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Entscheidung 5 K 7144/20


Metadaten

Gericht FG Cottbus 5. Senat Entscheidungsdatum 29.08.2023
Aktenzeichen 5 K 7144/20 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2023:0829.5K7144.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

Der Kläger war im Streitzeitraum 2012 bis 2016 als selbstständiger Architekturfotograf tätig. Da seine Fotografien im Internet und anderen Medien ohne seine Erlaubnis genutzt wurden, verfolgte er durch seine beauftragten Rechtsanwälte diese Urheberrechtsverletzungen u.a. im Wege außergerichtlicher Abmahnungen. Diese Abmahnverfahren liefen nach folgendem Muster ab: Zunächst forderten die Rechtsanwälte vom jeweiligen Rechtsverletzer die Unterlassung der unbefugten Nutzung der Fotos. Nach Abgabe einer entsprechenden strafbewehrten Unterlassungserklärung machten die Rechtsanwälte sodann zum einen Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 UrhG und zum anderen Aufwendungsersatz gem. § 97a Abs. 3 UrhG geltend. Diese Beträge wurden ohne Umsatzsteuer gefordert, da der Kläger davon ausging, dass er aufgrund seiner Vorsteuerabzugsberechtigung nicht zur Forderung von Umsatzsteuer berechtigt sei. Im Zuge der hiermit zusammenhängenden außergerichtlichen Verhandlungen wurde sich sodann oftmals auf die Zahlung eines reduzierten Pauschalbetrages geeinigt. Die Vereinnahmung der Zahlungen erfolgte durch die Rechtsanwälte. Diese rechneten sodann mit dem Kläger entsprechend der zwischen ihnen getroffenen Honorarvereinbarung dahingehend ab, dass der Kläger die Hälfte der vereinnahmten Beträge (abzüglich entstandener Auslagen) ausgezahlt erhielt. Mit einer gesonderten Rechnung stellten die Rechtsanwälte dem Kläger die auf ihre Vergütung entfallende Umsatzsteuer in Rechnung. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Abmahnverfahrens wird auf Bl. 100ff. der Gerichtsakte verwiesen.

In seinen Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre berücksichtigte der Kläger die Zahlungen aus diesen Abmahnverfahren nicht als steuerbare Umsätze. Er ging vielmehr davon aus, dass es sich um nicht steuerbaren Schadensersatz handele. Die in den Rechnungen der Rechtsanwälte ausgewiesene Umsatzsteuer machte er demgegenüber als Vorsteuer geltend. Der Beklagte folgte dem zunächst. Im Rahmen einer bei dem Kläger im Jahr 2019 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat die Prüferin die Rechtsauffassung, dass die von den Rechtsverletzern in den außergerichtlichen Abmahnverfahren geleisteten Zahlungen steuerbare und –pflichtige Umsätze seien. Da der Kläger nicht sämtliche Abrechnungen über derartige Zahlungen im Streitzeitraum nachweisen konnte, schätzte die Prüferin die anzusetzenden Umsätze anhand der vereinnahmten Erlöse aus außergerichtlichen Abmahnverfahren. Da der Kläger lediglich 50 % der von den Rechtsverletzern zu zahlenden Beträge erhalten habe, verdoppelte die Prüferin diese Erlöse und setzte den sich hieraus ergebenden Betrag als umsatzsteuerpflichtigen Umsatz an.

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferin und erließ am 30. Oktober 2019 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Im Rahmen des hierauf folgenden Einspruchsverfahrens legte der Kläger eine Aufstellung sämtlicher Zahlungen von Rechtsverletzern aus außergerichtlichen Abmahnverfahren vor. In diesen Aufstellungen sind die von den Rechtsanwälten vereinnahmten Zahlungen in Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 UrhG und Aufwendungsersatz gem. § 97a Abs. 3 UrhG aufgeteilt. Soweit sich in Abmahnverfahren auf die Zahlung eines Pauschalbetrages geeinigt wurde, sind die in den Abmahnschreiben geforderten Beträge für Schadens- und Aufwendungsersatz jeweils verhältnismäßig gekürzt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Aufstellung wird auf Bl. 99f. der Umsatzsteuerakte des Beklagten verwiesen. Der Kläger machte geltend, dass lediglich die als Aufwendungsersatz vereinnahmten Beträge der Umsatzsteuer unterlägen, nicht jedoch diejenigen, die Schadensersatz i.S.d. § 97 Abs. 2 UrhG darstellten. Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2020 gab der Beklagte den Einsprüchen teilweise statt, indem er grundsätzlich der im Einspruchsverfahren von dem Kläger eingereichten Aufstellung folgte, jedoch sämtliche in außergerichtlichen Abmahnverfahren von den Rechtsanwälten vereinnahmten Beträge als umsatzsteuerpflichte Umsätze behandelte. Die von den Rechtsanwälten vereinnahmten Beträge seien Bruttobeträge, aus denen die Umsatzsteuer herauszurechnen sei. Hieraus ermittelte der Beklagte anzusetzende Umsätze zu 19%, die auf die Zahlungen der Rechtsverletzer im Zusammenhang mit außergerichtlichen Abmahnverfahren entfielen, i.H.v. 4.129,14 € (2012), 91.625,80 € (2013), 63.411,93 € (2014), 40.933,56 € (2015) sowie 68.545,12 € (2016). Wegen der weiteren Einzelheiten der vom Beklagten angesetzten Beträge wird auf Bl. 130ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage vertritt der Kläger die Rechtsauffassung, dass er für die von den Rechtsverletzern gezahlten und durch seine Rechtsanwälte im Rahmen der außergerichtlichen Abmahnverfahren vereinnahmten Zahlungen keine Umsatzsteuer zu entrichten habe. Soweit die Zahlungen Schadensersatz i.S.d. § 97 Abs. 2 UrhG darstellten, handele es sich umsatzsteuerrechtlich um sog. echten Schadensersatz, der nicht umsatzsteuerbar sei. Für die Beträge, die als Aufwendungsersatz i.S.d. § 97a Abs. 3 UrhG anzusehen seien, habe der Kläger bereits Umsatzsteuer geleistet. Die Rechtsanwälte hätten insoweit über diese Zahlungen mit ihren Rechnungen abgerechnet und entsprechend Umsatzsteuer ausgewiesen, die er, der Kläger, gezahlt habe. Soweit der BFH mit seiner Entscheidung vom 13. Februar 2019 (XI R 1/17) ggf. eine andere Rechtsauffassung vertreten habe, könne dies jedenfalls für den Streitfall nicht entscheidungserheblich sein. Denn die BFH-Entscheidung sei erst nach dem Streitzeitraum ergangen, so dass zu seinen, des Klägers, Gunsten die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abgabenordnung – AO – greife. Schließlich habe der Beklagte auch die Regelungen im BMF-Schreiben vom 1. Oktober 2021 (III C 2-S 7100/19/10001:006, FMNR581000021, dort unter III.) zu beachten. Ein Vorsteuerabzug aus den Rechtsanwaltsrechnungen stehe ihm, dem Kläger, in jedem Fall in voller Höhe zu.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2016, jeweils vom 31. Oktober 2019, sämtlichst in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2020 dahingehend zu ändern, dass die Umsätze zu 19% um 4.129,14 € (2012), 91.625,80 € (2013), 63.411,93 € (2014), 40.933,56 € (2015) sowie 68.545,12 € (2016) gemindert werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Rechtsauffassung, dass nach dem BFH-Urteil vom 13. Februar 2019 sämtliche Zahlungen von Rechtsverletzern im Rahmen außergerichtlicher urheberrechtlicher Abmahnverfahren als umsatzsteuerbare und –pflichtige Umsätze anzusehen seien. Daher seien auf Grundlage der vom Kläger eingereichten Aufstellung zutreffend die gesamten Zahlungen der Umsatzsteuer unterworfen worden. Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Klägers jedenfalls die Vorsteuern aus den Rechtsanwaltsrechnungen nicht abzugsfähig seien.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte eine Umsatzsteuerakte (paginiert von Bl. 1 bis Bl. 138), eine Einkommensteuerakte (Band II, paginiert von Bl. 1 bis Bl. 117), eine Gewerbesteuerakte (paginiert von Bl. 1 bis Bl. 115), eine Akte „EÜR 2012 – 2016“ (paginiert von Bl. 1 bis Bl. 102), eine Akte „BP-Berichte“ (paginiert von Bl. 1 bis Bl. 31), zwei Betriebsprüfungsakten (Band I: paginiert von Bl. 1 bis Bl. 194; Band II: paginiert von Bl. 1 bis Bl. 60), eine Aktenordner „Gewerbe“ (nicht paginiert), ein Aktenordner „tabellarische Übersicht aller Rechtsstreitigkeiten“ (nicht paginiert) sowie ein Aktenordner „Allgemein“ (nicht paginiert) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat dem Grunde und der Höhe nach zutreffend die streitigen Beträge im Zusammenhang mit ur-heberrechtlichen Abmahnverfahren als steuerbare und –pflichtige Umsätze behandelt.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Für das Vorliegen einer entgeltlichen Leistung, die in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – MwStSystRL – nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar ist, sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Wesentlichen folgende unionsrechtlich geklärten Grundsätze zu berücksichtigen:

Zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen, wobei die gezahlten Beträge die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung darstellen, die im Rahmen eines zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnisses, in dem gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, erbracht wurde (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 18. Juli 2007 – C-277/05, Société thermale d'Eugénie-les-Bains, EU:C:2007:440, BFH/NV 2007, Beilage 4, 424, Rn. 19; vom 22. Juni 2016 – C-11/15, Cesky rozhlas, EU:C:2016:470, UR 2016, 632, Rn. 21f.; vom 18. Januar 2017 – C-37/16, SAWP, EU:C:2017:22, UR 2017, 230, Rn. 25 f.; vom 22. November 2018 – C-295/17, Meo - Serviços de Comunicações e Multimédia, EU:C:2018:942, HFR 2019, 58, Rn. 39). Der BFH hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. z.B. BFH, Urteile vom 30. Juni 2010 – XI R 22/08, BStBl. II 2010, 1084; vom 20. März 2013 – XI R 6/11, BStBl. II 2014, 206; vom 21. Dezember 2016 – XI R 27/14, BFHE 257, 154, jeweils m.w.N.).

Dabei bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet (vgl. BFH, Urteile vom 18. Dezember 2008 – V R 38/06, BStBl. II 2009, 749; vom 20. März 2013 – XI R 6/11, BStBl. II 2014, 206).

Die Frage, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Leistungen erfolgt, stellt eine unionsrechtliche Frage dar, die unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden ist. Für die Auslegung der Bestimmungen der MwStSystRL ist irrelevant, ob ein Betrag nach nationalem Recht als Schadensersatzanspruch oder als Konventionalstrafe anzusehen ist und wie er bezeichnet wird (vgl. EuGH-Urteil vom 22. November 2018 – C-295/17, Meo - Serviços de Comunicações e Multimédia, EU:C:2018:942, HFR 2019, 58, Rn. 68f.).

Eine Leistung gegen Entgelt liegt regelmäßig dann vor, wenn der Leistende im Auftrag des Leistungsempfängers für diesen eine Aufgabe übernimmt und insoweit gegen Aufwendungsersatz tätig wird (vgl. z.B. BFH, Urteile vom 11. April 2002 – V R 65/00, BStBl. II 2002, 782; vom 27. November 2008 – V R 8/07, BStBl. II 2009, 397; vom 24. April 2013 – XI R 7/11, BStBl. II 2013, 648, Rz 21). Dasselbe gilt, wenn ein Unternehmer für einen anderen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird und von ihm nach § 683 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann (vgl. BFH, Urteil vom 16. Januar 2003 – V R 92/01, BStBl. II 2003, 732).

Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen sind dagegen kein Entgelt i.S. des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat (vgl. BFH, Urteile vom 10. Dezember 1998 – V R 58/97, BFH/NV 1999, 987; vom 16. Januar 2014 – V R 22/13, BFH/NV 2014, 736).

Nach diesen Grundsätzen sind nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des BFH Zahlungen, die an einen Unternehmer aufgrund von urheberrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruch geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren (vgl. BFH, Urteil vom 16. Januar 2003 – V R 92/01, BStBl. II 2003, 732; BFH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – XI R 27/14, BStBl. II 2021, 779; BFH, Urteil vom 13. Februar 2019 – XI R 1/17, BStBl. II 2021, 785; die gegen die letzte Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2019 – 1 BvR 1327/19 – nicht zur Entscheidung angenommen; der BFH-Rechtsprechung folgend: BGH, Beschluss vom 21. Januar 2021 – I ZR 87/20, HFR 2021, 943).

Das Vorliegen einer umsatzsteuerrechtlichen Leistung i.S.d. § 1 UStG begründet der BFH damit, dass der Abmahnende mit den Abmahnungen den Rechtsverletzern einen Weg weise, ihn als Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen, und ihnen hiermit einen konkreten Vorteil verschafft, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. BFH, Urteil vom 13. Februar 2019 – XI R 1/17, BStBl. II 2021, 785, Rn. 28 m.w.N.).

Diese Leistung erfolgt auch gegen Entgelt. Entgelt ist gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung grundsätzlich alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH setzt eine „Leistung gegen Entgelt“ das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einer Leistung und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung voraus. Dazu muss zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (vgl. u.a. EuGH-Urteile vom 3. März 1994 – C-16/93, Tolsma, EU:C:1994:80, HFR 1994, 357, Rn. 13f.; vom 12. Mai 2016 – C-520/14, Gemeente Borsele, EU:C:2016:334, HFR 2016, 664, Rn. 24; vom 2. Juni 2016 – C-263/15, Lajver, EU:C:2016:392, HFR 2016, 665, Rn. 26; BFH, Urteile vom 30. August 2017 – XI R 37/14, BFHE 259, 175; vom 2. August 2018 – V R 21/16, BFHE 262, 548). Nach diesen Grundsätzen besteht in Abmahnfällen zwischen gezahltem Entgelt und der Abmahnleistung ein unmittelbarer Zusammenhang (so ausdrücklich: BFH, Urteil vom 13. Februar 2019 – XI R 1/17, BStBl. II 2021, 785, Rn. 41ff.). Es besteht insoweit kein Unterschied zum Honorar einer Kanzlei bei erfolgreicher Abmahnung oder zum Fall eines gegen Erfolgsprovision tätigen Vermittlers (vgl. hierzu z.B. EuGH, Urteile vom 21. Juni 2007 – C-453/05, Ludwig, EU:C:2007:369, UR 2007, 617, Rn. 15ff.; vom 29. November 2018 – C-548/17, baumgarten sports & more, EU:C:2018:970, UR 2019, 70, Rn. 30f.).

Welche Zahlungen des Abgemahnten in derartigen Abmahnfällen konkret als Entgelt anzusehen sind, ist bislang in der Rechtsprechung und umsatzsteuerrechtlichen Literatur indes nicht abschließend geklärt. Der BFH führte hierzu in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2019 (XI R 1/17, BStBl. II 2021, 785) unter Rn. 29 aus, dass zum „steuerbaren Entgelt für die Leistung des Abmahnenden […] alle hierfür erhaltenen Zahlungen“ gehörten. Unerheblich für die Einordnung als steuerbares Entgelt sei die Bezeichnung der zu leistenden Zahlungen im Abmahnschreiben oder ob die Zahlungen als Schadensersatz i.S.d. § 97 Abs. 2 UrhG geltend gemacht werden könnten. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Zahlungen dazu dienten, den Abmahnenden klaglos zu stellen und dadurch ein urheberrechtliches Klageverfahren zu vermeiden.

In der steuerrechtlichen Literatur ist hieraus zum Teil (Pustovalov/Johnen, WRP 2019, 848 [850]) der Schluss gezogen worden, dass auch Zahlungen, die urheberrechtlich als Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 UrhG zu qualifizieren sind, umsatzsteuerrechtlich als steuerbares Entgelt zu werten seien.

Nach ganz überwiegender Auffassung im Schrifttum (Grambeck, NWB 2022, 1865 [1866]; Stelzer, UR 2021, 812 [819]; Streit/Worm, IPRB 2021, 47 [50]; Voges, GRUR-Prax 2020, 254; Robisch in: Bunjes, UStG, 22. Auflage 2023, § 1 Rn. 58 „Abmahnungen“; eingehend auch: Probst in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, 6. EL 2023, § 1 Rn. 35_2) soll jedoch auch nach der BFH-Entscheidung vom 13. Februar 2019 weiterhin zwischen steuerbarem Aufwendungsersatz und nicht steuerbarem Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 UrhG zu differenzieren sein: Würden mit einer Abmahnung sowohl Aufwendungsersatz- als auch Schadensersatzansprüche geltend gemacht, sei das Entgelt aufzuteilen. Zwar unterscheide der BFH in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2019 in Rn. 29 nicht zwischen Aufwendungs- und Schadensersatz. Dies sei jedoch allein darauf zurückzuführen, dass dem BFH offenbar zum einen weder Anhaltspunkte für eine Aufteilung vorgelegen hätten, noch von den Beteiligten geltend gemacht worden sei, dass die Zahlungen sowohl einen Kostenerstattungs- als auch einen Schadensersatzanteil enthalten würden (vgl. hierzu: Suabedissen, HFR 2019, 603). Zur zutreffenden Ermittlung des Entgeltanteils, der auf steuerbaren Aufwendungsersatz einerseits und nichtsteuerbaren Schadensersatz andererseits entfällt, könne auf die Angaben im Abmahnschreiben abgestellt werden; sofern hieraus nicht sämtliche erforderlichen Angaben herzuleiten sind, sei der jeweilige Anteil gem. § 162 AO zu schätzen (so: Probst in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, 6. EL 2023, § 1 Rn. 35_2).

Der Senat schließt sich der erstgenannten Rechtsauffassung an. Unter Zugrundelegung der Ausführungen des BFH in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2019, wonach sämtliche Zahlungen des Abgemahnten als Entgelt anzusehen sind, die dieser zur Erreichung der Vermeidung eines urheberrechtlichen Klageverfahrens leistet, müssen auch solche Zahlungen zum umsatzsteuerrechtlichen Entgelt i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG gerechnet werden, die als Schadensersatz i.S.d. § 97 Abs. 2 UrhG geltend gemacht werden. Denn der Abgemahnte erreicht nur durch Zahlung sämtlicher vom Abmahnenden geltend gemachter Beträge – mithin insbesondere auch der geltend gemachten Schadensersatzansprüche – den verbrauchsfähigen Vorteil der Vermeidung eines urheberrechtlichen Klageverfahrens. Würde er lediglich Aufwendungsersatz leisten, würde der Abmahnende in aller Regel nicht auf die Durchführung des angedrohten urheberrechtlichen Klageverfahrens verzichten. Dass nach den urheberrechtlichen Vorschriften in § 97 Abs. 2 UrhG ausdrücklich von Schadensersatz die Rede ist und zivilrechtlich auch Ansprüche aus dieser Vorschrift als Schadensersatz zu qualifizieren sind, ist für die vorliegend allein entscheidungserhebliche Beurteilung nach umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben irrelevant: Maßgeblich für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung als Entgelt ist insoweit nicht die zivilrechtliche Einordnung und Bezeichnung als Schadensersatz. Vielmehr sind für Umsatzsteuerzwecke – wie der BFH zutreffend ausführt – allein die durch unionsrechtliche Vorgaben geprägten umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen maßgeblich (BFH, Urteil vom 13. Februar 2019 – XI R 1/17, BStBl. II 2021, 785, unter Rn. 29). Dies wird durch die Rechtsprechung des EuGH bestätigt, wenn dieser klarstellt, dass die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt, eine allein unionsrechtliche Frage darstellt, die unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheiden ist (so ausdrücklich: EuGH, Urteil vom 22. November 2018 – C-295/17, Serviços de Comunicações e Multimédia, EU:C:2018:942, HFR 2019, 58, Rn. 69).

Soweit die o.g. Gegenauffassung vermutet, der BFH habe nur deshalb keine Differenzierung zwischen Aufwendungs- und Schadensersatz getroffen, da offenbar zum einen weder Anhaltspunkte für eine Aufteilung vorgelegen hätten, noch von den Beteiligten geltend gemacht worden sei, dass die Zahlungen sowohl einen Kostenerstattungs- als auch einen Schadensersatzanteil enthalten würden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zum einen ist dem Urteil der Vorinstanz (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. November 2016 – 7 K 7078/15, EFG 2017, 240) zu entnehmen, dass die Abmahnschreiben sehr wohl zwischen Schadens- und Aufwendungsersatz differenzierten und der geltend gemachte Pauschalbetrag ausdrücklich – wenn auch nicht konkret beziffert – auch einen Schadensersatzanteil enthielt. Zu anderen ist den Entscheidungsgründen des BFH nicht zu entnehmen, dass er nur für den Ausnahmefall einer aus tatsächlichen Gründen nicht möglichen Aufteilung zwischen Aufwendungs- und Schadensersatz auch Schadensersatzanteile zum umsatzsteuerrechtlichen Entgelt zählen will. Wäre dies der Fall, hätte der BFH sicher in seinen Entscheidungsgründen den Ausnahmecharakter seiner Entscheidung hinreichend deutlich gemacht. Zudem wäre in einem solchen Fall zu erwarten gewesen, dass der BFH Ausführungen zu einer Aufteilung des Entgelts im Wege einer Schätzung gem. § 162 AO macht, was indes nicht der Fall ist.

Nach diesen Grundsätzen ist die Höhe der vom Beklagten ermittelten Umsätze nicht zu beanstanden: Der Beklagte hat auf Grundlage der vom Kläger eingereichten Aufstellung sämtliche Zahlungen von Rechtsverletzern im Rahmen außergerichtlicher Abmahnverfahren als umsatzsteuerbar und –pflichtig behandelt. Hierbei hat er zutreffend aus den vereinnahmten Beträge die Umsatzsteuer herausgerechnet (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG a.E.). Dafür, dass die Aufstellung des Klägers über die vereinnahmten Zahlungen unzutreffend sein soll, bestehen keine Anhaltspunkte.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat dieser auch nicht bereits Umsatzsteuer auf die von ihm erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit den urheberrechtlichen Abmahnverfahren gezahlt. Der Kläger verkennt hierbei, dass bei der im Streitfall vorliegenden Fallkonstellation zwei Leistungsbeziehungen bestehen. Zum einen eine Leistungsbeziehung zwischen ihm und den Rechtsverletzern und zum anderen zwischen ihm und seinen Rechtsanwälten. Die von ihm geleisteten Umsatzsteuerzahlungen resultieren indes allein aus seiner Leistungsbeziehung zu den Rechtsanwälten. Leistungsgegenstand in dieser Beziehung ist die Erbringung von Rechtsanwaltsdienstleistungen gegenüber dem Kläger. Leistungsgegenstand der erstgenannten Leistungsbeziehung gegenüber den REchtsverletzern ist hingegen die Ermöglichung einer Vermeidung von urheberrechtlichen Klageverfahren. Diese Leistung hat der Kläger an die Rechtsverletzer erbracht. Richtigerweise hätte er für diese Leistungen Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausstellen müssen. Sodann hätten die Rechtsverletzer die Umsatzsteuer wirtschaftlich getragen und der Kläger wäre nicht mit ihr belastet gewesen. Eine doppelte Belastung mit Umsatzsteuer zulasten des Klägers tritt mithin bei umsatzsteuerrechtlich zutreffender Behandlung des Sachverhalts nicht ein.

Der Kläger kann sich auch nicht auf die Übergangsregelung im BMF-Schreiben vom 1. Oktober 2021 (III C 2-S 7100/19/10001:006, FMNR581000021, dort unter III.) berufen. Danach sind die Grundsätze dieses BMF-Schreibens in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn die Beteiligten bei der Zahlung für vor dem 1. November 2021 durchgeführte Abmahnleistungen übereinstimmend, d. h. auch hinsichtlich eines Vorsteuerabzugs beim Abgemahnten, von einem nicht steuerpflichtigen Entgelt ausgehen. Diese Voraussetzungen für eine Nichtanwendung sind im Streitfall weder dargelegt noch nachgewiesen. Insbesondere liegen dem Gericht keinerlei Nachweise darüber vor, dass die Abgemahnten davon ausgehen, keinen Vorsteuerabzug zu besitzen.

Dem Kläger steht auch kein Vertrauensschutz gem. § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO aufgrund der BFH-Urteile vom 21. Dezember 2016 (XI R 27/14, BStBl. II 2021, 779) und vom 13. Februar 2019 (XI R 1/17, BFH/NV 2019, 793) zu. Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist, geändert hat. Damit werden die Fälle umfasst, in denen sich die Rechtsprechung erst nach dem Erlass des ursprünglichen Bescheids, aber vor Erlass des Änderungsbescheids geändert hat. In diesem Fall ist der Steuerpflichtige so zu behandeln, wie er ohne die Rechtsprechungsänderung gestanden hätte (vgl. BFH, Urteil vom 25. April 2013 – V R 2/13, BStBl. II 2013, 844).

Eine Änderung der Rechtsprechung in o.g. Sinne liegt nicht vor.

Der BFH knüpft in seinen Urteilen vom 21. Dezember 2016 (XI R 27/14, BStBl. II 2021, 779) und vom 13. Februar 2019 (XI R 1/17, BFH/NV 2019, 793) an eine Entscheidung aus dem Jahre 2003 an (BFH, Urteil vom 16. Januar 2003 – V R 92/01, BStBl. II 2003, 732). Bereits seinerzeit hatte der BFH ausgeführt, dass ein Verband (ein sog. Abmahnverein) i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG mit der Abmahnung an den abgemahnten Unternehmer eine Leistung gegen Entgelt erbringe, soweit er für diesen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig werde. Zwischen der Geschäftsführerleistung und dem Aufwendungsersatz, der dem Abmahnverein zusteht, bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang. Der Aufwendungsersatz sei der Gegenwert für die Abmahnleistung des Vereins. Für eine umsatzsteuerbare Leistung gegen Entgelt sei eine „Zielgerichtetheit des Handelns” in dem Sinne, „dass die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung um des Aufwendungsersatzes willen” erfolgen müsse, nicht erforderlich. Es reiche aus, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehe, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht würden, und wenn zwischen der erbrachten Leistung und dem hierfür erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben sei.

Auch der Kläger hat mit seinen Abmahnungen steuerbare und steuerpflichtige Leistungen erbracht. Das bestimmende Rechtsverhältnis zwischen ihm und den Abgemahnten ist insofern kein anderes (so BFH, Urteil vom 13. Februar 2019, XI R 1/17, BFH/NV 2019, 793).

Eine Änderung der Rechtsprechung i.S.v. § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO würde zudem voraussetzen, dass ein BFH-Urteil existiert hätte, was im Hinblick auf die im Streit stehenden Abmahnleistungen einen nichtsteuerbaren Schadensersatz angenommen hätte. Auch hieran fehlt es.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO, die Kostenentscheidung auf § 135 Abs. 1 FGO.