Gericht | FG Cottbus 9. Senat | Entscheidungsdatum | 20.03.2024 | |
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Aktenzeichen | 9 K 9108/23 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2024:0320.9K9108.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 52d FGO, § 52a FGO, § 47 Abs. 2 FGO, § 55 FGO, § 56 FGO |
§ 52d Satz 2 FGO gilt auch in dem Fall, in dem die Klageschrift nicht unmittelbar an das Finanzgericht, sondern an das Finanzamt abgesendet worden ist.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit der Klage.
Der Kläger unterhielt in der Streitjahren 2017 bis 2020 einzelunternehmerisch einen Betrieb mit dem Unternehmensgegenstand ... . Er beschäftigte ca. 40 Arbeitnehmer.
Im Jahr 2021 führte das Finanzamt B… beim Kläger eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Aufgrund der Ergebnisse der Außenprüfung erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger am 18. Februar 2022 unter Berufung auf § 42d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Haftungsbescheid über insgesamt xxxx EUR. Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, fristgerecht Einspruch ein.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2023 wies der Beklagte die Klägerseite darauf hin, dass im Einspruchsverfahren gemäß § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die verfahrensrechtliche Möglichkeit bestehe, den angefochtenen Haftungsbescheid zu Lasten des Klägers zu „verbösern“ und dass nunmehr offene Abgaben-Nachforderungen in Höhe von insgesamt xxxxxx EUR im Raum stünden. Seitens des Klägers erfolgte hierzu keine Rückäußerung.
Mittels postalisch an den Prozessbevollmächtigten des Klägers adressierter Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2023 erhöhte der Beklagte die Haftungssumme auf insgesamt xxxxxx EUR. Die Einspruchsentscheidung ging am Montag, den 13. Juni 2023 in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers ein (siehe Zustellurkunde der C… AG vom 13. Juni 2023).
In der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es u.a.: „Die Klage ist beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg …. schriftlich oder als elektronisches Dokument oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären. ….. Zur verpflichtenden Übermittlung elektronischer Dokumente siehe § 52d FGO“.
Am Dienstag, den 11. Juli 2023 ging die „per Kurier“ übermittelte Klageschrift des Prozessbevollmächtigten des Klägers nebst Anlagen in Papierform beim Beklagten ein (siehe Eingangsstempel). Dieser übermittelte den Schriftsatz per Briefpost an das FG, wo er am Dienstag, den 18. Juli 2023 (siehe Eingangsstempel) einging.
Mittels Erörterungsschreiben vom 3. August 2023 forderte der Berichterstatter des erkennenden Senats den Prozessbevollmächtigten des Klägers auf, bis zum 31. August 2023 darzulegen und nachzuweisen, dass dieser sich rechtzeitig und ausreichend um die Einrichtung eines elektronischen Postfachs (künftig: beSt) für die Korrespondenz mit Behörden und Gericht bemüht habe. Wenn ihm dieser Nachweis nicht gelingen sollte, könne dies zur Behandlung der Klage als unzulässig führen. Denn er, der Prozessbevollmächtigte des Klägers, habe die Klage entgegen der für Steuerberater seit dem 1. Januar 2023 geltenden Bestimmung in § 52d Satz 2 FGO am 11. Juli 2023 als einfachen Brief in den Hausbriefkasten des Beklagten eingeworfen. Der Einwurf der Klageschrift beim Beklagten entspreche dabei hinsichtlich der Fristwahrung den Vorschriften der FGO (vgl. § 47 Abs. 2 FGO). Er, der Prozessbevollmächtigte, hätte die Klageschrift dem Beklagten aber nach der o. g. gesetzlichen Bestimmung auf elektronischem Weg zuleiten müssen (Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung der Finanzgerichte und des BFH bei juris zu § 52d FGO, sowie im Vorfeld bereits allgemein: Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52d FGO Rz. 1, Stand: Februar 2022).
Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 31. August 2023 Fristverlängerung für seine Gegenäußerung bis Ende September 2023, die ihm auch gewährt wurde. Ergänzend wies der Berichterstatter des Senats in seinem Schreiben vom 11. September 2023 auf den BFH-Beschluss vom 11. August 2023 – VI B 74/22 in juris hin.
Sämtliche Schreiben des FG an den Prozessbevollmächtigten wurden bis Ende September diesem per Briefpost zugeleitet, weil er noch nicht über ein elektronisches Postfach erreichbar war.
In seiner erstmals per beSt dem FG am 2. Oktober 2023 übermittelten Gegenäußerung vom 1. Oktober 2023 legt der Prozessbevollmächtigte des Klägers dar, dass es nach seiner Ansicht keine gesetzliche Bestimmung dahingehend gebe, auch Schriftsätze, die von einem Steuerberater bei einem Finanzamt eingereicht werden würden, nur noch auf elektronischem Wege zu übermitteln. Es würde nach seinem Kenntnisstand bei den Finanzämtern auch keine geschützten Postfächer geben, welche die Einreichung einer Klage auf elektronischem Wege ermöglichen würden. Auf welchem Weg ein Finanzamt eine Klageschrift dem zuständigen FG übermittele, sei dem Einfluss des jeweiligen Steuerberaters entzogen. Er, der Prozessbevollmächtigte, habe zunächst keine Zugangsdaten für die Freischaltung des beSt erhalten. Diese habe er erst bei der Steuerberaterkammer anfordern müssen. Er habe zuvor auch keine Möglichkeit gehabt, sich darum zu bemühen, da eine Mitarbeiterin in der Zeit vom 23. Dezember 2022 bis zum 7. Juni 2023 krankheitsbedingt als Arbeitskraft ausgefallen sei. Eine zweite Mitarbeiterin sei aufgrund eines Wegeunfalls vom 6. April bis zum 20. Oktober 2023 krankgeschrieben gewesen. Schließlich sei Ende März 2023 seine Mutter verstorben. Er hoffe sehr auf das Verständnis des Gerichts. Er sei im Übrigen davon ausgegangen, dass es weiterhin möglich gewesen sei, Klagen in Papierform bei dem zuständigen Finanzamt einzureichen oder dort zu Protokoll zu erheben. Einen Vorrang anderer Formvorschriften habe er damals nicht gekannt und könne er auch jetzt nicht erkennen. Dem per beSt übermittelten Schriftsatz vom 1. Oktober 2023 war als Anlage eine Kopie der Klageschrift vom 10. Juli 2023 beigefügt.
Der Kläger beantragt,
durch Erlass eines Zwischenurteils im Sinne von § 97 FGO festzustellen, dass die Klage zulässig ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unzulässig. Andernfalls könnten Rechtsanwälte und Steuerberater die Formvorschrift des § 52 d FGO durch systematische Klageerhebungen jeweils beim zuständigen Finanzamt zum Teil ins Leere laufen lassen.
Dem erkennenden Senat hat bei seiner Entscheidung ein Band Lohnsteuer-Akten betr. den Kläger (StNr.: …) vorgelegen.
I. Der Antrag auf Erlass eines Zwischenurteils im Sinne von § 97 FGO über die Zulässigkeit der Anfechtungsklage (vgl. dazu allgemein BFH-Urteil vom 18. März 2014 – VIII R 9/10, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2014, 748 sowie die Rechtsprechungsnachweise bei Stapperfend, in: Gräber, FGO, 9. Aufl. (2019), § 97 Rz. 5 ff.) ist zulässig, aber unbegründet. Das vorliegende Urteil ist deshalb ein sog. Endurteil (vgl. dazu Stapperfend, a.a.O., § 97 Rz. 6 m. w. N.).
II. Die Anfechtungsklage vom 11. Juli 2023 ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der Klagefrist in der gesetzlich vorgeschriebenen Form gemäß § 52d in Verbindung mit § 52a FGO erhoben worden. Wiedereinsetzungsgründe bestehen nicht.
1. Die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage beträgt gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO einen Monat und hat im Streitfall mit dem Zugang der Einspruchsentscheidung beim Prozessbevollmächtigten des Klägers am Montag, den 13. Juni 2023 zu laufen begonnen (vgl. dazu allgemein: Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 54 FGO Rz. 13 m. w. N.). Die reguläre Klagefrist ist damit am Donnerstag, den 13. Juli 2023, abgelaufen.
2. An die Stelle der einmonatigen Klageerhebungsfrist ist vorliegend nicht gemäß § 55 Abs. 2 FGO eine Klageerhebungsfrist von einem Jahr seit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung getreten. Diese Ausschlussfrist tritt dann an die Stelle der einmonatigen Frist im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO, wenn keine oder eine unrichtige schriftliche oder elektronische Belehrung über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz oder die einzuhaltende Frist erteilt worden ist (s. § 55 Abs. 1 FGO).
Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist nach zutreffender Auffassung des BFH, der der erkennende Senat folgt, dann unrichtig erteilt, wenn sie in einer der gemäß § 55 Abs. 1 FGO wesentlichen Aussagen unzutreffend bzw. derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (vgl. BFH, Beschluss vom 28. April 2015 – VI R 65/13, BFH/NV 2015, 1074 sowie BFH-Urteil vom 28. April 2020 – VI R 41/17, BStBl II 2020, 531, jeweils m.w. N.). Ob das der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrung oder ergänzende Angaben nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Februar 2021 – VIII B 70/20, BFH/NV 2021, 642).
Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung darüber hinaus auch Angaben, die nicht zwingend vorgeschrieben sind, muss sie diese allerdings richtig, vollständig und unmissverständlich darstellen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Mai 2021 – II S 5/21 (PKH), BFH/NV 2021, 1204 und vom 2. Februar 2024 – VI B 13/23, BFH/NV 2024, 412, jeweils m. w. N.). Vorliegend enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung des Beklagten unter anderem die Angabe, dass eine Klage zum Finanzgericht ggf. auch als elektronisches Dokument eingereicht werden könne und dass die Voraussetzungen zu einer elektronischen Einreichung der Klageschrift in § 52a sowie § 52d FGO geregelt seien. Die Rechtsbehelfsbelehrung war nach den vorgenannten Maßstäben der BFH-Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, sowohl vollständig als auch zutreffend und nicht missverständlich.
3. Innerhalb der danach maßgebenden einmonatigen Klagefrist ist die Anfechtungsklage nicht wirksam erhoben worden.
a) Gemäß § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht.
b) Der Klägerbevollmächtigte war als Steuerberater zum Zeitpunkt der Klageerhebung verpflichtet, die Klage als elektronisches Dokument im Sinne des § 52a FGO zu übermitteln. Er unterlag dem persönlichen Anwendungsbereich des § 52d Satz 2 FGO.
c) Der Klageschriftsatz fällt auch unter den sachlichen Anwendungsbereich des § 52d FGO. Die Norm erfasst über den Wortlaut hinaus auch bestimmende Schriftsätze und somit die Klageschrift, da zumindest über § 155 Satz 1 FGO in Verbindung mit § 253 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden sind (Schallmoser, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52d FGO [Nutzungspflicht für Rechtsanwälte, Behörden und vertretungsberechtigte Personen], Rz. 26 ff.; Brandis, a.a.O., § 52d FGO Nutzungspflicht für Rechtsanwälte, Behörden und vertretungsberechtigte Personen, Rz. 2). Dafür, dass § 52d FGO die Klageschrift erfasst, spricht zudem die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten, welche im Falle einer nicht in elektronischer Form übermittelten Klage deren Unwirksamkeit und deren Abweisung durch Prozessurteil vorsieht (Bundestagsdrucksache 17/12634, Seite 38, 27).
Zudem wurde die Klage auch nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht. Der Übermittlungsweg eines Telefaxes stellt keinen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 FGO dar.
Es liegt auch kein Fall einer Ersatzeinreichung nach § 52d Satz 3 und 4 FGO vor.
Dass es sich bei dem am 11. Juli 2023 beim Beklagten auf postalischem Weg eingegangenen Schriftsatz um eine Ersatzeinreichung handelt, ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden und auch nicht aus sonstigen Umständen ersichtlich.
Auch die mittels besonderem elektronischen Anwaltspostfach am 19. März 2024 übermittelte Klagebegründung stellt keine wirksame Klageschrift dar, da diese nicht innerhalb der Klagefrist eingereicht wurde.
§ 52d Satz 2 FGO gilt nach Sinn und Zweck dieser Norm nach der Überzeugung des erkennenden Senats auch im vorliegenden Fall, in dem die Klageschrift nicht unmittelbar an das Finanzgericht, sondern an das Finanzamt abgesendet worden ist, welches die vorangegangene Einspruchsentscheidung erlassen hat (gleicher Ansicht: M. Steinhauff, in: AO-StB 2024, 53; Rechtsprechung gibt es zu dieser Fallgestaltung – soweit ersichtlich – noch nicht). § 52d FGO gilt für alle Verfahren nach der FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 23. August 2022 – VIII S 3/22, BStBl II 2023, 83) und ist nach seinem Wortlaut und nach dem Willen des Gesetzgebers umfassend auszulegen. So lässt sich dem Wortlaut des § 52d FGO keine Einschränkung dahingehend entnehmen, dass die Vorschrift nur für den Fall der Klageerhebung unmittelbar beim Finanzgericht gelten soll. Eine Ausnahme ist im Gesetz nur in § 52d Satz 3 FGO (vorübergehende technische Unmöglichkeit) geregelt. Weitere Ausnahmen sieht das Gesetz gerade nicht vor (vgl. dazu M. Steinhauff, a.a.O.).
Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 52d FGO die verpflichtende elektronische Kommunikation durch sog. „professionelle Verfahrensbeteiligte“ umfassend regeln und nicht länger an einer freiwilligen Kommunikation festhalten (vgl. Schallmoser, a.a.O., § 52d FGO Rz. 6 m.w.N.). Eine umfassende Regelung wird jedoch nur erreicht, wenn § 52d FGO auch im Rahmen des § 47 Abs. 2 FGO zu beachten ist, da ansonsten eine „leichte Umgehungsmöglichkeit“ gegeben wäre. § 47 Abs. 2 FGO (eine vergleichbare Vorschrift gibt es z. B. in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht) betrifft hingegen nur die Frist für die Klageerhebung, nicht deren Form (ebenso: von Beckerath, in: Gosch, AO/FGO, § 47 FGO Rz. 164 am Ende; Brandis, a.a.O., § 47 FGO Rz. 8). Auch der Zweck des § 47 Abs. 2 FGO steht dieser Auslegung nicht entgegen. Da Rechtsanwälte oder Steuerberater ohnehin verpflichtet sind, ein elektronisches Postfach vorzuhalten, entsteht für diese durch die hiesige Interpretation des § 52d FGO kein finanzieller oder organisatorischer Mehraufwand. Entgegen der Annahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers existieren bei allen Finanzämtern spätestens seit dem 1. Januar 2022 entsprechende elektronische Postfächer für den Erhalt von Schreiben seitens des Finanzgerichts oder anderer Gerichte oder Behörden. Für nicht vertretene Steuerpflichtige besteht hingegen nach wie vor ein Bedürfnis, den Weg zu einem häufig entfernt gelegenen Finanzgericht einzusparen und die Klageschrift bei dem zuständigen Finanzamt auf postalischem Wege anbringen zu können (vgl. zum Ganzen: M. Steinhauff, a.a.O.).
e) Die unwirksame Klageerhebung durch den Klägervertreter ist dem Kläger zuzurechnen. Gemäß § 155 FGO in Verbindung mit § 85 ZPO wirken die vom Klägervertreter im Rahmen seiner Vertretungsmacht vorgenommenen Prozesshandlungen unmittelbar für und gegen den Kläger. Das Verschulden des Klägervertreters steht dem Verschulden des Klägers gleich.
f) Der Formverstoß führt damit zur Unwirksamkeit der Klage (BFH, Beschluss vom 28. April 2023 – XI B 101/22 –, a.a.O.). Die Prozesserklärung ist nicht wirksam (vgl. FG Nürnberg, rkr. Urteil vom 11. Juli 2023 – 6 K 177/23, EFG 2023, 1318 sowie FG Münster, Beschluss vom 22. Februar 2022 – 8 V 2/22 –, Rn. 17, juris; Bundestagsdrucksache 17/12634, Seite 38, 27; Schmieszek in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 165. Lieferung, § 52d, Rn. 8; krit. Finster in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., § 52d FGO [Stand: 15.12.2022], Rn. 35 ff.).
4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Nichteinhaltung der Klagefrist war der Klägerseite nicht zu gewähren.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. In formeller Hinsicht setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13.09.2012 - XI R 40/11, BFH/NV 2013, 213, Rz 14; vom 04.08.2020 - XI R 15/18, BFH/NV 2021, 29, Rz 18; BFH, Beschluss vom 28. April 2023 – XI B 101/22, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt. Es fehlt zum einen an der notwendigen Nachholung der versäumten Rechtshandlung durch Einreichung einer auf elektronischem Wege übermittelten Klageschrift innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 FGO. Zum anderen war das Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Klägers auch nicht schuldlos (vgl. dazu allgemein: BFH-Beschluss vom 2. Februar 2024, a.a.O.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.