Gericht | FG Cottbus 8. Senat | Entscheidungsdatum | 16.07.2024 | |
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Aktenzeichen | 8 K 8027/21 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2024:0716.8K8027.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 8 Nr. 1 GewStG |
Mietet ein Veranstalter für Konferenzen, Events und Ausflüge für seine Auftraggeber im eigenen Namen Räume (Konferenzräume, Hotelzimmer) und entsprechende Veranstaltungstechnik an, die für entsprechenden Veranstaltungen genutzt werden, gehen diese Aufwendungen in "das Produkt" ein und stellen deshalb kein fiktives Anlagevermögen dar, welches zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG führt.
Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2011 vom 23. September 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Januar 2021 wird dahingehend geändert, dass die Hinzurechnungsbeträge nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG (bewegliche Wirtschaftsgüter) um 212.567 € und nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG (unbewegliche Wirtschaftsgüter) um 9.061.045 € vermindert werden.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Strittig sind die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen gem. § 8 Nr. 1 Buchst. d und e Gewerbesteuergesetz -GewStG- im Erhebungszeitraum 2011.
Die Klägerin wurde im Jahr … in C… gegründet. Eingetragener Unternehmensgegenstand war im Erhebungszeitraum die Veranstaltung von Reisen und die Durchführung von Tagungen und Kongressen, die Vermittlung von Reisen und Fahraufträgen, die Betreuung von C…-Gästen, die Durchführung von Messe und Auftragsdiensten und die Beratung von Firmen und Einzelpersonen im touristischen Bereich, sowie die Förderung des C…-Tourismus.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr ihre Umsätze in folgenden Geschäftsbereichen:
Umsatz | |
MICE | 18.641.572,44 € |
CONGRESS | 1.896.210,01 € |
CRUISE (See & River) | 6.453.506,70 € |
Sonstige | 2.027,52 € |
Total | 26.993.316,67 € |
Die Klägerin wurde zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung -AO-) am 20. Juni 2013 veranlagt. Hierbei wurden Mieten-/Pachtzinsen für Zwecke der Hinzurechnung nach § 8 GewStG i.H.v. 151.760 € (unbewegliche Wirtschaftsgüter) und 44.352 € (bewegliche Wirtschaftsgüter) berücksichtigt.
Eine steuerliche Außenprüfung für 2011 bis 2013 kam zu der hier noch strittigen Feststellung, dass die Anmietung von Hotelzimmern der Hinzurechnung unterliege. Die mit den Kunden geschlossenen Verträge seien keine Verträge besonderer Art, weil ihnen weder die Raumüberlassung noch eine sonstige Leistung das Gepräge gebe. Die einzelnen Leistungskomponenten seien vielmehr einzeln zu betrachten, so dass die der Hotelunterkunft zuzurechnenden Entgelte der Hinzurechnung unterliegen würden. Neben der Übernachtungsleistung würden die üblicherweise unmittelbar mit der Überlassung der Unterkunft einhergehenden Nebenleistungen wie Zimmerreinigung und Rezeption sowie die Entgelte für die Nutzung der hoteleigenen Anlagen wie beispielsweise Schwimmbad, Sauna oder Sportstätten der Hinzurechnung unterliegen. Nicht der Hinzurechnung unterliegen würden jedoch die Verpflegungsleistung im Hotelrestaurant, spezielle Wellnessleistungen und Ausflüge.
Der Anteil der hinzuzurechnenden Beträge sei – so die Außenprüfung – durch Schätzung zu ermitteln. Die Schätzung des Anteils nahm die Außenprüfung anhand der Werte aus 2013 für den gesamten Prüfungszeitraum vor. Grundlage der Schätzung waren insbesondere Eingangs- und Ausgangsrechnungen der Klägerin für das Jahr 2013. Das Gericht nimmt Bezug auf die Belege und Aufstellungen in den Arbeitsbögen (2 Bände) der Außenprüfung. Ausweislich der Belege buchte die Klägerin im eigenen Namen insbesondere in sog. Konferenzhotels Zimmer, Veranstaltungsräume, Technik und Leistungen. Dazu gehörten auch Speisen und Getränke, der einzelnen Teilnehmer und Beförderungsleistungen. Kunden der Klägerin waren die entsprechenden Veranstalter der Konferenzen und Kongresse, der die Klägerin sämtliche Posten in Rechnung stellte. Im Streitjahr wurden – ausweislich vorliegender Rechnungen – auch Reisen von Kunden von Werbepartnern zu Fußballspielen der Champions League organisiert und entsprechend in Rechnung gestellt.
Im Bericht wird zur Schätzung ausgeführt, dass die für 2013 ermittelten Prozentsätze zur Aufteilung einvernehmlich auch für 2011 und 2012 herangezogen worden seien. Das Gericht nimmt Bezug auf die Ausführungen im Bericht vom 04. Juli 2016, Tz. 31 und 32. In der Anlage 6.7.1 zum Prüfungsbericht wurden die hinzuzurechnenden Beträge wie folgt ermittelt:
bewegliche WG | unbewegliche WG | ||||
Konto1 | Betrag | in % | in € | in % | in € |
#3307 | 3.758.568,69 | 100,00 | 3.758.568,69 | ||
#3519 | 2.139.821,79 | 8,58 | 183.596,71 | 18,40 | 393.727,21 |
#3526 | 210.852,55 | 3,60 | 7.590,69 | 87,23 | 183.926,68 |
#3528 | 6.232.033,51 | 40,00 | 2.492.813,40 | ||
#3120 | 2.231.969,35 | 0,62 | 13.838,21 | 61,83 | 1.380.026,65 |
#3125 | 1.302,50 | 10,86 | 141,45 | 20,06 | 261,28 |
#3128 | 1.121.275,56 | 0,66 | 7.400,42 | 75,96 | 851.720,92 |
Summen | 212.567,48 | 9.061.044,83 |
Diese Beträge setzte der Beklagte im Prüfungsbericht den bereits erklärten Beträgen hinzu:
bewegliche WG | unbewegliche WG | |
erklärte Beträge | 44.352 € | 151.760 € |
zzgl. Prüfungsergebnis | 212.567 € | 9.061.045 € |
Summe Hinzurechnungen | 256.919 € | 9.212.805 € |
Mit am 23. September 2016 geändertem Bescheid für 2011 wurde der Gewerbesteuermessbetrag auf 62.884 € festgesetzt. Der Beklagte ging hierbei von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb (662.708 €) sowie von folgenden Hinzurechnungen aus:
Entgelte für Schulden | 7.370 € | |
Miet-/Pachtzinsen für bewegliche WG | 256.919 € | |
davon 1/5 | 51.383 € | |
Miet-/Pachtzinsen für unbewegliche WG | 9.212.805 € | |
davon 1/2 | 4.606.402 € | |
Aufwendungen für Konzessionen, Lizenzen | 17.389 € | |
davon 1/4 | 4.347 € | |
abzüglich Freibetrag | -100.000 € | |
Hinzurechnungen | 4.569.502 € |
Die Klägerin legte hiergegen fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf ihre Tätigkeit; sie organisiere Meetings, Events und Ausstellungen. Ebenfalls könnten Kunden Kreuzfahrten und ausgewählte Sportveranstaltungen buchen. Integraler Bestandteil dieser Dienstleistungen sei, dass hierfür Übernachtungsmöglichkeiten und Veranstaltungsräumlichkeiten nebst Equipment gebucht würden. Vorliegend handele es sich bei den angemieteten Räumlichkeiten und dem Equipment um kein fiktives Anlagevermögen. Selbst wenn es sich um eigenes Anlagevermögen handeln sollte, gehe die herrschende Auffassung davon aus, dass es sich bei der Vermietung von möblierten Zimmern in Pensionen und Hotels bzw. Räumlichkeiten, die aus Haupt- und diversen Nebenleistungen bestehen, um eine Leistung eigener Art handeln würde und eine Hinzurechnung aus diesem Grund nicht vorzunehmen sei.
Die Klägerin sei in den Wirtschaftsfeldern „MICE“ (meetings, incentives, conferences and events) sowie „Destination Management“ für Kreuzfahrtunternehmen tätig. MICE umfasse die Planung und das Management von Veranstaltungen und Konferenzen. Destination Management umfasse die Betreuung von Landgängen von Kreuzfahrtunternehmen. Keines dieser Geschäftsfelder erfordere das ständige Anmieten und Vorhalten von Räumlichkeiten oder Hotelzimmern.
Ausgehend von der Rechtsprechung liege kein fiktives Anlagevermögen vor. Die zeitlich begrenzte Nutzung der eingekauften Leistungen sei gerade nicht dazu bestimmt, der dauerhaften Herstellung neuer Produkte zu dienen. Sie fließe in Form eines Teilprodukts in ein Produktbündel ein und verbrauche sich mit der Durchführung des von der Klägerin erstellten Produkts. Für eine wirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit sei es nicht erforderlich, dass die Klägerin Hotelzimmer im Anlagevermögen halte. Dies würde den unternehmerischen Interessen sogar widersprechen, denn sie müsse kurzfristig auf veränderte Kundenwünsche reagieren. Nutzungsmöglichkeiten seien deshalb nur dem fiktiven Umlaufvermögen zuzuordnen. Der Geschäftsgegenstand der Klägerin sei mit dem eines Konzertveranstalters nicht vergleichbar. Die Klägerin veranstalte nichts selbst, sondern biete nur ein Leistungsbündel für die Kunden an, die dann die Events und Kongresse selbst veranstalten würden. Wenn überhaupt sei sie mit einer Messedurchführungsgesellschaft vergleichbar, da sie nur auf Kundennachfrage tätig werde.
Das Einspruchsverfahren ruhte bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs -BFH- in dem Revisionsverfahren zur Behandlung von Hinzurechnungen (III R 22/16). Die Einsprüche für 2012 bis 2017 ruhen weiterhin.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Januar 2021 wies der Beklagte den Einspruch für 2011 als unbegründet zurück. Wäre die Klägerin Eigentümerin der angemieteten Wirtschaftsgüter, so befänden sich diese in ihrem Anlagevermögen, denn sie wären zum Gebrauch in ihrem Betrieb und nicht zum Verbrauch oder zur Weiterveräußerung bestimmt gewesen, da sie derartige Wirtschaftsgüter ständig für die von ihr organisierten Veranstaltungen benötige. Auch der Umstand, dass die Räumlichkeiten nur einmalig angemietet werden, weil sich bei dem Auftrag die konkrete Auswahl nach den Wünschen des jeweiligen Auftraggebers richte, stehe der Hinzurechnung nicht entgegen. Tatsächlich miete die Klägerin für jede von ihr durchgeführte Veranstaltung stets mehr oder weniger vergleichbare Räumlichkeiten und Ausstattungsgegenstände an. Der Unterschied zum Konzertveranstalter (vorherige Planung und Kartenverkauf) werde dem Grunde nach anerkannt. Der Unterschied spiele jedoch in Rspr. des BFH zu den Konzertveranstaltern und den Reiseveranstaltern keine maßgebliche Rolle. Es komme nur darauf an, ob der Steuerpflichtige die Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch im Betrieb hätte vorhalten müssen. Dies sei gegeben. Auch im Messefall (BFH, Urteil vom 25. Oktober 2016, I R 57/15) habe die Durchführungsgesellschaft die Messehallenflächen nach auftragsbezogener Weisung – und somit aus ihrer Sicht zufällig – angemietet. Tatsächlich sei die Klägerin auch nicht nur Dienstleister, denn ihr Geschäft bestehe auch in der Veranstaltung von Reisen und der Durchführung von Kongressen. Sie biete ihre Leistungen gegenüber Kunden an und sichere sich ab, dass die Veranstaltung auch tatsächlich durchgeführt werden könnten. Auch wenn die Initiative von den Kunden ausgehe, hänge die Durchführung der Veranstaltung von der Mitwirkung der Klägerin ab. Sie treffe zunächst die Auswahlentscheidung, da sie verschiedene Pakete zusammenstelle und dem Kunden zur Auswahl anbiete. Damit sei die Veranstaltung maßgeblich an unternehmerische Entscheidungen der Klägerin gekoppelt. Die Anmietung von Räumen und Gegenständen sei dann Teil ihrer unternehmerischen Entscheidung. Zwar habe der BFH bei einem Reiseveranstalter entschieden, dass die eingekauften Vorleistungen nicht dazu bestimmt gewesen seien, der dauerhaften Herstellung neuer Produkte zu dienen, weil diese als Teilprodukt in das Produktbündel „Pauschalreise“ eingeflossen seien und sich verbraucht hätten. Unklar bleibe nach dieser Entscheidung aber die Abgrenzung zu einem Konzertveranstalter, bei dem die Immobilien gleichsam eines Produktionsmittels zur dauerhaften Herstellung einer Vielzahl von Produkten dienten. Auch bei einem Konzertveranstalter würden die angemieteten Immobilien als Teilprodukt in das Produktbündel „Konzert“ einfließen und sich verbrauchen. Gleichwohl habe der BFH die Hinzurechnung bejaht. Der Beklagte sei aber an die Grundsätze der gleichlautenden Ländererlasse vom 02. Juli 2012 gebunden, weil es sich bei der Klägerin nicht um einen Pauschalreiseveranstalter handele. Der Geschäftsgegenstand ähnele eher dem eines Konzertveranstalters.
Die Klägerin hat am 14. Februar 2021 Klage erhoben.
Keines der Geschäftsfelder erfordere das ständige Anmieten oder Vorhalten von Räumlichkeiten, auch nicht von Hotelzimmern. Die Klägerin manage Veranstaltungen und Ausflüge und bietet diese Leistungen als Pakete an. Teile der Leistungspakete könnten das Reservieren von Übernachtungsmöglichkeiten sein, wenn dies der Kunde wünsche. Dies entscheide sich aber unterschiedlich, je nach Kunde, Veranstaltung und Angebot. Die Klägerin sei kein typischer Reiseveranstalter von Pauschalreisen, gleichwohl handele es sich um Pauschalreisen mit zusätzlichen Spezialangeboten. Im Mittelpunkt der Aktivitäten stünden nicht die Übernachtungen, vielmehr die damit verbundenen Unternehmungen bzw. Arrangements. Die Übernachtung sei nicht Hauptzweck, sondern eher eine Notwendigkeit, um an der Unternehmung im geplanten Maße teilhaben zu können. Die Klägerin sei eher als „Event-Veranstalter“ zu bezeichnen. Im Geschäftsfeld MICE (90 % des Umsatzes) würden im Ausland ansässige Agenturen exklusive Leistungen für deren Kunden bei der Klägerin bestellen, bspw. die Organisation eines Events. Der Teilnehmerkreis werde durch den Hauptauftraggeber bestimmt und sei nicht für die Allgemeinheit öffentlich. Die Leistungen würden je nach Bedarf umfassen: Transportleistungen, Tagungsräume, Tourguides, Abendveranstaltungen, Hotelunterkünfte und auch Verpflegung incl. Trinkgeld. Die Auswahl der Hotelunterkunft erfolge individuell nach der Art des Events. Die Rechnungen würden transparent weiterbelastet. Der Einkauf der Hotelleistung erfolge nach Auswahl und Preisvorstellung der Kunden. Teilweise müsste auch auf mehrere Hotels zurückgegriffen werden (Auslastung, unterschiedliche Preiskategorien). Im Geschäftsfeld Destination Management (10 % des Umsatzes) würden Kreuzfahrtschiffe (Binnenflüsse und Ostsee) betreut. Die Klägerin organisiere für die Reedereien Landgänge für Passagiere. Hier umfasse die Leistung insbesondere Eintrittskarten für Veranstaltungen (Konzerte, Kulturstätten, Museen), Personentransfers ab Bootsanleger, Stadtrundfahrten mit Tourguides und Restaurantbesuche, aber keine Übernachtungen. Die Leistung werde direkt mit der Reederei abgerechnet. Die Teilnehmer würden die Tickets bei der Reederei buchen. Die Klägerin trete nicht nach außen gegenüber den Passagieren auf. Lediglich bei amerikanischen Reedereien stehe auf den Tickets, dass die Klägerin für Schäden hafte, um die hohen Schadenersatzansprüche des amerikanischen Rechts zu umgehen. Auch in diesen Fällen komme das Vertragsverhältnis zwischen der Reederei und dem Passagier zustande. Im Übrigen werde die Klägerin im Bereich Event/Abendveranstaltung sowie Kongresse und Messen tätig und organisiere mit und ohne Übernachtungsleistungen die Teilnahme von Kundenmitarbeitern im In- und Ausland, wobei u.a. Tagungsräume angemietet würden, Catering organisiert werde, genauso Abendveranstaltungen, Teamevents, Übernachtungen, Transfers, Rahmenprogramme und der Registrierungsprozess. Alle Leistungen würden von Fall zu Fall am Markt ermittelt, dem Kunden vorgestellt oder direkt auf dessen Wunsch eingekauft. Das Geschäftsfeld Destination Management habe es als solches bei der Klägerin im Jahr 2011 nicht gegeben. Die Bezeichnung eines Geschäftsfelds als „Congress“ mag etwas irritieren; tatsächlich veranstalte die Klägerin selbst keine Kongresse, sondern betreue Gruppen von Kunden organisatorisch, wenn diese Kongresse besuchten und bspw. ein Rahmenprogramm erforderlich werde.
Im Streitfall fehle es nach der Art des Unternehmens deshalb an der Vermietung fiktiven Anlagevermögens. Die BFH-Rechtsprechung lasse sich auf die Sachverhalte der Klägerin vollständig übertragen. Die Zuordnungsentscheidung müsse den konkreten Geschäftsgegenstand des Unternehmens berücksichtigen. Geschäftsmodelle von „Durchführungsvermittlern“ wie z.B. Reiseveranstalter und Messedurchführungsgesellschaften schließen für vermietete Flächen die Annahme von Anlagevermögen aus. Ein Hotelzimmer könne nur Verbrauchsgut sein. Es sei Teil des veräußerten Produkts (Reise, Event etc.). Die Leistungsmotivation gehe – noch viel mehr als beim Pauschalreiseveranstalter – vom Kunden aus. Die Leistung liege – noch viel intensiver als beim Pauschalreiseveranstalter – in der Zusammenstellung des Leistungspakets. Mit der Leistungserbringung würden die für den Kunden angemieteten Immobilien für die Klägerin „verbraucht“. Soweit sich der Beklagte noch in der Einspruchsentscheidung auf die Grundsätze der Rn. 6 und 7 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 02. Juli 2012 berufen habe, sei dem durch die BFH-Rechtsprechung schon die Grundlage entzogen. Unzutreffend sei auch die Einschätzung, dass die Klägerin die Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch im Betrieb hätte vorhalten müssen. Dies verkenne die grundsätzliche Problematik, denn die Zimmer würden nicht ge- sondern verbraucht. Soweit dem Beklagten nach der BFH-Entscheidung die Abgrenzung zu einem Konzertveranstalter selbst unklar bleibe, zeigt dies das Fehlverständnis. Beim Konzertveranstalter liege Gebrauch vor (Leistungserstellung), in den anderen Fällen Verbrauch (marktliche Verwertung). Der Veranstaltungsort sei beim Konzertveranstalter ein „Produktionsmittel“, für den Pauschalreiseveranstalter und auch den Eventorganisator gebe es außer Computer und ggf. eigener Büroräume keine „Produktionsmittel“, weil die Organisation die Leistung sei. Hotelzimmer oder Tagungsräume seien hier als „Rohstoffe“ anzusehen.
Der Berichterstatter hat am 17. Mai 2023 darauf hingewiesen, dass der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 19. Januar 2023 (III R 22/20) entschieden habe, dass zwischen sich wiederholenden bzw. einzelnen Events zu unterscheide wäre. Es werde deshalb – wie auch vom Beklagten – angeregt, die betroffenen Aufwendungen in Kategorien aufzuteilen und entsprechende Nachweise dazu elektronisch zu übersenden.
Die Klägerin hat darauf erklärt, dass 0 % gleichartige Wirtschaftsgüter wiederholt angemietet würden und zu 100 % Wirtschaftsgüter vorliegen würden, die in das Produkt „Event“ eingingen. Als Veranstaltungsagentur stelle die Klägerin von sich aus grundsätzlich kein Produkt her. Sie biete organisatorische Dienstleistungen an. Sie verweist nochmals darauf, dass die Leistungsanregung vom Kunden ausgehe. Wenn der Bundesfinanzhof bei einem Pauschalreiseveranstalter in großen Kontingenten und Paketen gebündelten Drittleistungen (Hotelzimmer und Flüge) als mit der Durchführung „verbraucht“ ansehe, gelte dies auch für die Klägerin. Es würden zudem nicht einmal Leistungspakete erstellt, um sie im Markt etwaigen Kunden anzubieten. Es sei damit auch nicht denkbar, gleichartige Leistungsbestandteile vorzuhalten. In der neueren Rechtsprechung habe der BFH zudem klargestellt, dass die Dauer der Anmietung kein Kriterium sei, solange das entsprechende Wirtschaftsgut, wäre es im Eigentum der Steuerpflichtigen, für die Herstellung des Produkts „gebraucht“ und nicht mit dem Produkt „verbraucht“ werde.
Die Klägerin ist sodann gem. § 79b Abs. 2 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- aufgefordert worden, bis zum 17. November 2023 die Buchhaltungskontenausdrucke der von den Hinzurechnungen für unbewegliche Wirtschaftsgüter und bewegliche Wirtschaftsgüter betroffenen Buchungskonten sowie der Erlöskonten in elektronischer Form dem Gericht zu übersenden und die Erlöse der Erlöskonten nach den von ihr bezeichneten Geschäftsfeldern (MICE, Destination Management, Eventmanagement und Kongresse) aufzuteilen.
Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 28. November 2023 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass im Bericht zur Außenprüfung von „einvernehmlicher“ Aufteilung, aber zugleich von fehlendem Einverständnis hinsichtlich der gesamten Tz. die Rede sei. Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass keine tatsächliche Verständigung der Höhe nach getroffen worden sei. Für die Diskussion zur Aufbereitung der Unterlagen und Mitwirkungspflichten wird auf das Protokoll vom 28. November 2023 Bezug genommen. Zudem habe B… mit Schreiben vom 08. April 2016 eine Quote von 30% statt der letztlich angewandten 40% für Hotelzimmer ermittelt und dies gänzlich unter den Vorbehalt, dass eine Hinzurechnung grundsätzlich gar nicht erfolgen sollte, gestellt.
Die Klägerin hat sodann folgende Aufteilung für 2011 vorgelegt:
Anzahl der Veranstaltungen insgesamt | 1.522 | |
Anzahl der Teilnehmer an den Veranstaltungen | 168.489 | |
Umsatz im Atlas PM System | 21.776.566 € | |
Kosten im Atlas PM System | 17.821.643 € | |
davon Hotels inkl. teilweise Veranstaltungsräume | 5.486.459 € | 30,8% |
davon Veranstaltungsräume inkl. kleiner Teil Anmietung Grundstücke | 272.048 € | 1,5% |
Gesamt Hotels und Veranstaltungsräume | 5.758.507 € | 32,3% |
Umsatz Buchhaltung | 28.393.316 | 76,7% |
Die Klägerin bekräftigt aber, dass diese Aufteilung rechtlich irrelevant sei.
Die Klägerin beantragt,
1. unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14.01.2021 des Finanzamtes C… (Finanzamt …) unter Aktenzeichen/Steuernummer … RB… den Gewerbesteuermessbescheid für 2011 vom 23.09.2016 aufzuheben, in dem die Hinzurechnungsbeträge um die Mieten für unbewegliche Wirtschaftsgüter um 9.061.045,00 € und für bewegliche Wirtschaftsgüter um 212.567,00 € gekürzt werden und die ursprünglich erklärten Beträge 151.760,00 € und 44.352,00 € Grundlage des zu ändernden Bescheides sind.
2. dem Beklagten die Kosten des Vorverfahrens aufzuerlegen.
3. im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zunächst auf seine Einspruchsentscheidung. Er hat ferner ausgeführt, dass er keine Anhaltspunkte sehe, die Klägerin abweichend von einem Konzertveranstalter zu behandeln. Auch der Konzertveranstalter miete die Räumlichkeiten jeweils nur für das Konzert an, weshalb es nach der Durchführung des Konzerts „verbraucht" sei. Entsprechend benötige die Klägerin die Flächen für die Durchführung der von ihr angebotenen Events. Das weitere Argument, dass die Leistung in der Organisation liege, überzeuge ebenfalls nicht. Die Überlassung der Räumlichkeiten sei Teil des Leistungspakets der Klägerin, die Leistung beschränke sich nicht auf die Organisation. Auch beim Konzertveranstalter gebe es entsprechende Organisationsleistungen.
Mit der Entscheidung vom 19. Januar 2023 (III R 22/20) habe der BFH die Rechtsgrundsätze der Urteile III R 38/17 und IV R 24/11 übernommen. Damit bestünden keine Bedenken, die Abgrenzungskriterien im Streitfall anzuwenden. Der BFH habe entschieden, dass die Hinzurechnung davon abhänge, ob das betreffende Unternehmen längerfristig dieselben oder wiederholt kurzfristig vergleichbare Wirtschaftsgüter vorhalten müsse, um mit diesen (entsprechend einem Produktionsmittel) immer wieder neue Events organisieren zu können; dann liege fiktives Anlagevermögen vor. Würden die betreffenden Wirtschaftsgüter dagegen voraussichtlich nur für ein einzelnes Event verwendet und fehle es an der Austauschbarkeit mit anderen angemieteten beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern, spreche dies dafür, dass sie in das Produkt „Einzelevent“ eingingen und nur dem fiktiven Umlaufvermögen zuzuordnen seien. Aufgrund des Zusatzes „gleichartig“ komme es nicht darauf an, dass sich wiederholende Events am gleichen Ort vorliegen müssen. Für die Annahme von Anlagevermögen reiche es aus, dass wiederholt gleichartige Wirtschaftsgüter angemietet würden. Eine Hinzurechnung ergebe sich auch bei Anmietung unterschiedlicher aber gleichartiger Räumlichkeiten. Gleichartigkeit könne nur verneint werden, wenn einmalige Abweichungen vorliegen würden. Sofern der Berichterstatter allein auf sich wiederholende Events an gleichen Orten abstelle, könne dem nicht gefolgt werden.
Die Klägerin müsse eine Aufstellung aller im Streitjahr von ihr durchgeführten Events einreichen, der zu entnehmen sei, welche Wirtschaftsgüter von ihr dazu mit welcher Dauer angemietet wurden. Sofern wiederholt gleichartige Wirtschaftsgüter (vorliegend hauptsächlich Tagungsräume, Hotelzimmer und Veranstaltungstechnik) angemietet worden seien, müsse ermittelt werden, woraus sich eine Gleichartigkeit ergebe. Entsprechende Feststellungen müssten auch getroffen werden, sofern keine einvernehmliche Lösung gefunden werde und ein weiterer Rechtszug zu befürchten sei. Der Streitfall sei dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin eine Vielzahl von Veranstaltungen durchgeführt habe (über 9 Mio. € der Aufwendungen seien als Hinzurechnungen strittig). Hierbei seien regelmäßig Tagungsräume, Veranstaltungstechnik und Hotelzimmer angemietet worden. Der Beklagte gehe hier von Gleichartigkeit aus. Sofern seitens der Klägerin Wirtschaftsgüter angemietet worden seien, die nur in einzelnen Events Verwendung finden konnten, könnten diese Wirtschaftsgüter unberücksichtigt bleiben. Angesichts des Umfangs der Hinzurechnungen und offener Folgejahre würde eine Aufteilung einen erheblichen Aufwand für alle Beteiligten bedeuten. Zu erwägen wäre daher, ob es praktikabel wäre, die streitbefangenen Miet- und Pachtzinsen im Wege einer Schätzung und unter Berücksichtigung der möglicherweise unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Klägerin, des Finanzamts und des Gerichts über die Trennlinie zwischen Anlage- und Umlaufvermögen in bestimmte Kategorien aufzuteilen und sich darüber tatsächlich zu verständigen.
Die Klägerin sei gemäß § 90 AO zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Dies gelte auch nach einer durchgeführten Außenprüfung. Soweit die Klägerin der Auffassung sei, dass individuelle Kundenwünsche eine Gleichartigkeit ausschließen würden, könne dem nicht gefolgt werden. Der BFH habe eine Hinzurechnung ausdrücklich trotz nur auftragsbezogener Anmietung für gerechtfertigt angesehen, weil diese wie Werkzeuge eines Warenfabrikanten der Herstellung von Produkten (der Events) gedient hätten. Der von der Klägerin betonte Umstand, dass die Leistungsmotivation vom Kunden ausgegangen sei, stehe der Hinzurechnung nicht entgegen. Er halte deshalb eine weitergehende Aufschlüsselung der Ausgaben für notwendig; einer tatsächlichen Verständigung auf 0 % zu 100 % werde er nicht zustimmen.
Der Beklagte hat zuletzt eingewandt, dass – auch wenn die Klägerin keine weiteren detaillierteren Daten aus dem Projektmanagementsystem filtern habe können – bereits die hohe Anzahl der Veranstaltungen im Streitjahr von 1.xxx und die Anzahl der Teilnehmer i.H.v. 1xx.xxx zeige, dass die Klägerin sehr oft bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter angemietet habe. Damit dürfte die Klägerin weit häufiger bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter angemietet haben als die Konzertveranstalterin im Streitfall des BFH. Gleichartige Wirtschaftsgüter (Hotelzimmer, Veranstaltungsräume etc.) seien immer wieder angemietet worden und seien deshalb hinzuzurechnen, weil diese wie Werkzeuge der Herstellung von Produkten, den Veranstaltungen dienten. Das Argument der Klägerin, dass es für eine Veranstaltungsagentur grundsätzlich keinen Sinn ergäbe, sich Anlagevermögen „ans Bein zu binden“ sei zwar nachvollziehbar. Entsprechendes gelte jedoch auch für Konzertveranstalter, die sich ebenfalls keine Konzerthallen kaufen, sondern diese nur für die jeweiligen Veranstaltungen anmieten. Auch für diese ergebe es grundsätzlich keinen Sinn, sich Anlagevermögen „ans Bein zu binden“. Dies stelle jedoch keinen Grund dafür dar, dass es sich dabei nicht um fiktives Anlagevermögen handeln könnte.
Gegen die Würdigung der angemieteten Hotelzimmer als Umlaufvermögen spreche zudem, dass diese entgegen der Darstellung der Klägerin nicht in das Produkt „Veranstaltung“ eingehen. Gegenstand der Leistung ist die Durchführung der jeweiligen Veranstaltung. Diese finde jedoch regelmäßig nicht in den Hotelzimmern statt. Die Übernachtungsmöglichkeiten seien damit gerade nicht Teil des Produkts geworden. Es kam gerade nur darauf an, dass Übernachtungsmöglichkeiten im Bereich der durchgeführten Veranstaltung vorhanden waren, um die Veranstaltungsteilnehmer dort unterzubringen. Während bei einer Pauschalreise das Zimmer in einem konkreten Hotel entscheidungserheblich für den Kunden (Urlauber) ist, musste die Klägerin nur Unterkünfte anmieten, die in räumlicher Nähe zu den stattfindenden Veranstaltungen lagen.
1 Die Konten hatten in der Buchführung der Klägerin folgende Bezeichnungen: #3120: „Aufw. Ausland“, #3125: „Aufwand Ausland § 13 B“, #3128: „Aufwand Rest EU“, #3307: „Aufwand Logis 7%“, #3519: „Aufw. Sonstiges 19%“, #3526: „Aufw. verb. Untern. 0%“ und #3528: „Auf.verb.Intercompany§13B“.
Die zulässige Klage ist begründet.
I. Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für 2011 ist rechtswidrig, insbesondere waren die hier strittigen Aufwendungen nicht gem. § 8 Nr. 1 GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen. Die Klägerin ist durch den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2011 vom 23. September 2016 in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO).
1. Die strittigen Beträge haben als Aufwendungen den Gewinn aus Gewerbebetrieb gemindert (Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz -EStG-). Eine Gewinnabsetzung i.S. des § 8 GewStG liegt dann nicht vor, wenn der Aufwand in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeht (vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 30. Juli 2020, III R 24/18, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2022, 279). Die Klägerin selbst hat die Aufwendungen nicht buchhalterisch als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert, sondern schlicht als laufenden Aufwand erfasst.
2. Die Aufwendungen für angemietete bewegliche und insbesondere unbewegliche Wirtschaftsgüter waren nicht einem fiktiven Anlagevermögen der Klägerin als Mieterin bzw. Pächterin zuzuordnen.
a) Es ist darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn er ihr Eigentümer wäre. Diese Fiktion ist auf den Zweck des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG zurückzuführen, durch die Hinzurechnung i.S. einer Finanzierungsneutralität einen objektivierten Ertrag des Gewerbebetriebs zu ermitteln (BFH, Urteil vom 25. Juli 2019, III R 22/16, BStBl. II 2020, 51).
aa) Das Tatbestandsmerkmal des Anlagevermögens ist nach allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen. Anlagevermögen sind demnach die Gegenstände, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Betrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 Handelsgesetzbuch -HGB-). Hierunter fallen die zum Gebrauch im Betrieb und nicht zum Verbrauch oder Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter. Die Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen orientiert sich maßgeblich an der Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts in dem Betrieb, die einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt, sich andererseits aber an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen muss (wie z.B. der Art des Wirtschaftsguts, der Art und Dauer der Verwendung im Betrieb, der Art des Betriebs, ggf. auch der Art der Bilanzierung). Ein Gegenstand, der etwa zum Verkauf bestimmt ist, gehört danach auch dann zum Umlaufvermögen, wenn er bei fehlender Verkaufsmöglichkeit übergangsweise vermietet oder in anderer Weise für den Betrieb genutzt wird. Demgegenüber gehört ein Gegenstand, der zur Vermietung bestimmt ist, zum Anlagevermögen, es sei denn, die Vermietung dient nur dem Zweck, den Gegenstand anschließend dem Mieter zu verkaufen (BFH, Urteil vom 08. Dezember 2016, IV R 55/10, BStBl. II 2017, 722, mwN). Die Verwendung des Wirtschaftsguts als Produktionsmittel spricht für die Zuordnung zum Anlagevermögen, während der Einsatz als zu veräußerndes Produkt eine Zuordnung zum Umlaufvermögen nahelegt (BFH, Urteil vom 25. Juli 2019, III R 22/16, BStBl. II 2020, 51).
Die hier erforderliche Prüfung muss den Geschäftsgegenstand des Unternehmens berücksichtigen und sich so weit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen orientieren. Insbesondere darf die Fiktion nicht weiterreichen, als es die Vorstellung eines das Miet- oder Pachtverhältnis ersetzenden Eigentums gebietet. Es ist zu fragen, ob der Geschäftszweck das dauerhafte Vorhandensein solcher Wirtschaftsgüter voraussetzt. Hierfür ist – i.S. einer Kontrollfrage – darauf abzustellen, ob sich die betreffende Tätigkeit, das Eigentum des Steuerpflichtigen an dem Wirtschaftsgut unterstellt, wirtschaftlich sinnvoll nur ausüben lässt, wenn das Eigentum an den Wirtschaftsgütern langfristig erworben wird (BFH, Urteil vom 25. Juli 2019, III R 22/16, BStBl. II 2020, 51).
Ein Gegenstand kann aber auch dann dem Anlagevermögen zuzuordnen sein, wenn er nur kurzfristig gemietet oder gepachtet wird; dies gilt selbst dann, wenn sich das Miet- oder Pachtverhältnis lediglich auf Tage oder Stunden erstreckt. Insoweit darf für die Einordnung als Anlagevermögen die Zeitkomponente „dauernd“ nicht als reiner Zeitbegriff i.S. von „immer“ oder „für alle Zeiten“ verstanden werden. Das setzt indessen voraus, dass der Steuerpflichtige derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb benötigt. Dies hat der BFH etwa bejaht, wenn der Steuerpflichtige wiederholt gleichartige Container zur Weitervermietung oder gleichartige Bestuhlungen und Beschallungsanlagen zur eigenen Nutzung in Sälen und Stadien angemietet hat. Aber eine Zuordnung zum Anlagevermögen scheidet danach aus, wenn der Steuerpflichtige die angemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter nicht ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb hätte vorhalten müssen und sie deshalb nicht zu seinem dem Betrieb auf Dauer gewidmeten Betriebskapital gehören würden.
Die Frage, zu welchem betrieblichen Zweck das Wirtschaftsgut gewidmet ist, beantwortet sich nach den tatsächlichen betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen und unter Beachtung des tatsächlichen Geschäftsgegenstands des Unternehmens. Dabei kann die Annahme von Umlaufvermögen nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil angemietete Wirtschaftsgüter – wegen der Pflicht zur Rückgabe an den Eigentümer (§ 546 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) – nie tatsächlich zum Verbrauch oder zum Verkauf bestimmt sein können. Denn die Art und Weise des Gebrauchs ist wegen des für die Dauer des Mietverhältnisses fingierten Eigentums gerade unter Außerachtlassung der Rückgabepflicht zu bestimmen. Führt diese Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Wirtschaftsgut im Falle der (fiktiven) Eigentümerstellung des Steuerpflichtigen nicht dem Anlagevermögen zuzuordnen wäre, ergibt sich daraus zugleich, dass das Wirtschaftsgut zum Umlaufvermögen gehören würde. Dieses Resultat stellt sich nicht als zusätzliche, im Gesetz nicht angelegte Fiktion dar, sondern ist notwendige Konsequenz der vom Gesetz geforderten Zuordnungsentscheidung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen. Würde man hingegen bereits jede kurzfristige anlass- oder auftragsbezogene Anmietung eines Wirtschaftsguts für die Annahme von Anlagevermögen ausreichen lassen, wäre das Tatbestandsmerkmal „Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens“ im Ergebnis inhaltsleer und überflüssig (BFH, Urteil vom 25. Juli 2019, III R 22/16, BStBl. II 2020, 51, mwN).
bb) Der BFH hat bspw. durch einen Konzertveranstalter angemietete Veranstaltungsimmobilien dem fiktiven Anlagevermögen zugeordnet, da diese Wirtschaftsgüter nach dem Geschäftsgegenstand ständig für den Gebrauch vorzuhalten waren (BFH, Urteil vom 08. Dezember 2016, IV R 24/11, BStBl. II 2022, 276). Bei einer sog. Messedurchführungsgesellschaft, die entsprechend ihres Geschäftszwecks nur aufgrund auftragsbezogener Weisungen ihres Auftraggebers nach den konkreten vertraglichen Abreden wie ein Mittler zwischen Messeveranstalter und Auftraggeber tätig wird, liegt hingegen kein fiktives Anlagevermögen hinsichtlich der für den jeweiligen Auftrag angemieteten Wirtschaftsgüter vor (BFH, Urteil vom 25. Oktober 2016, I R 57/15, BStBl. II 2022, 273). Auch von einem Pauschalreiseveranstalter angemietete Hotelzimmer und Hoteleinrichtungen stellen nach dessen Geschäftsgegenstand kein fiktives Anlagevermögen dar, da die angemieteten Wirtschaftsgüter nicht wie bei einem Hotelier zur dauerhaften Herstellung neuer Produkte (Übernachtung, Verpflegung, Veranstaltung) benötigt werden (BFH, Urteil vom 25. Juli 2019, III R 22/16, BStBl. II 2020, 51). Das Sächsische Finanzgericht hat zuletzt fiktives Anlagevermögen bei der Anmietung von Unterkünften für Arbeitnehmer verneint, denn der Geschäftsgegenstand als solcher erfordere nicht die Anmietung von Übernachtungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer, denn die Klägerin könne ihre Leistungen auch regional erbringen. Auch wenn die betrieblichen Verhältnisse Übernachtungsmöglichkeiten erfordern würden, weil die Arbeitnehmer deutschland- und europaweit tätig würden, sei kein fiktives Anlagevermögen anzunehmen, denn es liege in ihrer Hand, wie sie die Tätigkeit ausübe, welche Aufträge sie durchführe und wo sie tätig werde. Damit unterscheide sich die Klägerin von einer Messedurchführungsgesellschaft, die aufgrund auftragsbezogener Weisung über die Teilnahme an einer konkreten Messe tätig werde (Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 27. September 2022, 3 K 1352/20, Rev. anh. III R 39/22).
Der Senat hat selbst mit Urteil vom 13. Dezember 2022 (8 K 8102/21, Revision anhängig unter III R 3/23) eine Behandlung als fiktives Anlagevermögen in einem Fall der Anmietung von Übernachtungsmöglichkeiten für überlassenes Personal angenommen, da insoweit die die Anmietung der Übernachtungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter essentiell für die Anwerbung des Personals überhaupt war, denn nur in diesem Fall konnten sich diese Mitarbeiter auf die Arbeit einlassen. Das konkrete Geschäftsmodell erforderte günstige Arbeitskräfte an verschiedenen Orten zum Einsatz zu bringen; die Übernachtungsmöglichkeit für die Arbeitnehmer war aber gerade nicht Teil des Produkts der Auftraggeber geworden, denn diesem kam es gerade nicht darauf an, dass die eingesetzten Personen vor Ort übernachteten.
b) Nach den vorgenannten höchstrichterlichen Grundsätzen – denen sich das Gericht dem Grunde nach anschließt – lag im konkreten Einzelfall kein fiktives Anlagevermögen vor. Das Gericht kann die genaue Zusammensetzung der Aufwendungen bzw. die Richtigkeit der Schätzung der Anteile aus den Gesamtaufwendungen dahinstehen lassen, denn der Gegenstand des Unternehmens und die „Nutzung“ der angemieteten Räume spricht bereits grundsätzlich gegen eine Hinzurechnung der Aufwendungen. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob die Inlandsradizierung der Gewerbesteuer (Objektivierung des Ertrags einer Betriebsstätte) einer Hinzurechnung von fiktivem Anlagevermögen im Ausland entgegensteht.
Das Gericht geht davon aus, dass ausgehend vom Unternehmenszweck nur das „Produkt“ des Gewerbes entscheidende Abgrenzungsmerkmale geben kann. Dies ersetzt die Dauerhaftigkeit der allgemeinen Anlagevermögensdefinition und ist nach Auffassung des Gerichts notwendig, weil bei Nichtberücksichtigung der ggf. kurzfristigen Anmietung die Annahme von Umlaufvermögen den Verbrauch der Wirtschaftsgüter (als zu verkaufende Ware bzw. einzusetzende Rohstoffe) erfordert bzw. die Annahme von Anlagevermögen eben die dauerhafte Nutzung, vergleichbar mit einer Maschine. Entsprechend kann nach Auffassung des Gerichts auch die wiederholte Anmietung gleichartiger Wirtschaftsgüter allein kein hinreichendes Unterscheidungsmerkmal sein. Dem Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, dass die wiederholte kurzfristige Anmietung vergleichbarer Wirtschaftsgüter den Schluss zulässt, dass diese entsprechend eines Produktionsmittels benötigt würden. Möglich wäre auch der gegenteilige Schluss, nämlich das eine wiederholte kurzfristige Anmietung vergleichbarer Wirtschaftsgüter auf fiktive „Handelsware“ schließen lässt. Untauglich ist auch eine Abgrenzung dahingehend, ob die „Produkte“ auf individuellen Kundenwünschen beruhen oder gleichartige „Massenfertigung“ vorliegt, denn in beiden Fällen wären Waren bzw. Rohstoffe notwendig.
Für eine Behandlung als fiktives Umlaufvermögen statt als fiktives Anlagevermögen spricht nach Überzeugung des Gerichts im Streitfall deshalb, dass die Klägerin Konferenzräume und Zimmer in Hotels sowie sonstige bewegliche Wirtschaftsgüter (Konferenztechnik, Schirme, Stühle etc.) angemietet hat, um damit für die eigenen Kunden Reisepakete, Konferenzen, Veranstaltungen gleich einem Reiseveranstalter zusammen zu stellen („zu produzieren“) und sodann an die Kunden als Gesamtpaket in Rechnung zu stellen („zu verkaufen“). Auch aus Sicht der jeweiligen Kunden waren die hier relevanten Anmietungen und Überlassungen gegen Entgelt im Paket Teil des Gesamtprodukts, auch wenn es für die Kunden der Klägerin ggf. unerheblich war, ob eine Übernachtung der Konferenzteilnehmer o.ä. in dem einen oder anderen Hotel erfolgt ist. Es kommt allein darauf an, dass die Vertragspartner die angemieteten Räume als Teil des Produkts angesehen haben, weil die Übernachtungen der Teilnehmer der Reisen/Veranstaltungen nicht nur Nebenfolge der Produkte waren, sondern selbst den Veranstaltungen das Gepräge gegeben haben. Die Klägerin hat im Streitfall gerade nicht nur die Konferenzen oder sonstigen Veranstaltungen geplant und durchgeführt, sondern es war Auftragsgegenstand ihrer eigenen Auftraggeber, das Gesamtpaket zu erstellen, welches teilweise auch Buchungsleistungen, Anmeldeprozesse, Anreiseorganisation, Übernachtungen und Verpflegung umfasste. Verkauftes „Produkt“ war damit nicht nur die einzelne Konferenz in einem Saal, sondern gerade die Organisation der Gesamtveranstaltung. Insoweit unterscheidet sich das Produkt der Klägerin auch vom Konzertveranstalter, der bezogen auf die regulären Endkunden gerade kaum Nebenleistungen (Anreise und Übernachtung) anbietet bzw. nur in Premium-Packages. Die Klägerin unterscheidet sich insoweit auch vom Messeveranstalter. Nach Überzeugung des Gerichts ähnelt das „Produkt“ trotz Veranstaltungscharakter eher einem Reiseveranstalter, auch wenn es gerade beim Reiseveranstalter den Endkunden um ganz konkrete Räume geht (Hotelzimmer einer bestimmten Kategorie in einem bestimmten Hotel an einem bestimmten Ort).
II. Das Gericht hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), weil beim BFH noch zwei Revisionsverfahren mit ähnlich gelagerten Streitfällen anhängig sind (III R 39/22 und III R 3/23).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.
Bei der Einlegung und Begründung der Revision vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.
Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.