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Entscheidung 6 K 6042/20


Metadaten

Gericht FG Cottbus 6. Senat Entscheidungsdatum 14.11.2023
Aktenzeichen 6 K 6042/20 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2023:1114.6K6042.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Bescheid für 2013 über den Gewerbesteuermessbetrag, der Bescheid für 2014 über den Gewerbesteuermessbetrag und der Bescheid für 2015 über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom 31. Juli 2019 und jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2020, werden dahingehend geändert, dass bei den Hinzurechnungen von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG die berücksichtigten Entgelte für Schulden für 2013 um EUR 85.645,-, die Entgelte für Schulden für 2014 um EUR 173.924,- und die Entgelte für Schulden für 2015 um EUR 195.700,- vermindert werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 20 % und der Beklagte zu 80 %.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss:

Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 Abgabenordnung – AO – sowie über die gewerbesteuerlichen Auswirkungen von Mietminderungen gegenüber Genossenschaftsmitgliedern der Klägerin im Gegenzug für die Zeichnung von freiwilligen Genossenschaftsanteilen durch diese Mitglieder.

Die Klägerin ist eine im Jahr … gegründete Wohnungsgenossenschaft, eingetragen in das Genossenschaftsregister des Amtsgerichts B… unter …. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist laut Satzung … Wohnungsversorgung der Mitglieder der Genossenschaft. Die Klägerin hat über 18.500 Mitglieder (im letzten Streitjahr ca. 14.000 Mitglieder) und vermietet im Rahmen des genossenschaftlichen Wohnen Wohnungen in E… und …. Außerdem unterhält die Klägerin für ihre Mitglieder und deren Angehörige eine Spareinrichtung.

Zur Sicherstellung bezahlbarer Mieten für ihre Mitglieder entwickelte die Klägerin ein Konzept, wonach Mitgliedern die Möglichkeit geboten werden sollte, neben ihren Pflichtanteilen zusätzlich weitere, freiwillige Genossenschaftsanteile zu zeichnen. Diese sollten konzeptgemäß nicht an Gewinnausschüttungen der Klägerin teilnehmen; im Gegenzug sollte aber für Mitglieder, die diese Anteile zeichnen, eine Minderung der monatlichen Nettokaltmieten erfolgen.

Zur steuerlichen Absicherung des Konzepts beantragte die Klägerin am 24. April 2012 beim Finanzamt C…, das bis 2016 für die Besteuerung der Klägerin zuständig war, die Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO.

Im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung führte die Klägerin unter anderem aus:

Die Genossenschaft plant, den Mietern die Möglichkeit zu eröffnen, zusätzlich weitere freiwillige Anteile zu zeichnen, die nicht an der Gewinnausschüttung teilnehmen, aber dem Mieter im Gegenzug eine Herabsetzung der Miete garantieren.

Im Fall einer positiven Auskunft ist eine entsprechende Satzungsänderung vorgesehen.

Der Vorteilsausgleich würde zwischen der Genossenschaft und den Mitgliedern gesondert vertraglich vereinbart werden. Neben der Bestimmung der Nettokaltmiefe würden auch Regelungen zur Mietanpassung (-Erhöhung) bei Kündigung der freiwilligen Anteile getroffen werden.

Die A… eG erhält von ihren Genossenschaftsmitgliedern zusätzlich weitere freiwillige Genossenschaftsanteile, die vereinbarungs- und (nach Änderung der Satzung) satzungsgemäß nicht an zukünftigen Gewinnausschüttungen teilnehmen werden. Die A… eG kann hierdurch ihr Eigenkapital verstärken, was insgesamt einen positiven Effekt für die Genossenschaft hat. Im Gegenzug mindert die A… eG jedoch die Nettokaltmiete. Sollte in der beabsichtigen Vereinbarung kein Ausgleich der Vor-/Nachteile gesehen werden, bestünde u. a, die Gefahr, dass in der Minderung der Miete eine verdeckte Gewinnausschüttung erkannt wird. Dies hätte bis zum Wegfall des EK02 (voraussichtlich 2019) zur Folge, dass die Genossenschaft zusätzlich mit 3/7 Steuerbelastung auf die verdeckte Gewinnausschüttung rechnen muss.

Die ihrem Antrag zugrundeliegende Rechtsfrage stellte die Klägerin wie folgt:

„Handelt es sich bei der Vereinbarung von geminderten Netto-Sollmieten für Mitglieder, die weitere freiwillige Genossenschaftsanteile zeichnen, welche weder an Gewinnausschüttungen teilhaben noch verzinst werden, – unter der vertraglich vereinbarten Voraussetzung, dass sich der Vorteil der Wohnungskostenreduzierung und der Vorteil der Zinsersparnis betragsmäßig entsprechen – um einen Vorteilsausgleich, der weder zu steuerlichen Belastungen bei der Genossenschaft noch ihrer Genossenschaftsmitglieder führt?“

Die Klägerin vertrat dazu die Auffassung, dass der Sachverhalt grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz  KStG  begründen könne. Eine verdeckte Gewinnausschüttung läge jedoch nicht vor, da ein Vorteilsausgleich zwischen Genossenschaft und Genossenschaftsmitglied erfolgen würde. Es bestünde eine rechtliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung durch einen gegenseitigen Vertrag. Dem Vorteil des Genossenschaftsmitglieds (geringere Sollmiete) stünde ein gleich hoher Vorteil der Genossenschaft (Wert der Zinslosigkeit der erhaltenen Liquidität) gegenüber. Zu dem Gegenstand des Vorteilsausgleichs führte die Klägerin in ihrem Antrag aus:

Voraussetzung ist, dass sich der Vorteil des Mieters auf geringere Miete und der Vorteil der Genossenschaft, keine Dividende auf freiwillige Anteile zu zahlen, gegenseitig auch der Höhe nach ausgleichen“.

Das Gericht verweist für die Einzelheiten auf die zu den Akten gereichte Kopie des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vom 24. April 2012.

Das Finanzamt C… erteilte mit Bescheid vom 15. Juni 2012 folgende verbindliche Auskunft:

Die Vereinbarung von geminderten Netto-Sollmieten für Mitglieder, die weitere freiwillige Genossenschaftsanteile zeichnen, welche weder an Gewinnausschüttungen teilhaben noch verzinst werden, stellt einen Vorteilsausgleich im Sinne von H 36 KStG dar, soweit sich der Vorteil des Mieters auf geringere Miete und der Vorteil der Genossenschaft auf Zinsersparnis für die freiwilligen Anteile, die zur Mietminderung geführt haben, gegenseitig auch der Höhe nach ausgleichen.

Das Finanzamt wies in dem Bescheid darauf hin, dass die Auskunft ihre Bindungswirkung nur entfalten würde, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht abweicht. Ferner wies das Finanzamt darauf hin, dass die Auskunft aus verfahrensrechtlichen Gründen Bindungswirkung nur gegenüber der Klägerin als Antragstellerin selbst, nicht aber für deren Mitglieder entfalte.

Das Gericht verweist für die Einzelheiten auf die zu den Akten gereichte Kopie der verbindlichen Auskunft vom 15. Juni 2012.

Zur Umsetzung des Konzepts änderte die Klägerin daraufhin am 30. Oktober 2012 ihre Satzung in § 7 (Übertragung des Geschäftsguthabens), § 11 (Auseinandersetzung), § 15 (Geschäftsanteile und Geschäftsguthaben), § 16 (Kündigung weiterer Anteile) sowie § 40 (Gewinnverwendung).

Im Anschluss schloss die Klägerin mit Mitgliedern, die zur Zeichnung freiwilliger Geschäftsanteile bereit waren, gesonderte Vereinbarungen als Nachtrag zum jeweiligen Dauernutzungsvertrags. In dem Nachtrag war die Anzahl der zusätzlichen Anteile und die sich daraus ergebende Verringerung der Miete für die Wohnung festgelegt. Ferner wurde vereinbart, dass etwaige Veränderungen der Höhe der Dividenden von freiwilligen Anteilen, die an Ausschüttungen teilnahmen, im Monat der entsprechenden Vertreterversammlung auch zu einer entsprechenden Anpassung der Verringerung der Miete führe.

Im Zeitraum vom 16. April 2018 bis 11. Juli 2019 führte das Finanzamt D… eine Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 bei der Klägerin durch. Der Außenprüfer qualifizierte – neben anderen, hier nicht streitigen Prüfungsfeststellungen – die Mietminderungen gegenüber den teilnehmenden Genossenschaftsmitgliedern als Vergütungen für die Überlassung von Fremdkapital und erhöhte bei der Ermittlung des Gewerbeertrags im Rahmen der Hinzurechnungen von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz – GewStG – die Entgelte für Schulden nach § 8 Nr. 1 Buchst. a) Satz 1 GewStG in 2013 um EUR 85.645,-, in 2014 um EUR 173.924,- und in 2015 um EUR 195.700,- Der Außenprüfer war der Auffassung, dass es sich bei den freiwilligen Genossenschaftsanteilen, die im Rahmen des Konzepts gezeichnet wurden, wirtschaftlich um eine Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber ihren Mitgliedern handele und diese als Fremdkapital anzusehen sei. Infolgedessen seien die als Gegenleistung für den Erwerb gewährten Mietnachlässe als Vergütung für die befristete Überlassung von Kapital anzusehen. Diese Würdigung stünde nicht im Widerspruch zu der verbindlichen Auskunft, da das Finanzamt nur die Auskunft erteilt habe, dass der Sachverhalt als Vorteilsausgleich im Sinne von H 36 KStG beurteilt werde, nicht aber die Auskunft, dass dies weder zu steuerlichen Belastungen bei der Genossenschaft noch ihrer Genossenschaftsmitglieder führen würde.

Der Beklagte, der zwischenzeitlich für die Besteuerung der Klägerin zuständig wurde, schloss sich der Auffassung des Außenprüfers an und erließ am 31. Juli 2019 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Gewerbemessbetragsbescheide 2013 bis 2014, in denen er unter anderem die Feststellungen zur Höhe der Entgelte für Schulden laut Außenprüfung berücksichtigte, sowie entsprechend geänderte Gewerbesteuerbescheide 2013 bis 2014 und geänderte Bescheide über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbesteuerverlustes auf den 31.12.2013, 31.12.2014 und 31.12.2015.

Die Klägerin erhob in der Sache am 15. August 2019 zum Az. 6 K 6151/19 Sprungklage vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 19. September 2019 der Sprungklage nicht zugestimmt hatte, da aus seiner Sicht noch Sachverhaltsermittlungen erforderlich seien, gab das Gericht die Klage nach § 45 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – als außergerichtlichen Rechtsbehelf an den Beklagten ab.

Der Beklagte wies mit Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2020 die Einsprüche gegen die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2013 bis 2015 sowie die Einsprüche gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbesteuerverlustes auf den 31.12.2013, 31.12.2014 und 31.12.2015 als unbegründet zurück und verwarf die Einsprüche gegen die Bescheide über die Gewerbesteuer 2013 bis 2015 als unzulässig.

In seiner Einspruchsentscheidung vertrat der Beklagte die Auffassung, dass die mit Bescheid vom 15. Juli 2012 erteilte verbindliche Auskunft Bindungswirkung gegenüber der Klägerin entfalte. Jedoch sei der Klägerin damit nicht zugesichert worden, dass der antragsgegenständliche Sachverhalt überhaupt nicht der Besteuerung unterläge. Die gemäß Außenprüfung geänderten Gewerbesteuermessbetragsfestsetzungen würden nicht im Widerspruch zu der erteilten verbindlichen Auskunft stehen. Diese habe (nur) zum Gegenstand gehabt, dass bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin keine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu erfassen sei, da vom Vorliegen eines Vorteilsausgleichs im Sinne der Verwaltungsanweisungen zu § 8 KStG ausgegangen worden sei. Den Minder-Erträgen der Klägerin stünde der Vorteil einer unverzinslichen Überlassung von Kapital ihrer Mitglieder gegenüber. Leistung und Gegenleistung seien durch einen gegenseitigen Vertrag, hier dem Nachtrag zum Dauernutzungsvertrag zwischen der Genossenschaft und dem jeweiligen Mitglied, rechtlich miteinander verknüpft.

Das Finanzamt habe außer hinsichtlich der Frage einer verdeckten Gewinnausschüttung keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Es sei daher nicht zu beanstanden, die im Rahmen der Außenprüfung ermittelten Beträge als Entgelte für Schulden gewerbesteuerlich hinzuzurechnen. Die als Teil des Geschäftsguthabens der Genossenschaft ausgewiesenen Beträge stellten eine Verbindlichkeit der Genossenschaft gegenüber den Mitgliedern dar. Bei Würdigung des Gesamtbilds läge nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Vorgänge – ungeachtet der gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Gestaltung – eine Überlassung von Kapital vor, für die eine Vergütung in Form eines Mietnachlasses gezahlt wird. Diese Vergütung, die eine Betriebsausgabe der Genossenschaft darstelle, sei daher zurecht für Zwecke der Gewerbesteuer als hinzuzurechnendes Entgelt für Schulden berücksichtigt worden.

Die Klägerin hat am 16. März 2020 fristgemäß Klage gegen die geänderten Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013, 2014 und 2015 und die geänderten Bescheide über den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2013, 31.12.2014 und 31.12.2015 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2020 erhoben. Sie macht geltend, dass das im Rahmen des streitgegenständlichen Konzepts von den Mitgliedern durch Zeichnung freiwilliger Geschäftsanteile übernommene Geschäftsguthaben steuerliches Eigenkapital der Klägerin darstelle. Die Umqualifizierung unverzinslichen Eigenkapitals in verzinsliches Fremdkapital durch die Außenprüfung und den Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Der verbindlichen Auskunft sei nicht zu entnehmen, dass das Finanzamt C… bei der Erteilung der Auffassung gewesen sei, dass Fremdkapital vorläge. Die Auskunft sei gestellt worden, weil der Sachverhalt grundsätzlich die Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung nach sich ziehe, es sei denn, es handele sich um einen Vorteilsausgleich. Die Auffassung des Beklagten stehe im Widerspruch zu der verbindlichen Auskunft, in der der beschriebene Sachverhalt als Vorteilsausgleich im Sinne von H 36 KStR beurteilt habe. Im Übrigen habe auch die Außenprüfung den Ausgleich der Höhe nach bestätigt.

Die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft sei vom Beklagten bisher nicht in Zweifel gezogen worden; auch habe der Beklagte die Auskunft bisher weder aufgehoben noch geändert. Mit der von der verbindlichen Auskunft abweichenden Behandlung des Sachverhalts verstoße der Beklagte gegen die Selbstbindung der Verwaltung und gegen Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG –.

Die – vom Beklagten erstmalig im Klageverfahren geltend gemachte – Annahme einer Gewinnverwendung würde im Widerspruch zu dem Urteil des Finanzgericht Berlin-Brandenburg vom 15. Juni 2021 zum Az. 9 K 9068/20, das die steuerliche Beurteilung des streitigen Sachverhalts auf Ebene der Genossenschaftsmitglieder zum Gegenstand habe, stehen. Das Gericht habe in seiner Entscheidung sowohl eine offene als auch eine verdeckte Gewinnausschüttung ausgeschlossen und stattdessen auf Ebene der betroffenen Genossenschaftsmitglieder sonstige Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 3 EStG angenommen.

Die Klägerin beantragt,

  1. den Bescheid für 2013 über den Gewerbesteuermessbetrag, den Bescheid für 2014 über den Gewerbesteuermessbetrag und den Bescheid für 2015 über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom 31. Juli 2019 und jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2020, dahingehend zu ändern, dass bei den Hinzurechnungen von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG die berücksichtigten Entgelte für Schulden für 2013 um EUR 85.645,-, die Entgelte für Schulden für 2014 um EUR 173.924,- und die Entgelte für Schulden für 2015 um EUR 195.700,- vermindert werden,
  2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
  3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
  4. das Urteil wegen der Kosten vorläufig für vollstreckbar zu erklären,
  5. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält – in Vertiefung seiner Ausführungen in der Einspruchsentscheidung – an seiner Auffassung fest, dass die zum Vorteilsausgleich führende Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihren Mitgliedern sich wirtschaftlich betrachtet als befristete Überlassung von Kapital darstelle, für die eine Vergütung in Form eines Mietnachlasses gezahlt werde. Der Begriff „Entgelte für Schulden“ umfasse nicht nur Zinsen im Sinne des bürgerlichen Rechts, sondern weitergehend Zinsen im wirtschaftlichen Sinne. Entscheidend sei nicht die Bezeichnung der Vergütung, sondern der sachliche Inhalt der Leistung. Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Minderungsbeträge sei daher nicht zu beanstanden.

Soweit das von den Genossenschaftsmitgliedern überlassene Kapital als Eigenkapital zu beurteilen sei, könne an der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG nicht festgehalten werden. Der Gewerbeertrag der Klägerin sei dann aber im Ergebnis trotzdem nicht zu mindern, weil die Mietminderungen in diesem Fall kein Entgelt für eine Kapitalüberlassung wären, sondern als Gewinnverwendungen der Genossenschaft („andere Leistung“ bzw. verdeckte Gewinnausschüttung) zu beurteilen wären. Derartige Leistungen dürften das Einkommen und den Gewerbeertrag nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG in Verbindung mit § 7 Satz 1 GewStG aber nicht mindern. Der Gewerbeertrag der angefochtenen Bescheide wäre danach um die bisher einkommens- und gewerbeertragsmindernd berücksichtigten Mietminderungen zu erhöhen.

Diese Beurteilung stehe nicht im Widerspruch zu der verbindlichen Auskunft, da diese dann ins Leere gehe. Soweit Eigenkapital der Genossenschaft vorläge, fehle es an einem Finanzierungsvorteil der Genossenschaft, der Vorteilsausgleich für die Mietminderungen sein könnte. Die (ersparten) Gewinnausschüttungen an Mitglieder, die weitere freiwillige Genossenschaftsanteile zeichnen, stellten keine „Zinsersparnis“ der Genossenschaft dar.

Im Übrigen entfiele bei einer Beurteilung als Eigenkapital die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft. Das Finanzamt C… sei bei Erteilung der verbindlichen Auskunft davon ausgegangen, dass es sich bei dem überlassenen Kapital um Fremdkapital handele. Von diesem Verständnis weiche der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt wesentlich ab, wenn von Eigenkapital der Genossenschaft auszugehen sei.

Die Klägerin habe zudem in ihrem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft auch nicht dargelegt, dass die Mietminderung durch die zusätzlichen freiwilligen Geschäftsanteile betragsmäßig den „regulären“ Geschäftsanteilen entspräche, also abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung jedes Jahr erneut durch Beschluss der Generalversammlung festgelegt werden würde und ggf. auch entfallen könne. Stattdessen habe sie dargelegt, dass die zusätzlichen freiwilligen Anteile „dem Mieter im Gegenzug eine Herabsetzung der Miete garantieren“ bzw. „die Nettokaltmiete um einen festen Betrag monatlichen gemindert“ werden solle. Der Sachverhalt sei damit nicht wie dargestellt verwirklicht worden.

Der zuständige Berichterstatter hat am 29. Juni 2023 einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes durchgeführt. Das Gericht verweist auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 29. Juni 2023.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, begründet.

I. Die Klage ist teilweise unzulässig.

1. Die Klage ist nach § 42 FGO in Verbindung mit § 351 Abs. 2 AO unzulässig, soweit sie sich gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2013, den 31. Dezember 2014 und den 31. Dezember 2015 richtet.

Bei diesen Bescheiden handelt es sich faktisch um Folgebescheide des jeweils zu Grunde liegenden Gewerbesteuermessbescheids. Nach Maßgabe von § 35b Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz GewStG sind für das Verhältnis von Gewerbesteuermessbescheid und Bescheid über die gesonderte Feststellung von verbleibenden Verlustvorträgen zur Gewerbesteuer die für das Verhältnis von Grundlagen- zu Folgebescheiden geltenden Vorschriften (§ 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO) entsprechend anzuwenden. Soweit die Klägerin mit ihrem Klagebegehren mittelbar auch die Feststellung eines höheren Verlustvortrags zur Gewerbesteuer begehrt, kann sie dies somit nur durch die Anfechtung der Gewerbesteuermessbescheide geltend machen.

2. Soweit sich die Klage gegen die auf EUR 0,- lautenden Gewerbesteuermessbescheide für 2013 bis 2015 richtet, ist sie zulässig.

Die Gewerbesteuermessbescheide sind – wie sich aus den Ausführungen zu 1. ergibt – faktisch Grundlagenbescheide für den Feststellungsbescheid über den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den Schluss des jeweiligen Erhebungszeitraums (BFH, Urteil vom 15. März 2023 – I R 41/19, DStR 2023, 1307 mit weiteren Nachweisen). Die Klägerin begehrt mit ihren Klageanträgen jeweils eine Gewinnminderung; im Erfolgsfall ergäbe sich damit ein entsprechend höherer Gewerbeverlust, der im Rahmen des § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG festzustellen wäre.

II. Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, auch begründet. Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Der Beklagte hat zu Unrecht die vereinbarten Mietminderungsbeträge als Entgelte für Schulden der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung für Finanzierungsanteile nach § 8 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a) GewStG unterworfen.

a) Unstreitig unterliegen Entgelte für Schulden nur dann der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst.  a) GewStG, wenn es sich bei dem Entgelt um eine Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital handelt (Köster, in: Lenski/Steinberg, GewStG, 147. Erg.-Lfg. September 2023, § 8 Rn. 81; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl. 2023, § 8 Nr. 1 Buchst. a Rn. 52c; Graw, in: Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl. 2022, § 8 Nr. 1 Buchst. a Rn. 4). Der Schuldbegriff setzt voraus, dass Schuldner und Gläubiger personenverschieden sind; das Eigenkapital einer Kapitalgesellschaft stellt dementsprechend keine Schuld im Sinne des § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG dar.

b) Vor diesem Hintergrund erweist sich die vom Beklagten vorgenommene Hinzurechnung schon dem Grunde nach als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Bei dem Kapital, das die Genossenschaftsmitglieder der Klägerin durch Zeichnung freiwilliger Genossenschaftsanteile nach § 15 Abs. 6 der Satzung zum Zweck der Verringerung der Nutzungsgebühr überlassen haben, handelt es sich um Eigenkapital.

Bei einer Genossenschaft bilden die gezeichneten Geschäftsanteile (zuzüglich der darauf entfallenden Gewinne und abzüglich der Verluste) das einheitliche Geschäftsguthaben eines Genossenschaftsmitglieds. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei den Geschäftsanteilen um die Pflichtbeteiligung des Mitglieds (§ 7a Abs. 2 Satz 2 Genossenschaftsgesetz – GenG –) oder um sogenannte freiwillige Geschäftsanteile handelt, die von dem Genossenschaftsmitglied zusätzlich über die Pflichtbeteiligung hinaus gezeichnet werden können. Im Unterschied zur Pflichtbeteiligung können freiwillige Anteile ganz oder teilweise gekündigt werden, ohne dass die Mitgliedschaft in der Genossenschaft beendet wird (§ 67b Abs. 1 GenG).

Das Geschäftsguthaben der Mitglieder tritt bei der Genossenschaft an die Stelle gezeichneten Kapitals (§ 337 Abs. 1 Handelsgesetzbuch – HGB –); es bildet – mit Ausnahme des Geschäftsguthabens der zum Jahresende ausscheidenden Genossenschaftsmitglieder (siehe dazu Reichsfinanzhof – RFH –, Urteil vom 31. Mai 1938 – I 153/38, RFHE 44, 133) – das Eigenkapital der Genossenschaft.

Im Streitfall besteht kein Anlass, die freiwilligen Geschäftsanteile, die zum Zweck der Verringerung der Nutzungsgebühr gezeichnet werden, davon abweichend nicht als Eigenkapital zu qualifizieren. Da der Beklagte nach seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung seine Einwände diesbezüglich nicht aufrechterhalten hat, sieht der erkennende Senat von weiteren Ausführungen ab.

2. Die angegriffenen Gewerbesteuermessbescheide erweisen sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig. Die Mietminderungsbeträge sind entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht dem bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG in Verbindung mit § 7 Satz 1 GewStG zugrunde gelegten Gewinn aus Gewerbeertrag als Gewinnverwendung hinzuzurechnen.

Der erkennende Senat kann im Ergebnis offenlassen, ob in der Vereinbarung einer reduzierten Miete zugunsten der Genossenschaftsmitglieder, die entsprechend zusätzliche freiwilligen Geschäftsanteile gezeichnet haben, eine Einkommensverwendung liegt, für die eine steuerliche Korrektur durch Hinzurechnung der Minderungsbeträge erfolgt. Eine Korrektur der Minderungsbeträge kommt – unabhängig von ihrer materiell-rechtlichen Beurteilung – schon deshalb nicht in Betracht, weil der Klägerin eine entgegenstehende verbindliche Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 AO erteilt worden ist, die im Streitfall Bindungswirkung entfaltet.

a) Nach § 89 Abs. 2 Satz 1 AO können Finanzämter auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft muss insbesondere eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung des zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalts, eine ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes des Antragstellers und die Formulierung konkreter Rechtsfragen beinhalten (vgl. § 1 Abs. 1 Steuer-Auskunftsverordnung – StAuskV –).

Eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO ist ein Verwaltungsakt (BFH, Urteil vom 12. August 2015 – I R 45/14, BFH/NV 2016, 261; BFH, Urteil vom 16. Mai 2013 – V R 23/12, BStBl. II 2014, 325; BFH, Urteil vom 29. Februar 2012 – IX R 11/11, BStBl. II 2012, 651), die mit ihrer Bekanntgabe wirksam wird (§ 124 Abs. 1 Satz 1, § 122 AO). Eine etwaige Rechtswidrigkeit ist für die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft grundsätzlich ohne Bedeutung, soweit sie nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen rechtswidrig ist (Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 276. Erg.-Lfg. Oktober 2023, § 89 AO Rn.  262, 264; Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 89 Rn. 41 f., Hahlweg, in: Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 89 Rn. 29; vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 2 StAuskV).

Das damals für die Besteuerung der Klägerin zuständige Finanzamt C… hat der Klägerin am 15. Juni 2012 wirksam eine verbindliche Auskunft erteilt. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der verbindlichen Auskunft, die einer Wirksamkeit entgegenstehen (§ 124 Abs. 3 AO), bestehen nicht. Denn als nichtig kann ein Verwaltungsakt allenfalls dann angesehen werden, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies außerdem bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO). Im Streitfall sind jedoch keine gravierenden Rechtsfehler, die der Auskunft gleichsam "auf die Stirn" geschrieben stehen, ersichtlich. Dass der Antrag auf Erteilung der Auskunft möglicherweise nicht vollumfänglich den formellen Anforderungen entsprochen hat, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, nachdem die damals zuständige Finanzbehörde die verbindliche Auskunft erteilt hat (BFH, Urteil vom 12. August 2015 – I R 45/14, BFH/NV 2016, 261).

b) Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 31. Juli 2023 erstmals geltend gemacht hat, dass die Mietminderungen bei einer Qualifikation des überlassenen Kapitals als Eigenkapital als verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2, Var. 1 KStG zu beurteilen sind, steht der Berücksichtigung einer solchen verdeckten Gewinnausschüttung bei der Besteuerung der Klägerin die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft entgegen.

Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist eine Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Sie ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH, Urteil vom 24. Oktober 2018 – I R 78/16, BStBl. II 2019, 570 mit weiteren Nachweisen).

Indem das zuständige Finanzamt die gestellte Rechtsfrage in der verbindlichen Auskunft dahingehend beantwortet hat, dass die Vereinbarung von geminderten Netto-Sollmieten für Mitglieder, die weitere freiwillige Genossenschaftsanteile zeichnen, welche weder an der Gewinnausschüttung teilhaben noch verzinst werden, einen Vorteilsausgleich im Sinne von H 36 KStG (jetzt H 8.5 „Vorteilsausgleich“ zu § 8 KStG KStR 2022) darstellt, soweit sich der Vorteil des Mieters auf geringere Miete und der Finanzierungsvorteil der Genossenschaft für die freiwilligen Anteile, die zur Mietminderung geführt haben, gegenseitig auch der Höhe nach ausgleichen, hat das Finanzamt festgestellt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht erfüllt sind. Das Finanzamt ist – im Einklang mit der rechtlichen Würdigung der Klägerin in ihrem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft – zu der Feststellung gelangt, dass es durch den Vorteilsausgleich an einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung als notwendiges Tatbestandsmerkmal einer verdeckten Gewinnausschüttung fehlt. Zwar hat das Finanzamt darauf hingewiesen, dass dies nur gilt, soweit sich der Vorteil des Mieters auf geringere Miete und Finanzierungsvorteil der Genossenschaft tatsächlich gegenseitig der Höhe nach ausgleichen. Dass dies der Fall ist – sich also Mietminderung und Finanzierungsvorteil ausgleichen –, wurde aber von der Außenprüfung bestätigt, da die Mietminderung betragsmäßig der Höhe der Ausschüttung für regulären freiwilligen Geschäftsanteile entspricht, und ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig.

Die rechtliche Würdigung des Sachverhalts als Vorteilsausgleich durch das Finanzamt vermag möglicherweise unzutreffend sein, da die Kapitalüberlassung durch Zeichnung der freiwilligen Genossenschaftsanteile aufgrund des Eigenkapitalcharakters des Geschäftsguthabens (vgl. dazu vorstehend 1.b) als Einlage gesellschaftsrechtlich veranlasst ist. Diese Frage ist im Streitfall aber nicht entscheidungserheblich, nachdem das Finanzamt durch die Erteilung der verbindlichen Auskunft mit Bindungswirkung entschieden hat, dass die Mietminderung keine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2, 1. Var. 1 KStG begründet.

c) Aus dem gleichen Grund scheidet auch eine Korrektur nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG als offene Gewinnausschüttung oder andere Maßnahme der Einkommensverteilung aus.

Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG ist es für die Ermittlung des Einkommens ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird. Die Regelung konkretisiert den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsatz, wonach eine Verwendung des Einkommens bei dessen Ermittlung außer Betracht bleiben muss. Sie normiert ein Abzugsverbot für offene Gewinnausschüttungen und ist unabhängig vom Vorliegen eines Ausschüttungsvorgangs allgemein dahingehend zu verstehen, dass ausgeschüttete Gewinne bei der Ermittlung des Einkommens generell nicht abgezogen werden dürfen (Lang, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, 111. Erg.-Lfg. September 2023, § 8 Abs. 3 Teil A Rn. 1; Pfirrmann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 320. Erg.-Lfg. August 2023, § 8 KStG Rn. 90).

Zwar hat die verbindliche Auskunft unmittelbar nur die Anwendung des sogenannten Vorteilsausgleichs zum Gegenstand. Mit seiner Feststellung zur Anwendung des Vorteilsausgleichs zum Ausschluss einer verdeckten Gewinnausschüttung hat das damals zuständige Finanzamt aber zugleich – auch wenn möglicherweise rechtsirrig – festgestellt, dass in Bezug auf die Vereinbarung der streitgegenständlichen Mietminderungen keine Maßnahme der Einkommensverteilung, sondern Erwerbsaufwand der Klägerin in Form einer Gegenleistung für das zur Verfügung gestellte Kapital vorliegt, für den eine Korrektur nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG nicht in Betracht kommt. Denn es handelt sich bei dem Abzugsverbot für verdeckte Gewinnausschüttungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2, 1. Var. KStG nicht um eine eigenständige Regelung, sondern lediglich um einen deklaratorischen Hinweis zum allgemeinen Abzugsverbot für Maßnahmen der Einkommensverteilung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG. Die Qualifizierung eines Vorgangs als verdeckte Gewinnausschüttung stellt sich somit lediglich als Anwendung des allgemeinen Abzugsverbots in § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG dar (Pfirrmann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 320. Erg.-Lfg. August 2023, § 8 KStG Rn. 91). Schließt das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung aus, weil durch den angenommenen Vorteilsausgleich keine Maßnahme der Einkommensverteilung vorliegt, gilt dies daher zwangsläufig auch für offene Gewinnausschüttungen und andere Maßnahmen der Einkommensverteilung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG.

Des Weiteren hat die Klägerin die Annahme eines Vorteilsausgleichs in ihrem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft auch nicht auf den Anwendungsfall einer verdeckten Gewinnausschüttung beschränkt. Sie hat in der gestellten Rechtsfrage ausdrücklich um Bestätigung gebeten, dass dieser „weder zu steuerlichen Belastungen bei der Genossenschaft noch ihrer Genossenschaftsmitglieder führt“. Wenn das damals zuständige Finanzamt die Beantwortung der Rechtsfrage auf den Anwendungsfall der verdeckten Gewinnausschüttung hätte beschränken wollen, hätte es dies in der verbindlichen Auskunft ausdrücklich klarstellen müssen, so wie es in Bezug auf die fehlende Bindungswirkung gegenüber den Genossenschaftsmitgliedern der Klägerin der Fall war. Ohne eine solche Einschränkung konnte die Klägerin die verbindliche Auskunft nur so verstehen, dass infolge eines Vorteilsausgleichs keine Einkommenskorrektur der Mietminderungsbeträge erforderlich ist.

d) Die erteilte verbindliche Auskunft ist für die Besteuerung der Klägerin bindend. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Bindungswirkung nicht entfallen. Der erkennende Senat ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht den der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt verwirklicht hat.

Nach dem Grundsatz der sogenannten Sachverhaltsidentität gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV ist eine verbindliche Auskunft nur dann für die Besteuerung bindend, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht. Der Begriff der „Verwirklichung“ des geplanten Sachverhalts bezieht sich dabei auf den der Auskunft zu Grunde liegenden, im Hinblick auf die erteilte Rechtsfrage tatbestandsrelevanten Sachverhalt, der die steuerliche Rechtsfolge auslöst (BFH, Urteil vom 12. August 2015 – I R 45/14, BFH/NV 2016, 261).

Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Sachverhaltsabweichung ersichtlich, die die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft entfallen ließe.

aa) Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der verbindlichen Auskunft die Annahme zugrunde lag, dass es sich bei dem überlassenen Kapital um Fremdkapital handelt.

Zum einen hat die Klägerin bereits in ihrem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vom 21. Februar 2020 (dort Seite 2, Absatz 6) zurecht darauf hingewiesen, dass das überlassene Kapital als Eigenkapital anzusehen ist, wenn sie dort ausführt, dass das streitgegenständliche Konzept auch zur Stärkung des Eigenkapitals der Klägerin dient. Zum anderen handelt es sich bei der Frage der Qualifikation des überlassenen Kapitals als Eigen- oder Fremdkapital nicht um eine für die Reichweite der Bindungswirkung relevante Sachverhaltsfrage, sondern – soweit sie als entscheidungserheblich für die verbindliche Auskunft angesehen wird – lediglich um eine rechtliche Vorfrage, die von dem zuständigen Finanzamt zur Beantwortung der gestellten Rechtsfrage eigenständig zu beurteilen ist. Eine vom Beklagten geltend gemachte irrige Subsumtion des Sachverhalts durch das Finanzamt lässt die Sachverhaltsidentität somit nicht entfallen.

bb) Eine beachtliche Sachverhaltsabweichung liegt auch nicht darin, dass die Klägerin in dem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft ausgeführt hat, dass die zusätzlichen freiwilligen Anteile „dem Mieter im Gegenzug eine Herabsetzung der Miete garantieren“ bzw. „die Nettokaltmiete um einen festen Betrag monatlichen gemindert“ werden soll, soweit der Minderungsbetrag anschließend in Umsetzung des streitgegenständlichen Konzepts abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung jedes Jahr erneut durch Beschluss der Generalversammlung festgelegt wurde.

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei der Umsetzung des Konzepts insoweit von dem in dem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft dargestellten Sachverhalt abgewichen ist. Denn bei verständiger Würdigung der Ausführungen in dem Antrag können diese nicht so verstanden werden, dass die Klägerin von einer betragsmäßig dauerhaft festen Minderung der Miete ausgegangen ist. Die Klägerin hat in ihrem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft deutlich gemacht, dass sich der Vorteil des Mieters auf geringere Miete und der Vorteil der Genossenschaft, keine Ausschüttungen auf freiwillige Anteile zu zahlen, gegenseitig der Höhe nach ausgleichen muss (dort Seite 3, vorletzter Absatz). Dies bedeutet aber im Umkehrschluss, dass der Mietminderungsbetrag anzupassen ist, wenn sich die Höhe der Ausschüttung auf die freiwilligen Geschäftsanteile ändert.

Nach Auffassung des erkennenden Senats liegt eine nicht unwesentliche Sachverhaltsabweichung zudem nur vor, wenn der Antragsteller alle oder einzelne Sachverhaltsbestandteile, die für die zu beantwortende Rechtsfrage tatbestandsmäßig sind, nicht dergestalt verwirklicht, wie er sie in seinem Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegt hat. Danach liegt die für die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft vorausgesetzte Sachverhaltsidentität nicht mehr vor, wenn der Antragsteller einen Sachverhalt verwirklicht, der das zuständige Finanzamt zu einer anderen rechtlichen Beurteilung der Rechtsfrage veranlasst hätte, wäre dieser Sachverhalt der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegt worden. Änderungen des Sachverhalts, die keine erkennbare Relevanz für die Beantwortung der Rechtsfrage durch das Finanzamt haben, sind danach nicht wesentlich und lassen die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft nicht entfallen.

Der Beklagte hat jedoch – über die vermeintlich fehlende Sachverhaltsidentität hinaus – nicht geltend gemacht, dass das damals zuständige Finanzamt C… in Kenntnis des tatsächlich verwirklichen Sachverhalts die Rechtsfrage anders beantwortet hätte. Dafür sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, da die Finanzbehörde auf Grundlage des dargestellten Sachverhalts davon ausgehen musste, dass der Mietminderungsbetrag zum Zweck des Vorteilausgleichs entsprechend der Höhe der Ausschüttung auf die regulären freiwilligen Geschäftsanteile angepasst wird.

III. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO sind nicht ersichtlich. Insbesondere beruht die Auslegung der verbindlichen Auskunft auf den Umständen des Einzelfalls, sodass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht weicht bei seiner Entscheidung auch nicht von der Rechtsprechung des BFH oder eines Finanzgerichts ab.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die tenorierte Kostenquote entspricht der steuerlichen Auswirkung des Obsiegens der Klägerin unter Berücksichtigung der Auswirkung der streitigen Hinzurechnungsbeträge auf die Gewerbesteuermessbeträge (EZ 2013: EUR 21.411,-; EZ 2014: EUR 43.481,-; EZ 2015: EUR 48.925,-) und des für die Klägerin geltenden Gewerbesteuerhebesatzes (410 %). In Bezug auf die angegriffenen Bescheide über die gesonderte Feststellung von verbleibenden Verlustvorträgen zur Gewerbesteuer, hinsichtlich derer die Klägerin unterlegen ist, legt der erkennende Senat in Ermangelung einer konkreten steuerlichen Auswirkung zur Ermittlung der Kostenquote in Anlehnung an den finanzgerichtlichen Mindeststreitwert jeweils einen Betrag in Höhe von EUR 1.500,- zu Grunde. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

V. Die Entscheidung über die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Hinzuziehung war für notwendig zu erklären, nachdem die Rechtsfragen des Streitfalls nicht so einfach waren, dass die Klägerin sich hätte selbst vertreten können.

Rechtsmittelbelehrung

1. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.

Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.

Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.

2. Der Beschluss über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 4 FGO).