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Gebühren für Fäkalienentsorgung


Metadaten

Gericht VG Cottbus 6. Kammer Entscheidungsdatum 17.02.2012
Aktenzeichen 6 K 519/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 6 KAG BB

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 26. April 2010 (Bescheidnummer: GB0000069101) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Fäkaliengebühren für das Jahr 2009 für das Grundstück ... in H. Durch den Beklagten erfolgte in diesem Jahr keine Entsorgung von Fäkalien von dem veranlagten Grundstück.

Mit Bescheid vom 08. Februar 2010 erhob der Beklagte Gebühren in Höhe von insgesamt 185,68 Euro. Mit Bescheid vom 26. April 2010 hob der Beklagte diesen Gebührenbescheid mit der Begründung auf, dass fehlerhaft Gebühren berechnet worden seien, obwohl im Jahr 2009 keine Fäkalienabfuhr stattgefunden habe.

Mit Bescheid vom 26. April 2010 erhob der Beklagte Grundgebühren für die Fäkalienentsorgung in Höhe von 80,30 Euro.

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2010, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers unter dem 01. Juni 2010 zugestellt, zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Fäkalienbenutzungsgebühr in Form einer Grund- und Benutzungsgebühr erhoben werde. Da im Jahr 2009 keine Fäkalienabfuhr vom Grundstück erfolgt sei, seien nur Grundgebühren festzusetzen. Die Erhebung einer solchen Grundgebühr beruhe auf der Erwägung, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Einrichtung (hier der Fäkalienentsorgung) für jedes Grundstück invariable, d.h. verbrauchsunabhängige Betriebskosten verursache. Dies rechtfertige es, diese Kosten unabhängig vom Maß der Benutzung im Einzelfall auf die Benutzer der Einrichtung zu verteilen. Dass insoweit auch Nutzer von Wochenendgrundstücken zu Grundgebühren herangezogen und diese mit Eigentümern von ganzjährig genutzten Grundstücken gleichgestellt würden, sei nicht zu beanstanden. Zudem beinhalte die Fäkalienentsorgungssatzung einen Anschluss- und Benutzungszwang für die öffentliche Fäkalienentsorgung.

Der Kläger hat am 30. Juni 2010 Klage erhoben. Zur Begründung führt im Wesentlichen aus, dass die Gebührensatzung nicht wirksam sei. Zudem werde bestritten, dass ein rechtmäßiger Anschluss- und Benutzungszwang bestanden habe. Auch leide die Gebührenkalkulation unter erheblichen Fehlern.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 26. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angegriffenen Bescheide und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Gebührenpflicht nach § 7 Abs. 1 der Fäkaliengebührensatzung bereits dann entstehe, wenn das Grundstück an die öffentliche dezentrale Abwasseranlage angeschlossen sei oder dieser von dem Grundstück Schmutzwasser zugeführt werde. Bei dem klägerischen Grundstück sei die erste Alternative einschlägig. Es liege eine wirksame Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs vor. Eine Grundgebührenerhebung sei daher gerechtfertigt unabhängig davon, ob im konkreten Abrechnungszeitraum eine Entsorgung der Grube erfolgt sei oder nicht.

Mit Beschluss vom 16. Februar 2012 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vom Beklagten eingereichten Verwaltungs- und Satzungsunterlagen und der Gerichtsakte verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

Die Kammer entscheidet ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten dieser Entscheidungsform zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO).

Die Klage hat Erfolg. Der angegriffene Gebührenbescheid vom 26. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dies erklärt sich vorliegend zum einen damit, dass der konkrete Erhebungsvorgang zu beanstanden ist, weil im betreffenden Erhebungsjahr 2009 -unstrittig- eine Fäkalienabfuhr vom klägerischen Grundstück durch den Beklagten oder durch dessen beauftragtes Entsorgungsunternehmen nicht vorgenommen worden ist. Dies gilt dann, wenn der Gebührentatbestand in § 1 Abs. 2 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Fäkalienentsorgung über die öffentliche dezentrale Schmutzwasserentsorgungsanlage des Wasser- und Abwasserzweckverbandes vom 24. September 2009 (gemäß § 15 rückwirkend in Kraft zum 01. Januar 2007) geregelt und -deshalb- die Satzung wirksam ist, wovon die Kammer in mehreren Urteilen -zu der insoweit inhaltsgleichen Fäkaliengebührensatzung 2005- ausgegangen ist (u.a. Urteil der Kammer vom 22. November 2006 -6 K 1091/04-, dort Seite 9 zum Gebührentatbestand). In dem Urteil heißt es: " Die FGS 2005 enthält sämtliche gemäß § 2 Abs. 1 KAG erforderlichen Mindestbestandteile einer Abgabensatzung. So regelt sie in § 1 Abs. 2 hinreichend konkret den Gebührentatbestand, indem sie bestimmt, dass Benutzungsgebühren für die Entleerung, Abfuhr, Behandlung und Beseitigung der Anlageninhalte aus Grundstückskläreinrichtungen erhoben werden." Hiervon ausgehend erfüllt der Kläger für das streitgegenständliche Erhebungsjahr aber nicht den Gebührentatbestand, wie er in § 1 Abs. 2 der Fäkaliengebührensatzung seinen Niederschlag gefunden hat. Denn dieser ist nur dann erfüllt, wenn im betreffenden Erhebungsjahr eine Entleerung, Abfuhr, Behandlung und Beseitigung der Anlageninhalte aus Grundstückskläreinrichtungen erfolgt wäre. Hieran fehlt es aber, wenn -was unstreitig ist- im Jahr 2009 keine Fäkalienabfuhr stattgefunden hat. Dass dann § 1 Abs. 2 Fäkaliengebührensatzung sowohl für die Mengen- (im Sprachgebrauch der Satzung: Beseitigungsgebühr) und für die Grundgebühr Geltung beansprucht und dessen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, kann ebenfalls nicht zweifelhaft sein. Denn nach § 1 Abs. 3 FäkGS wird die Benutzungsgebühr in Form einer Grund- und Beseitigungsgebühr erhoben.

Die angegriffene Gebührenfestsetzung ist aber auch dann rechtswidrig, wenn man -wie der Beklagte meint- in § 7 Abs. 1 FäkGS die Regelungen zum Tatbestand erblickt und dessen in der 1. Alternative normierte Voraussetzungen als erfüllt ansieht. Denn sollte nicht § 1 Abs. 2 sondern § 7 Abs. 1 FäkGS den Gebührentatbestand regeln, dann erweist sich -jedenfalls- § 7 Abs. 1 erste Alternative FäkGS als nichtig.

§ 7 Abs. 1 FäkGS hat insoweit folgenden Wortlaut:

"Die Gebührenpflicht entsteht, sobald das Grundstück an die öffentliche dezentrale Abwasseranlage (Fäkalienentsorgung) angeschlossen ist oder der dezentralen öffentlichen Abwasseranlage (Fäkalienentsorgung) von dem Grundstück Schmutzwasser zugeführt wird".

Eine Tatbestandsregelung, die im Bereich der dezentralen Entsorgung bereits allein den Anschluss an die dezentrale Abwasserentsorgungsanlage (wie er durch einen wirksam angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang vermittelt sein könnte) genügen lässt, ist mit dem Wesen einer Benutzungsgebühr, wie es sich aus § 6 KAG ergibt, nicht vereinbar. Zwar ist eine Satzungsregelung, die die Erhebung einer Grundgebühr bereits im Sinne einer tatsächlichen Vermutung bzw. Fiktion der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung für den Fall der Einleitung des Abwassers in die Grubenentwässerungsanlage vorsieht, jedenfalls zulässig, wenn ein Anschlusszwang für die Fäkalienentsorgung begründet worden ist, der den Betroffenen verpflichtet, sein Grundstück an die öffentliche Abwasserbeseitigung anzuschließen, da dann im Regelfall eine auf die tatsächliche Inanspruchnahme verdichtete entsprechende Vermutung besteht, weil die Entsorgung zwingend durch den Träger der Einrichtung zu erfolgen hat und demzufolge die Inanspruchnahme der Einrichtung konkret absehbar ist (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 27. März 2002 -2 D 46/99.NE-, veröffentlicht in Juris). Allerdings genügt für die Mengen- oder Arbeitsgebühr die satzungsgemäße Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs nicht. Voraussetzung für die Erhebung einer Benutzungsgebühr nach § 6 KAG ist grundsätzlich, dass tatsächlich eine Benutzung stattgefunden hat. Befolgt der Verpflichtete den Anschluss- und Benutzungszwang nicht, muss der Beseitigungspflichtige den Zwang im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzen, wenn er wegen der Benutzung der Einrichtung Gebühren erheben will. Ohne die Durchsetzung des Zwanges kann jedenfalls hinsichtlich der Arbeitsgebühr nicht von einer Inanspruchnahme ausgegangen werden (vgl. OVG für das Land Brandenburg, a.a.O.).

Ein wirksam angeordneter Anschluss- und Benutzungszwang kann daher allenfalls die Inanspruchnahme der mit der Grundgebühr abgegoltenen Vorhalteleistungen begründen. Eine Mengengebühr, die ihrem Wesen nach gerade für die tatsächliche Behandlung des Fäkalwassers oder des Fäkalschlamms anfällt, kann dementsprechend nicht an den Tatbestand der Einleitung von Schmutzwasser in die eigene Abwassersammelgrube oder sonstige Grundstücksentwässerungsanlage des Grundstückseigentümers anknüpfen, weil zu diesem Zeitpunkt im Ungewissen liegt, wann und (vor allem) ob es zu einer kostenauslösenden Abwasserbehandlung kommen wird (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. nur Urteil der Kammer vom 29. Juni 2010 -6 K 694/09-; auch: VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 05. Oktober 2007 -5 K 1106/03-;Kluge in: Becker u.a., KAG Bbg, Komm., § 6 Rn. 156 m.w.N.).

Hiervon ausgehend ist eine Tatbestandsregelung in der Form des § 7 Abs. 1 1. Alternative FäkGS unwirksam, da sie eine Inanspruchnahme der dezentralen öffentlichen Abwasserentsorgung einheitlich für die Mengen- und Grundgebühr schon dadurch fingiert, dass das Grundstück an die öffentliche dezentrale Fäkalienentsorgung angeschlossen ist und das Bestehen eines durch den Anschluss- und Benutzungszwangs vermittelten Anschlusses nicht allein für die Grundgebühr genügen lässt, sondern dies auf sämtliche Fäkaliengebühren und damit auch auf die Mengen- bzw. Beseitigungsgebühr erstreckt. Die Regelung in § 7 Abs. 1 FäkGS lässt sich auch nicht dahingehend auslegen, dass § 7 Abs. 1 1. Alternative FäkGS allein den Tatbestand für die Grundgebühr enthalten könnte und § 7 Abs. 1 2. Alternative FäkGS für die Mengen- bzw. Beseitigungsgebühr Geltung beansprucht. Denn § 7 Abs. 1 FäkGS spricht allgemein davon, dass die Gebührenpflicht entsteht, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass sich dies lediglich bei der 1. Alternative ausschließlich auf die Grundgebühr bzw. bei der 2. Alternative auf die Mengengebühr bezieht, lässt sich § 7 Abs. 1 FäkGS ebenso wenig entnehmen, wie anderen Satzungsbestimmungen.

Offen bleiben kann, ob die Unwirksamkeit der Regelung in § 7 Abs. 1 1. Alternative FäkGS, soweit -mit dem Beklagten- in ihr die Bestimmungen zum Gebührentatbestand enthalten sind, die Gesamtnichtigkeit der Gebührensatzung zur Folge hätte. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (vgl. allgemein zur Heranziehung des § 139 BGB auf Abgabensatzungen etwa BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1978 – VII C 44.76 zitiert nach juris; vgl. auch OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 11. Dezember 1997 – 2 A 135/97 – m.w.N., Urteil vom 14. Juli 2000 - 2 D 27/00.NE - S. 9 EU; Urteil vom 22. Mai 2002 - 2 D 78/00.NE - KStZ 2003, 233 -insoweit nicht abgedruckt S. 20 f. EU) führt die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung insoweit dann nicht zu deren Gesamtnichtigkeit, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil eine selbständige Bedeutung behält und sinnvoll bleibt (Grundsatz der objektiven Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers) (vgl. BVerwG und OVG für das Land Brandenburg, jeweils a.a.O.).

Lägen hiernach die Voraussetzungen einer Teilnichtigkeit nicht vor, würde dies zur Folge haben, dass § 7 Abs. 1 FäkGS insgesamt nichtig wäre. Dies wiederum würde die Gesamtnichtigkeit der Satzung wegen Fehlens eines notwendigen Mindestbestandteils einer kommunalrechtlichen Abgabensatzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG nach sich ziehen, wonach die Satzung mindestens den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie den Zeitpunkt der Fälligkeit angeben muss. Die streitgegenständliche Gebührenerhebung würde mithin mangels einer nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage rechtswidrig sein.

Sollte hingegen lediglich die (Tatbestands-)Regelung in § 7 Abs. 1 1. Alternative FäkGS nichtig sein und im Übrigen § 7 Abs. 1 2. Alternative wirksam bleiben, wäre die Gebührensatzung -vorbehaltlich weiterer Prüfung- zwar nicht wegen Fehlens eines notwendigen Mindestbestandteils insgesamt nichtig. Gleichwohl wäre dann die hier streitgegenständliche Gebührenfestsetzung im Bescheid vom 26. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 rechtswidrig, weil mangels eines im Jahr 2009 erfolgten Fäkalienabtransports vom klägerischen Grundstück die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 2. Alternative FäkGS nicht vorliegen; diese Bestimmung setzt nämlich voraus, dass der dezentralen öffentlichen Abwasseranlage (Fäkalienentsorgung) von dem Grundstück Schmutzwasser zugeführt wird, woran es im maßgeblichen Erhebungsjahr gerade gefehlt hat.

Angesichts dessen bedarf die Frage, ob § 1 Abs. 2 FäkGS oder § 7 Abs. 1 FäkGS die Regelungen zum Gebührentatbestand enthalten, keiner abschließenden Klärung. Sollte -wie dargelegt- in § 1 Abs. 2 FäkGS der Tatbestand normiert sein, liegen dessen Voraussetzungen nicht vor. Sollte § 7 Abs. 1 FäkGS die maßgeblichen Bestimmungen enthalten, könnte die streitgegenständliche Gebührenerhebung hierauf ebenfalls nicht gestützt werden. Die Regelung in § 7 Abs. 1 1. Alternative wäre (teil-)nichtig; die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 2. Alternative liegen mangels eines Abtransports von Fäkalien im Jahr 2009 nicht vor. Die streitgegenständliche Gebührenerhebung kann auch nicht auf andere satzungsrechtliche Grundlage gestützt werden. Sämtliche Fäkaliengebührensatzungen des Wasser- und Abwasserzweckverbandes beinhalten in § 1 Abs. 2 bzw. § 7 Abs. 1 inhaltsgleiche Regelungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).