Gericht | FG Cottbus 6. Senat | Entscheidungsdatum | 23.05.2023 | |
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Aktenzeichen | 6 K 6019/21 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2023:0523.6K6019.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Beklagte wird verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 10.10.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.02.2021 dergestalt zu ändern, dass keine Einkünfte aus Kapitalvermögen des Klägers in Höhe von EUR 75.000,- berücksichtigt werden.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Beschluss:
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 10.10.2018 aufgrund des klägerischen Änderungsantrags vom 24.09.2019 im Hinblick auf eine doppelt erfasste Dividende korrigiert werden muss.
Der Kläger war im Streitjahr sowie in den Jahren davor Alleingesellschafter-Geschäftsführer der C… GmbH, einer zur Nummer HRB … beim Amtsgericht D… ins Handelsregister eingetragenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (nachfolgend: die GmbH). Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass er im Streitjahr 2017 an seine GmbH im Wege einer Betriebsaufspaltung wesentliche Betriebsgrundlagen vermietete und somit Ausschüttungen der (Betriebs-)GmbH an den Kläger als Inhaber des Besitzunternehmens als dessen Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren waren.
Aufgrund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung der GmbH vom 16.10.2017 erhielt der Kläger in 2017 eine Dividende aus der GmbH in Höhe von EUR 75.000,- ausbezahlt, auf die die GmbH ordnungsgemäß EUR 18.750,- Kapitalertragsteuer und EUR 1.031,25 Solidaritätszuschlag einbehielt und abführte.
Die Steuererklärungen für das Jahr 2017 wurden vom heutigen Klägerbevollmächtigten erstellt und am 29.08.2018 beim Beklagten elektronisch eingereicht.
Darin wurde für den Kläger zum einen ein Gewinn aus Gewerbebetrieb (Besitzunternehmen, „Vermietung und Verpachtung“, Zeile 4 der Anlage G) in Höhe von EUR 107.724,83 erklärt. Flankiert wurde diese Eintragung von der Eintragung in Zeile 13 der Anlage G, dass in dem Betrag von EUR 107.724,- Erträge in Höhe von EUR 30.000,- nicht enthalten seien, die durch das Teileinkünfteverfahren freigestellt seien.
Aus der zusammen mit der Erklärung 2017 eingereichten elektronischen Gewinn- und Verlustrechnung sowie einer flankierenden steuerlichen Überleitungsrechnung des klägerischen Besitzunternehmens für 2017 ergab sich, dass sich der gewerbliche Gewinn in Höhe von EUR 107.724,83 aus einem Jahresüberschuss von EUR 133.167,83 herleitete, in dem Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in Höhe von EUR 75.000,- enthalten waren. Im Rahmen der steuerliche Überleitungsrechnung wurden zudem eine Abrechnung der i.R.d. Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Einkommensteuergesetz – EStG – steuerfreien Erträge in Höhe von EUR 30.000,- EUR sowie Zurechnungen nach § 4 Abs. 5b EStG in Höhe von EUR 4.557,- vorgenommen (EUR 133.167,83 ./. EUR 30.000,- + EUR 4.557,- = EUR 107.724,83).
Zum anderen erklärte der Klägerbevollmächtigte in der Einkommensteuererklärung der Kläger für 2017 auch in der Anlage KAP, Zeile 7, Feld 10 („Beträge lt. Steuerbescheinigungen“) Kapitalerträge in Höhe von EUR 75.000,-, wobei die Steuerbescheinigung nicht beigefügt war. Sie wurde im Rahmen der Veranlagung auch nicht angefordert.
Auf Nachfrage des Finanzamts nach Einreichung der Steuererklärungen reichte der Klägervertreter am 20.09.2020 zudem auch Kontennachweise zur Bilanz der GmbH für 2017 ein, aus denen – zwischen den Beteiligten unstreitig – eine Ausschüttung im Jahr 2017 aus dem Unterschiedsbetrag der Gewinnvorträge abgeleitet werden konnte.
Die Veranlagung zur Einkommensteuer 2017 erfolgte sodann insoweit erklärungsgemäß mit Einkommensteuerbescheid 2017 vom 10.10.2018. In diesem Bescheid wurden auf Seite 2 EUR 107.724,- Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers berücksichtigt. Zudem wurden auf Seite 3 auch EUR 75.000,- Kapitalerträge aufgelistet („Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs.- 1 EStG besteuert werden“). Im Erläuterungsteil des Bescheides finden sich – programmtechnisch automatisch aufgenommen – sowohl Hinweise zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers (EUR 30.000,-) als auch Hinweise darauf, dass bzgl. der erklärten Kapitalerträge eine Günstigerprüfung beantragt worden, diese jedoch negativ ausgefallen sei.
Dieser Einkommensteuerbescheid 2017 wurde bestandskräftig.
Am 24.09.2019 beantragte der Klägerbevollmächtigte für die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2017 „nach §173 Abs. 1 Nr. 2 AO bzw. nach § 129 AO“. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Dividendenzahlung der GmbH i.H.v. EUR 75.000,- sei versehentlich doppelt erklärt worden. Aufgrund der der Bearbeiterin im Steuerbüro vorliegenden Steuerbescheinigung für die Dividendenzahlungen sei in der Anlage KAP bei der Erfassung der abzugsfähigen Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags versehentlich nochmals die Dividende in Zeile 7 als „Kapitalerträge“ erfasst worden und die anzurechnende Kapitalertragsteuer sowie der Solidaritätszuschlag in den Zeilen 47 und 48. Richtigerweise hätte die Dividende in der Anlage KAP nicht noch einmal eingetragen werden dürfen und die hier anzurechnende Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag zu Erträgen aus anderen Einkünften in den Zeilen 53 und 54 eingetragen werden müssen. Dies sei nachträglich, nämlich erst im Rahmen der Prüfung des Steuerbescheides 2018, im Büro des Bevollmächtigten aufgefallen. Ein grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO liege nicht vor. Auch der 4. Senat des erkennenden Finanzgerichts sei in seinem Urteil vom 23.02.2005 zum Az. 4 K 930/01 davon ausgegangen, dass eine versehentliche Doppelerfassung von Einnahmen auch unter Mitwirkung eines Steuerberaters kein grobes Verschulden darstelle. Im Hinblick auf § 129 AO trug der Bevollmächtigte zudem vor, der Eintragungsfehler hätte seitens des Finanzamt erkannt werden müssen, weil die 40 % nach § 3 Nr. 40 EStG freigestellten Ertragsteile in Höhe von EUR 30.000,-, die mit diesem Betrag auch in Anlage G eingetragen wurden, mit der in Anlage KAP eingetragenen Dividende (100 %: EUR 75.000,-) rechnerisch korrespondierten.
Mit Bescheid vom 18.10.2019 lehnte der Beklagte die beantragte Änderung ab. Die „Doppelberücksichtigung" stelle bereits keine Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dar. Vielmehr sei die Tatsache die Dividendenzahlung durch die GmbH, die jedoch bei Erlass des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2017 bereits bekannt gewesen sei. Nach § 129 AO komme eine Änderung ebenfalls nicht in Betracht, da kein Fehler des Beklagten vorliege. Für Fehler des Steuerpflichtigen, welche bei der Erstellung der Erklärung unterlaufen sind, sei die neu geschaffene Änderungsvorschrift des § 173a AO zu prüfen. Im vorliegenden Fall scheide die Änderung nach dieser Vorschrift allerdings aus, da es sich bei der doppelten Erklärung der Dividendenzahlung nicht um einen Schreib- oder Rechenfehler handele.
Hiergegen legten die Kläger am 29.10.2019 Einspruch ein. Begründend wurde im Wesentlichen auf den bereits im Änderungsantrag erfolgten Vortrag verwiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Regelung des § 173a AO der Anwendung des § 129 AO nicht entgegenstehe. Die in Nr. 4 AEAO zu § 129 AO vertretene Auffassung, dass das Finanzamt aufgrund der maschinellen Bearbeitung den Fehler nicht erkennen und sich damit nicht zu eigen machen könne, werde ausdrücklich nicht geteilt. Im Hinblick auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sei die Doppelberücksichtigung ein und derselben Dividende als Tatsache zu werten. Im Rahmen eines Schriftwechsels im Einspruchsverfahren ergänzte der Bevollmächtigte zudem, dass sich aus dem während der Einkommensteuerveranlagung auch angeforderten Kontennachweis zur Gewinn- und Verlustrechnung der GmbH der Ausschüttungsbetrag von EUR 75.000,- ergebe (Differenz in der Höhe des Gewinnvortrags zwischen 2016 und 2017). Es habe sich aufgrund dieser ausgewiesenen Kapitalverminderung zwingend aufgedrängt, dass es sich bei den in der Anlage KAP ausgewiesenen Kapitalerträgen nur um eine Ausschüttung aus der Betriebs-GmbH habe handeln können. Auch hätten keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen von Kapitaleinkünften aus anderen Quellen vorgelegen. Zudem liege im Hinblick auf § 173 Abs. 2 Nr. 1 AO kein Fall groben Verschuldens vor, da die Eintragung grundsätzlich anhand der Erläuterungen in der Anlage KAP und der Feldbezeichnungen korrekt vorgenommen worden sei. Der Fehler bestehe lediglich darin, dass übersehen worden sei, dass die Kapitalerträge bereits als Einnahmen bei dem Besitzunternehmen erfasst worden waren und deshalb hier keine Eintragung hätte vorgenommen werden dürfen. Ein Hinweis bei Zeile 7 der Anlage KAP, dass unter der entsprechenden Kennziffer keine Eintragungen erfolgen dürften, wenn die Ausschüttungen bereits bei anderen Einkünften berücksichtigt worden sind, fehle den Formularen. Bei der Bescheidprüfung sei der Fehler nicht aufgefallen, da rechnerisch keine Abweichung zwischen Erklärungsinhalt und Bescheid vorgelegen habe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 02.02.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und wiederholte im Wesentlichen seine bereits in der Vorkorrespondenz und der Ablehnungsentscheidung gegebene Begründung: § 129 AO sei nicht einschlägig, weil weder ein Rechtsirrtum auf Seiten der erklärenden Steuerpflichtigen und ihrer Bevollmächtigten auszuschließen sei, noch sei der Fehler für das Finanzamt ohne die – für 2017 nie vorgelegte – Steuerbescheinigung eindeutig erkennbar gewesen und sei allenfalls Anlass für weitere Sachverhaltsermittlungen gewesen, was einen Fall des § 129 AO ausschließe. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sei aufgrund des groben Verschuldens nicht einschlägig. Insbesondere seien die Hinweise in den Formularen hinreichend eindeutig gewesen und seien zum Teil, u.a. hinsichtlich der nicht mit der Erklärung eingereichten Steuerbescheinigung im Original, nicht beachtet worden. Im Lichte des sehr großen Dividendenbetrages von EUR 75.000,- sei dies besonders zu gewichten. Schließlich sei ein grobes Verschulden auch deswegen anzunehmen, weil dem Bevollmächtigten, dessen Verschulden den Klägern zuzurechnen sei, der Fehler spätestens bei der Prüfung des Bescheides hätte auffallen müssen. Andere Änderungsgrundlagen kämen nicht ernsthaft in Betracht.
Hiergegen haben die Kläger am 25.02.2021 Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg erhoben. Zur bereits im Antrags- und Einspruchsverfahren gegebenen Begründung ergänzen die Kläger, die Hinweise in der Anlage KAP, Zeile 7, seien nicht eindeutig, wenn dort über der Zeile stehe „Kapitalerträge lt. Steuerbescheinigungen“. Ein Hinweis bei Zeile 7, dass dort keine Eintragung erfolgen dürfe, wenn eine Dividende bereits bei anderen Einkünften berücksichtigt worden sei, fehle dort dem Formular. Die mit der Erklärung befasste Mitarbeiterin habe im Lichte der Zeilenüberschrift lediglich vorsichtig sicher gehen wollen, alle Erträge aus vorliegenden Steuerbescheinigungen vollständig zu erklären. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht sei jedenfalls nicht in einem ungewöhnlichen großen Maße gegeben.
Entgegen den Ausführungen des Beklagten zu § 129 AO müsse zudem die Steuerbescheinigung 2017 vorgelegen haben; denn sonst wäre im Bescheid die Anrechnung eines Betrages in Höhe von EUR 19.781,25 nicht ohne Weiteres erfolgt. Zudem sei aus dem vorgelegten Kontennachweis der GmbH eindeutig erkennbar gewesen, dass die erklärten Kapitalerträge und die Anrechnungsbeträge nur die Ausschüttung der GmbH betreffen konnten: Der Kontennachweis zur Gewinn- und Verlustrechnung 2017 der GmbH weise auf Seite 8 für das Vorjahr einen Gewinnvortrag nach Verwendung von EUR 193.456,87 aus. Unter Berücksichtigung des direkt darüber ausgewiesenen Jahresfehlbetrages von EUR 5.980,45 ergebe sich eine Differenz zu dem für das Jahr 2018 ausgewiesenen Gewinnvortrag in Höhe von genau EUR 75.000,-, also in Höhe des Ausschüttungsbetrages. Es habe sich somit bei den in Anlage KAP eingetragenen Erträgen nur um diese Kapitalminderung, also der Ausschüttung aus der GmbH in gleicher Höhe, handeln können.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 10.10.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.02.2021 dergestalt zu ändern, dass keine Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von EUR 75.000,- berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, dem Beklagten habe keine Steuerbescheinigung zur Dividende in Höhe von EUR 75.000,- vorgelegen. Dies sei entscheidend, denn nur mittels Steuerbescheinigung hätte die Verbindung von erklärten Kapitalerträgen zur Ausschüttung der GmbH an den Kläger gezogen werden können. Im Übrigen werde auf die Begründung der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Für weitere Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Korrespondenz in der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Steuerakten (1 Bd. Rb.-Akte, 1 Bd. Auszug aus der Einkommensteuerakte 2017, 1 Bd. ESt.-Akte in grün).
Die Klage hat Erfolg; denn sie ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, und auch begründet.
I. Die Klage ist begründet, weil der Ablehnungsbescheid vom 10.10.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.02.2021 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt. Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf die beantragte Än-derung des Einkommensteuerbescheides 2017, § 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO.
1. Der Senat kann im Ergebnis offenlassen, ob der Anspruch hier bereits aus § 129 AO folgt.
a) Nach dieser Vorschrift kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten, zu dem die Festsetzung einer zu hohen Steuer gezählt wird, ist zu berichtigen.
b) Die Regelung erfasst nach ihrer Zielsetzung Fälle, in denen der erklärte Inhalt eines Verwaltungsaktes vom gewollten Inhalt abweicht (BFH, Urteil vom 6.11.2012 – VIII R 15/10 –, BStBl. II 2013, 307). Dies kommt auch im Gesetzeswortlaut („berichtigen“ anstatt „aufheben“ oder „ändern“) zum Ausdruck.
Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche mechanische Versehen, die in einem sonstigen mechanischen, zumal unbewussten Vertun bestehen (vgl. etwa Urteil des Finanzgericht Sachsen-Anhalt vom 15.08.2012 – 3 K 325/08 –, EFG 2013, 996). Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist und der Fehler auf bloßes mechanisches Versehen zurückzuführen ist. Nicht unter § 129 fallen deshalb Fehler der Willensbildung (BFH, Urteil vom 1.07.2010 – IV R 56/07 –, BFH/NV 2010, 2004), namentlich Rechtsirrtümer, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts und Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen (vgl. etwa BFH, Urteil vom 21.01.2010 – III R 22/08 –, BFH/NV 2010, 1410). Eine offenbare Unrichtigkeit scheidet bereits dann aus, wenn eine mehr als theoretische Möglichkeit besteht, dass der Fehler auf den vorgenannten Ursachen beruht (BFH, Urteil vom 01.07.2010 – IV R 56/07 –, BFH/NV 2010, 2004).
§ 129 AO gilt nicht für offenbare Versehen des Steuerpflichtigen oder eines anderen Beteiligten, sondern nur für Fehler, welche der Finanzbehörde beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind. Eine offenbare Unrichtigkeit kann jedoch vorliegen, wenn die Finanzbehörde eine bspw. in der Steuererklärung enthaltene offenbare Unrichtigkeit als eigene in den Bescheid übernimmt (sog. „Übernahmefehler“, st. Rspr., vgl. etwa BFH, Urteil vom 24.07.1984 – VIII R 304/81 –, BStBl. II 1984, 785). Der „mechanische“ Fehler muss dann sowohl auf Seiten des Erklärenden als auch auf Seiten der Finanzbehörde vorliegen.
Ob die Möglichkeit eines Rechtsirrtums oder eines diesem gleichgestellten Fehlers auszuschließen ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles, vor allem nach der Aktenlage (vgl. nur BFH, Urteil vom 1.07.2010 – IV R 56/07 –, BFH/NV 2010, 2004 m.w.N.).
c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht hier aus Sicht des Senats einiges dafür, dass den Klägern, vertreten vom Bevollmächtigten, kein „mechanischer“ Fehler bei Ausfüllen der Steuererklärung unterlaufen sein dürfte, so dass die unter § 129 AO gefasste Fallgruppe der „Übernahmefehler“ nicht vorliegen dürfte; denn die Kläger haben im Klageverfahren zu den Hintergründen der Eintragung der vom Kläger empfangenen Dividende aus der GmbH vorgetragen, die im Büro des Bevollmächtigten befasste Mitarbeiterin habe – im Lichte der Formularausgestaltung in Zeile 7 der Anlage KAP, der gerade kein Hinweis vorangestellt sei, dass eine Eintragung dann zu unterlassen sei, wenn eine Ausschüttung bereits bei anderen Einkunftsarten berücksichtigt worden sei – die bereits in Anlage G eingetragene Dividende aus Vorsichtserwägungen auch in Zeile 7 der Anlage KAP eingetragen. Dies sei geschehen, um keine Angaben zu unterlassen, die für die Besteuerung erheblich sein könnten.
Mit dieser Begründung dürfte die so beschriebene Erklärungseingabe keinen Akt der Willensäußerung, sondern der Willensbildung beschreiben. Grundsätzlich im Lichte von steuerstrafrechtlichen Risiken und standesrechtlichen Pflichten zu begrüßende Vorsichtserwägungen dürften bei Auslegung der Formularfeldüberschriften zu einem ebenso vorsichtigen Subsumtionsverhalten der Mitarbeiterin des Bevollmächtigten geführt haben und somit zu einem womöglich zu weitgehendem Erklärungsverhalten. Der Irrtum darüber, welche Dividende bei zutreffender Auslegung eines Steuererklärungsformulars in ein bestimmtes Feld im Erklärungsformular einzutragen ist, stellt jedoch kein mechanisches Versehen bei der Willensäußerung dar, sondern ist das Ergebnis eines vom Erwartungshorizont des Formularerstellers offenbar abweichenden Vorgangs bei der rechtlichen Willensbildung, meist das Vorstadium der Willensäußerung.
2. Der Anspruch dürfte hier – ohne dass es darauf im Ergebnis ankommt – auch nicht aus § 173a AO folgen; denn § 173a AO stellt nur auf Schreib- oder Rechenfehler des Steuerpflichtigen ab, die hier unstreitig nicht vorliegen. Eine zwischen den Beteiligten streitige „Ähnliche offenbare Unrichtigkeit“ wird vom Anwendungsbereich des § 173a AO – anders als bei § 129 AO – ausdrücklich nicht erfasst.
3. Der Anspruch der Kläger auf Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2017 folgt jedoch aus § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.
a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit neue Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und soweit den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
b) Bei der Doppelerfassung derselben Zahlung der GmbH an den Kläger handelt es sich um eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache. Der Beklagte stellt im vorliegenden Fall selbst darauf ab, dass der Veranlagungsstelle nicht bekannt gewesen sei, dass es sich bei der in der Anlage KAP eingetragenen Dividende um dieselbe Dividende handele, die auch bereits Eingang in die steuerliche Ermittlung des gewerblichen Gewinns des klägerischen Besitzunternehmens gefunden hatte. Bei der Höhe der dem Kläger insgesamt zugeflossenen Einnahmen handelt es sich zur Überzeugung des Senats also um eine Tatsache. Nur bei der Änderung von Schätzungsbescheiden zur Einkommensteuer stellt der Bundesfinanzhof auf eine vollständig neue Gewinnermittlung als einzig als nachträglich bekanntgeworden denkbare Tatsache ab (vgl. die Nachweise bei Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl., 2022, § 173 Rz. 29). Um einen Schätzungsfall handelt es sich hier jedoch nicht.
c) Die Erfassung der Hälfte der bisher angenommenen Dividendenzahlungen führt auch unstreitig zu einer niedrigeren Steuer.
d) Im Streitfall konnte der erkennende Senat schließlich auch nicht feststellen, dass die Kläger oder dessen Bevollmächtigten ein grobes Verschulden daran trifft, dass die Dividendendoppelerfassung erst nachträglich bekannt geworden ist.
(1) Grobes Verschulden liegt vor, wenn der Steuerpflichtige, der sich einen Pflichtverstoß seines Beraters als eigenen zurechnen lassen muss, vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.
Für die Annahme von Vorsatz ist in tatsächlicher Hinsicht nichts vorgetragen oder aus den Akten ersichtlich.
Grob fahrlässig handelt, wer die ihm persönlich zuzumutende Sorgfalt in außergewöhnlichen Maße in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH, Urteile vom 22.05.2006 – VI R 17/05 –, BStBl. II 2006, 806 und vom 06.10.2004 – X R 14/02 –, BFH/NV 2005, 156). Es soll dadurch eine Korrektur eines Steuerbescheides zu Gunsten des Steuerpflichtigen ausscheiden, wenn sie angesichts schwerwiegender, durch besonderen Schuldvorwurf qualifizierte Pflichtverstöße aus dem Verantwortungsbereich der Steuerpflichtigen als treuwidrig anzusehen wäre.
Abzugrenzen ist die grobe Fahrlässigkeit von der leichten Fahrlässigkeit, d.h. von Nachlässigkeiten, mit denen immer gerechnet werden muss und die üblicherweise vorkommen und selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht vermieden können (BFH, Urteile vom 10.02.2015 – IX R 18/14 –, BStBl. II 2017, 7 und vom 13.09.1990 – V R 110/85 –, BStBl. II 1991, 124).
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dabei grundsätzlich davon auszugehen, dass Fehler des Steuerpflichtigen auf einem Versehen, also auf einer leichten Fahrlässigkeit beruhen; Anhaltspunkte, die dagegen auf ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen hinweisen, sind von der Finanzbehörde, die insoweit die Feststellungslast trägt, darzulegen und ggfs. zu beweisen (BFH, Urteile vom 10.02.2015 – IX R 18/14 –, BStBl. II 2017, 7 und vom 22.05.1992 – VI R 17/91 –, BStBl. II 1993, 80).
Die Würdigung, ob eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist Tatfrage und anhand des Verhaltens des Steuerpflichtigen in seiner Gesamtheit festzustellen (BFH, Urteil vom 26.08.1987 – I R 144/86 –, BStBl. II 1988, 109).
Ein Steuerpflichtiger hat sich im Zusammenhang mit § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO das Verschulden eines von ihm hinzugezogenen steuerlichen Beraters wie eigenes Verschulden zurechnen zu lassen (z.B. BFH, Urteil vom 09.05.2012 – I R 73/10 –, BStBl. II 2013, 566, m.w.N.). Für die Prüfung des Verschuldens eines steuerlichen Beraters gelten entsprechend der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten zudem erhöhte Sorgfaltsanforderungen, so dass von einem steuerlichen Berater die Kenntnis und sachgemäße Anwendung steuerrechtlicher Bestimmungen und das entsprechend von Formularabfragen und Erklärungshinweisen folgerichtige Ausfüllen der Steuererklärung erwartet werden kann.
(2) Ein persönliches Verschulden der Kläger bei der Zuarbeit zur Einkommensteuererklärung 2017 oder der Auswahl und Überwachung des Klägerbevollmächtigten bei Erstellung der Steuererklärungen für 2017 ist weder vorgetragen worden noch anderweitig aus den Akten ersichtlich. Zur Überzeugung des erkennenden Senats dürfte ein Überwachungsverschulden eines nicht den steuer- oder rechtsberatenden Berufen zugehörigen Steuerpflichtigen im Bereich der Besteuerung von Kapitalerträgen, dem Zusammenwirken von Kapitalertragsteuer und veranlagter Einkommensteuer und Abgeltungsteuer ohnehin nur in ganz wenigen, besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen; denn dieser Bereich an der Schnittstelle zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht einerseits sowie Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerpflichten des einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtigen Ertragsgläubigers und des abzugssteuerpflichtigen Ertragsschuldners dürfte aus Sicht des Senats zu den komplexeren Besteuerungsthemen gehören, die schließlich hier im Fall auch noch vom gesetzlich ohnehin kaum ausdrücklich geregelten Recht der gewerblichen Betriebsaufspaltung überlagert wird. In dem Eindruck der eher überdurchschnittlichen Komplexität der betroffenen Deklarationsthemen ist der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2023 dadurch bestärkt worden, dass dort im Rahmen des Rechtsgesprächs ganz unterschiedliche Vorschläge zur Beantwortung der vom Vorsitzenden aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Beteiligten gemacht worden sind.
(3) Auch ein grobes Verschulden des Klägerbevollmächtigten an dem verspäteten Bekanntwerden der Doppelberücksichtigung lag zur Überzeugung des erkennenden Senats nicht vor. Weder beim Ausfüllen der Steuererklärung (hierzu aa) noch bei der Prüfung der Steuerbescheide (hierzu bb) erkennt der Senat eine besonders schwerwiegende, also grobe Pflichtverletzung des Bevollmächtigten, der sich seinerseits etwaiges Verschulden seiner Büromitarbeiter zurechnen lassen muss.
aa) Im Hinblick auf das Ausfüllen der Anlage KAP ist der Senat bereits nicht zur hinreichenden Überzeugung gelangt, dass aus Sicht eines fachkundigen, die Vollständigkeit der steuerlichen Erklärungsinhalte aus strafrechtlicher, haftungsrechtlicher und standesrechtlicher Motivation sicherstellenden Steuerberaters hier die Eintragung von an den Kläger gezahlten Dividenden tatsächlich in Zeile 7 zu unterlassen ist, wenn und obwohl diese Ausschüttung dann später im Ergebnis einer von § 20 EStG abweichenden Einkunftsart zuzuordnen ist. Das Formular ist überschrieben mit „Einkünfte aus Kapitalvermögen“, wozu nach der mit dieser Überschrift in Bezug genommenen Vorschrift nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG auch Ausschüttungen aus Kapitalgesellschaften gehören, so dass jedenfalls aus der Überschrift der Anlage KAP noch nicht ersichtlich wird, dass eine Eintragung der Dividende an den Kläger aus 2017 hier unterbleiben muss.
Dem folgend ist der Formularabschnitt, zu dem Zeile 7 der Anlage KAP gehört, überschrieben mit „Kapitalerträge, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben“, bevor Zeile 7 vorangestellt das Formularfeld als „Kapitalerträge“ (ergänzt mit der Spaltenbezeichnung „Beträge lt. Steuerbescheinigungen“) bezeichnet wird. Bei fachkundiger Lektüre des Begriffs „Kapitalerträge“ kann hieraus nur der Schluss gezogen werden, dass das Formular an dieser Stelle auf § 43 EStG Bezug nimmt, in dessen Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Dividenden „im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1“ – also auch die hier erfolgte Ausschüttung einer Kapitalgesellschaft – ausdrücklich als dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegender Kapitalertrag genannt werden. Der erkennende Senat sieht deswegen die Eintragung der Dividende an den Kläger in Zeile 7, Feld 10 der Anlage KAP nicht nur nicht als Pflichtverletzung, sondern sieht eine solche Eintragung – die Auslegung der Überschriften einbeziehend – bis hierhin sogar als aus Sicht eines fachkundigen Steuerberaters im Lichte des Gesetzeswortlauts geboten an.
Infolgedessen kann auch die Eintragung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer sowie des dazugehörigen Solidaritätszuschlags in Zeile 48 und Zeile 49 der Anlage KAP nur folgerichtig sein; denn der dortige Formularabschnitt ist überschrieben mit „Steuerabzugsbeträge zu Erträgen in den Zeilen 7 …“. Ein fachkundiger Vertreter, der in Zeile 7 der Anlage KAP entsprechend der gesetzlichen Systematik auch – wie soeben gezeigt am Gesetzeswortlaut nachvollziehbar – Dividenden eingetragen hat, die erst aufgrund der Subsidiarität der Kapitaleinkünftequalifizierung zu anderen Einkunftsarten (§ 20 Abs. 8 Satz 1 EStG) nicht bei den Kapitaleinkünften berücksichtigt werden, muss aus Sicht des erkennenden Senats aus dieser Überschrift schließen, dass vom in Zeile 7 eingetragenen Dividendenbetrag abgezogene Kapitalertragsteuer- und Solidaritätszuschlagsbeträge nun auch folgerichtig in den Zeilen 48 und 49 einzutragen sind. Auch dies entspricht im Übrigen dem gesetzlichen Zusammenwirken aus Abzugssteuern und Steuerveranlagung; denn § 43 Abs. 4 EStG stellt ausdrücklich klar, dass der Steuerabzug auch dann vorzunehmen sei, wenn die Kapitalerträge beim Gläubiger zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören.
Der bis hierhin die Anlage KAP entsprechend diesem geschilderten Verständnis ausfüllende fachkundige Berater dürfte nun bei weiterer Lektüre der Anlage KAP womöglich erstaunt sein, wenn der folgende Formularabschnitt, zu dem auch die Zeilen 54 und 55 gehören, in denen der hiesige Beklagte die Eintragung der im vorliegenden Fall erfolgten Abzugssteuern erwartet hätte, überschrieben ist mit „Anzurechnende Steuern zu Erträgen in den Zeilen 21 bis 25, 45 bis 47 und aus anderen Einkunftsarten“. Bei der Entscheidung, ob auf die Dividende abgeführte Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag nun bei den Feldern in Zeile 48 und Zeile 49 wieder herauszustreichen und stattdessen in Zeile 54 und Zeile 55 einzutragen sind, erscheint es im Lichte der zuvor als zutreffend erachteten Eintragung in Zeile 7 des Formulars und der insofern eindeutigen Überschrift des die Zeilen 48 und 49 enthaltenen Formularabschnitts („Steuerabzugsbeträge zu Erträgen in Zeilen 7 …“, Anm.: Unterstreichung durch den Senat) richtig, die abgezogenen Steuerbeträge besser und vorsichtshalber in den Zeilen 48 und 49 zu belassen als stattdessen in die Zeilen 54 und 55 zu übertragen; denn die Zuordnung zur anderen Einkunftsart ist ein Ergebnis rechtlich womöglich streitbarer Würdigung des Erklärenden, während die damit abzuwägende Tatsache, dass ein Kapitalertrag in Zeile 7 der Anlage KAP eingetragen worden war, durch einen Irrtümer quasi ausschließenden einfachen Blick auf die Vorseite des gerade in Bearbeitung befindlichen Formulars festgestellt werden kann.
Dem Senat ist bewusst, dass es die Anforderungen an Sorgfaltspflichten eines Steuerberaters oder des Mitarbeiters nicht gerecht wird, nur und isoliert auf die Ausgestaltung der Formulare selbst zu schauen. Auch der Senat sieht es als Pflicht des Steuerberaters an, sich mit Anleitungen und Erklärungshinweis zu den Formularen auseinanderzusetzen und diese bei der Erklärung hinzuzuziehen. Doch auch der offiziellen „Anleitungen zur Anlage KAP 2017“ kann der Senat nicht eindeutig entnehmen, dass die an den Kläger gezahlte Dividende, welche als Ergebnis von erst in der Veranlagung und nicht bereits beim Steuerabzug zu würdigenden Subsidiaritätsklauseln nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen der Kläger gehören, nicht zumindest aus steuerberatenden Vorsichtserwägungen (Vermeidung steuerstrafrechtlicher Risiken, Haftungsrisiken, standesrechtlicher Risiken) auch in Zeile 7 mit der entsprechenden Folgeeintragung in Zeile 48/49 der Anlage KAP einzutragen war. Im Gegenteil: Direkt im ersten Hinweis zur Beantwortung der aus methodischen Gründen selbst gestellten Frage „Wann ist die Anlage KAP auszufüllen“ (engl. wohl: „Q&A“, Seite 1, rechte Spalte) erfolgt der ausdrückliche Hinweis:
„Füllen Sie die Anlage KAP bitte stets auch aus, wenn einbehaltene inländische Kapitalertragsteuer, einbehaltener Solidaritätszuschlag, einbehaltene Kirchensteuer im Zusammenhang mit anderen Einkunftsarten anzurechnen oder zu erstatten sind.“
Bei weiterer Durchsicht der Hinweise verfestigt sich dieser Eindruck, nämlich dass ein vorsichtiger Steuerberater eine Dividende, die im Ergebnis nicht den Kapitaleinkünften zuzuordnen ist, dennoch in Zeile 7 der Anlage KAP zunächst eintragen sollte, denn zur zweiten Frage enthält die Anleitung die Aufforderung:
„Erklären Sie in den Zeilen 7-11 … Kapitalerträge, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben.“
Schließlich lässt auch der Hinweis zu Zeile 48 aus Sicht des erkennenden Senats keinen anderen Schluss zu, als dass die auf die an den Kläger gezahlte Dividende einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer hier einzutragen ist, wenn sie vertretbarer Weise auch in Zeile 7 eingetragen worden war; denn auf Seite 2 der Anleitung zu Zeile 48 heißt es ausdrücklich:
„Die von den Erträgen der Zeilen 7-9 … einbehaltene Kapitalertragsteuer geben Sie bitte in Zeile 48 an.“
Die dargestellte Würdigung der Schwere des dem Kläger zuzurechnenden Verschuldens des Bevollmächtigten vor dem Hintergrund von Formularklarheit und Hinweisklarheit der Anlage KAP wird im Übrigen auch nicht dadurch beeinflusst, dass dem Beklagten womöglich in seiner digitalen Ansichtsmaske oder per Ausdruck diese Formularansicht der Anlage KAP, wie sie der Steuerpflichtige ausfüllt, gar nicht zur Verfügung steht, sondern nur die „Ausdrucksart: Erklärte Werte und Erläuterungen des Steuerpflichtigen“. Der Steuerberater hat keinen Einfluss darauf, in welcher Form und mit welcher Ansicht die Finanzverwaltung auf die von ihm eingegebenen Daten schaut oder diese auswertet, so dass hieran auch keine abweichende Beurteilung zu seinem Verschuldensgrad geknüpft werden kann.
Ergänzend teilt der Senat mit, dass er bei der Auslegung der Formularfelder und offiziellen Ausfüllhinweise durchaus andere, abweichende Interpretationen für denkbar und vertretbar hält. Allein die Tatsache, dass die Finanzverwaltung – sicher auch infolge eines in Teilen kaum simplifizierbaren, überkomplexen Steuersystems mit unter großem Zeit- und Krisendruck entworfenen Gesetzen, Verwaltungsvorschriften, Anleitungen und Formularen – keinen Erfolg bei dem Versuch hatte, Erklärungsformulare und flankierende Anleitungen eindeutig und ohne verbleibende Interpretationsspielräume auszugestalten, schließt es aus Sicht des erkennenden Senats aber jedenfalls aus, den auf der anderen Seite des Steuerschuldverhältnisses mitwirkenden Steuerberater beim Ausfüllen dieses Formulars eine besonders grobe in Abgrenzung zu einer bloß einfach fahrlässigen Pflichtverletzung vorzuwerfen, wenn eine Fehleintragung aufgrund der mehrdeutigen Formularausgestaltung erfolgt.
Ohne dass es aufgrund der oben beschriebenen mehrdeutigen Formular- und Hinweisgestaltung für die Entscheidung des Falls darauf ankäme, hat der Senat ganz unabhängig von der eindeutigen oder mehrdeutigen Ausgestaltung von Steuererklärungsformularen schließlich erhebliche Zweifel, ob die Mehrfacheintragung von nämlichen Einnahmen, soweit sie dem Grunde nach zu verschiedenen Einkunftsarten zu zählen sind und erst infolge von Konkurrenzregeln (wie § 20 Abs. 8 EStG) aus dem jeweiligen Besteuerungsregime einer der betroffenen Einkunftsarten ausscheiden, überhaupt als grob fahrlässiger Pflichtverstoß des Beraters eingestuft werden kann, zumal bei der Anlage KAP Eintragungen zu mehreren Einkunftsarten erforderlich sein können.
bb) Ein zurechenbares Verschulden kann der Senat im Übrigen auch nicht darin erkennen, dass die Doppelerfassung der Dividende bei Prüfung des Steuerbescheides nicht aufgefallen ist; denn bei den einbezogenen Besteuerungsgrundlagen folgte der Bescheid grundsätzlich der Erklärung. Wenngleich es aus Sicht des Senats empfehlenswert sein könnte, bei so hohen – wie hier in Rede stehenden Dividenden- oder Einkunftsbeträgen – den Erlass des Steuerbescheids zum Anlass zu nehmen, auch die erklärte und im Steuerbescheid gespiegelte Zusammensetzung der Einkünfte erneut zu prüfen, ist ein womöglich sorgfaltswidriges Unterlassen einer solchen erneuten Prüfung nicht als besonders grobes Fehlverhalten, die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausschließendes Verschulden dem Steuerpflichtigen zuzurechnen. Der Senat verweist hierzu abschließend darauf, dass bei Anknüpfung eines Verschuldens am Nichteinlegen eines Rechtsbehelfs die höchstrichterliche Rechtsprechung, von der abzuweichen der Senat keine Veranlassung sieht, eine grobe Pflichtverletzung i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr.2 AO nur dann annimmt, wenn sich die Fehlerhaftigkeit des Bescheides hätte aufdrängen müssen (vgl. etwa BFH, Beschluss vom 03.07.2006 – IV B 98/05 –, BFH/NV 2006, 2226). Ein solches Aufdrängen hat der erkennende Senat hier nicht feststellen können.
(3) Der feststellungsbelastete Beklagte hat keine weiteren Umstände dargelegt oder nachgewiesen, aus denen sich ein grob fahrlässiges Verhalten des Steuerpflichtigen oder seines Beraters herleiten lässt. Der Senat kann solche auch nicht den Akten entnehmen. Über die materiell-rechtliche Einordnung der Dividende im Rahmen der Betriebsaufspaltung als gewerbliche Einkünfte besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Auch der Senat hat insoweit keine Zweifel. Der Bescheid ist deswegen antragsgemäß zu ändern.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) sind nicht ersichtlich, insbesondere, weil die Feststellung des groben Verschuldens eine Frage der tatsächlichen Würdigung ist.
III. Die Entscheidung zur notwendigen Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Sach- und Rechtslage war nicht so einfach, dass die Kläger im Vorverfahren sich selbst vertreten konnten.
Rechtsmittelbelehrung
1. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.
Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.
Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.
2. Der Beschluss nach § 139 FGO ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 4 FGO).