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Entscheidung 19 Verg 2/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg Vergabesenat Entscheidungsdatum 12.11.2024
Aktenzeichen 19 Verg 2/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1112.19VERG2.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 24.07.2024, Az. VK 4/24, aufgehoben, soweit er nicht die Festsetzung der Gebührenhöhe betrifft.

Es wird festgestellt, dass der am 06.02.2024 zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossene Vertrag, dessen Abschluss am 15.02.2024 unter der Veröffentlichungsnummer … im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht worden ist, von Anfang an unwirksam ist.

Der Antragsgegner wird im Falle des Fortbestehens der Beschaffungsabsicht verpflichtet, die Konzession, die Gegenstand des vorgenannten Vertrages ist, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zu vergeben.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin war für das Verfahren vor der Vergabekammer notwendig.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen einen vom Antragsgegner am 06.02.2024 mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrag.

Der Antragsgegner ist ein selbstlos tätiger, keine eigenwirtschaftlichen Interessen verfolgender Verein. Sein Zweck besteht darin, das öffentliche Gesundheitswesen durch die Errichtung und Unterhaltung eines Rehabilitationszentrums für neurologisch geschädigte Kinder und Jugendliche (im Folgenden auch: Reha-Zentrum) zu fördern. Zur Verwirklichung dieses Zwecks wurden ihm seitens des Bundes durch Bescheid des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) vom 04.12.1996 (Anlage ASt. 3) 43.963.642 DM, seitens des Landes Brandenburg durch Bescheid des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen (MASGF) vom 19.12.1996 (Anlage ASt. 4) 20.478.000 DM und seitens des Bundesverbandes der Unfallversicherungen der öffentlichen Hand e.V. durch Bescheid vom 26.07.2000 (Anlage ASt. 5) 4.146.373 DM als nicht rückzahlbare Zuschüsse zugewandt. Nach den Zuwendungsbescheiden des Bundes und des Landes bedürfen bestimmte Maßnahmen, unter anderem die Vermietung, Verpachtung oder sonstige Überlassung der Einrichtung oder Teilen hiervon an Dritte sowie die Stilllegung der Einrichtung oder Teilen hiervon, der Zustimmung des jeweiligen Fördermittelgebers. Verstöße hiergegen können nach den weiteren Bestimmungen der Zuwendungsbescheide zu deren Widerruf und zur Rückforderung der Zuwendungen führen. Die (bedingten) Rückforderungsansprüche sind durch Grundschulden gesichert. Zur Geltungsdauer der Nebenbestimmungen beinhalten die Bescheide keine Regelung.

Der Antragsgegner ließ die Anlage errichten und ausstatten und übergab sie der („Firma 01“), einer Rechtsvorgängerin der Antragstellerin. Mit ihr schloss er – entsprechend einer bereits im Jahr 1996 getroffenen Vereinbarung – einen Betreibervertrag (Anlage ASt. 6). Dieser sieht die Zahlung einer Verwaltungskostenpauschale an den Antragsgegner in Höhe von 60.000 DM pro Jahr vor und bestimmt eine mit der Übergabe des Objektes beginnende Laufzeit von 15 Jahren, die nach Option des Betreibers auf bis zu 25 Jahre verlängert werden kann und sich bei Ausbleiben einer Kündigung um jeweils zwei Jahre verlängert. Auf der Grundlage dieses Vertrages wird das Reha-Zentrum seit dem 01.02.2000 durch die („Firma 01“) bzw. deren Rechtsnachfolger, zuletzt durch die Antragstellerin, betrieben, wobei sie in den letzten vier abgeschlossenen Geschäftsjahren jeweils Umsatzerlöse von über 15 Millionen € erzielte.

Im Jahr 2022 nahmen der Antragsgegner und die Antragstellerin Verhandlungen über eine Verlängerung des Betreibervertrages auf, in deren Ergebnis der Antragsgegner der Antragstellerin im Februar 2023 einen Vertragsentwurf übermittelte. Mitte des Jahres 2023 bekundete die Beigeladene gegenüber dem Antragsgegner Interesse, den Betrieb des Reha-Zentrums zu übernehmen. Anfang Dezember 2023 sprach sich der Vorstand des Antragsgegners für einen Vertragsabschluss mit der Beigeladenen aus. Die Entscheidung war vor allem durch das im Laufe der Verhandlungen von der Beigeladenen vorgelegte medizinische Konzept, die vom Vorstand als unklar empfundene Positionierung der Antragstellerin im Hinblick auf den Zustand und die Ausstattung der Klinik sowie durch das Anliegen motiviert, „dass die wirtschaftlichen Vorteile aus der weitgehend unentgeltlichen Nutzung der Klinik in der öffentlichen Gesundheitsfürsorge verbleiben“ sollen. Der Vorstand des Antragsgegners beauftragte seinen nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten, den Entwurf des Betreibervertrages auf einen Vertrag mit der Beigeladenen umzuarbeiten.

Mit E-Mail vom 19.12.2023 übersandte die Antragstellerin dem Antragsgegner einen Aktenvermerk ihrer nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten vom 18.12.2023, demzufolge der Antragsgegner öffentlicher Auftraggeber und zur Ausschreibung des Betreibervertrages verpflichtet sei. Der Antragsgegner holte seinerseits eine unter dem 19.01.2024 erstattete gutachterliche Stellungnahme seines nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten ein, die zu gegensätzlichen Ergebnissen gelangte. Die E-Mail der Antragstellerin vom 19.12.2023 ließ er unbeantwortet.

Am 26.01.2024 veröffentlichte der Antragsgegner im Amtsblatt der Europäischen Union eine freiwillige Ex-ante-Transparenzbekanntmachung über den beabsichtigten Vertragsschluss (Anlage ASt. 16). Im Folgenden wurde der Beigeladenen der vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners umgearbeitete Vertragsentwurf übersandt und von ihr ohne inhaltliche Änderungswünsche am 06.02.2024 unterzeichnet (Anlage AG3).

Der als „Pachtvertrag“ bezeichnete Vertrag beinhaltet unter anderem folgende Bestimmungen:

„ II. Vertragsgegenstand …

2. Zweck

Das Objekt wird dem Pächter zur Nutzung überlassen. Der Pächter ist ausschließlich berechtigt, das Objekt zum Betrieb eines neurologischen Rehabilitationszentrums für Kinder und Jugendliche zu nutzen. Die Nutzung ist insbesondere in dem Umfang zulässig, wie diese derzeit von dem bisherigen Pächter ausgeübt wird (d.h. einschließlich Krankenhausbetrieb). …

III. Pflichten des Pächters

1. Zustimmungsvorbehalte und Informationspflichten …

c) Folgende Maßnahmen bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Trägers:

· die Änderung der Zweckbestimmung oder Zielsetzung der Einrichtung,

· die Änderung der Organisations- und Personalstellenstruktur, die sich auf die Zweckbestimmung oder Zielsetzung sowie auf das Angebot an Rehabilitationsmaßnahmen auswirkt,

· die Stilllegung der Einrichtung oder Teilen hiervon,

· die Änderung der Betten-/Platzzahl,

· die Überlassung der Einrichtung oder Teilen hiervon an Dritte, soweit diese nicht aktienrechtlich im Sinne von § 15 AktG mit dem Pächter verbunden sind. …

2. Qualitätssicherung

Die Qualität der Rehabilitationsmaßnahmen ist durch den Pächter gegenüber dem Verein nachzuweisen. Sie bemisst sich an den Rehabilitationszielen des medizinischen Konzepts (in der aktuellen Fassung beigefügt als Anlage 2, welches während der Vertragslaufzeit jeweils fortzuschreiben ist) und den von den Rehabilitationsträgern geforderten Standards. …

4. Entgelt

a) Der Träger erhält eine Pacht in Höhe von jährlich 50.000,00 Euro…

Vl. Allgemeines und Anlagen

1. Dauer des Pachtvertrages

a) Die feste Laufzeit des Pachtvertrages beginnt mit dem 01.02.2025 und endet mit dem 31.01.2027. …

c) Der Pachtvertrag kann von jeder Partei mit einer Frist von sechs Monaten zum Laufzeitende ordentlich gekündigt werden. Wird der Pachtvertrag nicht gekündigt, so verlängert sich die Laufzeit um jeweils ein Jahr.“

Am 15.02.2024 veröffentlichte der Antragsgegner im Amtsblatt der Europäischen Union eine Ex-post-Bekanntmachung über den erfolgten Vertragsschluss (Anlage ASt. 17). Mit Schreiben vom 18.03.2024 erklärte er gegenüber der Antragstellerin die Kündigung des bestehenden Betreibervertrages zum Ablauf des 31.01.2025. Das Kündigungsschreiben wurde der Antragstellerin am 20.03.2024 übergeben. Zugleich wurde ihr mitgeteilt, dass ein Vertrag mit der Beigeladenen abgeschlossen sei, die das Reha-Zentrum ab Februar 2025 betreiben werde.

Gegen den Abschluss dieses Vertrages wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 23.04.2024, der am selben Tag bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg eingegangen ist. Sie hat unter Vertiefung der Ausführungen des rechtsanwaltlichen Aktenvermerks vom 18.12.2023 geltend gemacht, der Antragsgegner sei öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 lit. b) GWB und der abgeschlossene Vertrag stelle eine Dienstleistungskonzession nach § 105 GWB dar, welche den maßgeblichen Schwellenwert deutlich überschreite. Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts greife nicht ein. Daher sei der Antragsgegner verpflichtet gewesen, den Abschluss des Vertrages EU-weit auszuschreiben. Der unter Verstoß gegen die Ausschreibungspflicht geschlossene Vertrag sei unwirksam. Die veröffentlichte Ex-post-Bekanntmachung ändere hieran nichts, weil diese keine Belehrung über die Rechtsbehelfsfrist beinhalte. Aus dem gleichen Grund stehe die Ex-ante-Transparenzbekanntmachung der Geltendmachung des Vergaberechtsverstoßes nicht entgegen. Davon abgesehen entspreche diese Bekanntmachung schon deshalb nicht den Voraussetzungen nach § 135 Abs. 3 Nr. 2 GWB, weil die Bekanntmachung unter Verwendung eines Standardformulars der im Januar 2024 nicht mehr in Kraft befindlichen Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 erfolgt sei.

Die Antragstellerin hat in der Sache beantragt,

1. den zwischen dem Antragsgegner und der Beizuladenden geschlossenen Pachtvertrag vom 06.02.2024 über das Grundstück des Antragsgegners in („Ort 01“) (Bestandsblatt …, Flur …, Flurstück …; Bestandsblatt …, Flur …, Flurstück … und Bestandsblatt …, Flur …, Flurstück …) jeweils am Zentral-Friedhof mit einer Fläche von zusammen rund 52.436 qm sowie bebaut und bislang genutzt als neurologisches Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche für unwirksam zu erklären;

2. den Antragsgegner zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer über eine oder mehrere europaweit zu veröffentlichende Ausschreibungen zum Betrieb des neurologischen Rehabilitationszentrums für Kinder und Jugendliche zu entscheiden;

Der Antragsgegner hat in der Sache beantragt,

den Nachprüfungsantrag zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Er hat gemeint, kein öffentlicher Auftraggeber zu sein, insbesondere nicht im Sinne von § 99 Nr. 2 lit. b) GWB der Aufsicht der öffentlichen Hand zu unterliegen. Anderes ergebe sich auch nicht aus den in den Nebenbestimmungen der Zuwendungsbescheide des Bundes und des Landes Brandenburg verankerten Zustimmungserfordernissen. Davon abgesehen seien die in den Bescheiden vorgesehenen Zweckbindungen mangels Befristung unwirksam. Auch stelle der mit der Beigeladenen geschlossene Vertrag keine Konzession, sondern, weil hiermit keine Pflicht zum Betrieb der Einrichtung begründet werde, einen Pachtvertrag dar. Dementsprechend belaufe sich der Vertragswert – ausgehend von der vereinbarten Jahrespacht von 50.000 € und der festen Laufzeit von zwei Jahren – auf 100.000 €, sodass der maßgebliche Schwellenwert nicht erreicht sei. Jedenfalls falle der Vertrag unter die Ausnahmevorschrift des § 108 Abs. 6 GWB.

Mit Beschluss vom 24.07.2024, auf den wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands des Vergabekammerverfahrens Bezug genommen wird, hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen. Sie hat gemeint, der Vertrag stelle zwar entgegen der Auffassung des Antragsgegners eine Dienstleistungskonzession im Sinne von § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB dar. Diese sei aber nicht nach Maßgabe des Kartellvergaberechts zu vergeben gewesen, weil der Antragsgegner nicht öffentlicher Auftraggeber sei. Bei dem Antragsgegner handele es sich um eine juristische Person des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet worden sei, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen. Die weiteren Voraussetzungen nach § 99 Nr. 2 lit. a) - c) GWB seien indes nicht erfüllt. Eine Finanzierung durch staatliche Stellen im Sinne von § 99 Nr. 2 lit. a) GWB sei nicht gegeben, weil es hierfür nicht auf die in der Vergangenheit gewährten Fördermittel, sondern auf die Finanzierung im jeweiligen Haushalts- bzw. Geschäftsjahr ankomme und der Antragsgegner seit dem Jahr 2000 keine öffentlichen Mittel mehr erhalte. Auch unterliege der Antragsgegner nicht im Sinne des § 99 Nr. 2 lit. b) GWB der Aufsicht durch Stellen nach § 99 Nr. 1 oder 3 GWB. Die in den Zuwendungsbescheiden verankerten Berichtspflichten und Zustimmungsvorbehalte beschränkten sich auf eine Rechtmäßigkeits- bzw. Rechnungshofkontrolle. Hiermit werde den Zuwendungsgebern nicht die von § 99 Nr. 2 lit. b) GWB vorausgesetzte Möglichkeit eröffnet, Beschaffungsentscheidungen des Antragsgegners zu beeinflussen. Ebenso wenig seien die zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe des Auftraggebers im Sinne von § 99 Nr. 2 lit. c) GWB durch Stellen nach § 99 Nr. 1 oder 3 GWB bestimmt worden. Denn seit Oktober 2020 gehörten dem Antragsgegner insgesamt elf Mitglieder an, von denen fünf Privatpersonen und zwei privat organisierte juristische Personen seien. Da jedes Vereinsmitglied nach der Satzung des Antragsgegners eine Stimme habe, liege die Wahl des aus drei Personen bestehenden Vorstandes nicht überwiegend in der öffentlichen Hand. Tatsächlich sei auch kein öffentlich-rechtliches Mitglied des Antragsgegners Mitglied des Vorstandes. Schließlich sei der Antragsgegner nicht nach § 99 Nr. 4 GWB zum Abschluss des Betreibervertrages im Wege des Kartellvergaberechts verpflichtet, da sich die hieraus begründete Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber lediglich auf die seit dem Jahr 2000 abgeschlossene Errichtung des Reha-Zentrums nebst Inventar bezogen habe. Der Umstand, dass die Zuwendungsbescheide eine Zweckbindungsfrist nicht enthielten, rechtfertige aus weiter ausgeführten Erwägungen keine andere Würdigung.

Gegen den Beschluss der Vergabekammer, der den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 31.07.2024 zugestellt worden ist, wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 13.08.2024 beim hiesigen Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und beantragt,

1. den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 24.07.2024 (Az. VK 4/24) aufzuheben;

2. den zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossenen Pachtvertrag vom 06.02.2024 über das Grundstück des Antragsgegners in („Ort 01“) (Bestandsblatt …, Flur …, Flurstück …; Bestandsblatt …, Flur …, Flurstück … und Bestandsblatt …, Flur …, Flurstück …) jeweils am Zentral-Friedhof mit einer Fläche von zusammen rund 52.436 qm sowie bebaut und bislang genutzt als neurologisches Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche für unwirksam zu erklären;

3. den Antragsgegner zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats über eine oder mehrere europaweit zu veröffentlichende Ausschreibungen zum Betrieb des neurologischen Rehabilitationszentrums für Kinder und Jugendliche zu entscheiden;

4. die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen und die Hinzuziehung seines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Er meint, die Antragstellerin sei durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert, da sie in den parallel geführten zivilrechtlichen Auseinandersetzungen gegenüber ihm und der Beigeladenen die Wirksamkeit der Kündigung ihres Betreibervertrages in Abrede stelle, ein fortbestehendes Nutzungsrecht für sich in Anspruch nehme und die Herausgabe der Einrichtung verweigere, weshalb er eine Herausgabeklage habe erheben müssen. Zudem fehle es der Antragstellerin an einem rechtsschutzwürdigen Interesse an den begehrten Entscheidungen sowie an einer Beschwer. Sie würde nämlich in einem etwaigen nachfolgenden Vergabeverfahren gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7GWB ausgeschlossen, weil sie durch näher ausgeführte Verhaltensweisen Anlass für zwei unter dem 10.09. und 04.10.2024 ausgesprochene außerordentliche Kündigungen gegeben habe, die im bestehenden Betreibervertrag verankerten Pflichten zur Bildung von Rücklagen sowie zur Stellung einer Bürgschaft nicht erfüllt habe und weil sie auch zukünftig kein vertragsgerechtes Verhalten erwarten lasse. Davon abgesehen sei die angefochtene Entscheidung richtig. Dass er nicht wegen des Inhalts der Zuwendungsbescheide des Bundes und des Landes Brandenburg öffentlicher Auftraggeber sei, werde durch die nunmehr vorliegenden Erklärungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 04.07.2024 (Anlage Bg. 1) und des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg vom 06.08.2024 (Anlage Bg. 2) bestätigt, nach welchen er mit Ablauf des 31.01.2025 keinen Verpflichtungen aus den Bestimmungen der Zuwendungsbescheide mehr unterliege. Der Nachprüfungsantrag sei auch unzulässig. Die Antragstellerin habe aussichtsreiche Verhandlungen über die Vereinbarung einer Interimsvereinbarung abgebrochen und damit mangelndes Interesse am Auftrag erkennen lassen. Im Übrigen verteidigt der Antragsgegner die angefochtene Entscheidung unter Verweis auf sein Vorbringen vor der Vergabekammer.

Die mit Beschluss des Senats vom 21.08.2024 Beigeladene hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.

1.

Die statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht gemäß §§ 171, 172 GWB eingelegt worden.

Die Antragstellerin ist beschwerdebefugt. Die angefochtene Entscheidung weicht zu ihren Ungunsten von ihren gestellten Anträgen ab. Mit dieser formellen Beschwer einhergehend ist sie auch materiell beschwert. Denn durch die Zurückweisung ihres Begehrens, die Unwirksamkeit des Vertrages vom 06.02.2024 festzustellen und den Antragsgegner für den Fall der fortbestehenden Vergabeabsicht zu einer Vergabeentscheidung nach europaweiter Ausschreibung zu verpflichten, ist die Antragstellerin in ihrem wirtschaftlichen Interesse, den Betrieb des Reha-Zentrums über den 31.01.2025 hinaus fortzusetzen, berührt. Dass sie mit dem Antragsgegner gegenwärtig auch über die Wirksamkeit der Kündigung vom 18.03.2024 sowie über das Bestehen einer Verpflichtung zur Herausgabe der Klinik streitet und dabei den Fortbestand des gekündigten Vertrages geltend macht, führt schon deshalb zu keiner anderen Würdigung, weil jener Streit einen anderen Gegenstand betrifft als das hiesige Verfahren. Es stellt weder die Beschwer der Antragstellerin durch die angefochtene Entscheidung noch deren Rechtsschutzbedürfnis infrage, dass sie neben dem vorliegenden Verfahren, welches auf die Wahrung ihrer Chance auf Abschluss eines neuen Betreibervertrages mit dem Antragsgegner abzielt, gegen die Kündigung des bestehenden Betreibervertrages vorgeht. Die Frage, ob für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Antragstellers nach § 171 Abs. 1 GWB die formelle Beschwer ausreicht (so etwa Dicks/Willner, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 171 GWB, Rn. 11; Dieck-Bogatzke, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 171 GWB, Rn. 54) oder darüber hinaus eine materielle Beschwer erforderlich ist (vgl. Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 171 GWB Rn. 24), kann daher vorliegend unbeantwortet bleiben.

2.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

a)

Der Nachprüfungsantrag ist entgegen der angefochtenen Entscheidung statthaft.

Die Vergabenachprüfungsinstanzen sind – wie sich aus § 135 Abs. 1 GWB ergibt – unter anderem für die Überprüfung öffentlicher Aufträge zuständig, die von einem öffentlichen Auftraggeber unter Verstoß gegen die Informations- und Wartepflicht nach § 134 GWB oder gegen die Pflicht zur vorherigen Veröffentlichung einer EU-weiten Bekanntmachung vergeben worden sind. Gemäß § 154 Nr. 4 GWB gilt entsprechendes für die Vergabe von Konzessionen (§ 105 GWB) durch Konzessionsgeber (§ 101 GWB). Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist vorliegend eröffnet, denn bei dem sog. Pachtvertrag zum Zwecke des Betriebs eines Reha-Zentrums handelt es sich um einen Vertrag über eine Dienstleistungskonzession (§ 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB) oberhalb des Schwellenwertes (§ 106 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 GWB), der von dem Antragsgegner als öffentlicher Konzessionsgeber (§ 101 Abs. 1 Nr. 1 GWB, § 99 Nr. 2 lit. b) GWB) vergeben worden ist.

aa)

Der Vergabekammer ist darin beizutreten, dass der im Streit stehende sog. Pachtvertrag eine Konzession darstellt.

Der Begriff der Konzession erfasst nach § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB unter anderem entgeltliche Verträge, mit denen ein Konzessionsgeber ein Unternehmen mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betraut, die nicht in der Erbringung von Bauleistungen nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 GWB bestehen, wenn die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht. Wie dem – vor dem Hintergrund der Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 RL 2014/23/EU zu interpretierenden – Merkmal der Betrauung zu entnehmen ist, setzt eine solche Dienstleistungskonzession, ebenso wie ein Dienstleistungsauftrag, einen Beschaffungsbezug voraus (statt vieler Mohr, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, § 105 GWB, Rn. 64 m.w.N.). Abzugrenzen ist die Dienstleistungskonzession vom Dienstleistungsauftrag gemäß § 105 Abs. 2 GWB danach, dass bei der Konzession das Betriebsrisiko für die Verwertung der Dienstleistungen auf den Konzessionsnehmer übergeht.

Durch den im Streit stehenden Vertrag wird die Beigeladene mit der Erbringung von Dienstleistungen betraut, nämlich mit dem Betrieb des Reha-Zentrums. Der gegenteiligen Auffassung des Antragsgegners, die Beigeladene treffe nach dem Vertrag keine Betriebspflicht, weshalb dessen Abschluss nicht auf eine Beschaffung ziele, ist nicht zu folgen. Der Vertrag sieht eine Betriebspflicht zwar nicht ausdrücklich, wohl aber bei der gebotenen Auslegung vor.

Ausweislich der Regelung unter Ziffer II.2 Satz 3, wonach die Nutzung des im Vertrag sog. Objektes in dem Umfang zulässig ist, „wie diese derzeit von dem bisherigen Pächter ausgeübt wird (d.h. einschließlich Krankenhausbetrieb)“, gehen die Vertragsparteien von einem aktuellen Betrieb des Reha-Zentrums aus. Gemäß Ziffer III.1 lit. c) des Vertrages darf die Beigeladene diesen Betrieb unter anderem im Hinblick auf die Zweckbestimmung und die Zielsetzung der Einrichtung sowie die Betten-/Platzzahl nur mit Zustimmung des Antragsgegners ändern. Auch bedarf die Beigeladene dafür, die Einrichtung oder Teile hiervon stillzulegen oder einem mit ihr nicht aktienrechtlich verbundenen Dritten zu überlassen, der Zustimmung des Antragsgegners. Die Beigeladene ist demnach nicht nur – wie es in Ziffer II.2 Satz 2 des Vertrages heißt – „berechtigt, das Objekt zum Betrieb eines neurologischen Rehabilitationszentrums für Kinder und Jugendliche zu nutzen“, sondern vielmehr verpflichtet, die gegenwärtige Nutzung fortzusetzen, sofern nicht der Antragsgegner der Stilllegung, der Überlassung an einen Dritten oder der wesentlichen Änderung des Betriebes zustimmt.

Für dieses Auslegungsergebnis spricht ferner, dass der Antragsgegner mit dem Abschluss des Vertrages nicht primär das Interesse verfolgt, sich das in seinem Eigentum stehende Objekt wirtschaftlich nutzbar zu machen. Abgesehen davon, dass er nach § 2 Abs. 3 Sätze 1, 2 seiner Satzung selbstlos tätig ist und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, stellt die vereinbarte Jahrespacht von 50.000 € offensichtlich keine marktübliche Gegenleistung für das 52.436 qm Grundfläche umfassende Objekt dar, dessen Bebauung mit – umgerechnet – über 35 Millionen € öffentlich gefördert worden ist und aus dessen Betrieb die Antragstellerin Umsatzerlöse von über 15 Millionen € jährlich erzielt. Der Abschluss des Vertrages ist vielmehr erkennbar durch den Vereinszweck des Antragsgegners motiviert, der nach § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 seiner Satzung darin besteht, zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens ein Rehabilitationszentrum für neurologisch geschädigte Kinder und Jugendliche einzurichten, zu unterhalten und – da das öffentliche Gesundheitswesen durch das bloße Vorhandensein einer solchen Einrichtung nicht gefördert würde – zu betreiben bzw. durch einen Dritten betreiben zu lassen.

Dafür, dass es nach dem Willen der Vertragsparteien nicht im Belieben der Beigeladenen stehen soll, ob sie das Reha-Zentrum (weiter)betreibt oder aber – da eine anderweitige Nutzung nach Ziffer II.2 Satz 2 des Vertrages ausdrücklich ausgeschlossen ist – das Objekt ungenutzt lässt, sprechen nicht zuletzt die Bestimmungen unter Ziffer III.2 des Vertrages, wonach die Beigeladene zum Nachweis der Qualität der Rehabilitationsmaßnahmen und zur Fortschreibung ihres medizinischen Konzeptes verpflichtet ist.

Dass der im Streit stehende Vertrag demnach einen für die Annahme einer Konzession hinreichenden Beschaffungsbezug aufweist, wird auch nicht durch den Einwand des Antragsgegners infrage gestellt, seinerseits den Fördermittelgebern gegenüber nicht zum Betrieb des Reha-Zentrums verpflichtet zu sein. Denn ebenso, wie es für die Qualifikation etwa eines Vertrages über den Betrieb eines gebührenpflichtigen öffentlichen Parkplatzes als öffentliche Dienstleistungskonzession nicht darauf ankommt, ob die den Vertrag schließende Gemeinde eine Rechtspflicht zum Betrieb dieses Parkplatzes trifft (vgl. EuGH, Urteil vom 13.10.2005 – C-458/03 – Parking Brixen, EuZW 2005, 727), ist es hier nicht entscheidend, ob sich der Antragsgegner aufgrund der Zuwendungsbescheide für verpflichtet hält, das Reha-Zentrum (weiterhin) zu betreiben.

Der vom Antragsgegner mit der Beigeladenen geschlossene sog. Pachtvertrag erfüllt auch die weiteren Merkmale einer Dienstleistungskonzession. So handelt es sich um einen entgeltlichen Vertrag, weil der Antragsgegner der Beigeladenen im Gegenzug für die von ihr übernommenen Verpflichtungen das Recht zur Nutzung des Objektes einräumt und ihr den Genuss der daraus bestimmungsgemäß gezogenen Früchte gewährt. Auch steht der Einordnung des Vertrages als Dienstleistungskonzession nicht entgegen, dass sich die von der Beigeladenen übernommenen Verpflichtungen nicht in dem Betrieb des Reha-Zentrums erschöpfen, sondern sie sich darüber hinaus zur Zahlung eines Entgelts an den Antragsgegner verpflichtet hat. Eine Konzession setzt zwar voraus, dass die Gegenleistung des Konzessionsnehmers jedenfalls auch in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistung besteht. Hieraus folgt aber nicht, dass der Konzessionsnehmer allein von der Verwertung der Dienstleistung profitiert, der Konzessionsgeber also nicht an Früchten der Verwertung der Dienstleistung partizipieren darf (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 10.07.2018 – Verg 1/18, NZBau 2018, 636, Rn. 28).

Ferner geht nach dem Vertrag das Betriebsrisiko auf die Beigeladene über. Gemäß § 105 Abs. 2 Satz 2 GWB ist dies der Fall, wenn unter normalen Betriebsbedingungen nicht gewährleistet ist, dass die Investitionsaufwendungen oder die Kosten für den Betrieb des Bauwerks oder die Erbringung der Dienstleistungen wieder erwirtschaftet werden können, und der Konzessionsnehmer den Unwägbarkeiten des Marktes tatsächlich ausgesetzt ist, sodass potenzielle geschätzte Verluste des Konzessionsnehmers nicht vernachlässigbar sind. So liegt es hier. Die Beigeladene ist nach dem Vertrag den Unwägbarkeiten des Marktes ausgesetzt. Sie ist nach dem Vorstehenden zum (weiteren) Betrieb des Reha-Zentrums verpflichtet und hat daher die hierfür erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Personal- und Sachkosten, ebenso zu tragen, wie das mit dem Antragsgegner vereinbarte Entgelt sowie die mit dem Klinikbetrieb zusammenhängenden Haftungsrisiken. Zur Finanzierung dieser Kosten ist sie auf die Inanspruchnahme der von ihr angebotenen Leistungen durch Patienten bzw. gesetzliche Krankenkassen angewiesen. Dieses Nachfragerisiko ist weder durch die weiteren Bestimmungen des Vertrages noch aufgrund branchenspezifischer Regelungen (vgl. Erwägungsgrund 19 RL 2014/23/EU) begrenzt.

bb)

Der im Streit stehende Vertrag überschreitet den gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 GWB, Art. 8 RL 2014/23/EU i.V.m. Art. 1 Delegierte VO (EU) 2023/2496 der Kommission vom 15.11.2023 einschlägigen Auftrags-Schwellenwert von 5.538.000 €.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners richtet sich der insofern maßgebende Vertragswert nicht danach, welcher wirtschaftliche Wert dem Konzessionsgeber durch die konzessionsgegenständlichen Leistungen bzw. Lieferungen zufließt. Vielmehr ist zur Bestimmung des Vertragswertes gemäß § 2 Abs. 3 KonzVgV von dem voraussichtlichen Gesamtumsatz ohne Umsatzsteuer auszugehen, den der Konzessionsnehmer während der Vertragslaufzeit als Gegenleistung für die vertragsgegenständlichen Leistungen sowie für etwaige Lieferungen, die mit diesen Leistungen verbunden sind, erzielt. Gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 1 KonzVgV sind dabei alle Arten von Optionen und möglichen Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen.

Nach diesen Maßgaben beläuft sich der Wert des Vertrages auf über 30 Millionen €. In den letzten Jahren erzielte die Antragstellerin durch den Betrieb des Reha-Zentrums Umsatzerlöse von jeweils mehr als 15 Millionen €. Der mit der Beigeladenen abgeschlossene Vertrag sieht eine Fortführung dieses Betriebes für eine Laufzeit von mindestens zwei Jahren vor. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Beigeladene während dieser Zeit ähnliche Umsätze wie bislang die Antragstellerin erwirtschaftet.

cc)

Der Antragsgegner ist auch Konzessionsgeber nach § 101 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Denn anders als die Vergabekammer meint, ist er öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 2 lit. b) GWB.

Nach der Vorschrift zählen zu den öffentlichen Auftraggebern andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach § 99 Nr. 1 oder 3 GWB unterliegt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsgegner.

Er ist als eingetragener Verein eine juristische Person des privaten Rechts und wurde ausweislich seiner Satzung zur Erfüllung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe nichtgewerblicher Art gegründet, nämlich zur Förderung des Gesundheitswesens durch selbstlose, keine eigenwirtschaftlichen Interessen verfolgende Errichtung und Unterhaltung eines Rehabilitationszentrums für neurologisch geschädigte Kinder und Jugendliche.

Die Leitung des Antragsgegners unterliegt der von § 99 Nr. 2 lit. b) GWB vorausgesetzten Aufsicht durch andere öffentliche Auftraggeber. Das Kriterium der Aufsicht über die Leitung ist im Lichte der Ziele des der Vorschrift zugrunde liegenden Unionsrechtes funktional auszulegen (EuGH, Urteil vom 12.09.2013 – C-526/11 – IVD GmbH & Co. KG/Ärztekammer Westfalen-Lippe, EuZW 2013, 860, Rn. 21). Diese Ziele bestehen darin, die Gefahr einer Bevorzugung einheimischer Bieter oder Bewerber bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Auftraggeber zu verhindern und zugleich die Möglichkeit auszuschließen, dass eine vom Staat, von Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanzierte oder kontrollierte Stelle sich von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt (vgl. bereits EuGH, Urteil vom 03.10.2000 – C-380/98 – University of Cambridge, NZBau 2001, 218 Rn. 17 m.w.N.). Dementsprechend kommt es für das Merkmal der Aufsicht über die Leitung darauf an, ob eine Verbindung der Vergabestelle mit der öffentlichen Hand besteht, die Letzterer eine Einflussnahme auf Entscheidungen der Vergabestelle in Bezug auf öffentliche Aufträge ermöglicht, und ob diese Verbindung der Verbindung gleichwertig ist, die besteht, wenn eines der beiden anderen alternativen Merkmale erfüllt ist, nämlich die Finanzierung überwiegend durch die öffentliche Hand erfolgt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Leitungsorgans der Vergabestelle durch die öffentliche Hand ernannt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 01.02.2001 – C-237/99 – Kommission/Frankreich, NZBau 2001, 215, Rn. 48 f.). Dies ist vorliegend der Fall.

Nach Ziffer 4 lit. d) der Nebenbestimmungen zum Zuwendungsbescheid des BMAS vom 04.12.1996 bedarf der Antragsgegner unter anderem für die Vermietung, Verpachtung oder sonstige Überlassung der geförderten Einrichtung oder Teilen hiervon an Dritte der Zustimmung des Bundesministeriums. Entsprechendes gilt nach Ziffer 4 lit. d) der Nebenbestimmungen zum Zuwendungsbescheid des MASGF des Landes Brandenburg vom 19.12.1996. Die Fördermittelgeber haben also ihre Entscheidungen über die Förderung nicht nur in Kenntnis des seinerzeit avisiert gewesenen Betreibers – als solcher ist in beiden Bescheiden die („Firma 02“) namentlich genannt – getroffen, sondern sich damit die Möglichkeit gesichert, auch zukünftig Einfluss auf etwaige Entscheidungen des Antragsgegners über die Betrauung eines Dritten mit dem Betrieb des Reha-Zentrums zu nehmen.

Anders als die Vergabekammer meint, ist diese Einflussnahmemöglichkeit weder auf eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle noch auf ein „Veto“ gegen eine bereits getroffene Entscheidung der Mitgliederversammlung beschränkt. Ebenso wenig ist der Auffassung des Antragsgegners zu folgen, wonach sich die rechtlichen Möglichkeiten der Fördermittelgeber insofern darin erschöpft hätten, einen etwaig von ihm unterbreiteten Vorschlag auf Überlassung der Klinik an einen Dritten mit einer ermessensfehlerfreien Begründung abzulehnen. Denn die Annahmen, dass über die nach den Zuwendungsbescheiden erforderlichen Zustimmungen der Fördermittelgeber lediglich nach Gesichtspunkten der Recht- und nicht auch der Zweckmäßigkeit zu entscheiden ist oder die Zustimmung nur im Hinblick auf eine zuvor getroffene Auswahlentscheidung der Mitgliederversammlung verweigert werden darf, rechtfertigen sich weder aus den Bescheiden als solchen noch aus der Natur der Förderung. Vielmehr fehlt es an entsprechenden Einschränkungen, sodass die Fördermittelgeber, sofern der Antragsgegner eine Entscheidung über die Überlassung der Einrichtung an Dritte zu treffen beabsichtigt, hierauf nach ihren eigenen Vorstellungen und Zweckmäßigkeitserwägungen Einfluss können. Diese Möglichkeit der Einflussnahme ist damit dem potentiellen Einfluss gleichwertig, den der Bund und das Land Brandenburg hätten, wenn sie beispielsweise mehr als die Hälfte der Mitglieder seiner Mitgliederversammlung bestimmten.

Der Antragsgegner vermag insofern auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, die in den Zuwendungsbescheiden vorgesehenen Zustimmungserfordernisse seien wegen des Fehlens einer Befristung der Zweckbindung unwirksam. Die hierfür angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 08.02.2019 – V ZR 176/17, NJW 2019, 2016) ist für die vorliegende Fallgestaltung unergiebig. Sie betrifft die zeitlich unbefristete schuldrechtliche Verpflichtung zur Vermietung von Wohnungen, die nach § 88d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG gefördert worden sind, an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen. Eine derartige Verpflichtung hat der Bundesgerichtshof nach § 134 BGB für unwirksam gehalten, weil § 88d II. WoBauG nur zeitlich begrenzte Beschränkungen des Bauherrn ermöglichen wollte. Die Entscheidung lässt sich auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation schon deshalb nicht übertragen, weil die hier in Rede stehenden Zustimmungserfordernisse nicht schuldrechtlich begründet sind, sondern als Nebenbestimmungen (begünstigender) Verwaltungsakte. Dass diese Nebenbestimmungen nicht befristet sind, kann nicht deren Nichtigkeit, sondern allenfalls deren Rechtswidrigkeit begründen, auf die sich der Antragsgegner wegen der eingetretenen Bestandskraft nicht mehr berufen kann.

Eine andere Würdigung ist selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn – wie der Antragsgegner durch seinen Verweis auf die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22.05.1997 (22 B 96.3646 und 96.3732, LKV 1998, 67) und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17.12.2009 (20 A 26/04, BeckRS 2010, 46172) geltend macht – davon ausgegangen wird, dass eine Rückforderung der Zuwendungen durch die Fördermittelgeber wegen eines (vermeintlichen) Verstoßes gegen das Zustimmungserfordernis mangels Befristung der Zweckbindung anfechtbar wäre. So gehen der Bund und das Land ausweislich ihrer im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreiben vom 04.07.2024 und 06.08.2024 von einer Zweckbindungsfrist von 25 Jahren und infolgedessen einer Geltung der mit den Zuwendungsbescheiden getroffenen Nebenbestimmungen bis zum 31.01.2025 aus. Bis dahin hätte der Antragsgegner daher bei einer Missachtung der Zustimmungsvorbehalte gemäß der jeweiligen Ziffer 5 der Nebenbestimmungen einen Widerruf der Bescheide und eine Inanspruchnahme aus den zu Gunsten der Fördermittelgeber bewilligten Grundschulden zu besorgen. Da hierdurch die Existenz des – soweit ersichtlich über keine anderen nennenswerten Vermögenswerte verfügenden – Antragsgegners unmittelbar bedroht wäre, ist vom Bestehen eines erheblichen wirtschaftlichen Anreizes für ihn auszugehen, es nicht auf einen in Anbetracht des Gegenstandswertes erhebliche Kosten verursachenden Rechtsstreit mit den Fördermittelgebern über die Wirksamkeit der Nebenbestimmungen der Zuwendungsbescheide ankommen zu lassen. Dieses Interesse an der Vermeidung eines potentiellen ruinösen Rechtsstreits genügt, eine Möglichkeit der Fördermittelgeber zur Beeinflussung von Vergabeentscheidungen des Antragsgegners zu begründen, die mit der überwiegenden Finanzierung auf sonstige Weise nach § 99 Nr. 2 lit. a) GWB vergleichbar ist.

Darauf, ob und inwiefern die Fördermittelgeber es bislang unternommen haben, über die in den Zuwendungsbescheiden verankerten Zustimmungsvorbehalte Einfluss auf den Antragsgegner zu nehmen, kommt es nicht an. Für die vergaberechtliche Relevanz genügt nach dem Vorstehenden die potentielle Einflussnahme, da allein schon die Tatsache, dass die Möglichkeit des staatlichen Eingriffs formal besteht, eine ständige Kontrolle impliziert, welche die Gefahr eines angepassten Beschaffungsverhaltens in sich birgt (vgl. EuGH, Urteil vom 01.02.2001 – C-237/99 – Kommission/Frankreich, NZBau 2001, 215, Rn. 56).

Die Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrages wird ferner nicht dadurch infrage gestellt, dass die die Auftraggebereigenschaft des Antragsgegners nach dem Vorstehenden begründende Verbindung zur öffentlichen Hand mit dem Auslaufen der Verpflichtungen aus den Zuwendungsbescheiden mit Ablauf des 31.01.2025 endet. Zwar ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr davon auszugehen, dass seine Entscheidungen in Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge in der von § 99 Nr. 2 lit. b) GWB vorausgesetzten Weise der potentiellen Einflussnahme von Auftraggebern nach § 99 Nr. 1, 3 GWB unterliegen. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass für eine Einrichtung, die bei Einleitung eines Vergabeverfahrens öffentlicher Auftraggeber ist, hinsichtlich des betreffenden Auftrags die vergaberechtlichen Anforderungen bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens gelten, auch wenn währenddessen die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber entfällt (vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2000 – C-380/98 – University of Cambridge, NZBau 2001, 218, Rn. 43). Demnach kommt es nicht darauf an, dass der angegriffene Vertrag vom 06.02.2024 den Laufzeitbeginn für einen Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Antragsgegner nicht mehr öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 lit. b) GWB ist. Entscheidend ist, dass der Antragsgegner zu dem Zeitpunkt, zu dem er das auf die Vergabe der hier in Rede stehenden Konzession zielende Verfahren begonnen hat, öffentlicher Auftraggeber war.

dd)

Der vom Antragsgegner mit der Beigeladenen am 06.02.2024 geschlossene Vertrag ist auch nicht vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts ausgenommen.

(1)

Anders als der Antragsgegner meint, fällt der Vertrag nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 108 Abs. 6, 8 GWB.

Nach § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB setzt die Freistellung horizontaler Kooperationen bestimmter öffentlicher Auftraggeber Verträge voraus, welche eine Zusammenarbeit zwischen ihnen begründen oder erfüllen, um sicherzustellen, dass die von ihnen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden. Gemäß § 108 Abs. 8 GWB gilt die Vorschrift entsprechend für Konzessionsgeber hinsichtlich der Vergabe von Konzessionen. Der Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts ist demnach nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn alle Parteien einer Vereinbarung öffentliche Auftraggeber sind. Erforderlich ist darüber hinaus eine Zusammenarbeit, die auf einem kooperativen Konzept beruht (vgl. Erwägungsgründe 31 Abs. 2 und 33 Abs. 3 RL 2014/24). Die Vereinbarung muss Ergebnis einer Initiative zur Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern sein (EuGH, Urteil vom 22.12.2022 – C-383 u. 384/21 – Sambre & Biesme SCRL, NZBau 2023, 177, Rn. 82). Eine solche Kooperationsvereinbarung ist nur anzunehmen, wenn die hieran beteiligten Einrichtungen des öffentlichen Sektors gemeinsam ihren Bedarf und die Lösungen dafür definieren. Die Zusammenarbeit muss auf einer gemeinsamen Strategie der Vertragspartner beruhen, die ihre Anstrengungen zur Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen bündeln. Hieran fehlt es etwa, wenn die Bedarfsprüfung und -definition einseitig erfolgt oder sich der einzige Beitrag bestimmter Vertragspartner auf eine bloße Erstattung von Kosten beschränkt (vgl. EuGH, Urteil vom 04.06.2020 – C-429/19 – Remondis II, EuZW 2020, 816, Rn. 29 ff. m.w.N.).

Dem hier in Rede stehenden Vertrag liegt kein kooperatives Konzept zu Grunde, welches orientiert an den jeweiligen Zielen des Antragsgegners und der Beigeladenen eine gemeinsame Lösung definiert. Zum einen fehlt es an einer gemeinsamen Definition von Bedarf und Lösung. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Antragsgegners geht der Vertrag stattdessen auf einen Entwurf zurück, der zunächst mit der Antragstellerin verhandelt worden war und der nach der Interessenbekundung der Beigeladenen seitens des Antragsgegners umgearbeitet und von der Beigeladenen ohne inhaltliche Änderungswünsche unterzeichnet wurde. Zum anderen sieht der Vertrag keine gemeinsame Strategie im Sinne eines gleichberechtigten, horizontalen Zusammenwirkens vor (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 17.03.2017 – 7 Verg 8/16, BeckRS 2017, 111379, Rn. 76). Der Vertrag ist vielmehr durch eine für die Beschaffung einer Dienstleistung typische Hierarchie gekennzeichnet. So hat der Antragsgegner nicht nur den Vertragsgegenstand bestimmt, sondern sich durch die vertraglich verankerten Zustimmungsvorbehalte (vgl. Ziffer III.1 lit. c) sowie die sowohl medizinische (vgl. Ziffer III.1 lit. d) als auch wirtschaftliche (vgl. Ziffern III.1 lit. f und III.4 lit. d) Aspekte betreffenden Informationspflichten auch für die weitere Vertragslaufzeit einseitige Kontroll- und Einflussnahmemöglichkeiten vorbehalten.

Auf die in diesem Zusammenhang von den Beteiligten des Weiteren erörterte Frage, ob der Antragsgegner und die Beigeladene im Sinne der Vorschrift gemeinsame Ziele verfolgen, kommt es demnach nicht mehr an. Gleiches gilt für die sonstigen Voraussetzungen nach § 108 Abs. 6 Nr. 2 und 3 GWB.

(2)

Der streitgegenständliche Vertrag fällt auch nicht unter § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB.

Nach der Vorschrift sind die §§ 97 GWB nicht auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen anzuwenden, deren Gegenstand der Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichen Vermögen sowie Rechten daran ist. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass der öffentliche Auftraggeber mit dem Erwerb oder der Anmietung eines Grundstücks oder Gebäudes eine standortbezogene Entscheidung trifft, die sich wegen der Unvermehrbarkeit von Grund und Boden einer vergaberechtlichen Auswahlentscheidung entzieht (vgl. Gurlit, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Auflage 2022, § 107 Abs. 1 GWB, Rn. 12 m.w.N.). Auf die entgegengesetzte Fallgestaltung der Veräußerung, Vermietung oder Verpachtung von Immobilien durch die öffentliche Hand ist die Vorschrift daher – anders als der Antragsgegner meint – weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck anzuwenden. Vielmehr fehlt es in diesem Fall regelmäßig mangels Beschaffung bereits an einem öffentlichen Auftrag bzw. einer Konzession (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.03.2009 – Verg VII 67/08, NZBau 2009, 334, 336). Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Antragsgegner für seine gegenteilige Auffassung angeführten Literaturzitat (Antweiler, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 107 GWB, Rn. 31).

Der zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossene Vertrag erschöpft sich indessen nicht in der bloßen Verpachtung der Immobilie, in der bislang die Antragstellerin das Reha-Zentrum betreibt. Aus den vorstehend dargelegten Gründen steht im Zentrum des Vertrages die Verpflichtung der Beigeladenen, diesen Betrieb fortzuführen.

b)

Der demnach statthafte Nachprüfungsantrag ist zulässig.

aa)

Die Antragstellerin ist nach § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt.

(1)

Ein hierfür hinreichendes Auftragsinteresse ist bereits deshalb anzunehmen, weil sie vor Abschluss des angegriffenen Vertrages mit dem Antragsgegner über den Abschluss eines entsprechenden Betreibervertrages verhandelt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004 – 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564, 565).

Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin die während des vorliegenden Rechtsstreits mit dem Antragsgegner geführten Verhandlungen über den Abschluss einer Interimsvereinbarung nicht fortgeführt hat. Dies gilt schon deshalb, weil der Abschluss einer derartigen Vereinbarung nach der von der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren vertretenen Rechtsauffassung seinerseits gegen Vergaberecht verstieße und daher mit der Gefahr behaftet wäre, auf Antrag Dritter in einem neuen Nachprüfungsverfahren erfolgreich angegriffen zu werden.

(2)

Die Antragstellerin hat des Weiteren im Sinne von § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht.

Voraussetzung hierfür ist, dass nach der Darstellung des das Nachprüfungsverfahren betreiben-den Unternehmens eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 10.11.2009 – X ZB 8/09, ZfBR 2010, 298, 300). Aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes, der durch das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren ermöglicht werden soll, kann die Antragsbefugnis nur einem Unternehmen fehlen, bei dem offensichtlich eine Rechtsbeeinträchtigung nicht vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004 – 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564, 566).

Die Antragstellerin macht geltend, die Vergabe des neuen Betreibervertrages sei europaweit auszuschreiben, weshalb das stattdessen vom Antragsgegner gewählte Verfahren vergaberechtswidrig sei. Sie meint, der mit der Beigeladenen geschlossene Vertrag sei wegen fehlender vorheriger Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB unwirksam. Aufgrund des hierzu von der Antragstellerin gehaltenen Vortrags, sie sei – wie bereits in der Vergangenheit – zum Betrieb des Reha-Zentrums in der Lage und hieran interessiert, erscheint die geltend gemachte Rechtsverletzung als zumindest möglich.

(3)

Mit dem Nachprüfungsantrag ist ferner hinreichend dargelegt, dass der Antragstellerin durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden zu entstehen droht.

(a)

Ein drohender Schaden im Sinne von § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB ist dargetan, wenn der Vortrag des Antragstellers ergibt, dass er im Fall eines ordnungsgemäßen (neuerlichen) Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren (BGH, Beschluss vom 26.09.2006 – X ZB 14/06 – Polizeianzüge, NZBau 2006, 800, Rn. 31). Ein Schaden droht nämlich bereits dann, wenn die Aussichten dieses Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004 – 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564, 565). So liegt es hier.

Nach den Ausführungen des Antragsgegners sei die Entscheidung für den Abschluss des Vertrages mit der Beigeladenen im Wesentlichen durch deren medizinisches Konzept, die „unklare […] Positionierung der Antragstellerin bezogen auf den Zustand und die Ausstattung der Klinik“ und sein Bestreben motiviert gewesen, „dass die wirtschaftlichen Vorteile aus der weitgehend unentgeltlichen Nutzung der Klinik in der öffentlichen Gesundheitsfürsorge verbleiben“. Trotzdem der Antragsgegner vor den Verhandlungen mit der Beigeladenen mit der Antragstellerin über die Fortsetzung des Betriebs des Reha-Zentrums verhandelt hatte, ist danach von einer durch das gewählte unzulässige Vergabeverfahren bedingten Beeinträchtigung der Zuschlagschancen der Antragstellerin auszugehen. Denn bei einer Vergabe der Konzession in dem von der Antragstellerin für geboten gehaltenen Verfahren nach §§ 148 ff. GWB hätte der Antragsgegner grundsätzlich gemäß § 152 Abs. 1, § 121 Abs. 1 GWB den Auftragsgegenstand näher bestimmen und so der Antragstellerin die Möglichkeit geben müssen, ein Angebot abzugeben, das im Hinblick auf das medizinische Konzept sowie die Erhaltung der Bausubstanz und der Einrichtungen der Klinik mit dem Angebot der Beigeladenen vergleichbar ist. Auf die Frage, ob das vom Antragsgegner angestrebte Ziel, ein in öffentlicher Hand befindliches Unternehmen mit dem Betrieb der Klinik zu betrauen um die hieraus erzielten Gewinne „in der öffentlichen Gesundheitsfürsorge“ zu behalten, überhaupt ein Kriterium darstellt, welches bei dem nach Auffassung der Antragstellerin gebotenen Verfahren gemäß § 152 Abs. 3 GWB zulässig ist, kommt es daher nicht mehr an.

(b)

Ein der Antragstellerin aus den geltend gemachten Vergaberechtsverstößen drohender Schaden ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil sie sich – wie der Antragsgegner meint – aufgrund verschiedener Verhaltensweisen als ungeeignet erwiesen habe und daher von ihm in einem fortzuführenden oder zukünftigen Vergabeverfahren ausgeschlossen würde. Selbst wenn ein solcher Ausschluss gegenwärtig begründet wäre, rechtfertigte sich hieraus nicht die Annahme, die Antragstellerin würde auch zukünftig in einem Vergabeverfahren gänzlich chancenlos sein. Denn die Eignung muss grundsätzlich zum Zeitpunkt der Vergabeentscheidung bejaht werden (statt vieler Opitz, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Auflage 2022, § 122 GWB, Rn. 28 m.w.N.), sodass der Antragstellerin in einem etwaigen fortgesetzten oder zukünftigen Vergabeverfahren zumindest die Möglichkeit zu geben wäre, Bedenken an ihrer Eignung – etwa durch Maßnahmen nach § 125 GWB – entgegenzutreten.

bb)

Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages steht ferner nicht ein Verstoß gegen eine Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 GWB entgegen.

Es kann bereits dahinstehen, ob die Antragstellerin vorliegend überhaupt einer Rügeobliegenheit unterlag. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB besteht eine Rügepflicht im Falle eines Antrages auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 nicht. § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB stellt seinem Wortlaut nach allein darauf ab, dass keine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union stattgefunden hat, ob stattdessen eine nationale Ausschreibung erfolgt ist oder ob der Antragsteller an dem ohne europaweite Ausschreibung durchgeführten Verfahren teilgenommen hat, ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht von Belang. Daraus wird geschlossen, dass eine Rügeobliegenheit auch bei Beteiligung des Antragstellers an dem fehlerhaften Verfahren und im Falle einer Ex-Ante-Transparenzbekanntmachung nicht besteht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26.04.2023 – Verg 16/22, juris Rn. 44, 45; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.2017 – IIV-Verg 13/17, juris Rn. 21; OLG Celle, Beschluss vom 09.11.2021, 13 Verg 9/21, juris Rn. 29).

Ob der Senat sich dieser Rechtsauffassung anschließt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung Denn tatsächlich hat die Antragstellerin den Verstoß gegen die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung gegenüber dem Antragsgegner vor dessen freiwilliger Ex-Ante-Transparenzbekanntmachung vom 26.01.2024 gerügt, indem sie dem Antragsgegner mit E-Mail vom 19.12.2023 (Anlage ASt. 14) den Aktenvermerk ihrer nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten vom 18.12.2023 (Anlage ASt. 13) übersandt hat. Die E-Mail lässt bei der gebotenen Auslegung keinen Zweifel, dass sich die Antragstellerin damit das Ergebnis des rechtsanwaltlichen Vermerks, wonach der Antragsgegner zur europaweiten Ausschreibung des Abschlusses des neuen Betreibervertrags verpflichtet sei, zu eigen macht. Dafür, dass die Antragstellerin diesen vermeintlichen Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits vor dem 18.12.2023 im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB erkannt hätte, ist nichts ersichtlich. Auch hat die Antragstellerin den Verstoß nicht erst mehr als 15 Kalendertage nach Eingang einer Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen (§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB) erhoben. Die Frist von 15 Kalendertagen ist vorliegend schon nicht in Gang gesetzt worden. Denn der Antragsgegner hat der Antragstellerin nicht mitgeteilt, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, sondern hat diese unbeantwortet gelassen.

cc)

Der Nachprüfungsantrag ist innerhalb der Frist des § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB gestellt worden.

Gemäß der Vorschrift kann die Unwirksamkeit nach § 135 Abs. 1 GWB nur festgestellt werden, wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information der betroffenen Bieter und Bewerber durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist.

Die Sechs-Monats-Frist ist gewahrt; die Vergabekammer ist am 23.04.2024, also weniger als drei Monate nach Abschluss des Vertrages vom 06.02.2024, von der Antragstellerin angerufen worden.

Die Frist von 30 Kalendertagen ist nicht in Gang gesetzt worden. Zwar hat der Antragsgegner die Antragstellerin 34 Tage vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens, nämlich bei Übergabe des Kündigungsschreibens vom 18.03.2024 am 20.03.2024, von dem Abschluss des Vertrages mit der Beigeladenen in Kenntnis gesetzt. Eine die 30-Tages-Frist auslösende Information setzt bei der unionsrechtlich gebotenen Auslegung von § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB aber voraus, dass dem unterlegenen Bieter zumindest auch die Gründe mitgeteilt werden, warum dem Angebot des Zuschlagsempfängers der Vorzug vor den übrigen Angeboten oder Bewerbungen zu geben war (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.02.2019 – 15 Verg 9/18, NZBau 2019, 748, Rn. 26; OLG Bremen, Beschluss vom 01.04.2022 – 2 Verg 1/21, NZBau 2022, 548, Rn. 62 jeweils m.w.N.). Dafür, dass der Antragsgegner die Antragstellerin hierüber am 20.03.2024 informiert hat, ist – auch nach Erörterung dieses Gesichtspunkts in der mündlichen Verhandlung des Senats – nichts ersichtlich.

Ob der Antragstellerin eine entsprechende Information in dem am 28.03.2024 zwischen ihr, dem Antragsgegner und der Beigeladenen geführten Gespräch erteilt worden ist, kann dahingestellt bleiben, da zwischen diesem Termin und der Stellung des Nachprüfungsantrags am 23.04.2024 weniger als 30 Tage liegen.

(dd)

Dem Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages vom 06.02.2024 steht schließlich nicht entgegen, dass die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag nicht binnen 30 Tagen nach der vom Antragsgegner veranlassten Zuschlagsbekanntmachung vom 15.02.2024 (Anlage ASt. 17) gestellt hat.

Gemäß § 135 Abs. 2 Satz 2 GWB endet die Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit eines öffentlichen Auftrages nach § 135 Abs. 1 GWB, wenn der Auftraggeber die Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht hat, 30 Kalendertage nach Veröffentlichung der Bekanntmachung. Der Inhalt der Bekanntmachung richtet sich seit dem 25.10.2023 nach der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780. Genügt die Bekanntmachung den sich hieraus ergebenden Anforderungen nicht, kommt die Fristverkürzung nach § 135 Abs. 2 Satz 2 GWB nicht zur Anwendung (vgl. Dreher/Hoffmann, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Auflage 2022, § 135 GWB, Rn. 67; Wirner, in: BeckOK Vergaberecht, Stand: 01.02.2023, § 135 GWB, Rn. 96; s. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.09.2013 – 11 Verg 12/13, NZBau 2014, 247, 248). Das ist hier der Fall.

Gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 erfolgen die Bekanntmachungen unter Verwendung elektronischer Formulare (sog. eForms). Anders als nach der bis zum 24.10.2023 geltenden Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 handelt es sich hierbei nicht um vordefinierte Formulare für einen bestimmten Anwendungszweck. Die nunmehr zu verwendenden Standardformulare setzen sich aus festgelegten Feldern (sog. Business Terms – BTs) für den jeweiligen Verwendungszweck zusammen, wobei die BTs abhängig vom jeweiligen Standardformular entweder verpflichtend (mandatory – „m“) oder freiwillig (optional – „o“) auszufüllen oder nicht vorgesehen sind.

Für die hier in Rede stehende Zuschlagsbekanntmachung nach Art. 32 Abs. 2 RL 2014/23/EU bestimmen sich die BTs gemäß der Tabelle 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 nach der Spalte 32 der Tabelle 2 der Verordnung. Demnach handelt es sich bei dem BT-99 mit der Bezeichnung „Frist für Nachprüfungsverfahren – Beschreibung“, mit welchem die Frist für ein Nachprüfungsverfahren zu beschreiben ist, um ein mit „m“ gekennzeichnetes, also verpflichtendes Feld.

In der vorliegenden Sachverhaltskonstellation setzt die Frist nach § 135 Abs. 2 Satz 2 GWB daher voraus, dass in der Zuschlagsbekanntmachung auf die Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit von 30 Kalendertagen nach Veröffentlichung der Bekanntmachung hingewiesen wird. Dem trägt die Ex-post-Bekanntmachung des Antragsgegners vom 15.02.2024 nicht Rechnung. Die vom Antragsgegner für seine gegenteilige Auffassung angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig (Beschluss vom 04.11.2014 – 1 Verg 1/14, NZBau 2015, 186) rechtfertigt eine andere Würdigung schon deshalb nicht, weil sie nicht die hier maßgebliche Rechtslage nach der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 betrifft.

c)

Der demnach zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet.

aa)

Der vom Antragsgegner mit der Beigeladenen am 06.02.2024 geschlossene Vertrag ist nach § 135 Abs. 1 GWB von Anfang an unwirksam.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Verstoß des Antragsgegners gegen die Pflicht zur europaweiten Bekanntmachung der Vergabe einer Konzession (§ 151 GWB i.V.m. KonzVgV) nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB die Unwirksamkeit zur Folge hat oder die Unwirksamkeitsfolge insoweit gemäß § 135 Abs. 3 GWB ausnahmsweise nicht eingetreten ist. Jedenfalls liegt ein Verstoß nach § 134 Abs. 1, 2, § 154 Nr. 4 GWB vor, aufgrund dessen der Vertrag gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB von an Anfang an unwirksam ist.

Der Antragsgegner war nach § 134 Abs. 1 Sätze 1, 2, Abs. 2 Satz 1 GWB verpflichtet, die Antragstellerin vor Abschluss des Vertrages vom 06.02.2024 über den beabsichtigten Vertragsschluss mit der Beigeladenen, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung der Antragstellerin und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren, sowie den Vertrag nicht vor Ablauf von 15 Kalendertagen nach Absendung dieser Information zu schließen. Da der Antragsgegner vor dem Vertragsschluss mit der Beigeladenen auch mit der Antragstellerin über die Fortsetzung des Betriebes des Reha-Zentrums verhandelt hatte, war sie nämlich zumindest Bewerberin im Sinne von § 134 Abs. 1 Satz 2 GWB. Der damit einhergehenden Verpflichtung, sie wie einen Bieter nach Satz 1 der Vorschrift zu informieren, war der Antragsgegner auch nicht wegen einer früheren Information nach § 134 Abs. 1 Satz 2 GWB enthoben. Denn eine solche Information über die Ablehnung ihrer Bewerbung ist der Antragstellerin vor Abschluss des Vertrages nicht zur Verfügung gestellt worden. Ein Fall des § 134 Abs. 3 GWB, in dem die Informationspflicht ausnahmsweise wegen besonderer Dringlichkeit entfällt, ist ebenfalls nicht gegeben.

Der den Antragsgegner mithin treffenden Informations- und Wartepflicht hat er nicht Rechnung getragen. Der Rechtsverstoß ist auch nicht präkludiert und daher unabhängig von dessen Geltendmachung durch die Antragstellerin gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. Fett, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, § 168 GWB, Rn. 12).

bb)

Aus den vorstehend ausgeführten Erwägungen folgt, dass der Antragsgegner auch gegenwärtig öffentliche Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 lit. b) GWB ist und daher bei fortbestehender Absicht, einen Dritten entsprechend dem streitgegenständlichen Vertrag vom 06.02.2024 mit dem (Weiter-)Betrieb des Reha-Zentrums zu verpflichten, insoweit den Vorgaben der §§ 97 ff. GWB unterliegt.

Der Umstand, dass der Antragsgegner nach den Schreiben des BMAS vom 04.07.2024 und MASGF vom 06.08.2024 ab dem 31.01.2025 keinen Verpflichtungen aus den Bestimmungen der Zuwendungsbescheide mehr unterliegt und damit die seine Auftraggebereigenschaft begründende Verbindung zur öffentlichen Hand nach § 99 Nr. 2 lit. b) GWB entfällt, führt für das Vergabeverfahren, in welchem der hier angegriffene Vertrag vom 06.02.2024 geschlossen worden und das Gegenstand des vorliegenden Nachprüfungsverfahrens ist, zu keiner anderen Würdigung. Denn aus den dargelegten Gründen gelten für eine Einrichtung, die bei Einleitung eines Vergabeverfahrens öffentlicher Auftraggeber ist, hinsichtlich des betreffenden Auftrags die vergaberechtlichen Anforderungen bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens, auch wenn währenddessen die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber entfällt (vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2000 – C-380/98 – University of Cambridge, NZBau 2001, 218, Rn. 43).

3.

Da die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zur Änderung der Vergabekammerentscheidung und zum Erfolg des Nachprüfungsantrags führt, hat der Antragsgegner gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg, § 80 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 VwVfG für notwendig zu erklären. Über den Antrag, die Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Antragsgegners für notwendig zu erklären, ist in Ermangelung einer entsprechenden Kostengrundentscheidung nicht zu befinden.

Der Antragsgegner hat ferner gemäß § 175 Abs. 2, § 71 GWB die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Antragstellerin zu tragen.

Die Beigeladene hat sich nicht fördernd am Verfahren beteiligt, sodass die Belastung eines anderen Beteiligten mit ihr etwaig entstandenen Aufwendungen nicht der Billigkeit entspricht.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Antragstellerin aus dem gegenwärtigen Betrieb des Reha-Zentrums jährlich Umsatzerlöse erzielt, die in den vergangenen Jahren den Betrag von 15 Millionen € – ihrem als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Vortrag nach – zum Teil nicht unerheblich überstiegen. Da die zunächst mit der Antragstellerin geführten Verhandlungen über eine Verlängerung des bestehenden Betreibervertrages, die letztlich in den Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages mit der Beigeladenen mündeten, insbesondere auch von dem Interesse des Antragsgegners an höheren Investitionen des Betreibers in die Instandhaltung der Klinik bzw. die Bildung entsprechender Rücklagen motiviert waren und daher nach dem streitgegenständlichen Vertrag insofern von höheren Aufwendungen des Betreibers auszugehen ist, schätzt der Senat den Wert des streitgegenständlichen Vertrages auf 15 Millionen € pro Jahr, sodass sich für die feste Vertragslaufzeit von zwei Jahren ein Auftragswert von 30 Millionen € ergibt.

Der gleiche Wert ist für die nach dem Vertrag möglichen Verlängerungen zu veranschlagen. Diese Schätzung berücksichtigt, dass die für den Fall des Ausbleibens einer Kündigung vorgesehenen Vertragsverlängerungen um jeweils ein Jahr nach den weiteren Regelungen des Vertrages nicht begrenzt sind. Allerdings ist für den Betreiber ungewiss, ob und in welchem Umfang der Antragsgegner von der Möglichkeit, den Vertrag durch Absehen von einer Kündigung zu verlängern, Gebrauch macht. So weist die Antragstellerin zwar dem Grunde nach zutreffend darauf hin, dass der Betrieb einer Einrichtung der hier in Rede stehenden Art insbesondere im Hinblick auf die Kontinuität und die Sicherung der Qualität der Gesundheitsversorgung sowie die hierfür erforderlichen Investitionen grundsätzlich Planungssicherheit erfordert, die bei einer Vertragslaufzeit von wenigen Jahren nicht besteht. Sie lässt aber unberücksichtigt, dass der Antragsgegner mit dem Auslaufen der Bindungen, denen er aufgrund der Zuwendungsbescheide unterliegt, weitgehend frei darin ist, über die Einrichtung zu verfügen. Vor diesem Hintergrund erscheint die im Vertrag vom 06.02.2024 vorgesehene feste Vertragslaufzeit von zwei Jahren nicht – wie die Antragstellerin meint – als Indiz für den Versuch, die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts durch Unterschreitung des maßgeblichen Schwellenwerts zu umgehen. Vielmehr deutet die auffällig kurze Laufzeit auf das Ziel des Antragsgegners, mit dem Vertrag lediglich eine Regelung für eine Übergangsphase zu treffen. Ausgehend hiervon ist aus der Perspektive eines Bewerbers eine Verlängerung des Vertrages ungewiss und jedenfalls eine Verlängerung um mehr als vier Jahre sehr unwahrscheinlich. Die möglichen Verlängerungen sind daher mit 50 % des Wertes bewertet, der dem Vertrag nach den Vorstehenden für vier Jahre zuzumessen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18.03.2014 – X ZB 12/13, VergabeR 2014, 545).