Anschaffungskosten ergeben.

In diesem Fall hätten sich folgende Konsequenzen ergeben:

Veräußerungspreis für den Kläger, § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1.000.000 €
abzüglich eingebrachtes Buchvermögen 1.000.000 €
Veräußerungsgewinn iSv § 16 Einkommensteuergesetz - EStG - 0 €

 

Anschaffungskosten der Anteile, § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG   1.000.000 €
abzüglich Entnahmen im Rückwirkungszeitraum,  
§ 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 882.340 €
Anschaffungskosten der Beteiligung 117.660 €.

Der reale Vermögenswert im Zeitpunkt der Einbringungsentscheidung

Buchwert zum 31.Dezember 2019         1.000.000 €
zuzüglich Gewinn des Jahres 2020         958.804 €
abzüglich der Entnahmen in 2020 882.340 €
  1.076.464 €

läge auch in diesem Fall über den steuerlichen Anschaffungskosten von 117.660 €.

Ein gedachter Erwerber würde unmittelbar nach der Einbringung bei unterstellten nicht vorhandenen stillen Reserven einen Kaufpreis in Höhe von 1.076.464 € zahlen (Wert zum Zeitpunkt der Einbringungsentscheidung). Da der Einbringende von diesem Veräußerungspreis nur die steuerlichen Anschaffungskosten von 117.660 € absetzen kann, muss er einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 958.804 € versteuern. Hierin enthalten sind die bereits entnommenen 882.340 € sowie der nichtentnommene Gewinnanteil, hier 76.464 €. Damit wird die seinerzeit für die Entnahmen unterbliebene Ausschüttungsbesteuerung nachgeholt.

Auch in diesem Fall, in dem sich die Anschaffungskosten also „nur“ nach § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG verringern, aber nicht negativ werden, kommt es mithin zu der vom Beklagten monierten Steuerstundung, deren zeitliches Ende freilich der Gestaltung des Einbringenden obliegt; er kann die Beteiligung halten oder veräußern.

bb) Der Stundungseffekt tritt gleichsam ein, sofern stille Reserven vorhanden sein sollten: Würden in dem übergehenden Betriebsvermögen bspw. noch stille Reserven in Höhe von 500.000 € „schlummern“, würde ein gedachter Erwerber unmittelbar nach der Einbringung 1.576.464 € (1.076.464 € + 500.000 €) zahlen.

Daraus ergäbe sich für den Einbringenden ein Gewinn aus der Anteilsveräußerung in Höhe von 1.458.804 € (1.576.464 € ./. 117.660 €). Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Summe der stillen Reserven (500.000 €) und den bisher noch keiner Ausschüttungsbesteuerung unterworfenen Entnahmen im Rückwirkungszeitraum (882.340 €) und den bereits der Körperschaftsteuer unterworfenen, aber stehen gelassenen Gewinnen in Höhe von 76.464 €.

cc) Angesichts dieser gesetzlichen Konzeption verbietet sich eine teleologische Extension nur für den Fall des Entstehens negativer Anschaffungskosten. Wollte man eine teleologische Extension auf alle Fälle von Gewinnentnahmen im Rückwirkungszeitraum bejahen, käme man zur Rechtsanwendung contra legem.

c) Dem Beklagten ist zuzugeben, dass sich die systembedingte Steuerstundung und insbesondere ihr offenes zeitliches Ende kritisch hinterfragen lassen. Sie lassen sich jedenfalls nicht mit dem grundsätzlich für die Privilegierung von Umwandlungsvorgängen herangezogenem Argument der fehlenden Liquiditätsfreisetzung begründen. Sie hat indes eine Rechtfertigung darin, dass bereits vor der Einbringung erzielte und versteuerte Gewinne nicht aufgrund ihrer Entnahmen im Rückwirkungszeitraum ein zweites Mal versteuert werden dürfen.

Eine ungewollte Regelungslücke liegt daher nicht vor. Der Gesetzgeber hat hier nicht eine besondere Einzelfallgestaltung übersehen, sondern sich für eine grundsätzliche Abstandnahme von der Ausschüttungsbesteuerung im Rückwirkungszeitraum entschieden, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Er nimmt stattdessen die Steuerstundung auf unbestimmte Zeit in Kauf. Die Entscheidung darüber, ob dies auch künftig so beibehalten werden soll, bleibt nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung dem parlamentarischen Entscheidungsfindungsprozess des Gesetzgebers vorbehalten.

d) Der vom Beklagten erwogenen Aufstockungslösung steht überdies entgegen, dass stille Reserven zum Einbringungszeitpunkt unterstellt werden, die nicht notwendigerweise vorhanden sein müssen und dass es mit der Vorverlagerung der erst im Rückwirkungszeitraum getätigten Gewinnentnahmen bereits auf den Einbringungszeitpunkt, zu einer Doppelbesteuerung käme. Denn einerseits hätte der Einbringenden diesen Betrag als Veräußerungsgewinn zu besteuern und andererseits hätte die aufnehmende Kapitalgesellschaft ihn als den Entnahmen zugrundeliegenden laufenden Gewinn des Rückwirkungszeitraumes zu versteuern. Wollte man der Kapitalgesellschaft hierfür einen steuerbilanziellen Ausgleichsposten zur Verrechnung mit den im Rückwirkungszeitraum erzielten Gewinnen zubilligen, ließe sich damit zwar die Doppelbesteuerung vermeiden. Es würde aber zugleich die ausdrücklich in § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG gewollte steuerliche Rückwirkung unterbunden.

e) Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, einen Besteuerungsausfall bei Gewinnentnahmen im Rückwirkungszeitraum zu vermeiden, lässt sich durch die Anerkennung negativer Anteilsanschaffungskosten erreichen. Den – hier negativ werdenden – Anschaffungskosten kommt damit eine dem Besteuerungsausfall vorbeugende „Merkposition“ zu, die in der Rechtsprechung des BFH, der der Senat insoweit folgt, bereits ihre Anerkennung gefunden hat (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 07. März 2018, I R 12/16, BFH/NV 2018, 1063 zur Vorgängernorm § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 m.w.N.).

5. Ein erhöhter Wertansatz war vorliegend auch nicht infolge der Kaskadengründung zu erfassen. Da die Einbringung der Beigeladenen in die E… GmbH zu Buchwerten erfolgte, unterfällt der Vorgang keinem zum gemeinen Wertansatz verpflichtenden Vorgang im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG.

III. Auf die Höhe der gegenüber der Beigeladenen vorzunehmenden Steuerfestsetzung hat der geänderte Übernahmewert vorliegend keine Auswirkung, weil die Klägerin in dem nur eine juristische Sekunde andauernden Rumpfwirtschaftsjahr keine Geschäftsvorfälle realisiert hat.

Die steuerliche Auswirkung für den verfahrensführenden Kläger ergibt sich jedoch vorliegend nicht aus der Steuerfestsetzung gegenüber der Beigeladenen, sondern aus den hierbei zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen (materielle Bindungswirkung des § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG). Mithin erwächst seiner Drittanfechtungsbefugnis ein Anspruch auf einen an seinem Begehren ausgerichteten Urteilsausspruch, so dass auch bei der Tenorierung vorliegend auf die Besteuerungsgrundlagen abzustellen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -. Gründe für eine Revisionszulassung im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO sind nicht ersichtlich.

Rechtsmittelbelehrung

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.

Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.

Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.