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Entscheidung 8 K 8198/22


Metadaten

Gericht FG Cottbus 8. Senat Entscheidungsdatum 14.11.2023
Aktenzeichen 8 K 8198/22 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2023:1114.8K8198.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Bescheid für 2016 über Körperschaftsteuer sowie der Bescheid für 2017 über Körperschaftsteuer, jeweils vom 24. Februar 2021, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. November 2022 wird dahingehend geändert, dass der Kläger als gemeinnützige Körperschaft anerkannt und von der Körperschaftsteuer gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG befreit wird.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gemeinnützigkeit des Klägers in den Jahren 2016 und 2017.

Der Kläger wurde am […] als B… e.V. gegründet. […] Nach § 2 Abs. 1 der Satzung verfolgt der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung - AO -. Nach § 2 Abs. 2 der Satzung ist Zweck des Vereins die Förderung des demokratischen Staatswesens; er befasst sich hierbei umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien und würdigt diese objektiv und neutral […] und fördert in parteipolitisch neutraler Weise auf der Grundlage der Normen und Vorstellungen einer rechtsstaatlichen Demokratie politische Wahrnehmungsfähigkeit und politisches Verantwortungsbewusstsein […]. Der Satzungszweck wird nach […] der Satzung vor allem verwirklicht durch die Nutzung und Entwicklung der Möglichkeiten des Internets als Medium, die Organisation und Durchführung von politischen Diskussionen, Veranstaltungen und Online-Petitionen, von Kampagnen und als Instrument zur politischen Beteiligung von Bürgern sowie der Mitwirkung an der Entwicklung von politisch gewollten Vorschlägen und Gesetzentwürfen. Nach […] der Satzung ist der Kläger parteipolitisch neutral und verfolgt keine politischen Zwecke im Sinne einer einseitigen Beeinflussung oder Förderung einzelner Parteien. Für die weiteren Einzelheiten der Satzung – die im Streitzeitraum unverändert blieb – nimmt das Gericht Bezug auf die Satzungskopie (Blatt 2 ff. der Vertragsakte des Beklagten).

Der Beklagte stellte am 26. Oktober 2016 die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach §§ 51, 59, 60 und 61 AO gem. § 60a Abs. 1 AO fest.

Mit Körperschaftsteuererklärung für 2016 und 2017 vom 05. Februar 2019 begehrte der Kläger die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz - KStG -. Er gab an, keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu unterhalten. Der Erklärung war der [Tätigkeitsbericht 2017] beigefügt, der sich auch auf das Rumpfjahr 2016 bezog. Hiernach erzielte der Kläger u.a. Einzelspenden (… €) und Förderbeiträge (… €) als Einnahmen. Der Kläger unterstützte nach seinen eigenen Angaben (Seite 7 des Berichts) „mit der leistungsfähigen E…-Internetplattform und [seiner] Kampagnenexpertise [...] engagierte Menschen, damit sie sich schnell, einfach und zu jedem Zeitpunkt einmischen und untereinander vernetzen können.“ Zudem gab der Kläger an, ein unabhängiger Verein zu sein und eine Lizenzvereinbarung mit dem internationalen Sozialunternehmen B… zu haben (Seite 24 des Berichts).

E… ist eine Internetplattform, die es den Nutzern ermöglicht, „Petitionen“ zu erstellen und elektronisch „zu unterzeichnen“, um verschiedene soziale Anliegen zu fördern. Die Internetseite wird seit 2007 durch die „C… PBC“ (im Weiteren „PBC“) einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in D… (USA) betrieben. Die Rechtsform PBC steht für eine Public Benefit Corporation nach dem Recht des Bundesstaates Delaware. Es handelt sich um eine Körperschaft, die neben dem Gewinn auch positive Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Arbeitnehmer, die Gemeinschaft und die Umwelt zu ihren gesetzlich definierten Zielen zählt (§ 362 [b] des Delaware Code relating to the General Corporation Law).

Der Kläger unterhielt zudem eine eigene Internetseite unter www. … , auf der er auf seine Satzung hinwies und um Förderer warb. […].

Unter den FAQ wurde u.a. ausgeführt:

[…] Unsere Kampagnenexpert*innen geben Tipps zur wirkungsvollen Kampagnenführung und Mobilisierung. […]

Die Plattform E… nutzte der Kläger auf Grundlage verschiedener Vereinbarungen mit der PBC, nämlich […]. Hiernach hatte der Kläger das Recht zur Nutzung der Marke „C…“. PBC sollte die Einträge des Klägers entsprechend auf seiner Plattform aufnehmen und erhielt dafür … % der regelmäßigen Einnahmen ohne einmalige Spenden. Die Rechte an der Plattform blieben aber bei PBC. Die Marke konnte der Kläger für seine Kampagnen nutzen, wobei die Lizensierung durch […] mit abgegolten waren. Für die weiteren Einzelheiten der Verträge nimmt das Gericht Bezug auf die Kopien (Blatt 40 ff. der Körperschaftsteuerakte des Beklagten; deutsche Übersetzung Blatt 66 ff. der Körperschaftsteuerakte des Beklagten).

Für das Jahr 2017 gab der Kläger an, über ca. […] Nutzer in Deutschland zu verfügen. Im Bericht werden exemplarisch sog. „Erfolgsgeschichten“ aufgeführt, nämlich […] Im Übrigen wird auf die Liste sämtlicher Petitionen des Streitzeitraums Bezug genommen (Blatt 64 f. der Körperschaftsteuerakte des Beklagten).

[…]

Am […] setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer für 2016 und 2017 jeweils auf 0 € fest. In der Anlage zum Bescheid führte er aus, dass die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG nicht gewährt werde. Die tatsächliche Geschäftsführung sei nicht auf die Zweckerreichung gerichtet. Außerdem seien Mittel des Klägers nicht für steuerbegünstigte Zwecke verwendet worden. Der Kläger habe die deutsche Version von E… betrieben und ermögliche Petitionen an Jedermann. Durch die Ermöglichung von sonstigen Anliegen an nicht-staatliche Stellen werde nicht der steuerbegünstigte Zweck verfolgt. Eine Petitionsplattform diene nur dann der Förderung des demokratischen Staatswesens, wenn es sich um Petitionen im Sinne von Art. 17 Grundgesetz - GG - handele. Eine Zuordnung der übrigen Petitionen zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb scheide aus, weil insoweit keine Entgelte erhoben worden seien. Soweit der Kläger Wissen zur Durchführung von Petitionen und Kampagnen vermittle, handele es sich um Volks- und Berufsbildung; dies sei aber nicht Satzungszweck. Damit seien zugleich Mittel für nicht begünstigte Zwecke verwendet worden.

Am […] legte der Kläger Einspruch ein. Er sei verantwortlicher Betreiber der Plattform im Inland. Der Begriffsinhalt des „demokratischen Staatswesens“ werde vom Beklagten zu eng verstanden, denn Staatswesen umfasse sämtliche Belange, die über das Interesse eines Einzelnen hinausgingen, also alle Themen, die für die Gesellschaft Bedeutung hätten. Staatswesen stehe stellvertretend für Gemeinwesen. Unter Staat werde gemein das politisch organisierte Gemeinwesen verstanden, während Gemeinwesen die Gesellschaft mit all ihren Belangen erfasse. Auch der Gesetzgeber schließe mit dem zweiten Halbsatz in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO nur solche Bestrebungen aus, die nur bestimmte Einzelinteressen betreffen. Auch der Begriff „demokratisch“ sei entsprechend weit zu verstehen, weil es um Meinungsbildungsprozesse der Mehrheit der Bürger gehe, die über Einzelinteressen hinausgingen und öffentlich kundgetan würden. „Demokratisches Staatswesen“ sei einem breiteren Tätigkeitsbereich zugänglich als staatliche Petitionen zu unterstützen. Eine Beschränkung auf Grundprinzipien des Grundgesetzes könne nicht gemeint sein, weil die Grenze durch § 51 Abs. 3 AO bei extremistischen Bestrebungen gezogen werde. Es genüge, dass öffentlichkeitswirksame Stellungnahmen im Schutzbereich der Meinungsfreiheit gefördert würden. Dies würde auch teilweise in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit münden. Damit liege auch keine Verfolgung weiterer Zwecke und keine Mittelfehlverwendung vor.

Nachdem der Kläger eine Untätigkeitsklage angedroht hatte, wies der Beklagte die Einsprüche vom […] mit Einspruchsentscheidung vom […] als unbegründet zurück. Mit der bloßen Zurverfügungstellung der Online-Petitionsplattform […] erfülle der Kläger nicht unmittelbar seinen steuerbegünstigten Zweck. Bereits die Zurverfügungstellung einer Infrastruktur für das steuerbegünstigte Tätigwerden Dritter sei nicht als eigene steuerbegünstigte Tätigkeit anzusehen, weil der Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht erfüllt sei. Hinzu komme, dass die Online-Plattform nicht steuerbegünstigten Dritten, sondern allen Bürgern zur Verfügung gestellt werde. Wenn der Kläger durch Einweisung und Unterstützung der Bürger über das bloße Zurverfügungstellen der Plattform hinaus und damit unmittelbar tätig werde, komme zwar eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens in Betracht. Die Partikularinteressen würden aber nicht durch den Kläger, sondern durch die Petenten gefördert. Eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens durch den Betrieb einer Petitionsplattform sei aber auf Petitionen nach Art. 17 GG zu beschränken. Die Ermöglichung und Unterstützung von Bitten, Verlangen und Ansuchen an andere als staatliche Stellen unterfalle nicht dem allgemeinen Petitionsrecht und diene nicht der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens. Im Übrigen werde ein nicht satzungsmäßiger Zweck (Volks- und Berufsbildung) verfolgt; dies bewirke zugleich einen Verstoß gegen das Gebot der Ausschließlichkeit des § 56 AO. Der gemeinnützige Zweck Förderung der Volks- und Berufsbildung sei erst mit der Satzungsänderung vom […] als eigenständiger Zweck in die Satzung aufgenommen worden. Soweit Mittel des Klägers (Personalressourcen, finanzielle Mittel) bereits in den Streitjahren für Bildungszwecke bzw. Petitionen die nicht unter Art. 17 GG fielen verwendet worden seien, liege eine Mittelfehlverwendung vor und damit ein Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit.

Der Kläger hat hiergegen fristgerecht Klage erhoben. Er ergänzt und vertieft seine Ausführungen aus der Einspruchsbegründung. Er verwirkliche eine Förderung des demokratischen Staatswesens. Der Zweck des demokratischen Staatswesens sei nach Rechtsprechung und Literatur weit auszulegen. Es sei nicht einfach gleichzusetzen mit den „Grundprinzipien des Grundgesetzes“, weil diese schon als Normen nicht „gefördert“ werden könnten. Nach Auffassung des Klägers stehe der Begriff des Staatswesens stellvertretend für das Gemeinwesen. Staatswesen sei nicht gleichzusetzen mit dem Staat. Der Begriff „Staat“ stehe für den institutionell organisierten Teil des Staatswesens zu dem die Bürger weitgehend in einem Subordinationsverhältnis stehen. Dieser sei ohnehin und ohne jeden Vorbehalt der Demokratie verpflichtet. Einer Förderung erübrige sich daher von vornherein. Das Gemein- oder Staatswesen reiche demnach deutlich weiter und beschreibe sowohl nach seiner Herkunft als auch nach dem heutigen allgemeinen Verständnis das öffentliche Gesamtgefüge mit seinen Belangen und zwischenmenschlichen Interaktionen als solches. Es sei zudem auch nicht einer historischen Auslegung zu entnehmen, dass nur eine enge Auslegung zutreffe. Die jetzige Nr. 24 als sonstige Förderung des demokratischen Staatswesens führe nicht zu einer Einschränkung im Sinne eines Zusammenhangs mit der Förderung staatlicher Institutionen.

Mit der Wahl des Adjektivs „demokratisch“ werde auch deutlich, dass gerade der Prozess der gemeinschaftlichen Willensbildung für die Förderung besondere Bedeutung besitze. Der Zusammenhang zeige sich deutlich beim Blick auf Willensbildungsprozesse, die mit einer Petition auf […] beginnen und mithilfe einer Unterschriftensammlung sowie einer öffentlichkeitswirksamen Stellungnahme als Element einer Meinung im Schutzbereich des Art. 5 GG in einen demokratischen Prozess münden. Die Überzeugung der Selbstwirksamkeit sei entscheidend für die Bereitschaft der Einzelnen, sich am gemeinschaftlichen Willensbildungsprozess zu beteiligen. Indem der Kläger die Petenten gerade diese Erfahrung machen lasse, fördere er das demokratische Prinzip.

Auch der Begriff der Petition werde weiter verstanden als vom Beklagten. Eine Petition sei jedes Verlangen und jede Forderung, die den in einer modernen Gesellschaft als demokratisch gefassten Prozess der Willensbildung und Entscheidungsfindung anbelange. Eine Petition könne über den Kläger an jedweden relevanten Adressaten gerichtet sein. Durch den Start einer Petition und deren Unterzeichnung solle eine zahlenmäßig hinreichende Unterstützung für ein Anliegen gefunden werden, um etwa ein Umdenken und Handeln zugunsten von Gemeinwohlbelangen bei relevanten Stellen zu erreichen, anzustreben, zu fordern oder schlicht zu erbitten. Er, der Kläger, kuratiere die über ihn artikulierten Anliegen nicht, treffe keine thematische Auswahl oder Begrenzung, sofern und soweit es sich um verfassungsmäßige Belange handele, die kein einfaches Recht verletzen, keine nachweislich falschen Tatsachenbehauptungen aufstellen und nicht offenkundig reine Privatangelegenheiten betreffen. Weshalb der Beklagte ausschließlich Petitionen i. S. v. Art. 17 GG als zweckverwirklichende Maßnahmen anerkennen wolle, bleibe bislang das Geheimnis des Beklagten. Wenn es bei der Förderung des „demokratischen Staatswesens“ um die Förderung des Funktionierens der Grundprinzipien gehe, komme es auch nicht darauf an, ob sich eine Petition an eine staatliche Stelle richte. Im Hinblick auf die in Betracht kommenden Förderungstätigkeiten habe der Gesetzgeber vielmehr bewusst keinen konkreten Tätigkeitskatalog festgeschrieben. Auch für den Beklagten besitze das Mittel der Petition die notwendige demokratietheoretische Relevanz. Alles gemeinschaftliche Handeln habe per se einen politischen Aspekt. Aufgrund der intensiven Integration und Verflechtung der modernen Gesellschaft sei es ohnehin nicht möglich, die Sphären des Privaten und des Staatlichen konsequent zu trennen. In beiden Sphären könne es gleichermaßen zur Aktivierung der politischen Willensbildung des Volkes kommen. Es sei offenkundig, dass der Großteil der scheinbar privaten Petitionen einen offenkundig weitreichenden gesellschaftspolitischen Bezug habe. So könne etwa eine Petition hinsichtlich der elementaren Arbeitsrechte von Beschäftigten in Großunternehmen, hinsichtlich der menschenrechtssichernden Ausgestaltung von Lieferketten, hinsichtlich der artgerechten Ausgestaltung der Tierhaltung, gegenüber digitalen Großunternehmen hinsichtlich des Datenschutzes, gegenüber der Lebensmittelindustrie, dem Einzelhandel und auch der K… AG („[…]”) im Hinblick auf die Umweltgefahr durch Plastikverpackungen, gegenüber der Autoindustrie oder der Energieindustrie hinsichtlich deren Klimarelevanz oder gegenüber Atomkraftwerksbetreibern hinsichtlich der Kraftwerkssicherheit – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – nicht isoliert als bloß privates Geschehen gewertet werden. Politische Teilhabe erschöpfe sich gerade nicht in Aktionen gegenüber staatlichen Stellen.

Vom Privileg ausgenommen sein sollten lediglich die Verfolgung konkreter Einzelinteressen sowie die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkten Bestrebungen. Beides sei beim Kläger nicht der Fall. Er selbst verfolge keine konkreten Einzelinteressen oder auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkte Bestrebungen.

Das demokratische Staatswesen werde durch den Kläger auch allgemein gefördert. Der Kläger verstoße nicht gegen das Gebot der Ausschließlichkeit, weder im Rahmen seiner tatsächlichen Geschäftsführung, noch im Wege der formellen Satzungsmäßigkeit. Es führe auch nicht jede Wissensvermittlung zur ausschließlichen und unmittelbaren Verfolgung der Bildung als selbständigem Zweck. Vielmehr sei allen gemeinnützigen Zwecken in ihrer tatsächlichen Geschäftsführung eine gewisse Bildungs- oder Aufklärungsarbeit immanent. Demnach bleibe auch kein Raum mehr für einen Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit i. S. d. § 55 AO.

Auf Befragung des Gerichts hat die Klägerseite im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, dass der Kläger selbst die auf der Plattform gestarteten Kampagnen täglich gesichtet und auf Relevanz und voraussichtlichen Erfolg untersucht habe. Insoweit hat der Vorstand des Klägers nochmals auf die bereits im Veranlagungsverfahren vorgetragenen Auswahlkriterien verwiesen (Schriftsatz vom 04. Juli 2019, Blatt 58 ff. Körperschaftsteuerakte). Bei Kampagnen die für erfolgreich oder relevant gehalten wurden, habe dann ein Mitarbeiter Kontakt mit dem Petenten aufgenommen und Unterstützung hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung angeboten, um eine effektive Meinungsbildung zu ermöglichen. Außerdem seien jeweils Hinweise zur Verwaltung der Kampagne erteilt worden. Zudem habe er auch die Kontaktaufnahme des Petenten zu dem relevanten Entscheidungsträger unterstützt. Bereits frühzeitig werde den Petitionsstartern ein Kampagnentraining angeboten. Dies sei über einen Leitfaden auf der Internetseite und Videos erfolgt (Abdruck des Leitfadens auf Blatt 91 ff. der Körperschaftsteuerakte). Auf Befragung des Gerichts hat der Vorstand L… deutlich gemacht, dass im Zweifel auch sich inhaltlich widersprechende Kampagnen unterstützt worden seien, weil der Kläger nur rechtswidrige Kampagnen nicht zugelassen habe, sonst aber inhaltlich nicht eingegriffen habe.

Der Kläger beantragt:

  1. Der Bescheid für 2016 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag sowie der Bescheid für 2017 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, jeweils vom 24. Februar 2021, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. November 2022 werden dahingehend geändert, dass der Kläger als gemeinnützige Körperschaft anerkannt und von der Körperschaftsteuer gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG befreit wird.
  2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
  3. Für den Fall einer – auch teilweisen – Abweisung der Klage, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Begriff der Förderung des demokratischen Staatswesens einer weiten Auslegung nicht zugänglich. In der Literatur werde einhellig die Auffassung vertreten, dass es bei der Verwirklichung dieses gemeinnützigen Zwecks stets auf die Förderung der grundgesetzlich verankerten Grundprinzipien ankomme. Ein Eintreten für das demokratische Staatswesen werde bspw. von Musil durch aktiv werbendes Eintreten für diese Grundsätze, vor allem aber auch durch politische Bildung erreicht. Auch Koenig verweise auf politische Aufklärung und Bildung der Bevölkerung. Allen Sichtweisen in der Literatur sei gemein, dass sie die Förderung der grundgesetzlich verankerten Prinzipien vorsehen. Nicht erfasst werde die Befassung mit allgemeinen gesellschaftlichen oder auch wirtschaftlichen Entwicklungen. Grundgesetzlich verankert seien auch nur Petitionen an staatliche Institutionen. Dabei sei das Petitionsrecht an sich auch historisch in einem Tätigwerden gegenüber staatlichen bzw. öffentlichen Institutionen begründet. Es gehe gerade um den Zugang zum Staat und um die Teilnahme am politischen Geschehen. Dies wird mit den Eingaben an private Institutionen nicht erreicht. Es liege auch hinsichtlich Art. 5 GG und Art. 8 GG kein Widerspruch vor, denn die Grundrechte der Meinungsäußerungs- und der Versammlungsfreiheit seien bereits in ihrem Regelungsgehalt in jede Richtung offen und könnten in ihrer Wahrnehmung sowohl öffentliche als auch private Adressaten betreffen. Dies sei bei Art. 17 GG jedoch anders, indem er die Adressaten des staatsbürgerlichen Handelns konkretisiere.

Schließlich sei auch die historische Entwicklung des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO zu berücksichtigen. Die heute gültige Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes eingeführt. Gegenstand der damaligen Gesetzesänderung war die Einführung einer separaten Parteienfinanzierung und die Beschränkung des Spendenabzugs für Parteien. In diesem Rahmen sei der verbleibende Teil der Förderung des demokratischen Staatswesens in die Gemeinnützigkeit überführt worden. Daher sei die Förderung des demokratischen Staatswesens rechthistorisch eng mit der Förderung der staatlichen Institutionen und deren Funktionen verknüpft. Auch deshalb sei der derzeitige Gesetzeswortlaut eher eng auszulegen.

Die vom Kläger aufgeführte mittelbare Wirkung könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Mittelbare Auswirkungen von Tätigkeiten stellen im Gemeinnützigkeitsrecht grundsätzlich keine hinreichenden Maßnahmen für die Verwirklichung der satzungsmäßigen Zwecke dar (§ 57 Abs. 1 AO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide in seinen Rechten verletzt, denn die Nichtgewährung der Steuerfreiheit nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ist rechtswidrig (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

I. Die Klage ist zulässig, […]

Das Gericht legt die Klage zudem dahingehend aus, dass sie sich nicht gegen den Solidaritätszuschlag wendet, denn insoweit läge eine unzulässige Klage vor (§ 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO).

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger ist gemeinnützig tätig, denn er fördert das demokratische Staatswesen. Es liegt auch nicht der Ausschlussgrund vor, dass Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind, verfolgt werden.

1. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind von der Körperschaftsteuer solche Körperschaften befreit, die nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke erfüllen. Eine Körperschaft verfolgt nach § 52 Abs. 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit insbesondere auf materiellem, geistigem und sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet ist, einen der in § 52 Abs. 2 AO aufgezählten Zwecke zu fördern. Als Förderung der Allgemeinheit ist danach u.a. die – hier allein strittige – Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich der Abgabenordnung (Nr. 24) anzusehen. Gemeinnützig ist ein Verein jedoch nur dann, wenn er diese Zwecke nach seiner Satzung (§ 59 AO) und seiner tatsächlichen Geschäftsführung (§ 63 AO) uneigennützig (selbstlos) (§ 55 AO), ausschließlich (§ 56 AO) und unmittelbar (§ 57 AO) verfolgt. Die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung müssen so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben sind (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AO, sog. formelle Satzungsmäßigkeit). Die Voraussetzungen der formellen Satzungsmäßigkeit liegen im Streitfall vor; dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

2. Der Kläger verfolgt den gemeinnützigen Zweck in tatsächlicher Hinsicht.

a) Die gemeinnützige allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens ist gegeben, wenn sich eine Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt. Die Vorschrift geht zurück auf die Förderung staatspolitischer Zwecke (§ 10b Satz 1 Einkommensteuergesetz - EStG - a.F.) und wurde durch das Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 22. Dezember 1983 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 1983, 1577) eingeführt. Ausgeschlossen werden hierbei insbesondere „Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art“, wobei zunächst diskutiert wurde, den Ausschluss mit „Einzelinteressen staatspolitischer Art“ zu normieren (vgl. Bundestagsdrucksache - BT-Drucks. - 10/697, S. 11 und die Anpassung auf „staatsbürgerlich“ durch den Finanzausschuss des Bundestages; BT-Drucks. 10/684, S. 18). Die Tätigkeit ist abzugrenzen von der politischen Bildung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO).

Nach der Auffassung des Gerichts bedeutet „allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens“ in Abgrenzung zu „Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen“ das aktiv werbende Eintreten für Grundsätze des demokratischen Staatswesens. Eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens ist nach der Rechtsprechung und Literatur aber nur gegeben, wenn sich eine Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 23. September 1999, XI R 63/98, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2000, 200; ebenso Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht und Spendenrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 3.166; Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger und öffentlich-rechtlicher Körperschaften, 7. Aufl. 2017, Kapitel D. Rn. 135). Die Inhalte des demokratischen Staatswesens sind nach der Literatur aus den Grundprinzipien des Grundgesetzes abzuleiten (vgl. Jachmann in Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 119). Zum demokratischen Staatswesen gehören insbesondere Gewaltenteilung, freie geheime Wahlen, Mehrparteienregime, staatlicher Aufbau, Föderalismus, Rechts- und Sozialstaatlichkeit sowie Meinungsfreiheit (so Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 53; Kraus in Schauhoff/Kirchhain, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 4. Aufl. 2023, § 6 Rn. 70). Als tragende Säule des Staates erfasst das Demokratieprinzip eine freiheitliche, gewaltenteilende, rechtsstaatliche und sozialstaatliche Komponente. Zum Staatswesen gehören die Grundrechte, vor allem die Meinungsfreiheit, sowie die organisatorischen Grundsätze der Gewaltenteilung, des Wahlrechts, des Mehrparteiensystems, der allgemeine staatliche Aufbau, der Föderalismus sowie Rechts- und Sozialstaatlichkeit. Die Vereinigung muss sich aber nicht umfassend mit demokratischen Grundprinzipien befassen, vielmehr genügen auch Schwerpunktbildungen in deren Bereich (vgl. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52 AO Rn. 248).

In Abgrenzung davon liegt keine Förderung des demokratischen Staatswesens selbst mehr vor, wenn regelmäßig eigene politische Zwecke verfolgt werden. Daher darf weder ein politischer Zweck als alleiniger und ausschließlicher oder als überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt sein noch die Vereinigung mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgen (BFH, Urteil vom 29. August 1984, I R 203/81, BStBl. II 1984, 844). Die Tätigkeit der Körperschaft darf weder unmittelbar noch allein auf das politische Geschehen und die staatliche Willensbildung gerichtet sein (BFH, Urteil vom 23. November 1988, I R 11/88, BStBl. II 1989, 391). Unter Berücksichtigung der Definitionen des Parteiengesetzes - PartG - gehören somit weder die Einflussnahme auf die „politische Willensbildung“ (§ 2 Abs. 1 PartG) noch die Einflussnahme auf die „Gestaltung der öffentlichen Meinung“ (§ 1 Abs. 2 PartG) zur Förderung der Allgemeinheit i.S.v. § 52 AO (BFH, Urteil vom 10. Januar 2019, V R 60/17, BStBl. II 2019, 301). Die Vereinigungen zur Förderung der Volksbildung und des demokratischen Staatswesens müssen nach der Rechtsprechung in ihrer „politischen Bildung“ „geistig offen“ sein und dürfen gerade nicht das Ziel verfolgen, Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik durchzusetzen, denn eine steuerliche Gemeinnützigkeit stünde sonst im Konflikt mit den strengen Vorgaben des Grundgesetzes und des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung.

b) Nach Auffassung des Gerichts ist „das demokratische Staatswesen“ im Sinne der von Musil (a.a.O.) aufgezeigten Orientierung an grundrechtlich verbürgten Prinzipien, Rechten und Werten auszulegen. Dazu gehört insbesondere die Förderung der Ausübung der grundgesetzlich verbürgten Grundrechte, wie im Streitfall der Meinungsfreiheit, sowie der Förderung allgemeiner demokratischer Teilhabe, die sich aus dem Demokratieprinzip ergibt.

Die Grundsatzentscheidung des Art. 20 Abs. 1 GG – die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat – betrifft Grundvorstellungen von Demokratie, ohne die Demokratie nicht sinnvoll gedacht werden kann. Entsprechend erfordert Demokratie gewisse Mindestanforderungen an die politische Willensbildung (freie Selbstbestimmung aller Bürger). Die Wähler müssen ihre politische Entscheidung aufgrund eines freien und offenen Prozesses der Meinungsbildung treffen können. Das demokratische Prinzip bedingt aber nicht nur die Parteien- und Wahldemokratie, sondern erfordert generell den aufgeklärten Bürger. Demokratie ist nach Auffassung des Gerichts ohne Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht denkbar. Damit fördert der Kläger das demokratische Staatswesen in seinem Kernbereich. Im Umkehrschluss führt die auf den Kernbereich zielende Förderung dazu, dass die einzelne Tätigkeit nicht zwingend messbare Erfolge aufweisen muss. Insoweit ist dem Kläger darin zu folgen, dass die Förderung der Einzelnen und deren Erfahrungen im demokratischen Prozess genügen kann. Das Gericht kann offen lassen, ob eine Förderung des demokratischen Staatswesens bei weniger bedeutenden Kernbereichen – in der Literatur wird bspw. auch der allgemeine staatliche Aufbau genannt – intensiver erscheinen muss.

Das Gericht folgt deshalb nicht der Auffassung des Beklagten, dass „Petitionen“ nur solche nach Art. 17 GG sein können. Insoweit ist dem Kläger zuzustimmen, dass die Frage nach der Förderung des staatlichen Petitionswesens den Inhalt des Begriffs des „demokratischen Staatswesens“ zu sehr verengt. Dies verkennt auch, dass der Kläger zwar den Begriff der Petition nutzt, aber eher in sprachlicher Hinsicht als gemeinschaftliche Gesuche gegenüber Jedermann. Die Tätigkeit des Klägers besteht zunächst in der Zurverfügungstellung der Plattform, die durch erhebliche Reichweite und Bekanntheit der Marke entsprechende aktive und passive Nutzer hatte. Entsprechend hatte der Kläger auch für potentiell aktive Nutzung Leidfäden, FAQ und Schulungsvideos erstellt und zum Abruf bereitgehalten. Die eigentliche Fördertätigkeit des Vorstands und der Mitarbeiter des Klägers lag aber in der Unterstützung der aktiven Nutzer der Plattform, wie dies zuletzt in der mündlichen Verhandlung dargestellt worden ist. Das Gericht hat auch keine Anhaltspunkte, dass der Kläger weitere Aktivitäten entfaltet hat. Damit liegt eine aktive unmittelbare Förderung von Meinungsäußerung und demokratischer Teilhabe vor, die die einzelnen Nutzer ermutigen und stärken soll. Das Gericht hat insoweit auch die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger nicht vordergründig nur die Plattform der PBC im Inland „betrieben“ hat, sondern über das Vorhalten einer üblichen „social media Plattform“ hinaus Aktivitäten entfaltet wurden.

Nach Überzeugung des Gerichts führt die Offenheit der über die Plattform verfolgbaren Ziele und Zwecke gerade nicht dazu, dass keine Förderung des demokratischen Staatswesens mehr vorliegt. Der Kläger hat insoweit deutlich gemacht und entsprechende Übersichten des Streitzeitraums vorgelegt, dass vielfältige Kampagnen über die Plattform gestartet wurden, er also gerade offen für sämtliche – nicht rechtswidrige bzw. sogar verfassungswidrige – Anliegen war. Damit lag zur Überzeugung des Gerichts auch gerade eine hinreichende „geistige Offenheit“ der Tätigkeit vor. Der Kläger hat auch deutlich gemacht, dass er sich die Inhalte der Petenten (Kampagnenstarter) nicht zu eigen gemacht hat und machen wollte. Damit ist auch kein Konflikt mit den strengen Vorgaben zur Parteienfinanzierung ersichtlich. Die Inhalte der einzelnen Kampagnen waren gerade nicht Gegenstand der inhaltlichen Arbeit. Insoweit liegt vielmehr nur eine reflexartige bzw. mittelbare Förderung vor, die aber gerade inhaltlich nicht vom Kläger bestimmt war. Dass die einzelnen Kampagnen auch Einzelinteressen verfolgt hatten (bspw. Nichtabschiebung konkreter Personen in einen Herkunftsstaat, Wiederaufnahme konkreter Strafprozesse etc.), ist unerheblich, weil die Tätigkeit des Klägers sich gerade nur auf die „Vorstufe“ der Meinungsäußerung zur Zielerreichung begrenzte. Insoweit wäre der Kläger – bezogen auf analoge Aktivitäten und Kampagnen – einem Demonstrations- und Versammlungsförderverein vergleichbar, der die einzelnen Bürger bestärkt, öffentlich ihre Ziele zu vertreten, zu verbreiten und die Masse in der Öffentlichkeit zu erreichen und hierbei bspw. übliche Demonstrations- und Versammlungsmaterialien bereitstellt, aber hauptsächlich die Nutzer darin berät, wie ihre Anliegen formuliert und transportiert werden können.

Dem steht nach Auffassung des Gerichts auch nicht der enge Katalog des § 52 Abs. 2 AO entgegen, mit dem der Gesetzgeber ganz bestimmte Zwecke für besonders förderungswürdig (potentiell gemeinnützig) anerkennt. Denn selbst wenn sich die vom Kläger geförderte demokratische Teilhabe mittelbar auch auf die Förderung der einzelnen gemeinnützigen Tätigkeiten der § 52 Abs. 2 Nr. 1 bis 23 und Nr. 26 AO bezieht, wäre insoweit zwischen der unmittelbaren Tätigkeit der Petenten (Kampagnenstarter) der Plattform des Klägers sowie der Tätigkeit des Klägers in Bezug auf eben diese Petenten (Kampagnenstarter) zu unterscheiden. Damit liegt auch keine Erweiterung des Katalogs im Sinne von § 52 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO vor.

Letztlich handelt es sich bei der Tätigkeit des Klägers auch nicht um Volksbildung im Sinne von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO, denn der Kläger erbringt keine Aus- und Fortbildungsleistungen in Bezug auf Grundrechte und deren Gehalt und Grenzen. Die Bildungskomponente i.S. von „Erfahrung gewinnen“ ist nur mittelbare Folge.

3. Der Kläger verfolgt den Zweck auch unmittelbar, denn nach dem Verständnis des Gerichts geht es dem Kläger um die Förderung der „Teilnehmer“ in Deutschland, die auf der Plattform von […] aktiv werden wollen. Der Kläger erbringt seine Tätigkeit schon nach eigener Auffassung nicht durch die einzelnen Petitionen. Auch auf der Plattform wurde für Jedermann ersichtlich, dass die einzelnen Petitionen nicht im Namen des Klägers selbst veröffentlicht wurden. Entsprechend offen war auch seine Selbstbezeichnung („E…“).

III. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO) zugelassen, weil der Inhalt des Begriffs „demokratisches Staatswesen“ noch ausfüllungsbedürftig ist.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -. Der Beschluss über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren folgt aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Revisionszulassung durch das Gericht zeigt, dass die Hinzuziehung notwendig war.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.

Bei der Einlegung und Begründung der Revision vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.

Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.