Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 9 UF 134/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 24.10.2024
Aktenzeichen 9 UF 134/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1024.9UF134.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die im Übrigen der Zurückweisung unterliegende Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 13. September 2022 - Az. 6 F 342/21 (3) - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Im Wege externer Teilung wird zu Lasten des Anrechts des am XX.XX.2023 verstorbenen R… F… bei der Zentralen Bezügestelle des Landes Brandenburg (Vers.-Nr. … (01)) zu Gunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 162,71 EUR monatlich auf deren Versicherungskonto Nr. …. (02) bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, bezogen auf den 30. September 1999, begründet. Der Monatsbetrag des zu begründenden Anrechts ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert beträgt 4.985 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1.

Das Amtsgericht Bernau bei Berlin hat mit am selben Tage rechtskräftig gewordenem Urteil vom 22. März 2000 - Az. 6b F 32/99 - die am XX.XX.1988 geschlossene Ehe der Antragstellerin mit Herrn R… F… auf den am 1. Oktober 1999 zugestellten Scheidungsantrag geschieden. Die Folgesache Versorgungsausgleich wurde mit Beschluss vom selben Tage zunächst abgetrennt und mit weiterem Beschluss vom 30. März 2001 nach § 2 VAÜG ausgesetzt.

Im Juni 2021 hat das Amtsgericht das Verfahren über den Versorgungsausgleich wieder aufgenommen, neue Auskünfte eingeholt und auf der Basis dieser Auskünfte den Versorgungsausgleich geregelt. Der Antragsgegner hatte beantragt, den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit auszuschließen und dies darauf gestützt, dass die Antragstellerin am XX.XX.1997 einen Verkehrsunfall verursacht habe, in dessen Folge er mit einer dauerhaften Behinderung schwer verletzt worden sei und sodann nicht unerhebliche Einkommenseinbußen und auch Versorgungsnachteile hinzunehmen habe. Die Antragstellerin habe nach dem Unfall die gebotene eheliche Solidarität vermissen lassen und sich vielmehr einem neuen Partner zugewandt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit näheren Ausführungen zurückgewiesen. Auf die Beschlussgründe wird Bezug genommen.

Gegen die ihm am 15. September 2022 zugestellte Entscheidung hat der geschiedene Ehemann eingehend beim Amtsgericht am 29. September 2022 Beschwerde eingelegt, mit der er sein Begehren auf (vollständigen) Ausschluss des Versorgungsausgleichs unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens aus erster Instanz weiter verfolgt hat.

Die Antragstellerin hat die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung verteidigt.

Am XX.XX.2023 ist der Antragsgegner verstorben. Nach Mitteilungen der Antragstellerin und des Nachlassgerichts liegen für die Erben der ersten Ordnung, namentlich die Kinder des Antragsgegners T… F… (geboren am XX.XX.1988) und D… F… (geboren am XX.XX.1989) und des Enkelkindes M… H… (geboren am XX.XX.2013), aber auch für solche der zweiten Ordnung (hier die Schwestern des Antragsgegners) Erbausschlagungserklärungen vor, so dass das Nachlassgericht bislang keine Erben feststellen konnte.

2a.

Die gemäß §§ 58 Abs. 1 FamFG statthafte und form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG eingelegte Beschwerde des (nach Beschwerdeeinlegung verstorbenen) Antragsgegners ist zulässig.

Das Ableben des Antragsgegners nach Rechtskraft der Scheidung und vor rechtskräftiger Entscheidung über den Versorgungsausgleich hat zur Folge, dass das Versorgungsausgleichsverfahren nach § 31 VersAusglG grundsätzlich gegen dessen (bislang unbekannte) Erben fortzusetzen ist, die ihrerseits jedoch kein Recht auf Wertausgleich haben (§ 31 Abs. 1 Satz 2 FamFG), also durch die hier zu treffende Entscheidung in keiner Weise tangiert werden können. In der vorliegenden Konstellation, bei der die (ohnehin jedenfalls nicht der ersten oder zweiten Erbordnung entstammenden) Erben von der hier zu treffenden Entscheidung in eigenen Rechten in keiner Weise berührt werden, ist es deshalb gerechtfertigt, ohne weitergehende Ermittlung bzw. Feststellung der Erben und deren Beteiligung am Verfahren zu entscheiden (vgl. dazu KG, Beschluss vom 21. April 2021, Az. 18 UF 11/19 - Rdnr. 22 bei juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 19. März 2020, Az. 13 UF 636/19 – Rdnr. 7 bei juris). Außer dem überlebenden Ehegatten und den Versorgungsträgern sind (nur) Hinterbliebene des verstorbenen Ehegatten zum Verfahren hinzuzuziehen, auf deren Versorgung sich die Entscheidung auswirken kann; solche sind hier erkennbar nicht vorhanden.

b.

In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel des Antragsgegners mit dem Ziel des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs zwar ohne Erfolg, führt indes mit Blick auf sein zwischenzeitliches Ableben dazu, dass nunmehr statt des Versorgungsausgleichs der Wertausgleich nach § 31 VersAusglG vorzunehmen ist. Im Einzelnen:

(1)

Das Amtsgericht hat mit Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen für einen auch nur teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG im Streitfall nicht vorliegen, ihr - bei aller Tragik der Ereignisse bei und nach dem Unfallgeschehen - namentlich weder im Zusammenhang mit dem von ihr (allenfalls fahrlässig) verursachten Verkehrsunfall noch im Zusammenhang mit der Trennung ein derart schwer wiegendes persönliches Fehlverhalten angelastet werden kann und auch die wirtschaftliche und Versorgungs-Situation beider Ehegatten unter Berücksichtigung der Gesamtumstände einen auch nur teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht rechtfertigen. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, denen der Senat nach eigener kritischer Würdigung uneingeschränkt beitritt, wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen. Das Beschwerdevorbingen des Antragsgegners enthält keine neuen Aspekte, die zu einer abweichenden Beurteilung Anlass geben könnten; sie erschöpft sich im Kern in einer Wiederholung des Vorbringens aus erster Instanz und einer abweichenden Wertung der in die Gesamtwürdigung einzustellenden (rechts-)tatsächlichen Umstände. Mit Recht betont die Antragstellerin, dass die Beteiligten unstreitig jedenfalls bis zu dem Verkehrsunfall am XX.XX.1997 eine harmonische Ehe geführt haben und die Antragstellerin sich ebenfalls unstreitig auch noch jedenfalls für weitere sechs Monate nach dem Unfallgeschehen fürsorglich um den seinerzeit (tatsächlich allerdings nicht direkt bei dem Unfall der Antragstellerin, sondern bei der von ihm beabsichtigten Sicherung der Unfallstelle durch ein nachfolgendes Fahrzeug) schwer verletzten Antragsgegner gekümmert hat. Diese Besonderheiten der Kausalkette für die schweren gesundheitlichen Folgen auf Seiten des Antragsgegners rechtfertigen den Vorwurf eines derart schweren persönlichen Fehlverhaltens der Antragstellerin (als initiale Unfallverursacherin), das eine regelrechte Teilhabe an den in der - über die längste Zeit ihrer Dauer harmonisch geführten - Ehe wechselseitig erworbenen Versorgungsanrechten als unerträglich erscheinen ließe, nicht. Dies gilt insbesondere auch für den Vorwurf unsolidarischen, egoistischen und ehebrecherischen Verhaltens der Antragstellerin in der weiteren Folge nach dem Krankenhausaufenthalt des Antragsgegners. Die tatsächlichen Umstände, die nach den Behauptungen des Antragsgegners diesen Vorwurf tragen sollen, sind allerdings durch die Antragstellerin substantiiert und erheblich bestritten worden; dies gilt insbesondere für die Zuwendung zu einem neuen Partner, die nach ihren jedenfalls nicht unplausiblen Ausführungen erst nach der Trennung von dem Antragsgegner erfolgt sein soll. Tragfähige Feststellungen insoweit lassen sich nicht treffen; dies geht zu Lasten des Antragsgegners, der die Feststellungslast für sämtliche tatsächlichen Umstände trägt, die die grobe Unbilligkeit im Sinne von § 27 VersAusglG tragen sollen. Schließlich bieten auch die vom Amtsgericht zutreffend dargestellten und im Beschwerderechtszug nicht tauglich in Zweifel gezogenen wirtschaftlichen und versorgungsrechtlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten kein Einfallstor für eine Abweichung vom gesetzlichen Versorgungsausgleich aus Gründen der Billigkeit.

(2)

Der mit Blick auf das Ableben des Antragsgegners im laufenden Beschwerdeverfahren wegen des Versorgungsausgleichs nach § 31 Abs. 1 VersAusglG nunmehr vorzunehmende Wertausgleich führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis.

Im Wertausgleich sind nur Teilungen zugunsten des überlebenden Ehegatten, hier also der Antragstellerin, zugelassen, die jedoch nicht besser gestellt werden darf, als wenn der Versorgungsausgleich bei der Scheidung durchgeführt worden wäre, § 31 Abs. 2 VersAusglG. Daher ist ein Wertausgleich nicht vorzunehmen, wenn der überlebende Ehegatte in der Ehe insgesamt die höheren Anrechte erworben hat, was vorliegend allerdings nicht der Fall ist. Andernfalls und so auch hier beschränkt sich der Ausgleichsanspruch der überlebenden Antragstellerin auf die Hälfte der Differenz der Summe der beiderseitig erworbenen Anrechte. Bei der Ermittlung des Gesamtwertes der Anwartschaften, die bei der Scheidung auszugleichen wären, sind die Kapitalwerte der auszugleichenden Anrechte einzustellen, und zwar einschließlich der geringfügigen Anrechte im Sinne von § 18 Abs. 2 VersAusglG, bei denen der in die Gesamtbilanz als Rechnungsposten einzustellende Ausgleichswert auch nicht um die Kosten einer fiktiven Teilung des Anrechts zu vermindern ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017, Az., XII ZB 310/13 - Rdnr. 21 ff. und 26).

Die auf Grundlage der korrespondierenden Kapitalwerte zu erstellende Gesamtbilanz der Ausgleichswerte ohne Berücksichtigung von Teilungskosten ergibt folgendes Bild:

Antragstellerin:

Ausgleichswert DRV (EP Ost)  29.540,36 EUR
Ausgleichswert DRV (EP) 803,38 EUR
Ausgleichswert VBLklassik 848,75 EUR
gesamt 31.192,49 EUR

Antragsgegner:    

Ausgleichswert DRV (EP Ost) 18.966,77 EUR
Ausgleichswert Land Brandenburg 47.104,09 EUR  
gesamt   66.070,86 EUR

Die überlebende Antragstellerin ist somit insgesamt ausgleichsberechtigt nach § 31 Abs. 2 VersAusglG. Dieser Anspruch auf Wertausgleich beläuft sich - ausgedrückt in Kapitalwerten - der Höhe nach auf die Differenz der Summe der beiderseitig erworbenen auszugleichenden Anrechte, hier also auf (66.070,86 - 31.192,49 =) 34.878,37 EUR.

Sind mehrere Anrechte auszugleichen, ist gem. § 31 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG nach billigem Ermessen zu entscheiden, welche Anrechte zum Ausgleich herangezogen werden.

Nach billigem Ermessen des Senats ist allein das Anrecht des verstorbenen Antragsgegners bei dem Land Brandenburg für den Ausgleich heranzuziehen, auf das in jedem Falle zurückgegriffen werden muss, weil der Wertausgleich durch das hierfür nicht auskömmliche Anrecht des Antragsgegners in der gesetzlichen Rentenversicherung nur unvollständig vorgenommen werden kann.

Rechnet man den auszugleichenden Kapitalwert von 34.878,37 EUR in die Bezugsgröße einer monatlichen Rente um (= 34.878,37 x aktueller Rentenwert zum Ehezeitende von umgerechnet 24,69 EUR [entspricht 48,29 DM] geteilt durch den maßgeblichen Umrechnungsfaktor von 5.292,3771 EUR [entspricht 10.350,9900 DM]), ergibt sich ein Ausgleichswert von 162,71 EUR monatlich. Dieser ist gemäß § 16 VersAusglG im Wege der externen Teilung zu Lasten des Anrechts des verstorbenen Antragsgegners bei dem Land Brandenburg zum Ausgleich zu bringen; dabei war gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 VersAusglG anzuordnen, dass der Ausgleichswert in Entgeltpunkte umzurechnen ist.

Der Senat hat gem. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung entschieden, da eine mündliche Verhandlung bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1, 84 FamFG. Die Kostenaufhebung erscheint mit Blick auf den Rechtsgedanken des § 150 Abs. 1 FamFG und die schicksalhafte Wendung im laufenden Beschwerdeverfahren durch den Tod des Antragsgegners und die sich daran knüpfenden Rechtsfolgen für den Versorgungsausgleich sachgerecht.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG (19.500 DM = 9.970,19 EUR x 10 Prozent x 5 Anrechte).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.