Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 22.11.2018 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 120/18 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2018:1122.9UF120.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird Beschluss des Amtsgerichts Rathenow vom 11. Mai 2018 – Az. 5 F 49/16 – teilweise abgeändert und zu Ziffer 1. Abs. 1 und Abs. 2 wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung B… (Versicherungskonto Nr. …) zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 7,5820 Entgeltpunkten (Ost) auf deren Versicherungskonto Nr. … bei der Deutschen Rentenversicherung B…, bezogen auf den 29. Februar 2016, übertragen.
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der E… Lebensversicherung AG (Versicherungsnummer …) zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 4.550,84 EUR bei der V… begründet. Die E… Lebensversicherung AG wird verpflichtet, diesen Betrag an die V… zu zahlen und ab dem 1. März 2016 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach dem mitgeteilten Rechnungszins von 4 % zu verzinsen.
Im Übrigen bleibt es bei den im Beschluss vom 11. Mai 2018 (dort Ziffer 1. Absätze 3 bis 5) enthaltenen Regelungen zum Versorgungsausgleich.
II. Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Beschwerdewert wird auf bis 6.000 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
V. Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin … in B… bewilligt.
VI. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren gegen monatliche Ratenzahlung von 216,00 EUR Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwaltskanzlei … in … bewilligt.
1.
Das Amtsgericht Rathenow hat – nach Abtrennung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich - mit Beschluss vom 13. Oktober 2016 die am 17. Oktober 2003 geschlossene Ehe der Beteiligten auf den am 31. März 2016 zugestellten Antrag des Antragstellers hin geschieden.
Mit weiterem Beschluss vom 11. Mai 2018 hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich der Beteiligten durchgeführt und dabei die von der Antragsgegnerin in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen regel- und angleichungsdynamischen Anrechte mit korrespondierenden Kapitalwerten von insgesamt 17.045,80 EUR zum Ausgleich gebracht. Das von dem Antragsteller in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung erworbene Anrecht wie auch das bei der weiteren Beteiligten zu 3. erworbene Anrecht auf eine betriebliche Altersversorgung hat das Amtsgericht teilweise, nämlich soweit sie (eigenen Berechnungen des Amtsgerichts zufolge) nach Juni 2014 entstanden sein sollen, wegen grober Unbilligkeit - aufgrund schwerer Verletzung der ehelichen Treuepflicht in einer den Antragsteller besonders kränkenden Weise - von dem Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Das schließlich vom Antragsteller bei der weiteren Beteiligten zu 2. bestehende Anrecht auf eine betriebliche Altersversorgung mit einem Ausgleichswert von 2.568,19 EUR hat das Amtsgericht wegen Geringfügigkeit nicht zum Ausgleich gebracht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.
Gegen diese ihr am 4. Juni 2018 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 15. Juni 2018 eingegangenen Beschwerde, mit der sie – den Ausschluss des Ausgleichs des geringfügigen Anrechts des Antragstellers bei der weiteren Beteiligten zu 2. ausdrücklich hinnehmend - eine uneingeschränkte Teilhabe an den übrigen Versorgungsanwartschaften des Antragstellers erstrebt. Sie meint unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insoweit, der Anwendungsbereich des § 27 VersAusglG sei im Streitfall nicht eröffnet.
Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.
Der Senat hat nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten und einer entsprechenden Ankündigung folgend, der keiner der (weiteren) Beteiligten entgegen getreten ist, gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung entschieden.
2.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 FamFG eingelegt worden, mithin zulässig. Die Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Tatsächlich gibt es keine ausreichend tragfähigen Gründe für den vom Amtsgericht vorgenommenen teil-(zeit-)weisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit.
a)
Nach § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Das ist der Fall, wenn eine schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zu einem der Gerechtigkeit in unerträglicher Weise widersprechenden Ergebnis führen würde (BT-Drucks. 16/10144, S. 67). Die Härteklausel beruht auf dem Gedanken, dass der Versorgungsausgleich seine Rechtfertigung verliert, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte die aus der ehelichen Lebensgemeinschaften resultierenden Pflichten grob verletzt hat oder sich sonst ein schweres Fehlverhalten vorhalten lassen muss (Ruland, Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rdnr. 778). Die Härteklausel will aber nicht jedes Fehlverhalten sanktionieren (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 1173/1174 zu § 1587 c BGB a.F.). Vielmehr folgt schon aus dem Wortlaut des § 27 VersAusglG, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs der Regelfall ist und ein – auch nur teilweiser – Ausschluss einen (entsprechend seltenen) Ausnahmefall darstellt. Das Fehlverhalten muss so schwer wiegen, dass die gebotene Teilhabe an dem in der Ehe erworbenen Vorsorgevermögen ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Diese Würdigung setzt eine Gesamtschau der beiderseitigen Verhältnisse voraus, wobei in die Abwägung die gegenwärtige und zukünftige Situation der Ehegatten, ihre Vermögenslage, das Alter sowie der Gesundheitszustand, die Ehedauer und die Aufgabenverteilung während der Ehe einzubeziehen sind. Die Generalklausel des § 27 VersAusglG enthält zwar im Gegensatz zum früheren Recht keine Regelbeispiele mehr; damit ist aber nach dem Willen des Gesetzgebers keine Änderung der Rechtslage verbunden, so dass zur Auslegung auf die bislang entwickelten Fallgruppen und die zu § 1587 c BGB a.F. entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann (BT-Drucks. 16/10144, S. 68; BGH FamRZ 2013, 106 und 690 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; OLG Hamburg FamRZ 2010, 1440; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. August 2011, Az. 17 UF 145/11 – zitiert nach juris; erkennender Senat, Beschluss vom 26. September 2011, Az. 9 UF 63/11). Für die hier einzig in Betracht kommenden Fallgruppen eines Härtefalls aufgrund persönlichen oder auch finanziellen Fehlverhaltens eines Ehegatten gilt Folgendes (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. Juni 2013, Az. 6 UF 50/12 - Rdnr. 12 bei juris, unter Bezugnahme auf die zusammenfassende Darstellung der Kasuistik bei Ruland, Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rdnr. 805 ff.): Der Versorgungsausgleich ist ganz oder teilweise auszuschließen, wenn die Inanspruchnahme des ausgleichspflichtigen Ehegatten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung grob unbillig wäre. Allerdings kann ein zu einer Unbilligkeit führendes Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen nur angenommen werden, wenn die Altersversorgung des Ausgleichsberechtigten aufgrund seines vorhandenen Vermögens uneingeschränkt abgesichert ist, während der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (BGH FamRZ 2005, 1238; 1999, 714 – zitiert nach juris). Die Verletzung einer Unterhaltspflicht oder einer Betreuungspflicht durch einen Ehegatten kann zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs nur führen, wenn die Pflicht für längere Zeit gröblich (BGH FamRZ 1987, 49 - zitiert nach juris) bzw. in schwerwiegender Weise oder beharrlich (OLG Köln FamRZ 2008, 2282- zitiert nach juris) verletzt wird. Dass ein Ehegatte für einen Zeitraum eine Mehrfachbelastung durch Haushalt, Kindererziehung und Erwerbstätigkeit auf sich genommen hat, kann zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen (BGH FamRZ 1987, 49), der Ausschluss ist jedoch nicht zwingend und hängt von den übrigen Umständen des Einzelfalls ab (OLG Hamm, Beschluss vom 5. März 2004, Az. 11 UF 186/03 – Rdnr. 11 ff. bei juris). Notwendig ist eine gröbliche Pflichtverletzung durch den Ausgleichsberechtigten, die voraussetzt, dass der andere Ehegatte und ggf. gemeinsame Kinder nachhaltig in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht wurden (BGH FamRZ 1987, 49; OLG Schleswig FamRZ 2009, 1414 – zitiert nach juris). Auch ein Fehlverhalten eines Ehegatten im persönlichen Bereich kann zum (teilweisen) Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen, wenn es wegen seiner Auswirkungen auf den anderen Ehegatten besonders ins Gewicht fällt, etwa weil er die diesem gegenüber bestehenden Pflichten lange Zeit nachhaltig oder unter besonders kränkenden Begleitumständen verletzt hat (BGH FamRZ 1985, 1236 – Rdnr. 38 bei juris).
Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes im Sinne von § 27 VersAusglG ist – in Abweichung zu dem das Versorgungsausgleichsverfahren ansonsten prägenden Amtsermittlungsprinzip – derjenige Beteiligte, der daraus Vorteile für sich herzuleiten sucht (Palandt-Brudermüller, BGB, 72. Aufl., § 27 VersAusglG Rdnr. 38 mit Verweisen auf BGH FamRZ 1990, 1341 – Rdnr. 12 bei juris und BGH FamRZ 1999, 499 – Rdnr. 14 bei juris – jeweils noch zu § 1587 c BGB; Götsche in NK-Versorgungsausgleichsrecht, § 27 VersAusglG Rdnr. 84; Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., § 27 VersAusglG Rdnr. 5; erkennender Senat, a.a.O.), hier also der Antragsteller.
b)
Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Gesamtabwägung lässt im Streitfall einen auch nur teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG nicht gerechtfertigt erscheinen. Ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommt aus den bereits vom Amtsgericht zutreffend angeführten Gründen, die keiner der Beteiligten in Zweifel zieht und auf die deshalb verwiesen werden kann, nicht in Betracht. Die im Raum stehende (umstrittene) Verfehlung der Antragsgegnerin – heimliche Aufnahme einer Betätigung als Prostituierte, ohne aus dem daraus erzielten Verdienst zum Familienunterhalt oder zur eigenen Altersvorsorge beizutragen – bietet unter Berücksichtigung der weiter in die Abwägung einzustellenden Umstände in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten keinen ausreichenden Anlass für einen (weitergehenden) teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs.
(1)
Mit dem Amtsgericht geht der Senat allerdings davon aus, dass die Antragsgegnerin (jedenfalls) seit Ende Juni 2014 und damit bereits vor der Ende Januar 2015 durch Auszug der Antragsgegnerin erfolgten Trennung über ein Internetportal entgeltliche sexuelle Dienste angeboten hat. Der zuständige Amtsrichter hat die Antragsgegnerin auf den auf dem Internetportal/-profil … abgebildeten Fotos (vgl. dazu Bl. 122 ff. GA) erkannt. Die vom Antragsteller überreichten Screenshots datieren vom 26. Dezember 2015 und lassen erkennen, dass dieses Profil seit 22. Juni 2014 besteht. Die Antragsgegnerin bestreitet auch gar nicht, dass sie dort abgebildet ist. Sie zieht sich weiterhin allein darauf zurück, dass „es jedem möglich ist, ein entsprechendes Profil zu erstellen und durch eine Einloggung im Portal bekannt zu geben“ und die Darstellung im Internet nicht bedeute, dass sie „tatsächlich die vorgehaltenen sexuellen Dienstleistungen erbracht hat und (in der Ehe und vor der Trennung) Geldeinnahmen dadurch erzielte“, was sie ausdrücklich bestreitet (Seite 1 des Schriftsatzes vom 29. September 2017, Bl. 132 GA, und Seite 7 oben der Beschwerdebegründung vom 2. August 2018, Bl. 180 GA). Insoweit hat schon das Amtsgericht zu Recht eine bemerkenswert defensive Reaktion der Antragsgegnerin, sowohl in der Tonalität des Bestreitens wie auch auf die Veröffentlichung persönlicher Fotos in einem derart intimen Zusammenhang hervorgehoben. Es kommt hinzu, dass das Angebot sexueller Dienstleistungen mit mehreren (begeisterten) Erfahrungsberichten (aus der Zeit von April bis Juli 2015) unterlegt ist, was den dürftigen Verweis auf eine Profilerstellung durch Dritte nicht überzeugender erscheinen lässt.
Diese Umstände streiten insgesamt eher dagegen, dass dieses Benutzerprofil gegen den Willen der Antragsgegnerin von irgendeinem Übel wollenden Dritten erstellt worden sein könnte. Vielmehr ist tatsächlich davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin sich noch innerhalb der – vom 1. Oktober 2003 bis zum 29. Februar 2016 andauernden – Ehezeit prostituiert und daraus zumindest seit April 2015 tatsächlich auch Einnahmen in unbekannter Höhe erzielt hat.
(2)
Damit allerdings lässt sich ein zeitweiser Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen persönlichen oder wirtschaftlichen Fehlverhaltens im konkreten Streitfall noch nicht tragfähig begründen.
Richtig ist, dass die heimliche Aufnahme einer Tätigkeit als Prostituierte ohne Kenntnis und Einverständnis des Ehemannes eine nachhaltige und besonders kränkende Verletzung der ehelichen Treuepflicht darstellen kann, zumal wenn solche sexuellen Dienste auf einem jedermann zugänglichen Internetportal angeboten werden. Im konkreten Fall aber fehlt es sowohl an der Nachhaltigkeit der Verfehlung der Antragsgegnerin als auch an besonders schwerwiegenden nachteiligen persönlichen Begleitumständen auf der (subjektiven) Seite des Antragstellers.
Belastbare Anknüpfungstatsachen, dass die Antragsgegnerin bereits vor Juni 2014 ihre Dienste als Prostituierte angeboten hat und bereits vor der Trennung im Januar 2015 erhebliche Geldeinkünfte erzielt hat, lassen sich nicht feststellen. Damit fehlt es schon in zeitlicher Hinsicht an der erforderlichen Nachhaltigkeit der Verfehlung.
Es fällt im zu entscheidenden Fall weiter ins Gewicht, dass der Antragsteller sich persönlich durch die Prostitution der Antragsgegnerin ganz offensichtlich gar nicht gekränkt oder in seiner Ehre verletzt fühlt. Er hat im Verfahren wiederholt erklärt, dass er die Erbringung der sexuellen Dienstleistungen durch seine Frau gar nicht verwerflich finde; er beanstandet nur, dass sie das damit erzielte Einkommen weder für den laufenden Familienunterhalt eingesetzt noch in eine eigene Versorgungsanwartschaft der Antragsgegnerin investiert worden ist, an der er nun auch partizipieren könnte (Schriftsatz vom 8. Mai 2017, dort Seite 3, Bl. 63 GA; Schriftsatz vom 13. Juli 2017, dort S. 7, Bl. 106 GA; Beschwerdeerwiderung vom 6. September 2018, Bl. 196 GA).
Umgekehrt wusste der Antragsteller seinem eigenen Vorbringen zufolge, dass die Antragsgegnerin „um fremde Männer zu treffen, regelmäßig im Wald verschwand. Außerdem mochte er es nicht, dass ihm unbekannte Männer tagsüber bzw. wenn er bei der Arbeit war, in der Ehewohnung ein und aus gingen“ (Seite 3 des Schriftsatzes vom 13. Juli 2017, Bl. 102 GA). Der Antragsteller hat auch wahrgenommen, dass seine Ehefrau, die selten nach Haushaltsgeld gefragt, aber „immer Bargeld (hatte), was den Ehemann oftmals erstaunte, denn von ihm konnte sie es nicht haben“ (Seite 5 des vorzitierten Schriftsatzes). „Schon zu Ehezeiten wunderte der Antragsteller sich, woher für so manche Anschaffung, und seien es nur Zigaretten, die Antragsgegnerin über Geld verfügte. Aufgrund der überschaubaren wirtschaftlichen Verhältnisse konnte der Ehemann der Ehefrau nicht immer ausreichend Haushaltsgeld für die Anschaffung der dann tatsächlich angeschafften Gegenstände zur Verfügung stellen“, was auf andere Geldquellen in Form von Bargeld schließen lasse (Seite 3 des Schriftsatzes vom 8. Mai 2017, Bl. 63 GA).
Diese eigenen Ausführungen des Antragstellers lassen darauf schließen, dass er bestimmte Verhaltensweisen seiner Frau wahrgenommen und zwar (möglicherweise) irgendwie missbilligt, aber gleichwohl an der Ehe festgehalten hat. Es ist ihm auch nicht verborgen geblieben, dass die Ehefrau – jenseits der kurzen und unstreitig im Kern wirtschaftlich erfolglosen Zeit als Betreiberin einer Imbissbude 2008/09 – irgendwelche eigenen Geldquellen hatte, aus denen sie Anschaffungen für die allgemeine Lebensführung finanziert hat, die im Rahmen der gelebten Alleinverdienerehe – der Antragsteller arbeitete in drei Schichten, die Antragsgegnerin kümmerte sich um die 2003 und 2005 geborenen gemeinsamen Kinder und den Haushalt – aus dem Erwerbseinkommen nicht hätten beschafft werden können. Der Antragsteller hat das ersichtlich hingenommen und überhaupt nicht hinterfragt; es scheint ihm nicht wichtig gewesen zu sein. All die vorgeschilderten Umstände mögen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragsgegnerin sich - gegen Ende der intakten, aber wirtschaftlich beengt geführten Ehe – mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen eine Art Taschengeld verdient hat, das allerdings der Höhe nach nicht beziffert werden kann und mindestens teilweise in die allgemeine Lebensführung der Familie geflossen ist. Die objektiven Rahmendaten lassen eher auf einen bescheidenen Verdienst schließen: Das Angebot sexueller Dienstleistungen jedweder Couleur ist im Internetzeitalter groß; die Antragsgegnerin wiederum war mangels Fahrerlaubnis nicht mobil und deshalb räumlich auf den – eher abgelegenen – Wohnort im Havelland und darüber hinaus zeitlich durch die Betreuung der Kinder und die Haushaltsführung beschränkt. Dies alles rechtfertigt die Annahme erheblicher Einkünfte, aus denen in besonderer Weise zum Familienunterhalt hätte beigetragen oder gar eine zusätzliche Altersvorsorge hätte bestritten werden können, deutlich nicht.
Der Umstand, dass die Antragsgegnerin nach der Trennung bzw. seit April 2015 keine Unterhaltszahlungen für die im Haushalt des Antragstellers betreuten Kinder erbracht hat, kann ebenfalls einen (teilweisen) Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht begründen. Es gibt keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für eine tatsächliche Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin; der Unterhaltstitel des Amtsgerichts Rathenow vom 17. März 2016 (Az. 5 F 253/15) ist gegen die anwaltlich nicht (mehr) vertretene Antragsgegnerin ergangen und besagt hierzu nichts. Außerdem fehlt es an belastbaren Anhaltspunkten dafür, dass die Kinder dadurch in Not geraten sind. Im Übrigen liegt eine solche mögliche Unterhaltspflichtverletzung gegenüber den beiden Kindern hier jedenfalls ausschließlich nach Trennung und ganz überwiegend nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens vor; in einem solchen Falle bedarf es besonders belastender Umstände, wenn daraus die Rechtfertigung für einen Teilausschluss des Versorgungsausgleichs hergeleitet werden soll, die hier nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich sind.
(3)
In der Gesamtschau aller Umstände dieses Einzelfalles stellt sich die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich der beiden noch in Rede stehenden Anrechte des Antragstellers auch unter Berücksichtigung der sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht als grob unbillig dar.
Der heute 49 Jahre alte Antragsteller hat bereits vorehelich erhebliche Versorgungsanwartschaften erwerben können (allein in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung mit einem aktuellen Rentenwert von knapp 500 EUR monatlich). Er wird aus seinem Jahrzehnte bestehenden und vergleichsweise gut bezahlten Arbeitsverhältnis wahrscheinlich auch nachehelich noch weitere nicht nur unerhebliche Anrechte erwirtschaften können. Außerdem finanziert er aus seinem Einkommen Immobilienvermögen.
Die heute 42 Jahre alte erwerbslose Antragsgegnerin verfügt über keinerlei Vermögen. Sie hat keine Berufsausbildung und keine Fahrerlaubnis; ihre Erwerbsvita seit Eheschließung besteht im Wesentlichen aus Lücken. Damit ist die Antragsgegnerin zwar rentenfern, wird allerdings prognostisch selbst bei unterstellten nachhaltigen Bemühungen um die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit, die nur im Mindest-/Niedriglohnsektor angesiedelt sein kann, keine nennenswerten Versorgungsanwartschaften mehr erwirtschaften können. Sie hat vor der Eheschließung nur geringe Versorgungsanrechte (monatlich rund 100 EUR) erworben. Sie ist deshalb in besonderer Weise auf die Teilhabe an den ehelich erworbenen Anwartschaften angewiesen.
Schlussendlich war im Rahmen der Gesamtwürdigung auch zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht – insoweit nicht angefochten - die vom Antragsgegner bei der weiteren Beteiligten zu 2. erworbenen Anrechte auf eine betriebliche Altersversorgung mit einem Ausgleichs-(Kapital-)Wert von knapp 3.000 EUR nach § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht zum Ausgleich gebracht hat und insoweit ohnehin der Halbteilungsgrundsatz eine Durchbrechung erfahren hat. Weitere Eingriffe insoweit sind nicht gerechtfertigt.
c)
Nach Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1. (Bl. 13 ff. GA) hat der Antragsteller in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung ehezeitanteilige Anrechte von 15,1639 Entgeltpunkten (Ost) erworben. Die deutsche Rentenversicherung B… hat vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 7,5820 Entgeltpunkten (Ost) zu bestimmen; Bedenken dagegen bestehen nicht. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 44.795,35 EUR. Der Ausgleich dieses Anrechts hat uneingeschränkt mit einem Umfang von 7,5820 Entgeltpunkten (Ost) gemäß § 10 VersAusglG im Wege interner Teilung stattzufinden.
Daneben hat der Antragsteller bei der weiteren Beteiligten zu 3. ein unverfallbares Anrecht auf eine betriebliche Altersversorgung in Form einer aufgeschobenen konventionellen Kapitallebensversicherung als Direktversicherung mit einem Ehezeitanteil von 9.101,67 EUR erworben (Bl. 49 ff. GA). Der Versorgungsträger hat den Ausgleichswert mit 4.550,84 EUR vorgeschlagen.
Die Voraussetzungen für eine externe Teilung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG liegen vor. Der Versorgungsträger hat diesen Ausgleich verlangt und der Ausgleichswert von 4.550,84 EUR übersteigt nicht den Grenzwert nach der genannten Vorschrift. Dieser beträgt für das Ehezeitende im Jahr 2016 nämlich 6.972 EUR (Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 2.905 EUR x 240 Prozent).
Die Antragsgegnerin hat von ihrem Recht zur Wahl eines Zielversorgungsträgers keinen Gebrauch gemacht, so dass gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 VersAusglG für die hier auszugleichende Anwartschaft aus einer betrieblichen Altersversorgung ein Anrecht bei der V… zu begründen ist. Danach war anzuordnen,dass die weitere Beteiligte zu 3. den Ausgleichsbetrag von 4.550,84 EUR an die weitere Beteiligte zu 4. als Zielversorgungsträger kraft Gesetzes zu zahlen hat.
Ferner war anzuordnen, dass der Zahlbetrag vom Ende der Ehezeit an bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich in Höhe des Rechnungszinses der auszugleichenden Versorgung zu verzinsen ist (vgl. dazu im Einzelnen BGH FamRZ 2011, 1785). Dieser beträgt nach der Auskunft der weiteren Beteiligten zu 3. (Bl. 49 ff. GA) 4,00 Prozent.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1 und 5 Satz 1 FamFG.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.
4.
Die Verfahrenskostenhilfeentscheidungen beruht auf §§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 115 Abs. 1 und 2, 119 Abs. 1 (Satz 1 für die Antragsgegnerin, Satz 2 für den Antragsteller), ZPO.
Nur für den Antragsteller
Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage und deshalb verpflichtet, durch monatliche Ratenzahlungen zu den ihm entstehenden Verfahrenskosten beizutragen. Nach der von ihm überreichten Formularerklärung und den ergänzenden Erläuterungen im Schriftsatz vom 4. Oktober 2018 ergibt sich folgende Berechnung:
Einkünfte | |||
durchschnittl. Nettoerwerbseinkommen | 2.372,64 EUR | ||
anteilige Einkommensteuererstattung | 103,96 EUR | ||
Kindergeld | 388,00 EUR | ||
2.864,60 EUR | |||
davon sind abzusetzen: | |||
Freibetrag nach § 115 I 3 Nr. 1b ZPO | 219,00 EUR | ||
Freibetrag nach § 115 I 3 Nr. 2a ZPO | 481,00 EUR | ||
Freibetrag nach § 115 I 3 Nr. 2b ZPO |
| ||
berufsbed. Fahrtkosten (5,20 EUR x 30 km) | 156,00 EUR | ||
Versicherungen | 60,00 EUR | ||
Kosten der Unterkunft/Heizung | 431,99 EUR | ||
(Wüstenrot zzgl. Nebenkosten) | |||
Ratenzahlungsverpflichtungen | |||
(H…, S…, C…) | 926,95 EUR | ||
2.431,94 EUR | |||
verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von | 432,66 EUR. |
Aus diesem einzusetzenden Einkommen ist der Antragsteller gemäß § 115 Abs. 2 ZPO zur Zahlung monatlicher Raten von 216,00 EUR zu verpflichten.