Gericht | FG Cottbus 2. Senat | Entscheidungsdatum | 07.11.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 2 K 2111/22 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2023:1107.2K2111.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Streitig ist, ob die Umsätze aus der Überlassung von Kühlräumen und Kühlzellen zur Aufbewahrung von Leichen, die Überlassung von Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern sowie die sog. hygienische Totenversorgung steuerfrei sind.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die im Jahr 1998 gegründet wurde. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb von Bestattungsunternehmen sowie sonstige Tätigkeiten im Zusammenhang mit Dienstleistungen rund um den Trauerfall im In- und Ausland einschließlich der Beteiligung als stiller Gesellschafter. Die Klägerin ist im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft Organträgerin der Organgesellschaften B… GmbH, C… GmbH, D… GmbH, E… GmbH und F… GmbH. Zu den angebotenen Leistungen der Organgesellschaften gehören u.a. die Aufbewahrung von Leichen in Kühlräumen und Kühlzellen, die sog. hygienische Totenversorgung sowie die Überlassung von Abschiedsräumen und Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern. Die Leistungen werden nach Aktenlage gesondert angeboten und abgerechnet.
In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate 03/21 bis 12/21 behandelte die Klägerin die streitgegenständlichen Umsätze als steuerpflichtig. Die Steueranmeldungen standen nach § 168 Satz 1 Abgabenordnung - AO - einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Gegen die vom Beklagten erlassenen Bescheide über Umsatzsteuervorauszahlungen für 03/21 bis 12/21, in denen der Beklagte abweichend von den Erklärungen der Klägerin von der Steuerpflicht der erbrachten Leistungen ausgegangen war, legte die Klägerin fristgerecht Einsprüche ein. Zur Begründung machte sie geltend, dass das Bundesministerium der Finanzen - BMF - mit Schreiben vom 23. November 2020 die Auffassung vertrete, dass die Überlassung von Kühlräumen und Kühlzellen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts - jPöR - im Bereich des Friedhofs- und Bestattungswesens steuerfreie Leistungen seien. Sie, die Klägerin, sowie die sich im umsatzsteuerlichen Organkreis befindlichen Tochtergesellschaften würden diese Leistungen ebenfalls erbringen. Die jPöR träten insoweit in unmittelbare Konkurrenz zur A…-Gruppe. Die Finanzbehörden hätten die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (§ 85 AO, Art. 3 Grundgesetz - GG -). Dies bedeute, dass gleichartige Sachverhalte grundsätzlich gleichbehandelt werden müssten. Sie, die Klägerin, und die sich im umsatzsteuerlichen Organkreis befindlichen Tochtergesellschaften seien bisher davon ausgegangen, dass es sich um steuerpflichtige Leistungen handele, sodass diese mit Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden seien. Aufgrund des BMF-Schreibens seien im Voranmeldungsmonat 03/21 erstmalig Kühlraum- und Kühlzellenüberlassungen sowie die Überlassung von Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern in den Ausgangsrechnungen steuerfrei berechnet und gebucht worden. Mit den Einsprüchen legte die Klägerin Übersichten für die einzelnen Voranmeldungsmonate vor, aus denen sich für die jeweiligen Organgesellschaften der steuerfreie Umsatz, der angemeldete steuerpflichtige Umsatz, die angemeldete Umsatzsteuer, die zuordenbare Vorsteuer und die Reduzierung der Umsatzsteuerzahllast ergeben. Zudem legte die Klägerin die dazugehörigen Kontoauszüge vor. Insgesamt ergab sich ein steuerfreier Umsatz von … €, ein angemeldeter steuerpflichtiger Umsatz von … €, eine angemeldete Umsatzsteuer von … €, eine zuordenbare Vorsteuer von … € und eine Reduzierung der Umsatzsteuerzahllast von … €. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
Ergänzend trug die Klägerin vor, dass die einzelnen Leistungsbestandteile einen eigenständigen Hauptleistungscharakter hätten. So würden die Leistungen beispielsweise auch ohne die Bestattungsleistung angeboten (z.B. Trauerfeier nahe dem letzten Wohnort des Verstorbenen, aber Beisetzung am Geburtsort oder im Familiengrab an einem anderen Ort). In einem solchen Fall seien unterschiedliche Bestattungsunternehmen involviert. Es gebe zudem Bestattungsfälle, bei denen der Leichnam ohne vorherige Kühlung direkt in das Krematorium verbracht werde (z.B. in Fällen der sog. Bestattungsvorsorge). Entscheidend sei die Frage, ob Kühlleistungen auch ohne Bestattung erbracht würden, was der Fall sei. Die Kühlräume würden teilweise bei Engpässen oder übergangsweise auch ohne Beisetzung an Dritte vermietet, um die temporäre Unterbringung von Leichnamen unter geeigneten Bedingungen sicherzustellen. Auch in diesem Fall finde die Bestattung durch einen anderen Unternehmer statt. Ferner würden diese Leistungen auch gesondert abgerechnet und seien nicht pauschal in der Vergütung einer Bestattung inkludiert. Dies spreche ebenfalls gegen die Einheitlichkeit der Leistung. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs BFH- (Urteil vom 5. November 1970 – V R 57/67) sei weiterhin anwendbar.
Der Beklagte folgte der Auffassung der Klägerin insoweit, als dass diese auch Kühlleistungen ohne Bestattung erbringe. Die von der Klägerin insoweit mitgeteilten Umsätze in Höhe von … € seien als steuerfrei zu behandeln. Entsprechend erließ der Beklagte am 31. Mai 2022 den nach § 162 AO auf einer Schätzung beruhenden Umsatzsteuerbescheid für 2021, in dem er Umsatzsteuer in Höhe von … € festsetzte. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In den Erläuterungen führte der Beklagte aus, dass die Umsätze zu 19 % um die Kühlleistungen ohne Bestattung in Höhe von … € gemindert würden. Die Umsätze nach § 4 Nr. 12 Umsatzsteuergesetz - UStG - seien entsprechend erhöht worden. Die Änderung erfolge im Rahmen des Einspruchsverfahrens betreffend Umsatzsteuer 03/21 bis 12/21 aus Vereinfachungsgründen für die Umsatzsteuer 2021 in Form einer Schätzung nach den im Voranmeldungsverfahren übermittelten Daten. Der Umsatzsteuerbescheid für 2021 wurde Gegenstand des laufenden Einspruchsverfahrens.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2022 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass ein Verstoß gegen § 85 AO und Art. 3 GG nicht vorliege. Die Kühlraumüberlassung sowie die Überlassung von Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern durch Bestattungsunternehmen seien als Bestandteil der komplexen Leistung „Bestattung“ und nicht als eigenständige Hauptleistung, die grundsätzlich nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei wäre, zu beurteilen. Diese Einordnung stehe nicht im Widerspruch zu Ziffer 2.2 des BMF-Schreibens vom 23. November 2020. Bei der Kühlraumüberlassung bzw. Überlassung von Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern durch Bestattungsunternehmen (mit Bestattung) handele es sich nicht um eine gleichartige Leistung im Verhältnis zur Kühlraumüberlassung durch Friedhofsbetreiber im Rahmen der Einräumung der Grabnutzungsberechtigung, sodass sowohl eine Übertragung der Grundsätze im BMF-Schreiben ausscheide als auch eine Wettbewerbssituation zu verneinen sei. Ungeachtet des Urteils des BFH vom 5. November 1970 – V R 57/67 sei jedoch auch die jüngere Rechtsprechung des BFH und des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - zur Frage der Einheitlichkeit der Leistung heranzuziehen. Die Aufbewahrung von Verstorbenen in Kühlräumen oder Kühlzellen durch das Bestattungsunternehmen sei nach den neuen Kriterien so eng mit der Bestattung als solche verbunden, dass insgesamt eine einzige einheitliche Leistung vorliege. Die Durchführung der Bestattung wäre ohne die Aufbewahrung nicht möglich. Gleiches gelte für die Überlassung von Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern. Die Kühlraumüberlassung sowie die Überlassung von Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern entspreche auch nicht dem Sachverhalt, der dem Urteil des Finanzgericht - FG - Münster vom 29. Januar 2019 (15 K 2858/15 U) zugrunde liege. Kläger sei dort kein Bestattungsunternehmer gewesen, sondern der Betreiber einer Trauer- und Leichenhalle. Die Klägerin verkenne, dass die genannten Grundsätze für alle Beerdigungsunternehmen gelten würden, sodass keine Wettbewerbsverzerrung vorliege. Die von der Klägerin mitgeteilten Umsätze für Kühlleistungen mit Bestattung in Höhe von … € netto und für die Raumüberlassung mit Bestattung in Höhe von … € netto seien steuerpflichtig.
Am 14. Juli 2022 hat die Klägerin Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2021 erhoben. Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihren vorherigen Ausführungen vor, dass für die Frage, ob eine selbstständige Hauptleistung oder eine unselbstständige Nebenleistung vorliege, nach ständiger Rechtsprechung auf die Sichtweise des Durchschnittsverbrauchers abzustellen sei (z.B. BFH, Urteile vom 31. Mai 2001 – V R 97/98; vom 24. Januar 2008 – V R 42/05). Aus Sicht des Beklagten müsse der Durchschnittsverbraucher davon ausgehen, dass eine komplexe Leistung „Bestattung“ vorliege, die auch die Kühlleistung und Überlassung von Trauerräumen beinhalte. Dies sei allein deswegen unzutreffend, da die meisten Bestatter gar keine Kühlräume unterhalten würden, sondern auf die Kühleinrichtungen in Krankenhäusern oder auf Friedhöfen zurückgriffen. In einem solchen Fall stehe nicht der Bestatter in einer Rechtsbeziehung zum Krankenhaus bzw. Friedhof, sondern die Bestattungspflichtigen. Wenn im Regelfall die Kühlung nicht durch einen Bestatter, sondern durch das Krankenhaus bzw. den Friedhof erbracht werde und keine Rechtsbeziehung zwischen dem Bestattungspflichtigen und dem Bestatter bestehe, könne ein Durchschnittsverbraucher nicht davon ausgehen, dass die Leistung Kühlraum in einer komplexen Leistung „Bestattung“ enthalten sei, selbst wenn diese entgegen der bisherigen BFH-Rechtsprechung existieren sollte. Der Durchschnittsverbraucher würde vielmehr davon ausgehen, dass ihm diese Leistung als durchlaufender Posten in Rechnung gestellt werde oder die Abrechnung nicht direkt über den Bestatter erfolge.
Auch hinsichtlich der Überlassung von Feierhallen oder Abschiedsräumen könne keine unselbstständige Nebenleistung zur Hauptleistung „Bestattung“ vorliegen. Es gebe zahlreiche Bestattungen, die ohne Trauerfeier abgehalten würden. Ferner könnten die wenigsten Bestatter entsprechende Räumlichkeiten vorweisen oder die Trauerfeier finde ohnehin auf dem Friedhof oder in einer Kirche statt. Dass die Räumlichkeiten auf dem Friedhof oder der Kirche im Regelfall nicht dem Bestatter gehörten, sei augenscheinlich. Es sei daher nicht verständlich, warum ein Durchschnittsverbraucher davon ausgehen solle, dass die Überlassung der Trauerhalle zu einer einheitlichen komplexen Leistung „Bestattung“ gehöre. Der BFH habe durch Urteil vom 24. Februar 2005 – V R 26/03 bestätigt, dass auch bestattungsnahe Leistungen keine einheitlichen Leistungen seien. Auch für den Fall der Leichenschau sei die Beurteilung als Nebenleistung zur Einäscherung verneint worden (BFH, Urteil vom 3. Juli 2014 – V R 1/14). Für die Raumüberlassung ohne die hygienischen Totenmaßnahmen betrage die Umsatzsteuer … €. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Übersicht erbrachte sie mit den Raumüberlassungen mit Bestattung Umsätze in Höhe von insgesamt … € netto (… € Umsatzsteuer), wovon … € (… € Umsatzsteuer) auf die Kühlräume und Kühlzellen und … € (… € Umsatzsteuer) auf die Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern entfallen.
Im Bereich der hygienischen Totenversorgung erkenne auch sie, die Klägerin, eine unselbständige Nebenleistung, die das Schicksal der Hauptleistung „Kühlraumüberlassung“ teile. Sie schließe sich diesbezüglich der Rechtsauffassung des BMF an. Die Umsatzsteuer aus den hygienischen Totenmaßnahmen betrage nach Berücksichtigung nicht abzugsfähiger Vorsteuerbeträge … €.
Eine Einschränkung der Regelungen im BMF-Schreiben nur auf jPöR komme nicht infrage, da sie Wettbewerbsverzerrungen zur Folge hätte, denn Bestatter organisierten die Bestattung in unterschiedlichem Maße. Es gebe Bestatter, die den größten Teil der Leistungen selbst erbringen würden und Bestatter, die andere Dienstleister im eigenen Namen oder im Namen und für Rechnung der Hinterbliebenen bzw. Bestattungspflichtigen beauftragten. In Krankenhäusern komme es so gut wie nie zu einem Vertragsverhältnis zwischen dem Bestatter und dem Krankenhaus, da der Bestatter den Verstorbenen nur abhole. Bei Friedhöfen gebe es im Regelfall eine Gebührenpflicht der Hinterbliebenen bzw. Bestattungsverpflichteten. Es gebe daher für die Kühlleistungen eine Wettbewerbssituation sowohl mit anderen Bestattern als auch mit Krankenhäusern und Friedhöfen. Auch nach dem EuGH-Urteil vom 8. Juni 2006 – C-430/04 könne eine Wettbewerbssituation in Bestattungsangelegenheiten vorliegen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eine Übersicht über die Ermittlung der festzusetzenden Umsatzsteuer vorgelegt, aus der sich eine begehrte herabzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von ... € ergibt. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf diese Übersicht.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid für 2021 vom 31. Mai 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2022 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Umsatzsteuer um ... € vermindert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2022. Ergänzend trägt er vor, dass eine Bestattung ohne vorherige Kühlung grundsätzlich nicht möglich sei. Sofern ein Bestattungsunternehmen über Kühlräume zur Aufbewahrung von Leichen verfüge, so wie die Klägerin, werde der Bestattungspflichtige und damit der Durchschnittsverbraucher davon ausgehen, dass die Aufbewahrung in den komplexen Bestattungsleistungen enthalten sei. Er hätte auch gar nicht die Möglichkeit, auf die Aufbewahrung in den Kühlräumen oder Kühlzellen zu verzichten. Demnach sei die Aufbewahrung des zu Bestattenden in Kühlräumen der Klägerin so eng mit der Bestattung als solcher verbunden, dass diese insgesamt als eine einheitliche Leistung anzusehen sei. Somit seien auch die hygienischen Totenmaßnahmen als unselbstständige Nebenleistungen zur Kühlraumüberlassung bzw. Bestattung umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Das Gleiche gelte für die Überlassung von Räumlichkeiten zur Verabschiedung bzw. Abhaltung von Trauerfeiern. Sofern vom Bestattungspflichtigen eine Trauerfeier gewünscht und von der Klägerin in ihren Räumlichkeiten durchgeführt werde, werde der Bestattungspflichtige und damit der Durchschnittsverbraucher davon ausgehen, dass die Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten in den komplexen Bestattungsleistungen enthalten sei, sodass auch diese Bestandteile als eine einheitliche Leistung anzusehen seien. Da Krankenhäuser und Friedhöfe keine Bestattungsleistungen wie die Klägerin erbringen würden, sondern nur Kühlleistungen bzw. die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten, bestehe zwischen diesen und der Klägerin keine Wettbewerbssituation.
I. Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2021 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Umsätze aus der Überlassung von Kühlräumen und Kühlzellen, aus der hygienischen Totenversorgung sowie aus der Überlassung von Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern umsatzsteuerpflichtig sind.
1. Die Überlassung von Kühlräumen und Kühlzellen stellt keine eigenständige Hauptleistung dar, die als Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei wäre. Vielmehr bilden diese Leistungen gemeinsam mit der über die Nutzungsüberlassung hinausgehenden steuerpflichtigen Bestattungsleistung eine einheitliche (komplexe) Leistung. Die Umsatzsteuer ist somit nicht zu mindern.
a) Nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG ist die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken steuerfrei. Unionsrechtlich beruht diese Regelung auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 - MwStSystRL -, wonach die Mitgliedstaaten die Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Steuer befreien.
Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH liegt eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG vor, wenn dem Vertragspartner gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück in Besitz zu nehmen und andere von ihm auszuschließen (EuGH, Urteile vom 18. Juli 2013, C-210/11, C-211/11, Medicom und Maison Patrice Alard, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2013, 1604; vom 22. Januar 2015, C-55/14, Regie communale autonome du stade Luc Varenne, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst - DStRE - 2015, 685; BFH, Urteile vom 13. Februar 2014 – V R 5/13, BStBl. II 2017, 846; vom 24. September 2015 – V R 30/14, BStBl. II 2017, 132; vom 21. Juni 2017 – V R 3/17, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2018, 372).
b) Allerdings können mehrere Leistungen, von denen einzelne als Vermietungsleistungen im Sinne der obigen Ausführungen zu qualifizieren sind, auch derart untrennbar miteinander verbunden sein, dass sie eine einheitliche (komplexe) Leistung bilden, die nicht als Vermietung von Grundstücken umsatzsteuerfrei, sondern umsatzsteuerpflichtig ist (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 27. September 2012 – C-392/11, Field Fisher Waterhouse, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2012, 1210; BFH, Urteile vom 31. Mai 2001 – V R 97/98, BStBl. II 2001, 658; vom 24. Januar 2008 – V R 12/05, BStBl. II 2009, 60; vom 4. Mai 2011 – XI R 35/10, BStBl. II 2011, 836). Steuerfreie Vermietungsleistungen liegen demnach nicht vor, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Überlassung des Grundstücks oder Grundstücksteiles zum Gebrauch von anderen wesentlicheren Leistungen überdeckt wird (vgl. BFH, Urteile vom 10. August 1961 – V 95/60 U, BStBl. III 1961, 525; vom 10. August 1961 – V 31/61 U, BStBl. III 1961, 526; vom 10. August 1961 – V 111/60, HFR 1962, 145; Beschluss vom 26. April 2002 – V B 168/01, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2002, 1345).
Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Leistung grundsätzlich als eigenständig anzusehen. Andererseits dürfen einheitliche Leistungsvorgänge eines Unternehmers umsatzsteuerrechtlich nicht künstlich aufgespalten werden, wenn zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. EuGH, Urteile vom 27. Oktober 2005 – C-41/04, Levob Verzekeringen BV, BFH/NV 2006, 38; vom 10. März 2011 – C-497/09, Bog, BStBl. II 2013, 256; vom 19. Juli 2012 – C-44/11, Deutsche Bank AG, BStBl. II 2012, 945; vom 4. Mai 2023 – C-516/21, Y/FA X, DStR 2023, 1076; BFH, Urteile vom 26. September 2019 – V R 36/18, BFH/NV 2020, 112; vom 17. August 2023 – V R 7/23, BFH/NV 2023, 1386). Eine einheitliche Leistung liegt auch dann vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 10. März 2011 – C-497/09, Bog, BStBl. II 2013, 256; BFH, Urteil vom 10. Januar 2013 – V R 31/10, BStBl. II 2013, 352). Bei der Prüfung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, in der das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln und dabei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist (EuGH, Urteil vom 10. März 2011 – C-497/09, Bog, BStBl. II 2013, 256).
c) Im Streitfall handelt es sich bei der Nutzungsüberlassung der Kühlräume und Kühlzellen mit Bestattung um eine einheitliche, nicht aufteilbare Leistung.
aa) Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise und aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers stellen sich die Einzelleistungen als Bestandteile einer einheitlichen komplexen Leistung Bestattung dar. Soweit die Klägerin bzw. die Organgesellschaften die Kühlräume und Kühlzellen ohne Bestattung zur Nutzung überlassen haben, hat der Beklagte diesen Umstand bereits berücksichtigt und die Leistungen insoweit als steuerfrei behandelt, sodass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.
Soweit die Klägerin bzw. die Organgesellschaften die Kühlräume und Kühlzellen mit Bestattung zur Nutzung überlassen haben, haben die Leistungsbestandteile der Nutzungsüberlassung entgegen der Auffassung der Klägerin keinen eigenständigen Hauptleistungscharakter. Selbst wenn es zutrifft, dass die meisten Bestatter nach dem Vortrag der Klägerin keine Kühlräume unterhalten, sondern auf die Kühleinrichtungen in Krankenhäusern oder auf Friedhöfen zurückgreifen, führt dieser Umstand nicht per se dazu, dass jene Bestattungsunternehmen, die Kühlräume vermieten, diese stets als Einzelleistung erbringen. Denn in diesem Fall ließe sich das Argument der Klägerin auf sämtliche Teilleistungen ausdehnen, die Mitbewerber nicht anbieten, bei denen der Durchschnittsverbraucher aber gleichwohl eine einheitliche Leistung annimmt. Diese Betrachtungsweise würde zu Zufallsergebnissen führen. Vielmehr sind die von dem jeweiligen Steuerpflichtigen konkret erbrachten Leistungen zu betrachten. Da die Klägerin bzw. die Organgesellschaften im vorliegenden Sachverhalt Kühlleistungen erbringen, sind diese zusammen mit den übrigen Bestattungsleistungen danach zu beurteilen, ob sie als selbstständige Einzelleistungen oder als Teil einer einheitlichen Leistung zu qualifizieren sind.
Vorliegend betrachtet der Durchschnittsverbraucher nach Auffassung des Senats die gesamte Bestattungsleistung als eine einheitliche Leistung, die auch die Überlassung der Kühlräume und Kühlzellen umfasst. Zwar beauftragen die Kunden der Klägerin bzw. der Organgesellschaften ein Bündel von Lieferungen und sonstigen Leistungen (Lieferungen des Sarges, des Sterbekleids, der Blumen usw., Überführung, Erledigung behördlicher und kirchlicher Formalitäten, Gestellung von Rednern, Sängern, Musikern usw.), welche dann in ihrer Gesamtheit die Durchführung der Bestattung ausmachen. Dies führt entgegen der damaligen Auffassung des BFH (Urteil vom 5. November 1970 – V R 57/67, Entscheidungen des BFH - BFHE - 100, 475) auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des BFH und des EuGH jedoch nicht zur Annahme von selbstständigen Einzelleistungen. Denn der Durchschnittsverbraucher macht sich in der Regel keine gesonderten Gedanken darüber, ob und wie der Leichnam zu kühlen ist bzw. wo dies geschieht. Vielmehr setzt er die Erbringung dieser Teilleistung bei der Beauftragung der Bestattung voraus, sofern das jeweilige Unternehmen diese tatsächlich auch anbietet. Er beauftragt das Bestattungsunternehmen gerade damit, ihm diese Aufgabe abzunehmen und erwartet, dass das Bestattungsunternehmen sich um die Angelegenheit kümmert. Es ist nicht so, dass der Durchschnittsverbraucher für die Kühlung des Leichnams selbst zu sorgen hat und nur rein zufällig die Kühlräume des betreffenden Bestattungsunternehmens wählt. Dabei ist es auch unerheblich, ob der Kunde das Anmieten der Kühlräume und Kühlzellen gesondert zu vergüten hat. Denn dies hat er auch im Hinblick auf andere Bestattungsleistungen.
Die Zurverfügungstellung der Kühlräume und Kühlzellen und die Erbringung sonstiger Bestattungsleistungen greifen aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers also derart ineinander, dass diese bei einheitlicher Betrachtungsweise einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Denn ohne die Kühlleistungen könnte der Auftrag der Bestattung nicht erfüllt werden, da die Aufbewahrung von Leichen in einer gekühlten Leichenhalle gesetzlich vorgeschrieben und somit notwendige Voraussetzung für die ordnungsgemäße Durchführung der Bestattungsleistungen ist.
Wenn der Leichnam nicht in den Kühlräumen des Bestatters, sondern in denen eines Friedhofs oder eines Krankenhauses gekühlt wird, steht – wie die Klägerin zu Recht ausführt – nicht der Bestatter in einer Rechtsbeziehung zum Krankenhaus bzw. Friedhof, sondern die Bestattungspflichtigen. Dieser Fall ist hier aber nicht zu betrachten, weil die Klägerin die Leistung der Überlassung der Kühlräume und Kühlzellen selbst erbringt.
bb) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des FG Münster vom 29. Januar 2019 (15 K 2858/15 U, Entscheidungen der FG - EFG - 2019, 559). Die dortige Klägerin betrieb ein sog. Abschiedshaus sowie eine von der Gemeinde gepachtete Trauer- und Leichenhalle und überließ die Trauerhalle, die Abschiedsräume sowie die teilweise mit einer festinstallierten Kühlung ausgestatteten Leichenzellen entgeltlich an Privatpersonen. In dem dort zugrundeliegenden Sachverhalt ging es – anders als im vorliegenden Fall – vorrangig um die Frage, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen die nur kurze Dauer der jeweiligen Nutzungsüberlassung der Annahme einer umsatzsteuerbefreiten Vermietungsleistung entgegensteht. Zudem wurden – ebenfalls anders als im vorliegenden Fall – nach dem dortigen Sachverhalt keine wesentlichen, über die Nutzungsüberlassung der Räumlichkeiten hinausgehenden Leistungen erbracht, insbesondere erbrachte die dortige Klägerin keine Bestatterpflichten. Die Ausführungen des FG Münster sind somit auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
cc) Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich auf das Urteil des BFH vom 3. Juli 2014 (V R 1/14, BFH/NV 2014, 2024) berufen. In dem dort zugrundeliegenden Sachverhalt hat die Klägerin nur eine Leistung (Einäscherung) ausgeführt, während die weitere Leistung (zweite Leichenschau) nicht von der Klägerin, sondern vom Kreis erbracht worden ist. Der Sachverhalt unterscheidet sich somit vom vorliegenden Fall, in dem die Leistungen alle von der Klägerin erbracht werden.
dd) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem BMF-Schreiben vom 23. November 2020 (BStBl. I 2020, 1335). Abgesehen davon, dass das BMF-Schreiben für das Gericht ohnehin nicht bindend ist, steht insbesondere die Qualifizierung der Nutzungsüberlassung der Kühlräume und Kühlzellen als mit der Bestattung einheitliche Leistung nicht im Widerspruch zu Ziffer 2. des BMF-Schreibens. Werden danach Leichen in Kühlräumen oder Kühlzellen aufbewahrt, handelt es sich hierbei jeweils grundsätzlich um eigenständige Leistungen.
Nach Ziffer 2.2. Satz 1 des BMF-Schreibens kann die Überlassung von Kühlräumen und gekühlten Leichenzellen zur Aufbewahrung von Leichen auch eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreie Leistung sein, für die wegen der nichtunternehmerischen Zweckbestimmung keine Option möglich ist (§ 9 UStG). JPöR werden insoweit mit der Erbringung dieser Leistungen unter Beachtung des § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG nicht unternehmerisch tätig (Ziffer 2.2. Satz 2 des BMF-Schreibens). Werden über die Nutzungsüberlassung hinausgehende Leistungen erbracht, die für eine dann einheitliche Leistung prägend sind, ist die Überlassung umsatzsteuerpflichtig (Ziffer 2.2. Satz 3 des BMF-Schreibens).
Im Streitfall erbringen die Klägerin bzw. die Organgesellschaften über die Nutzungsüberlassung der Kühlräume und Kühlzellen hinausgehende Leistungen in Form der Bestattungsleistungen, die für die einheitliche Leistung prägend sind. Auch nach dem BMF-Schreiben ist in diesem Fall somit von einer einheitlichen Leistung auszugehen, sodass die Überlassung der Kühlräume und Kühlzellen umsatzsteuerpflichtig ist.
ee) Auch dem Vortrag der Klägerin, die Zurverfügungstellung von Kühlräumen und Kühlzellen führe zu Wettbewerbsverzerrungen, soweit sie diese anders als die jPöR als umsatzsteuerpflichtig zu behandeln habe, folgt der Senat nicht. Nach § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG, der im Übrigen jedoch noch nicht anwendbar ist, gelten jPöR nicht als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Nach § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG gilt dies nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Im Streitfall sind bereits keine größeren Wettbewerbsverzerrungen ersichtlich. Wie der Beklagte zutreffend vorgetragen hat, erbringen Friedhöfe und Krankenhäuser keine Bestattungsleistungen, welche jedoch im Streitfall für die Einordnung als einheitliche Leistung prägend sind. Vielmehr erbringen Friedhofsbetreiber im Rahmen der Einräumung der Grabnutzungsberechtigung Leistungen im Zusammenhang mit der Überlassung von Kühlräumen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine gleichartige Leistung im Verhältnis zur Kühlraumüberlassung durch die Klägerin, bei der die Bestattung prägend ist.
Aber selbst, wenn größere Wettbewerbsverzerrungen vorliegen sollten, führte dies nicht dazu, dass die Leistungen der Klägerin als umsatzsteuerfrei behandelt würden. Vielmehr würden die jPöR als Unternehmer behandelt werden und führten damit umsatzsteuerbare Leistungen aus. Die Klägerin könnte daraus aber nicht ableiten, dass ihre Leistungen als umsatzsteuerfrei zu behandeln wären, da diese nach wie vor die Voraussetzungen erfüllen, die zur Umsatzsteuerpflicht führen. Ein Verstoß gegen § 85 AO oder Art. 3 GG ist somit nicht ersichtlich.
2. Auch die Überlassung von Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern stellt keine eigenständige Hauptleistung dar, die als Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei wäre. Denn auch diese Leistungen bilden gemeinsam mit der umsatzsteuerpflichtigen Bestattungsleistung eine einheitliche (komplexe) Leistung. Insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend.
Auch hinsichtlich der Überlassung von Räumlichkeiten zur Abhaltung von Trauerfeiern ist die konkrete Leistung des jeweiligen Bestatters zu betrachten, sodass auch insoweit das Argument der Klägerin nicht durchgreift, andere Bestattungsunternehmen böten die Überlassung von entsprechenden Räumlichkeiten nicht an. Im Gegensatz zu den Kühlräumen sind die Entscheidung, ob eine Trauerfeier stattfinden soll, und die Wahl des Feierortes zwar eine wesentliche Entscheidung des Kunden, die die Durchführung der Bestattungsleistungen beeinflusst. Hierüber macht sich der Kunde in der Regel als erstes Gedanken. Denn aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers stellen die konkrete Durchführung sowie die Ausgestaltung der Trauerfeier eine Leistung dar, die – nach seiner Wahl – auch an verschiedenen Orten erbracht werden kann. Beauftragt der Kunde jedoch das Bestattungsunternehmen mit der Bestattung und nutzt er für die Abhaltung der Trauerfeier dessen eigene Räumlichkeiten – so wie im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt –, bilden der Ort und die Ausgestaltung der Trauerfeier sowie die Bestattung aus Sicht des Kunden eine Einheit. Nimmt der Kunde die Räumlichkeiten des Bestattungsunternehmens also in Anspruch, ist dieser Ort für den konkreten Ablauf der Trauerfeier sowie die Bestattung selbst prägend, sodass die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten und die Erbringung sonstiger Bestattungsleistungen aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers derart ineinandergreifen, dass diese bei einheitlicher Betrachtungsweise einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Vielmehr erwartet der Durchschnittsverbraucher in diesem Fall, dass die konkret durchgeführte Trauerfeier und die Bestattung vom selben Bestattungsunternehmen durchgeführt werden; er setzt beide Elemente als Teile einer Gesamtleistung voraus.
Im Übrigen wären auch bei Annahme einer eigenständigen Hauptleistung die Voraussetzungen des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG nicht erfüllt, denn der Trauerraum wird den Bestattungspflichtigen nicht zur freien Verfügung gestellt, sondern wird lediglich für die Trauerfeier genutzt, die nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen von der Klägerin durchgeführt wird.
3. Auch die Leistungen der Klägerin zur hygienischen Totenversorgung sind nicht steuerbefreit.
Die hygienische Totenversorgung stellt wiederum eine unselbstständige Nebenleistung zur einheitlichen Hauptleistung der Bestattung dar, die das Schicksal der umsatzsteuerpflichtigen Hauptleistung teilt. Auch die Umsatzsteuer aus den hygienischen Totenmaßnahmen ist somit nicht zu mindern.
Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers hat die hygienische Totenversorgung für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern stellt das Mittel dar, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 10. März 2011 – C-497/09, Bog, BStBl. II 2013, 256; BFH, Urteil vom 10. Januar 2013 – V R 31/10, BStBl. II 2013, 352). Die hygienische Totenversorgung stellt insoweit das Mittel dar, um die Bestattungsleistungen insgesamt unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Da die hygienische Totenversorgung den Bestattungsleistungen dient, kann sie jedenfalls nicht als unselbständige Nebenleistung der – nach Auffassung der Klägerin umsatzsteuerfreien – Kühlraumüberlassung qualifiziert werden. Denn es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit die hygienische Totenversorgung mit der Kühlleistung im Zusammenhang stehen soll. Vielmehr dient sie der hygienischen Vorbereitung des Leichnams, insbesondere für den Fall, dass er vor der endgültigen Bestattung aufgebahrt werden soll. Dementsprechend hat Herr G… in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage erklärt, die hygienische Totenversorgung könne auch ohne Kühlung angeboten werden. Da die Bestattungsleistungen umsatzsteuerpflichtig sind, sind auch die Leistungen im Rahmen der hygienischen Totenversorgung als umsatzsteuerpflichtig zu behandeln.
Die Ziffer 2. des BMF-Schreibens vom 23. November 2020, wonach insbesondere die hygienische Totenversorgung durch die dafür zuständige Person eine mit der Überlassung u.a. von Kühlräumen und gekühlten Leichenzellen zur Aufbewahrung von Leichen einhergehende Leistung, und damit eine unselbstständige Nebenleistung im Sinne des Abschnitts 3.10 Abs. 5 UStAE ist, die das Schicksal der Hauptleistung teilt, bezieht sich auf eine andere Situation, in der keine Bestattungsleistungen erbracht werden.
In Bezug auf die von der Klägerin vorgetragenen Wettbewerbsverzerrungen wird auf die Ausführungen im Rahmen der Überlassung der Kühlräume und Kühlzellen verwiesen, die entsprechend gelten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Der Senat hat die Revision zugelassen, da die hier streitige Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Insbesondere ist höchstrichterlich nicht abschließend geklärt, ob die im Rahmen einer Bestattung erbrachten Leistungen eine einheitliche Leistung darstellen. Auch ist höchstrichterlich nicht abschließend geklärt, ob für die Überlassung von Kühlräumen und Kühlzellen eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG in Betracht kommt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.
Bei der Einlegung und Begründung der Revision vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.
Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.