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Entscheidung 6 K 6205/19


Metadaten

Gericht FG Cottbus 6. Senat Entscheidungsdatum 28.02.2023
Aktenzeichen 6 K 6205/19 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2023:0228.6K6205.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 23. November 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04. November 2019 wird dahingehend zu ändern, dass insgesamt ein Alleinerzieher-Entlastungsbetrag in Höhe von € 2.148,- berücksichtigt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin ist Lehrerin und erzielte im Streitjahr 2016 neben ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit noch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Die Klägerin ist Mutter zweier Kinder, die in den Jahren 1995 und 1998 geboren wurden und die sich im Jahr 2016 in der Berufsausbildung bzw. im Studium befanden. Die Klägerin wohnte mit ihren beiden Kindern in einem Einfamilienhaus in B…, in dem die beiden Kinder auch gemeldet waren. Eigentümer des Einfamilienhauses, das eine Fläche von 133,67 m² aufwies, waren die Klägerin und ihr früherer Ehemann; der frühere Ehemann wohnte nicht mehr in dem Einfamilienhaus.

Ab dem 01. August 2016 vermietete die Klägerin zwei in dem Einfamilienhaus befindliche Zimmer mit einer Größe von jeweils 11 m² an zwei syrische Brüder, C… und D…. C… war zu diesem Zeitpunkt bereits volljährig, nicht aber der im Jahr 2000 geborene D…. Nach den beiden Mietverträgen durften beide Syrer das Bad, die Küche und das Wohnzimmer mitbenutzen. Die monatliche Miete betrug jeweils € 197,76 €. Die beiden Syrer erhielten Sozialleistungen nach dem SGB II; das Gericht nimmt auf die entsprechenden Bewilligungsbescheide vom 20. Oktober 2016 und 16. Dezember 2016 Bezug (Bl. 40 f. der Streitakte).

Das zuständige Jugendamt erteilte der Klägerin am 29. Juli 2016 eine Pflegeerlaubnis nach § 44 SBG VIII für D…; auf die Bescheinigung des Landrats E… vom 09. März 2020 wird Bezug genommen. Die Klägerin erhielt für die beiden Syrer kein Kindergeld; das Gericht nimmt auf die entsprechenden Ablehnungsbescheide Bezug (Bl. 38 und 39 der Gerichtsakte).

Die Klägerin erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2016 einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von € 2.502, der auf der Vermietung der beiden Zimmer an die syrischen Brüder beruhte. Ferner beantragte sie einen Entlastungsbetrag für Alleinerzieher nach § 24b EStG für die zwei eigenen Kinder.

Im Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 23.11.2017 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf € 9.442,- fest und berücksichtigte dabei zwar den geltend gemachten Entlastungsbetrag für Alleinerzieher in Höhe von € 2.148, erkannte jedoch den Verlust aus Vermietung und Verpachtung nur in Höhe von € 306 an.

Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren wies der Beklagte darauf hin, dass er den geltend gemachten Entlastungsbetrag für Alleinerzieher ab 01. August 2016 nicht gewähren werde, weil mit C… noch eine weitere volljährige Person im Haushalt gewohnt und eine Haushaltsgemeinschaft mit der Klägerin begründet habe. Die Klägerin nahm den Einspruch nicht zurück.

Mit Einspruchsentscheidung vom 04. November 2019 erhöhte der Beklagte die Einkommensteuer um € 23,- auf € 9.469,-. Zwar erkannte der Beklagte nunmehr einen Verlust aus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von € 828,- an; er berücksichtigte aber den Entlastungsbetrag für Alleinerzieher nur noch in Höhe von € 1.253,- (€ 2.148,- x 7/12) für die Zeit bis zum 31. Juli 2016.

Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben, die sie wie folgt begründet: Sie habe keinen gemeinsamen Haushalt mit dem volljährigen C… geführt, wie sich aus dem Tagesablauf des C… und aus ihrem Tagesablauf ergebe, die beide unabhängig voneinander verlaufen seien; das Gericht nimmt auf die Aufstellung der Klägerin Bezug (Bl. 21 sowie Bl. 24 und 25 der Streitakte). Die beiden Syrer hätten sich auch nicht an der Haushaltsführung beteiligt, da sie im Islam erzogen worden seien und daher weder gewohnt noch bereit gewesen seien, im Haushalt zu helfen.

Im Übrigen habe es zwei Kühlschränke gegeben, und die beiden Syrer hätten eigenständig eingekauft, und zwar meist in arabischen Supermärkten in F… oder in G….

Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Finanzverwaltung bei der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge unterstelle, dass mit diesen keine Haushaltsgemeinschaft begründet werde (BMF, Fragen und Antworten zu den steuerlichen Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten, Tz. III.3., Stand 31. Januar 2023; Finanzministerium Schleswig-Holstein, ESt-Kurzinformation Nr. 2022/10 vom 16. Juni 2022 – VI 305 – S 2223 – 711). Es sei daher widersprüchlich, die Aufnahme syrischer Flüchtlinge anders zu behandeln als die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 23. November 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04. November 2019 dahingehend zu ändern, dass insgesamt ein Alleinerzieher-Entlastungsbetrag in Höhe von € 2.148,- statt nur in Höhe von € 1.253,- berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte weist darauf hin, dass bei einer Meldung im Haushalt des Steuerpflichtigen eine Haushaltsgemeinschaft nach § 24b Abs. 3 Satz 2 EStG vermutet werde. Für eine Haushaltsgemeinschaft genüge es, wenn der Volljährige sich an den Kosten beteilige oder tatsächlich Aufgaben im Haushalt übernehme. Die Klägerin habe zu den zu den konkreten Umständen des Zusammenlebens nicht genügend vorgetragen; daher bleibe die Vermutung des § 24b Abs. 3 Satz 2 EStG bestehen.

Hinzu komme, dass der Haushalt der Klägerin auf Grund der erteilten Pflegeerlaubnis für D… um diesen erweitert worden sei, so dass nun auch D… zum Haushalt der Klägerin gehört habe. Es sei davon auszugehen, dass der volljährige C… seinen jüngeren Bruder unterstützt habe und damit auch im Haushalt mitgeholfen habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter gemäß § 79a Abs. 3 FGO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Unrecht hat der Beklagte den Entlastungsbetrag für Alleinerzieher nur zeitanteilig für den Zeitraum vom 01. Januar 2016 bis 31. Juli 2016 in Höhe von € 1.253,- gewährt und nicht in vollem Umfang für das gesamte Jahr in Höhe von € 2.148,-.

1. Nach § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG können alleinstehende Steuerpflichtige einen Entlastungsbetrag von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht.

§ 24b Abs. 3 Satz 1 EStG bestimmt, dass solche Steuerpflichtige alleinstehend im Sinne von § 24b Abs. 1 EStG sind, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens (§ 26 Abs. 1 EStG) erfüllen oder verwitwet sind und die keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden, es sei denn, für diese steht ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zu oder es handelt sich um ein Kind, das einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG leistet oder das eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG ausübt. Nach § 24b Abs. 4 EStG ermäßigt sich der Entlastungsbetrag für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des § 24b Abs. 1 EStG nicht vorgelegen haben, um ein Zwölftel.

2. Die Voraussetzungen des § 24b EStG waren für das gesamte Jahr 2016 erfüllt.

a) Zum Haushalt der Klägerin gehörten zwei (eigene) Kinder und damit mindestens ein Kind im Sinne von § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Klägerin wohnte nämlich mit ihren beiden im Jahr 1995 bzw. 1998 geborenen Kindern im selben Haushalt. Der Klägerin stand für die beiden Kinder – und damit für mindestens ein Kind – Kindergeld zu, da sich ihre Kinder in der Ausbildung bzw. im Studium befanden. Die Zugehörigkeit der Kinder der Klägerin zu ihrem Haushalt folgte im Übrigen auch aus § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG, da die Kinder in dem von der Klägerin bewohnten Einfamilienhaus gemeldet waren.

b) Die Klägerin war im Streitjahr auch ganzjährig alleinstehend im Sinne von § 24b Abs. 3 EStG, weil sie mangels Zusammenlebens mit ihrem Ehemann nicht die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung erfüllte und weil sie keine Haushaltsgemeinschaft mit einer volljährigen Person bildete.

aa) Der Status als alleinstehender Steuerpflichtige vom 01. Januar 2016 bis zum 31. Juli 2016 ist zwischen den Beteiligten unstreitig, da sich in diesem Zeitraum keine andere volljährige Person als die Klägerin und ihre eigenen Kinder im Haushalt aufhielt. Das Gericht sieht daher von weiteren Ausführungen ab.

bb) Auch im – streitigen – Zeitraum vom 01. August 2016 bis zum 31. Dezember 2016 war die Klägerin alleinstehend im Sinne von § 24b Abs. 3 EStG. Denn sie unterhielt mit dem volljährigen Syrer C… keine Haushaltsgemeinschaft.

(1) Zwar gab es mit C… eine volljährige Person, der seit dem 01. August 2016 in dem von der Klägerin in B… bewohnten Haus gemeldet war, so dass die Vermutung einer Haushaltsgemeinschaft nach § 24b Abs. 3 Satz 2 EStG gilt.

(2) Die Klägerin hat diese gesetzliche Vermutung aber widerlegt. Die gesetzliche Vermutung kann nach der Begründung des Gesetzgebers (BR-Drucks. 508/04, 22) dadurch widerlegt werden, dass der Steuerpflichtige glaubhaft macht oder zweifelsfrei versichert, dass keine Haushaltsgemeinschaft besteht. Nach dem BFH (Urteil vom 28. Juni 2012 III R 26/10, BStBl. II 2012, 815) ist eine Haushaltsgemeinschaft mit einer in derselben Wohnung lebenden volljährigen Person hingegen nur dann abzulehnen, wenn der Volljährige einen vollständig getrennten Haushalt führt oder wenn – wie z. B. beim Zusammenleben mit einkommenslosen pflegebedürftigen Angehörigen – jedwede Unterstützungsleistungen durch den Dritten ausgeschlossen erscheinen.

Das Gericht kann offenlassen, ob die Auffassung des Gesetzgebers und die Rechtsprechung des BFH einander widersprechen und ob es sich um eine abschließende Aufzählung der Widerlegung handelt. Denn nach beiden Ansichten hat die Klägerin die gesetzliche Vermutung des § 24b Abs. 3 Satz 2 EStG widerlegt.

(3) Die gesetzliche Vermutung des § 24b Abs. 3 Satz 2 EStG wird im Streitfall bereits dadurch widerlegt, dass C… als Mieter im Haushalt wohnte. Er zahlte damit eine Miete an die Klägerin und war als Mieter typischerweise nicht an der Haushaltsführung beteiligt und typischerweise auch nicht verpflichtet, über seine Miete hinaus finanzielle Beiträge zum Haushalt der Klägerin zu leisten.

(4) Die Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerzieher beruht auf der Überlegung, dass ein alleinstehender Steuerpflichtiger mit sämtlichen Kosten des Haushalts allein belastet ist. Diese Belastung wird gemildert, wenn ein Volljähriger, der kein Kind des Steuerpflichtigen ist, in den Haushalt aufgenommen wird, weil dann ein gemeinsames Wirtschaften im Sinne von § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG möglich ist, das darin bestehen kann, dass entweder der Volljährige zu den Kosten des gemeinsamen Haushalts beiträgt oder der Volljährige tatsächliche Hilfe im Haushalt leistet und mit dem Steuerpflichtigen bei der Bewältigung der Aufgaben im Haushalt zusammenarbeitet.

(5) Im Streitfall ist auf Grund der Stellung als Mieter nicht anzunehmen, dass sich der volljährige C… an den Kosten des gemeinsamen Haushalts beteiligt hat. Als Mieter gehörte es auch nicht zu seinen Pflichten, sich an den Aufgaben im Haushalt zu beteiligen.

(6) Hinzu kommt, dass C… als syrischer Flüchtling nach Deutschland gekommen ist und hier ein Zimmer im Einfamilienhaus der Klägerin gemietet hat. Das Gericht kann offen lassen, ob die Darstellung der Klägerin, dass die islamische Erziehung dazu beigetragen habe, dass er weder gewohnt noch bereit gewesen sei, im Haushalt zu helfen, verallgemeinerbar ist. Denn jedenfalls ist die Aufnahme als syrischer Flüchtling als Mieter nicht der Fall, den der Gesetzgeber bei der Regelung des § 24b Abs. 3 Satz 2 EStG im Blick gehabt hat, als er bei der Aufnahme eines Volljährigen, der im Haushalt des Steuerpflichtigen gemeldet ist, die Vermutung aufgestellt hat, dass jener sich an den Kosten im Haushalt beteiligt oder im Haushalt mithilft. Die gesetzliche Vermutung erfasst einen Volljährigen, der nicht als Mieter und/oder Flüchtling im Haushalt lebt, sondern auf Grund einer persönlichen Beziehung zum Steuerpflichtigen wie z. B. als Freund oder Freundin dort wohnt und sich typischerweise am Haushalt finanziell oder tatsächlich beteiligen wird.

(7) Dieses Ergebnis ändert sich nicht dadurch, dass auch der minderjährige Bruder des volljährigen C…, D…, ein Zimmer bei der Klägerin angemietet und die Klägerin eine Pflegeerlaubnis nach § 44 SBG VIII für D… erhalten hatte. Diese Pflegeerlaubnis führte nicht dazu, dass nunmehr auf den durch D… erweiterten Haushalt abzustellen war, so dass eine – brüderliche – Unterstützung durch den volljährigen C… als Haushaltsbeitrag im Sinne von § 24b Abs. 3 Satz 2 EStG zu werten wäre. Eine derartige Wertung wäre ein Zirkelschluss, weil die Aufnahme eines minderjährigen Mieters und Flüchtlings dazu führen würde, dass die gleichzeitig erfolgte Aufnahme eines volljährigen Mieters und Flüchtlings als Aufnahme in die Haushaltsgemeinschaft zu werten wäre, die ohne Aufnahme des minderjährigen Mieters und Flüchtlings aber nicht zu bejahen wäre.

Im Übrigen wäre es für eine Haushaltsgemeinschaft nicht ausreichend, wenn C… lediglich seinen jüngeren Bruder unterstützt hätte. Denn eine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 24b EStG würde voraussetzen, dass auch der Steuerpflichtige hiervon profitiert, indem seine Kosten durch eine finanzielle Beteiligung des Volljährigen reduziert werden oder indem sein Arbeitsaufwand durch eine Beteiligung des Volljährigen an den Hausarbeiten entlastet würde. Beides wäre indes nicht der Fall, wenn der volljährige C… nur seinem minderjährigen Bruder D… geholfen hätte. Weder hätte sich hierdurch der finanzielle Aufwand der Klägerin gemindert, noch hätte sie deshalb weniger Arbeit bei der Reinigung des Hauses, beim Abwasch oder bei der Gartenpflege gehabt.

(8) Dem Grunde nach zu Recht weist die Klägerin auf den Widerspruch hin, der sich daraus ergibt, dass die Finanzverwaltung die Aufnahme volljähriger Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nicht als steuerlich schädlich hinsichtlich des Alleinerzieher-Entlastungsbetrags ansieht, zumal es bei Ukrainern nicht auf die Stellung als Mieter ankommen soll (BMF, Fragen und Antworten zu den steuerlichen Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten, Tz. III.3., Stand 31. Januar 2023; Finanzministerium Schleswig-Holstein, ESt-Kurzinformation Nr. 2022/10 vom 16. Juni 2022 – VI 305- S 2223 – 711). Auf den Ausgang dieses Verfahrens haben die genannten Verwaltungsanweisungen aber keinen Einfluss: Zum einen sind Verwaltungsanweisungen für die Gerichte grundsätzlich unverbindlich. Zum anderen kann das Gericht eine auf ukrainische Kriegsflüchtlinge beschränkte Verwaltungsanweisung nicht auf syrische Flüchtlinge ausdehnen. Und schließlich wäre es angesichts des Grundsatzes der Gewaltenteilung Aufgabe des Gesetzgebers, die Regelung des § 24b Abs. 3 EStG hinsichtlich der Aufnahme volljähriger Flüchtlinge zugunsten der Steuerpflichtigen einzuschränken. Auch wenn der Krieg in der Ukraine „erst“ ein Jahr lang andauert, wäre dieser Zeitraum lang genug, um gesetzgeberisch tätig zu werden; dies gilt erst recht im Hinblick auf die auch aus anderen Staaten seit Jahren, insbesondere seit 2015, nach Deutschland eingewanderten und hier aufgenommenen Flüchtlinge. Die Ansicht der Finanzverwaltung, „aus Billigkeitsgründen“ Gesetze nicht anzuwenden bzw. in einem bestimmten Sinne zu interpretieren, lässt sich weder mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG noch mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Steuerfestsetzung und -erhebung des § 85 AO rechtfertigen und wird auch nicht durch § 163 AO gerechtfertigt, der eine abweichende Steuerfestsetzung lediglich nach Lage des „einzelnen“ Falls zulässt. Exemplarisch für die hiernach rechtswidrige Vorgehensweise der Finanzverwaltung seien das BMF-Schreiben vom 11.11.2022 (BStBl. I 2022, 1529) und die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 31. März 2022 (BStBl. I 2022, 335) genannt, die mit § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG und § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG nicht vereinbar sind. Die vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung geäußerte Vermutung, dass die Finanzverwaltung bei ukrainischen Flüchtlingen davon ausgehe, dass diese „bald“ wieder zurückkehren würden, rechtfertigt es jedenfalls ungeachtet der Umstände, dass ein baldiges Ende des Krieges nicht absehbar ist und die in den Vorjahren nach Deutschland eingewanderten Flüchtlinge überwiegend bislang jedenfalls nicht in ihre Heimat zurückgekehrt sind, nicht, dass die Verwaltung anstelle des Gesetzgebers tätig wird.

3. Die Höhe des danach zu in vollem Umfang zu gewährenden Alleinerzieher-Entlastungsbetrags ist unstreitig und beträgt € 1.908 € für das erste Kind sowie 240 € für das zweite Kind, zusammen € 2.148.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Rechtsmittelbelehrung

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.

Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.

Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.